TE OGH 2011/1/19 7Ob123/10d

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Veröffentlicht am 19.01.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Kinder J***** Z*****, und E***** Z*****, Mutter Mag. I***** S*****, vertreten durch Dr. Ursula Xell-Skreiner, Rechtsanwältin in Wien, Vater Dr. G***** Z*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 9. Februar 2010, GZ 44 R 377/08d-S512, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Das Verfahren wird von Amts wegen fortgesetzt.

2. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Von der Mutter wird in der Zulassungsbeschwerde vor allem geltend gemacht, das gesamte bisherige Obsorgeverfahren sei nichtig, weil alle daran beteiligten Richter, insbesondere die Mitglieder des Rekurssenats, amts- und rechtsmissbräuchlich agiert hätten. Diese Ausführungen hat der Oberste Gerichtshof als (neuerlichen) Ablehnungsantrag angesehen und das Revisionsrekursverfahren bis zur Rechtskraft der Entscheidung darüber unterbrochen. Im daraufhin durchgeführten Verfahren wies das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zu 30 Nc 16/10z den Ablehnungsantrag hinsichtlich der Mitglieder des Rekurssenats zurück. Im Rekurs gegen diese Entscheidung erklärte die Mutter, keinesfalls einen neuerlichen Ablehnungsantrag gestellt zu haben; über ihren Einwand der Nichtigkeit werde der Oberste Gerichtshof zu entscheiden haben. Das Oberlandesgericht Wien als zweite Instanz im Ablehnungsverfahren wies daraufhin den Rekurs der Mutter mangels Beschwer zurück.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Mutter geltend gemachte Nichtigkeitsgrund gemäß § 477 Abs 1 Z 1 ZPO (richtig Aufhebungsgrund nach § 58 Abs 4 Z 1 AußStrG) liegt nur dann vor, wenn ein Richter erfolgreich abgelehnt wurde (RIS-Justiz RS0007462). Da alle ihre in der Vergangenheit gestellten Ablehnungsanträge gegen die in erster und zweiter Instanz tätigen Richter erfolglos geblieben sind und eine neuerliche Ablehnung, wie die Mutter ausdrücklich erklärt hat, nicht beabsichtigt war, ist der behauptete Aufhebungsgrund nicht gegeben. Die offenbar von der Revisionsrekurswerberin vertretene Ansicht, der Oberste Gerichtshof könne sich über rechtskräftige Entscheidungen in Ablehnungssachen hinwegsetzen und entgegen diesen einen Aufhebungsgrund nach § 58 Abs 1 Z 4 AußStrG annehmen, entbehrt jeder Rechtsgrundlage. Die zur Entscheidung über eine Ablehnung berufenen Organe sind in § 23 JN genannt. Es trifft zwar zu, dass Nichtigkeitsgründe (und auch Aufhebungsgründe nach § 58 Abs 1 Z 4 AußStrG), über deren Vorliegen oder Nichtvorliegen keine den Obersten Gerichtshof bindende Entscheidung der Vorinstanzen vorliegt, aus Anlass eines statthaften (prozessual zulässigen) außerordentlichen Rechtsmittels als erhebliche Rechtsfrage wahrzunehmen sind (RIS-Justiz RS0043067). Ein außerordentliches Rechtsmittel ist aber nicht schon deshalb vom Obersten Gerichtshof als zulässig zu behandeln, weil eine Nichtigkeit (ein Aufhebungsgrund nach § 58 Abs 1 Z 4 AußStrG) bloß behauptet wird (Zechner in Fasching/Konecny2 IV/1 § 502 Rz 94 mwN ua); wenn sie - wie hier - eindeutig nicht gegeben ist. Ein Aufhebungsgrund nach § 58 Abs 1 Z 4 AußStrG, über den die Vorinstanzen noch nicht entschieden haben, liegt nicht vor.

Im Weiteren meint die Revisionsrekurswerberin, sich über die vom Erstgericht getroffenen Sachverhaltsfeststellungen hinwegsetzen zu können. Unter Anführung diverser Beweismittel wird behauptet, dass zahlreiche erstgerichtliche Feststellungen „falsch“ seien; weiters wird bemängelt, dass von der Mutter angebotene Beweisdokumente vom Erstgericht nicht beachtet bzw nicht angenommen worden seien. Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens („Missachtung tragender Grundsätze des Verfahrensrechts“) wird im Wesentlichen geltend gemacht, die gesamte Rekursverhandlung vom 26. 1. 2010 sei ohne Wissen der Mutter und ihrer Rechtsvertreterin auf Tonträger aufgezeichnet worden. Nach Zustellung des Verhandlungsprotokolls sei es der Mutter nicht mehr möglich gewesen, rechtzeitig Widerspruch gegen das Protokoll zu erheben. Die Protokollierung ihres Vorbringens, diverse Urkunden „in sehr langer Akteneinsicht erhalten zu haben“, sei falsch; tatsächlich habe sie vorgebracht, die ihr bislang vorenthaltenen Beweisdokumente erstmals am 14. 7. 2009 im Justizministerium erhalten zu haben. Ein wesentlicher Verfahrensmangel, der abstrakt geeignet wäre, eine unrichtige Sachentscheidung herbeizuführen, wird dadurch allerdings nicht aufgezeigt (vgl RIS-Justiz RS0043027 [T4]). Die Revisionsrekurswerberin rügt weiters, dass das betreffende dem Rekursgericht übermittelte (auch auf einem USB-Stick gespeicherte) Urkundenkonvolut der Rechtsfreundin der Mutter mit dem Bemerken rückgemittelt worden sei, es sei nicht beabsichtigt, „daraufhin weitere Verfahrensschritte zu setzen oder die Inhalte zum Gegenstand von ergänzenden Feststellungen zu machen“. Die Revisionsrekurswerberin übersieht dabei, dass Fragen nach der Richtigkeit der von den Vorinstanzen getroffenen Sachverhaltsfeststellungen und die Frage, ob noch weitere Beweise aufzunehmen gewesen wären, Akte der Beweiswürdigung sind, die - da der Oberste Gerichtshof auch in Außerstreitsachen nicht Tatsacheninstanz ist - in dritter Instanz nicht mehr bekämpft werden können (RIS-Justiz RS0007236; RS0043414).

Soweit die unter dem Revisionsrekursgrund der Nichtigkeit geltend gemachten Umstände auch als Aktenwidrigkeiten gerügt werden, wird das Wesen dieses Rechtsmittelgrundes verkannt: Eine Aktenwidrigkeit liegt nur bei einem Widerspruch zwischen dem Akteninhalt und der darauf beruhenden wesentlichen Tatsachenfeststellung in der Entscheidung vor, der nicht das Ergebnis eines richterlichen Werturteils ist, wobei aber dieser Widerspruch einerseits wesentlich, andererseits unmittelbar aus den Akten ersichtlich und behebbar sein muss. In der Gewinnung tatsächlicher Feststellungen durch Schlussfolgerungen kann somit eine Aktenwidrigkeit nicht gelegen sein (RIS-Justiz RS0043421).

Insgesamt wird von der Revisionsrekurswerberin eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG und damit ein tauglicher Grund für die Zulassung ihres außerordentlichen Rechtsmittels nicht aufgezeigt. Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.

Dies bedarf nach § 71 Abs 3 AußStrG keiner weiteren Begründung.

Textnummer

E96139

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0070OB00123.10D.0119.000

Im RIS seit

07.02.2011

Zuletzt aktualisiert am

02.05.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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