TE OGH 2010/11/11 12Os154/10d

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Veröffentlicht am 11.11.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. November 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bayer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Manuel B***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 16. Juni 2010, GZ 11 Hv 17/10d-14, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthält, wurde Manuel B***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (1), mehrerer Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1, teilweise auch § 15 Abs 1 StGB (2), sowie jeweils eines Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (3), der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (4) und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (5) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wels

(1) am 20. September 2009 Marleen K***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie zu sich auf die Couch riss, sich mit vollem Körpergewicht auf sie legte und sie an den Haaren und am Hals packte,

(2) Marleen K***** durch gefährliche Drohung zu Handlungen und Unterlassungen genötigt, und zwar

a) am 20. September 2009 durch die Äußerung, er werde sie umbringen, falls sie jemandem von dem unter Punkt 1 geschilderten Vorfall erzähle oder Anzeige erstatte, zur Abstandnahme von einer sofortigen Anzeigeerstattung oder einem Bericht der Geschehnisse an eine vertraute Person,

b) durch die wiederholte Äußerung, er werde sie bzw ihren Exfreund umbringen, falls sie sich mit diesem treffe, zur Abstandnahme von weiteren Treffen mit ihrem Exfreund,

              c) am 20. September (richtig:) 2009 durch die Äußerung, er werde ihren Vater umbringen, wenn sie diesen zwecks seiner Entfernung aus der Wohnung um Hilfe bitte, zur Abstandnahme von einem Telefonat mit ihrem Vater,

(3) am 20. September 2009 Marleen K***** dadurch, dass er sie am Hals würgte, sie an den Haaren zog und ihren Kopf gegen die Wand schleuderte, eine Körperverletzung, nämlich ein 1 cm großes Hämatom und rote Striemen am Hals, eine Beule am Hinterkopf und ein Hämatom am rechten Oberschenkel, zugefügt,

              (4) im Jahr 2009 Marleen K***** mehrfach durch die wiederholte Äußerung, er werde sie umbringen, gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen,

              (5) im Jahr 2009 eine fremde Sache, nämlich die Wohnzimmertüre der Marleen K***** beschädigt, indem er mit dem Fuß dagegen trat.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Gründen der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Die Feststellungen zum objektiven Geschehensablauf sämtlicher ihm zur Last gelegten Taten hat das Erstgericht schwergewichtig auf die für glaubwürdig und im Wesentlichen gleichlautend erachteten Angaben des Tatopfers Marleen K***** gestützt (US 8 ff), und dabei auch deren bei der Vernehmung durch die Kriminalpolizei „noch weinerlichen und ängstlichen“ Zustand berücksichtigt (US 8), ohne dabei gegen Denkgesetze oder grundlegende Erfahrungswerte zu verstoßen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 446 ff), was die Beschwerde auch gar nicht einwendet. Indem sie vielmehr jeweils global unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) einzelner Urteilsannahmen behauptet, weil „in Anbetracht der vorliegend, sich offenkundig widerstreitenden Verfahrensergebnisse zur Begründung des Schuldspruchs deutlichere Feststellung des schuldrelevanten Sachverhalts“ (der Sache nach wohl Z 5 erster Fall) „unter präziser Angabe der Tatsachen und Bezeichnung der zur Begründung herangezogenen Beweismittel unabdingbar gewesen“ wäre, unterlässt sie einerseits jeglichen Hinweis darauf, inwiefern die beanstandeten Konstatierungen oder deren Begründung undeutlich sein sollen und geht andererseits prozessordnungswidrig nicht von der Gesamtheit der Entscheidungsgründe aus (RIS-Justiz RS0119370, RS0117995).

Den Tathergang der verfahrensgegenständlichen Vergewaltigung (Schuldspruch 1), insbesonders die Art der dabei gegen sie ausgeübten Gewalt, hat Marleen K***** anlässlich ihrer kontradiktorischen Vernehmung keineswegs widersprüchlich geschildert, sondern - entgegen der eigenständigen Interpretation des Beschwerdeführers - den chronologischen Ablauf der verschiedenen Gewaltanwendungen bis zum eigentlichen Geschlechtsverkehr dargestellt (ON 5 S 11 ff). Mit dem Hinweis auf - zudem in der Beschwerde ohne Angabe der Fundstelle in den Akten (vgl dazu RIS-Justiz RS0124172) isoliert und aus dem Zusammenhang gerissen zitierte - Details ihrer in diesem Zusammenhang getätigten Depositionen zeigt die Rüge keine die Glaubwürdigkeit der Zeugin ernsthaft in Frage stellenden, solcherart erörterungsbedürftigen Umstände auf, weshalb auch der Vorwurf unvollständiger Urteilsbegründung (Z 5 zweiter Fall) versagt (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 432). Mit dem Einwand, die Genannte habe - anders als vor Gericht - bei ihrer Vernehmung durch die Kriminalpolizei den - zudem keine entscheidungswesentliche Tatsache betreffenden - Umstand nicht erwähnt, dass sie im Zuge der Vergewaltigung an Hals und Haaren gepackt und festgehalten wurde, und ebenso wenig von der vom Schuldspruch 2/c umfassten Nötigung gesprochen, wird ein Begründungsmangel in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gar nicht geltend gemacht.

Dass der Angeklagte in der Nacht zum 20. September 2009 auch ihre Familie mehrfach mit dem Umbringen bedrohte, hat die Zeugin zudem bereits bei ihrer ersten Vernehmung deutlich dargelegt. Dass sie sich dabei nicht an den genauen Wortlaut jeder einzelnen Äußerung erinnern, sondern erst vor Gericht über eingehendere Befragung weitere Details nennen konnte, steht nicht im Widerspruch zu den dem bekämpften Schuldspruch zugrunde liegenden Feststellungen und bedurfte daher auch keiner Erörterung im Sinn der Z 5 zweiter Fall.

Das weitere Vorbringen zum Schuldspruch 1 erschöpft sich darin, nicht erheblichen Verfahrensergebnissen (wie etwa, dass Marleen K***** trotz der von ihr geschilderten „angespannten Situation“ den Schlafplatz für den Angeklagten herrichtete, nach einem Amtsvermerk der Kriminalpolizei ursprünglich „ausschließlich“ Anzeige wegen gefährlicher Drohung und Körperverletzung erstatten wollte, während sich erst im Zuge der Vernehmung der Verdacht der Vergewaltigung ergab, und dass auch die Zeugin Manuela K***** erst über Nachfrage der Vorsitzenden bestätigte, dass ihre Schwester zum Sex gezwungen wurde) Beweiswerterwägungen entgegenzustellen, um die Glaubwürdigkeit des Tatopfers, von der sich die Tatrichter im Rahmen eines der Nichtigkeitsbeschwerde entzogenen kritisch-psychologischen Vorgangs aufgrund des in der Hauptverhandlung durch Vorführung der Bild- und Tonaufnahmen der kontradiktorischen Vernehmung (ON 13 S 3) gewonnenen persönlichen Eindrucks (RIS-Justiz RS0106588; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 431) überzeugten (US 10), nach Art einer unzulässigen Schuldberufung in Zweifel zu ziehen.

Mit dem Einwand, die entscheidenden Feststellungen zu den den Schuldsprüchen 2/a, 2/b und 4 zugrunde liegenden Taten stünden im „Widerspruch“ (gemeint offenbar im Sinn der Z 5 dritter Fall) zu Verfahrensergebnissen, wird erneut kein Begründungsmangel aufgezeigt. Ein nichtigkeitsrelevanter Widerspruch kann sich nämlich bloß aus dem Urteilsinhalt selbst, nicht aus dessen Vergleich mit den Verfahrensergebnissen ergeben (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 439). Inwiefern die - neuerlich ohne Angabe der Fundstelle und kontextentleert wiedergegebene - Passage der Aussage der Zeugin Marleen K*****, wonach der Beschwerdeführer während der Beziehung „eigentlich voll nett und so“ gewesen und nur unter Alkoholeinfluss aggressiv geworden sei, sowie er sei „eigentlich der netteste Mensch“ gewesen, so wie sie ihn kennen gelernt habe, jedoch nach dem Konsum von Alkohol, insbesonders Schnaps, „voll aggressiv geworden“, in erörterungsbedürftigem (Z 5 zweiter Fall) Widerspruch zu den Konstatierungen stehen sollte, nach denen er sie zu den Tatzeitpunkten (jeweils alkoholisiert) mehrfach mit dem Umbringen bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, wiederholt äußerte, im Falle erneuter Treffen sie oder ihren Exfreund umzubringen, und sie am 20. September 2009 nach der dem Schuldspruch 1 zugrunde liegenden Vergewaltigung ebenso mit dem Umbringen bedrohte, wenn sie jemandem von dem Vorfall erzähle, ist nicht nachvollziehbar.

Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) erhebliche Bedenken an der Feststellung, das Tatopfer habe durch die Gewaltanwendung bei der vom Schuldspruch 1 erfassten Vergewaltigung „blaue Flecken an der Innenseite der Oberschenkel“ erlitten (obwohl am 21. September 2009 anlässlich einer Untersuchung im Krankenhaus bloß eine 50-Cent-große Hämatomverfärbung an der linken Oberschenkelinnenseite festgestellt worden war), bezieht sich die Beschwerde erneut auf keine für die Subsumtion maßgebende Tatsache und verfehlt damit den gerade darin liegenden Bezugspunkt des Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 391, 398 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E95660

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0120OS00154.10D.1111.000

Im RIS seit

23.12.2010

Zuletzt aktualisiert am

23.12.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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