TE OGH 2010/9/30 13Os91/10x

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Veröffentlicht am 30.09.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat am 30. September 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Lässig, Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Saadati als Schriftführerin in der Strafsache gegen Markus F***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 3 SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 5. Jänner 2010, GZ 22 Hv 1/10m-27a, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Mag. Sauter, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, in der Nichtvornahme der rechtlichen Unterstellung

a) der vom Schuldspruch B erfassten Taten unter § 28a Abs 3 SMG und

b) der vom Schuldspruch C/1 und C/2 erfassten Taten nach § 27 Abs 2 SMG,

demgemäß auch im Strafausspruch einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung (nicht aber im Einziehungserkenntnis), aufgehoben und hinsichtlich der vom Schuldspruch C/1 und C/2 erfassten Taten zu Recht erkannt:

Markus F***** hat durch die zu C/1 genannten Taten Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG und durch die zu C/2 genannten Taten Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 2 SMG begangen.

Im Umfang der vom Schuldspruch B erfassten Taten und zur Strafneubemessung unter Einschluss der Schuldsprüche A sowie C/1 und C/2 wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Markus F***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 3 SMG (A), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall SMG, § 15 StGB (B) sowie jeweils (richtig:) mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (C/1) und nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG (C/2) schuldig erkannt.

Danach hat er in Innsbruck, Fritzens und an anderen Orten Österreichs vorschriftswidrig Suchtgift

(A) zwischen Mai 2008 und September 2008 in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge übersteigenden Menge (großen Menge) anderen überlassen, indem er insgesamt 4,5 kg Marihuana mit einem THC-Gehalt von 12,1 % an namentlich nicht bekannte Personen verkaufte;

(B) in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge (§ 28b SMG)

1) zwischen Anfang 2008 und September 2008 ein Kilogramm Marihuana mit einem THC-Gehalt von ca 4 % erzeugt;

2) zwischen Sommer 2009 und 12. Oktober 2009 ca 800 Gramm Marihuana mit einem THC-Gehalt von 4,3 % zu erzeugen versucht;

(C) zwischen Frühjahr 2007 und Herbst 2009 Cannabisprodukte

1) für den Eigenbedarf erworben und besessen;

2) zum gemeinsamen Konsum mehreren Personen überlassen.

Rechtliche Beurteilung

Der zu A aus Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft kommt keine Berechtigung zu.

Die Mängelrüge (Z 5) erblickt einen Widerspruch (Z 5 dritter Fall) in dem aus (insgesamt) 4,5 kg Marihuana eines Reinheitsgehalts von 12,1 % (US 5 dritter und fünfter Absatz) gezogenen Schluss auf „sohin 27,23 g reines THC“ (US 5 fünfter Absatz). Tatsächlich hat das Erstgericht jedoch offenkundig die angeblichen „27,23 g reines THC“ mit dem 27,23-fachen der Grenzmenge von 20 g THC vermengt, sodass der vermeintliche Begründungsmangel - recht besehen (RIS-Justiz RS0119089 [T6]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 440) - nicht vorliegt (vgl US 11). Indem die aus Z 10 verlangte Subsumtion der Taten nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG den bloß in Betreff einer großen Menge (§ 28a Abs 2 Z 3 SMG) konstatierten - aus Z 5 (erster, dritter oder vierter Fall) nicht bekämpften - Vorsatz negiert (US 7 erster Absatz), verfehlt sie den erforderlichen Sachverhaltsbezug.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur zu verwerfen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof zunächst von einer dem Erstgericht zum Nachteil des Angeklagten unterlaufenen verfehlten Subsumtion überzeugt (§§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall, 281 Abs 1 Z 10 StPO). Nach den zu den Schuldsprüchen C/1 und C/2 getroffenen Urteilsannahmen konsumierte der Angeklagte seit seinem 16. Lebensjahr Cannabisprodukte, welche er von Hongle S***** und von namentlich nicht bekannten Personen für den Eigenbedarf erwarb. Einen Teil des von Hongle S***** erworbenen Suchtgifts gab er im Zuge von Konsumationsrunden an diverse Gelegenheitspersonen weiter (US 5). Da unter dem „ausschließlich persönlichem Gebrauch“ iSd Bestimmung des § 27 Abs 2 SMG nicht nur der Eigenkonsum, sondern auch das uneigennützige Handeln für den Gebrauch eines anderen (vgl § 35 Abs 1 zweiter Fall SMG) zu verstehen ist (RIS-Justiz RS0124624), war betreffend aller in C/1 und 2 genannten Taten die privilegierende Strafbestimmung des § 27 Abs 2 SMG anzuwenden, und zwar auch hinsichtlich der bis zum 31. Dezember 2007 begangenen (vgl 12 Os 102/08d, 15 Os 102/08a). In diesem Umfang war daher die unterlassene Subsumtion nach § 27 Abs 2 SMG aufzuheben und in der Sache zu entscheiden.

Das Erstgericht stellte zudem fest, dass es sich bei dem seit seinem 16. Lebensjahr Cannabisprodukte konsumierenden Angeklagten um eine an Suchtmittel gewöhnte Person handelt (US 5 und 7). Trotz in diese Richtung weisender Indizien (wonach dem Angeklagten seinen Angaben zufolge die Hälfte der ersten Ernte [zu B/1] gehören sollte [ON 27 S 7], er seinen Anteil von 200 bis 250 Gramm geraucht habe [ON 27 S 17] und er die Plantage im Alpachtal [B/2] betrieben habe, weil er mit der „Einkauferei“ nichts mehr zu tun haben wollte [ON 27 S 11]), fehlen weitere Konstatierungen zum Vorliegen privilegierender Umstände iSd § 28a Abs 3 SMG (vgl RIS-Justiz RS0124622, RS0124621 und RS0123175). Auch dieser, sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkende Feststellungsmangel war von Amts wegen wahrzunehmen (§§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall, 281 Abs 1 Z 10 StPO). In diesem Punkt ist die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden, sodass das Urteil in der Nichtvornahme der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch B erfassten Taten unter § 28a Abs 3 SMG, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung, nicht aber im Einziehungserkenntnis) aufzuheben und die Sache insoweit - unter Einbeziehung der rechtskräftigen Schuldsprüche A und C bei der Straffrage - zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck zurückzuverweisen war.

Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf diese kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E95448

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0130OS00091.10X.0930.000

Im RIS seit

20.11.2010

Zuletzt aktualisiert am

20.11.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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