TE OGH 2010/9/14 1Ob143/10a

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Veröffentlicht am 14.09.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann, Dr. Musger und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Steinacher & Partner Rechtsanwalt GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei Eigentümergemeinschaft der EZ *****, Grundbuch *****, vertreten durch Stock & Fitzal Rechtsanwälte OG in Zell am See, wegen Feststellung und Unterlassung (Gesamtstreitwert 32.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 31. Mai 2010, GZ 2 R 201/09f-14, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 29. Juli 2009, GZ 4 Cg 109/08f-10, bestätigt wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen haben als

Teilurteil

zu lauten:

„Das Klagebegehren, es werde mit Wirkung zwischen der klagenden Partei und der beklagten Partei festgestellt, dass ein Wasserbezugsvertrag zwischen Maria S*****, Mag. Miguel S*****, und/oder der R***** Handelsgesellschaft mbH und der beklagten Partei nicht besteht, wird abgewiesen.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten.“

Im Übrigen werden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin betreibt eine private Trinkwasserversorgungsanlage in einem Ortsteil einer Salzburger Gemeinde. Die Rechtsbeziehung zwischen den Streitteilen geht auf einen zwischen den jeweiligen Rechtsvorgängerinnen am 17. 5. 1972 geschlossenen Vertrag zurück. Darin verpflichteten sich die Wasserbezieher, neben einer einmaligen Wasseranschlussgebühr von 152.000 S laufend die laut Wasseruhr bezogene Wassermenge zu bezahlen. Als Wasserzins pro Liter wurde jener Betrag vereinbart, der jeweils von der Stadtgemeinde Z***** für ihr Stadtgebiet vorgeschrieben wird. Der Grund für die Errichtung der privaten Trinkwasserversorgungsanlage war, dass die Familie S***** im Ortsteil H***** umfangreichen Grundbesitz hatte, den sie für eine touristische Entwicklung dieses Ortsteils nutzbar machen wollte. Da die Gemeinde in dieses Gebiet nicht investieren wollte oder konnte, entschloss sich Maria S*****, die Mutter des Geschäftsführers der Klägerin, sowohl eine Trinkwasserversorgungsanlage aufzubauen als auch Straßen zu errichten. Beabsichtigt war die gewinnbringende Veräußerung des eigenen Grundvermögens und auch die Hebung der Kundenfrequenz für zwei Liftanlagen, die ebenfalls von der Familie S***** bzw einer Gesellschaft, an der sie beteiligt war, gebaut wurden. Ein Zuzug von Personen, die H***** zu ihrem Hauptwohnsitz machten, war nicht möglich, deshalb setzte man auf Zweitwohnsitze und Gäste in Beherbergungsunternehmen.

Ca 90 % der Wasserversorgung von H***** erfolgt durch die Klägerin. Einige Objekte verfügen über einen eigenen Brunnen, zwei kleinere Wasserversorgungsanlagen versorgen jeweils ein Appartementhaus und mehrere Einzelhäuser und Pensionen. Im Nahbereich der aus 18 Ferienwohnungen bestehenden Appartementanlage der Beklagten befindet sich keine andere Wasserversorgungsanlage.

Der überwiegende Teil der von der Klägerin mit Wasser versorgten Liegenschaften stammt flächenmäßig aus dem Gutsbestand der Familie S*****. Etwa 50 % der Zweitwohnsitze - sowohl Appartements als auch Einzelhäuser - wurden auf Grundstücken geschaffen, die die Familie S***** verkauft hatte. Anlässlich der Verkäufe der Grundstücke wurden die jeweiligen Käufer verpflichtet, das Wasser ausschließlich von Maria S***** oder deren Rechtsnachfolgern zu beziehen. Die Wasserversorgungsanlage liegt ausschließlich im ländlichen Raum, es gibt ein im Verhältnis zu den Anschlüssen weitläufiges Versorgungsnetz. 78 % der 187 Anschlüsse entfallen auf Zweitwohnsitze, 144 auf Privatkunden, 20 auf Appartementhäuser und 23 auf (im Wesentlichen Beherbergungs-)Gewerbebetriebe. Letztere nehmen etwas mehr als 60 % des Wassers ab, Privatkunden mehr als 20 %, Appartementhäuser ca 17 %. Das Objekt der Beklagten ist eines von 19 Appartementhäusern. Der durchschnittliche Verbrauch der Appartementhäuser betrug 2006 413,74 m³, das Appartementhaus der Beklagten verbrauchte in den letzten Jahren durchschnittlich 320 m³ (weniger als 20 m³/Appartement).

In der Anfangszeit nach Errichtung der Wasserversorgungsanlage ab den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts erstellte die Familie S***** keine Kalkulation über den wirtschaftlichen Betrieb einer derartigen Anlage. In den ersten Wasserbezugsverträgen der 60er und der frühen 70er Jahre war neben einer einmaligen Anschlussgebühr ein Wasserzins entsprechend dem tatsächlichen Verbrauch zu den jeweils gültigen Tarifen der Stadtgemeinde Z***** zu zahlen. Erst Mitte der 70er Jahre wurde auf Anraten eines Steuerberaters eine Mindestabnahme von 200 m³ pro Einheit und Jahr in die Verträge aufgenommen. Ab dem Jahr 1981 eine solche von 350 m³. Der Wassertarif der Stadtgemeinde Z***** stieg seit den 60er Jahren kontinuierlich. 2001 lag er bei 91 Cent, 2007 bei 1,14 EUR. Die Beklagte bezahlte diesen Wasserzins halbjährlich.

Am 11. 3. 2004 brachte die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte eine Verbandsklage gegen die damalige Betreiberin der Trinkwasserversorgungsanlage ein, in der sie diverse Klauseln der aktuellen Wasserbezugsverträge als unzulässig anfocht. Als Ergebnis dieses Verfahrens wurde der Rechtsvorgängerin der Klägerin unter anderem verboten, den Bezugsberechtigten die Errichtung eines eigenen Brunnens zu untersagen, den Wasserzins entsprechend den wirtschaftlichen Gegebenheiten zu erhöhen und eine Mindestabnahmemenge pro Wohneinheit von 350 m³ pro Jahr vorzuschreiben. Damit war es der Klägerin verwehrt, als Ausgleich zu den - aus ihrer Sicht - ungünstigeren Altverträgen in Neuverträgen für sie günstigere Bedingungen zu diktieren. Sie erklärte daraufhin im Oktober 2007 die Aufkündigung sämtlicher bestehender Wasserbezugsverträge zum 31. 7. 2008 und bot den Wasserbeziehern den Abschluss neuer Verträge zu geänderten Bedingungen (Mindestabnahmemenge von 150 m³ pro Jahr und Wohnung/Haushalt zu einem Wasserzins von 1,74 EUR/m3) an. Die Beklagte verweigerte den Abschluss eines neuen Vertrags zu geänderten Bedingungen.

Die Klägerin schloss das Rumpfgeschäftsjahr 2007 ebenso wie das Geschäftsjahr 2008 mit Verlust ab. Dazu trugen ein erheblicher Aufwand für Rechtsberatung und Gutachterkosten sowie eine Wertberichtigung bei noch offenen Kundenforderungen bei (im Zusammenhang mit der angefochtenen Mindestabnahmemenge).

Hauptthema des Revisionsverfahrens ist die Zulässigkeit dieser „Änderungskündigung“.

Die Klägerin brachte vor, die Aufrechterhaltung des 1942 geschlossenen Vertrags sei nicht mehr zumutbar. Ohne eine Bereitstellungsgebühr in Form der Mindestabnahmemenge könne der Betrieb nicht mehr kostendeckend geführt werden, es drohe die Insolvenz, was als wichtiger Grund die (außerordentliche) Änderungskündigung sämtlicher Verträge rechtfertige. Die Kostenstruktur der Wasserversorgungsanlage sei ausgesprochen ungünstig, weil das Versorgungsnetz auf den Spitzenwasserbezug insbesondere zu den Feiertagen hin ausgelegt werden müsse; aufgrund der hohen Anzahl von Zweitwohnungsbesitzern sei der gesamte tatsächliche Wasserverbrauch jedoch nur gering. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses 1972 sei die weitere Aufschließung des Gebiets nicht vorhersehbar gewesen, die Erwartung der 60er Jahre (Schigebiet mit überwiegend Hotelbauten und Gastronomie) habe sich nicht erfüllt. Darüber hinaus habe sich - ebenfalls unvorhersehbar- die Wasserversorgung durch die ständige Verschärfung der technischen und hygienischen Vorschriften wesentlich verteuert. Unabhängig vom Vorliegen eines wichtigen Grundes könne das Dauerschuldverhältnis auch unter Setzung einer angemessenen Frist von mehr als 9 Monaten ordentlich gekündigt werden.

Die Beklagte wendete ein, das Wasserversorgungsunternehmen habe den Vertrag selbst ausgestaltet und dabei den Wasserzins der Stadtgemeinde Z***** offensichtlich als angemessen betrachtet. Dass im Versorgungsgebiet relativ viele Zweitwohnungen liegen, sei von den Rechtsvorgängern der Klägerin geradezu gefördert worden. Das Objekt der Beklagten werde mit einer einzigen Hauptwasserleitung versorgt, was den gleichen Erhaltungsaufwand erfordere wie die Aufschließung eines Grundstücks mit einem Einfamilienhaus. Die Belastung jedes einzelnen von 18 Appartements mit einer Mindestabnahmemenge von 150 m³ wäre gegenüber den Besitzern von Einfamilienhäusern völlig unproportional. Die Beklagte habe keine andere Möglichkeit des Wasserbezugs, die Erklärung der Vertragsauflösung durch die Klägerin bedeute ein rechtsmissbräuchliches Diktat neuer Bedingungen und eines höheren Wasserzinses.

Das Erstgericht verneinte ein ordentliches sowie ein außerordentliches Kündigungsrecht. Derartige Versorgungsverträge mit einem Monopolisten würden einer erhöhten Bestandgarantie unterliegen und könnten keineswegs jederzeit gekündigt werden. Es wäre zweifelsfrei wünschenswert, wenn sämtliche Abnehmer einer Wasserversorgungsanlage die gleichen Bedingungen vorfinden würden. Der von der Klägerin immer wieder ins Spiel gebrachte Gleichheitsgrundsatz stehe allerdings dem privatrechtlichen Grundsatz „pacta sunt servanda“ gegenüber. Ein Abnehmer, mit dem ein Altvertrag bestehe, sei daher nicht verpflichtet, eine Verschlechterung seiner Vertragsbedingungen im Nachhinein zu akzeptieren. Die von der Klägerin angestrebte Änderungskündigung würde im konkreten Fall dazu führen, dass ein einzelner Wohnnungseigentümer die siebenfache Menge Wasser bezahlen müsste, als er verbrauche. Dazu komme, dass sich die Beklagte aufgrund der Monopolstellung der Klägerin den Wasserversorger nicht aussuchen könne. Die Wasserversorgung sei in den 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Voraussetzung für den Abverkauf von Grundstücken und den Betrieb von Liften gewesen. Die Verkäuferin und Betreiberin der Wasserversorgungsanlage habe daher nicht nur an den eingenommenen Anschlussgebühren und dem vereinbarten Wasserzins verdient, sondern auch an den Grundstücksverkäufen und den Gewinnen der von ihr bzw mit ihrer Beteiligung betriebenen Liftanlagen. Es sei daher nicht angebracht, nach Herauslösung der Wasserbetriebsanlage in eine eigene Gesellschaft eine Wirtschaftlichkeitsberechnung anzustellen, die man damals unterlassen hätte. Die Notwendigkeit einer ständigen Erweiterung und Wartung der Anlage sei von vornherein abzusehen gewesen ebenso das Problem, dass ein nur wenige Wochen im Jahr benutzter Zweitwohnsitz wesentlich weniger Wasser verbrauche als ein Hauptwohnsitz oder ein in der Saison mehrmals belegtes Hotelzimmer. Gerade die Rechtsvorgänger der Klägerin hätten das Entstehen von Zweitwohnungen jedoch durch eigene Grundverkäufe herbeigeführt. Ebenso wenig wie die unterlassene wirtschaftliche Kalkulation könne die nicht realisierte Hoffnung in die touristische Entwicklung der Beklagten angelastet werden. Die Verschärfung der technischen und hygienischen Bestimmungen für Wasserleitungen im Lauf der Jahre sei ebenfalls keine Überraschung. Dieser Umstand betreffe nicht nur private Wasserversorger, sondern auch die Kommunen. So habe sich auch der Wasserzins der Gemeinde Z***** seit dem Abschluss des Vertrags erheblich erhöht.

Das Berufungsgericht teilte die Auffassung des Erstgerichts, bestätigte daher dessen die Klage abweisende Entscheidung und ließ die Revision zu. Die in den Verträgen übernommene Verpflichtung der Käufer, das gesamte für die Bauwerke benötigte Wasser ausschließlich von einem Wasserversorgungsunternehmen mit Monopolstellung zu den von diesem aufgestellten Bedingungen zu beziehen und die - mangels einer anderen Wasserversorgungsanlage im Nahbereich - Abhängigkeit von der Wasserversorgung durch die Klägerin sprechen für die Vereinbarung, die freie Kündbarkeit ohne Angaben von Gründen nicht zuzulassen. Dauerschuldverhältnisse könnten jederzeit durch außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund beendet werden, wenn die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zumutbar sei. Dabei sei ein strenger Maßstab anzulegen. Gründe, die schon bei Vertragsabschluss vorhersehbar gewesen seien, oder Veränderungen, welche die Parteien offensichtlich in Kauf genommen hätten, könnten eine vorzeitige Auflösung nicht rechtfertigen. Je eher solche Umstände im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorhersehbar gewesen seien und je mehr sie in die Sphäre der nun auflösungswilligen Partei fielen, umso größer sei der Stellenwert der Stabilität der Vertragsbindung und wären die Anforderungen an die Gewichtigkeit der behaupteten Auflösungsgründe höher. Die unzutreffende Einschätzung der touristischen Entwicklung und das Unterlassen einer Rentabilitätsberechnung bei Abschluss dieses Vertrags im Jahr 1972 seien der Sphäre der (auflösungswilligen) Klägerin zuzurechnen, deren Rechtsvorgänger durch den Verkauf von Grundstücken zur Errichtung von Appartementhäusern zu der behaupteten unwirtschaftlichen Versorgung von Zweitwohnsitzen beigetragen hätte. Die von der Klägerin behaupteten unerwarteten Aufwendungen im Zusammenhang mit behördlichen Auflagen und die rechtliche Weiterentwicklung durch Gesetzgebung und Judikatur seien der neutralen Sphäre zuzurechnen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig und teilweise mit dem Aufhebungsantrag berechtigt.

Die Klägerin begehrte unter anderem die Feststellung, dass ein Wasserbezugsvertrag zwischen Dritten und der Beklagten nicht bestehe. Wie bereits das Berufungsgericht überzeugend dargelegt hat, ergibt sich aus der von der Klägerin ja behaupteten und von der Beklagten auch nicht bestrittenen Überbindung von Rechten und Pflichten aus dem 1972 geschlossenen Wasserbezugsvertrag auf die Klägerin eindeutig, dass eine Wasserbezugsvereinbarung mit diesen Dritten als Rechtsvorgängern der Klägerin nicht mehr bestehen kann. Ansonsten wäre auch unverständlich, woraus die Klägerin ihre Berechtigung ableitet, ein Vertragsverhältnis aufzukündigen, das nicht ausschließlich mit ihr, sondern mit anderen Personen bestehen soll. Eine Vertragsübernahme ist ja dadurch gekennzeichnet, dass mit der Überbindung sämtlicher Rechten und Pflichten aus diesem Vertrag einschließlich der Gestaltungsrechte der Übernehmer anstelle des bisherigen Vertragspartners in den Vertrag eintritt (Neumayr in KBB2 § 1406 Rz 5 mwN). Die Abweisung dieses Feststellungsbegehrens erweist sich daher als jedenfalls berechtigt und ist mit Teilurteil zu bestätigen.

Der Wasserbezugsvertrag wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen und enthielt - was unstrittig ist - keine Regelung zu Mindestbindungsfristen, Kündigungsterminen oder Kündigungsfristen. Richtig ist nun, dass mangels einer gegenteiligen Vereinbarung die freie Kündbarkeit eines derartigen Dauerschuldverhältnisses - und zwar unter Setzung einer angemessenen Frist - die Regel ist. Entscheidend ist aber immer die nach der Auslegungsregel des § 914 ABGB zu erforschende Parteienabsicht, die unter Umständen auch darauf gerichtet sein kann, die freie Kündbarkeit ohne Angabe von Gründen nicht ohne weiteres zuzulassen (RIS-Justiz RS0018924).

Im konkreten Fall ist die monopolartige Stellung der Klägerin ein wesentlicher Faktor bei der Beurteilung der Frage nach dem Zweck des Vertrags, der das maßgebliche Kriterium für die Absicht der Parteien darstellt, die freie Kündbarkeit auszuschließen (3 Ob 103/08f mwN). Die Klägerin bezweifelt nicht ihre Verpflichtung als Art Monopolistin, in ihrem Versorgungsgebiet Wasserversorgungsverträge zu angemessenen Bedingungen abzuschließen (RIS-Justiz RS0030805), sie rechtfertigt aber die ordentliche Kündigung mit der in den letzten Jahren eingetretenen Unwirtschaftlichkeit eines Wasserbezugs durch Zweitwohnungsbesitzer ohne Verpflichtung einer Mindestabnahmemenge, also einer Versorgung zu nunmehr unangemessenen Bedingungen, was nicht von der Parteienabsicht umfasst gewesen sein könnte. Dabei vernachlässigt sie in ihren Argumenten die bei Vertragsabschluss vorhandene Interessenlage auf Seiten der Abnehmer, die bei Kauf der Grundstücke zum Abschluss von Wasserversorgungsverträgen mit der Verkäuferin bzw Rechtsvorgängerin der Klägerin praktisch gezwungen waren, und zwar zu den vom Wasserversorgungsunternehmen zum damaligen Zeitpunkt (1972) im Rahmen des Gesamtkonzepts (Schaffung eines Tourismusgebiets samt entsprechenden Einnahmequellen durch Grundstücksverkäufe und Errichtung bzw Betrieb von Schiliften) als angemessen angesehenen Bedingungen (unter anderem Anschlusspreis von 152.000 S, „Exklusivbezug“). Ein jederzeit auszuübendes unbedingtes ordentliches Kündigungsrecht wäre aus der damaligen Sicht keine wirtschaftlich vernünftige Lösung gewesen. Für das Wasserversorgungsunternehmen konnten sich die getätigten Investitionen bei einem kurzfristigen Bestand des jeweiligen Versorgungsvertrags keinesfalls rentieren. Für die Abnehmerin war die Ausübung eines ordentlichen Kündigungsrechts deshalb nicht von Vorteil, weil - abgesehen vom Verlust des Anschlusspreises - sich im Nahbereich der Liegenschaft der Beklagten keine andere Wasserversorgungsanlage befindet und der Wasserbedarf - soferne keine eigene Wasserquelle vorhanden ist - nur über die Rechtsvorgängerin der Klägerin gedeckt werden konnte (vgl dazu die im Verbandsprozess ergangene Entscheidung 1 Ob 224/06g). Dass auf den verkauften Grundstücken Appartementanlagen mit Ferienwohnungen errichtet werden sollten, war den damaligen Verkäufern auch bekannt, sie haben diese Entwicklung sogar selbst gefördert. Es wäre daher Sache der Rechtsvorgängerin der Klägerin gewesen, die Wirtschaftlichkeit des Wasserbezugs durch Zweitwohnsitze mit bekanntermaßen geringeren Nutzungsmengen durch eine zulässige Mindestabnahmemenge sicherzustellen, wie dies ab Mitte der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts auch der Fall war.

Der Klägerin geht es letztlich darum, die für sie ungünstigen Altverträge zu beenden, um über das ordentliche Kündigungsrecht mit denselben Abnehmern neue Verträge zu für das Versorgungsunternehmen günstigeren Bedingungen abzuschließen, was sie selbst gar nicht in Abrede stellt. Den Abnehmern bliebe aber mangels anderweitiger Versorgungsmöglichkeit gar keine Wahl, als neue Verträge abzuschließen und dann ein Vielfaches als bisher für den Wasserbezug, dessen Bedeutung für die Benutzung einer Wohnung evident ist, zu zahlen. Die Vereinbarung eines solchen Kündigungsrechts zu Gunsten eines Wasserversorgungsunternehmens mit Monopolstellung würde bedeuten, dass dieses nach dem Willen der Parteien seine faktische Übermacht zu Lasten der Abnehmer ausspielen kann, was nach der Judikatur einem Monopolisten allgemein verwehrt bleiben soll (RIS-Justiz RS0110808; vgl RS0018306). Diese ungleiche Gewichtung der jeweiligen Rechtsposition (Monopolist gegen Abnehmer) im Fall eines (auch) zu Gunsten des Unternehmens vereinbarten ordentlichen Kündigungsrechts zeigt sich eben insbesondere darin, dass das Versorgungsunternehmen kaum mit der ordentlichen Kündigung des Wasserbezugsvertrags durch den jeweiligen Abnehmer rechnen musste, zumal ein Abnehmer einen nach damaligen Verhältnissen sehr hohen Anschlusspreis zahlen musste.

Das Argument der Klägerin zur Unzulässigkeit einer ewig andauernden Vertragsbindung überzeugt deshalb nicht, weil ein zeitlich unbeschränkter Verzicht auf das ordentliche Kündigungsrecht eine Auflösung des Vertragsverhältnisses ja nicht überhaupt ausschließt (Iro in KBB2 § 1116 Rz 2; RIS-Justiz RS0018368). Haben die Vorinstanzen aufgrund des Geschäftszwecks, der nach den Verhältnissen im Jahr 1972 zu beurteilen ist, eine Vereinbarung über einen Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts des Wasserversorgungsunternehmens angenommen, so ist das kein bedenkliches Auslegungsergebnis.

Ein außerordentliches Kündigungsrecht setzt einen wichtigen Grund voraus, der die Voraussetzung des Vertragsverhältnisses für die Klägerin unzumutbar machen würde (RIS-Justiz RS0027780). Wie schon das Berufungsgericht an sich zutreffend ausgeführt hat, müssen die der Rechtsvorgängerin der Klägerin unterlaufene Fehleinschätzung der wirtschaftlichen bzw touristischen Entwicklung sowie die bei Abschluss des betroffenen Altvertrags unterlassene wirtschaftliche Kalkulation, die der Sphäre des Unternehmens zuzuordnen sind, nicht unbedingt eine Vertragsauflösung aus wichtigem Grund rechtfertigen. Immerhin schließt die Beteiligung am Geschäftsleben bei freier Marktwirtschaft ein spekulatives Element mit ein, dessen Folgen nicht auf den Vertragspartner überwälzt werden können (6 Ob 59/00w = SZ 73/180 mwN). Dasselbe gilt für die Änderung der Rahmenbedingungen durch Verschärfung hygienischer und technischer Vorschriften zu Wasserleitungen, die nicht einseitig zu Lasten des anderen Vertragspartners gehen können.

Das bedeutet aber nicht, dass ein Versorgungsunternehmen (selbst wenn es Monopolstellung hat) die Versorgung aufgrund der Altverträge fortsetzen muss, wenn das gesamte Unternehmen aus diesem Grund nur mehr defizitär geführt werden kann (1 Ob 524/85). Anders formuliert: Ein Unternehmen muss nicht erst in Insolvenz verfallen, um unwirtschaftlich gewordene Dauerschuldverhältnisse, die zur negativen wirtschaftlichen Entwicklung geführt haben, auflösen zu können. Genau eine solche Gefahr behauptet aber die Klägerin in ihrem Vorbringen, aufgrund des Fortbestands der Altverträge vom wirtschaftlichen Ruin bedroht zu sein bzw den Betrieb nur wirtschaftlich führen zu können, wenn in sämtlichen Waserbezugsverträgen eine Mindestabnahmemenge von 150 m³ und ein höherer Wasserzins vereinbart werden. Die Einstellung der Wasserversorgung wegen Unwirtschaftlichkeit derselben läge nun keinesfalls im Interesse der jeweiligen Abnehmer, also auch nicht der Beklagten. Das Erstgericht hat zwar für das Rumpfgeschäftsjahr 2007 und für das Geschäftsjahr 2008 - ziffernmäßig nicht konkretisierte - Verluste festgestellt, was aber noch nichts darüber aussagt, ob der Fortbestand der Altverträge ohne Mindestabnahmemenge dieses negative Ergebnis verursacht hat. Im fortgesetzten Verfahren wird daher das Erstgericht konkrete Feststellungen zu treffen haben, ob das Unternehmen der Klägerin aufgrund der ungünstigen Altverträge defizitär arbeitet und das Aufrechterhalten des Betriebs zu den derzeitigen Bedingungen wirtschaftlich nicht zu rechtfertigen ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich jeweils auf § 52 ZPO.

Textnummer

E95159

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0010OB00143.10A.0914.000

Im RIS seit

20.10.2010

Zuletzt aktualisiert am

19.07.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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