TE OGH 2011/6/9 3Ob41/11t

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Veröffentlicht am 09.06.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Hans Georg P***** als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Firma S*****, vertreten durch Popp & Strauss Rechtsanwälte in Gratwein, gegen die beklagte Partei M***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Mag. Gernot Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 40.554,61 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 10. Jänner 2011, GZ 2 R 193/10k-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 29. Oktober 2010, GZ 15 Cg 71/10d-17, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht zur Vorlage an das Berufungsgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Über das Vermögen der Firma S***** (kurz: Gemeinschuldner) wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 8. Juli 2009 das Konkursverfahren eröffnet und der nunmehrige Kläger zum Masseverwalter bestellt. Für den Betrieb des Transportunternehmens hatte der Gemeinschuldner mit der Beklagten als Leasinggeberin vier Finanzierungsleasingverträge über Transportfahrzeuge abgeschlossen, in denen monatliche Leasingentgelte vorgesehen waren. Er war ab Jänner 2009 nicht in der Lage, die monatlichen Raten gänzlich zu zahlen und leistete am 5. Jänner 2009 nur einen Teilbetrag. Am 2. März 2009 beantragte die S***** aufgrund eines Rückstands von 59.217,52 EUR die Eröffnung des Konkursverfahrens.

Am 5. März 2009 bezahlte der Gemeinschuldner an die Beklagte 6.950 EUR, um eine Einziehung der Fahrzeuge durch die Beklagte zu verhindern, was auch der Beklagten bewusst war. Im Mai kündigte die Beklagte die Leasingverträge und forderte den Gemeinschuldner zur Rückstellung der Leasingsfahrzeuge bis spätestens 27. Mai 2009 auf. Um diese Einziehung zu verhindern, zahlte der Gemeinschuldner am 15. Juni 2009 10.000 EUR und am 24. Juni 2009 den Betrag von 22.624,46 EUR.

Gestützt auf § 30 Abs 1 Z 3 (in eventu § 30 Abs 1 Z 1) und § 31 Abs 1 Z 2 KO begehrt der Kläger nach Einschränkung (ON 11) zuletzt die Feststellung der Unwirksamkeit der vom Gemeinschuldner geleisteten Zahlungen von 6.950 EUR am 5. März 2009, von 10.000 EUR am 15. Juni 2009, von 23.624,46 EUR am 24. Juni 2009 und von 980,15 EUR am 22. Juni 2009 an die Beklagte sowie deren Rückzahlung.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Ausnahme eines Teilbetrags von 9.469,46 EUR der Zahlung vom 24. Juni 2009 und der Zahlung von 980,15 EUR vom 22. Juni 2009 statt.

Das Berufungsgericht gab der nur von der Beklagten erhobenen Berufung in der Hauptsache nicht und im Zinsenbereich nur teilweise Folge. Es erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.

Dagegen erhob die Beklagte eine „außerordentliche Revision“, die für den Fall, dass der Oberste Gerichtshof die Auffassung vertreten sollte, die im § 502 Abs 3 ZPO angeführte Wertgrenze werde nicht erreicht, auch den Antrag enthält, die Rechtssache an das Berufungsgericht zurückzuleiten, sowie den Antrag an das Berufungsgericht, gemäß § 508 Abs 1 ZPO den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision abzuändern. Das Rechtsmittel wurde dem Obersten Gerichtshof unmittelbar vorgelegt.

Rechtliche Beurteilung

Das widerspricht aus folgenden Gründen der geltenden Rechtslage:

Ob der Oberste Gerichtshof zur Entscheidung über die Revision funktionell zuständig ist, richtet sich danach, ob die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 und 4 JN vorliegen und die in der Klage relevierten Zahlungsbeträge zusammenzurechnen sind (RIS-Justiz RS0053096 [T7]). Ein tatsächlicher Zusammenhang iSd § 55 Abs 1 JN läge vor, wenn das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne dass noch ein ergänzendes Vorbringen erforderlich wäre (RIS-Justiz RS0037648 [T4]). Ein rechtlicher Zusammenhang läge etwa vor, wenn Ansprüche aus demselben Vertrag oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (RIS-Justiz RS0037648). Ein solcher Zusammenhang besteht jedoch dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann (RIS-Justiz RS0037648 [T18]). Bei der Prüfung ist von den Klageangaben auszugehen (RIS-Justiz RS0106759). Dass für alle Rechtshandlungen der gleiche Anfechtungstatbestand behauptet wird, reicht nach ständiger Rechtsprechung für die Annahme eines rechtlichen Zusammenhangs ebenso wenig aus wie der Umstand allein, dass Zahlungen der Abdeckung ein und derselben Kreditforderung gegen die Gemeinschuldnerin dienten (3 Ob 246/10p mwN).

Die gegenständliche Anfechtungsklage richtet sich - soweit im Rechtsmittelverfahren noch relevant - ausschließlich gegen Zahlungen des Gemeinschuldners in einer Höhe zwischen über 5.000 EUR und 30.000 EUR. Da diese einzelnen Anfechtungen - etwa im Hinblick auf die zeitlichen Erfordernisse der in Anspruch genommenen Anfechtungstatbestände - ein verschiedenes Schicksal haben können, liegen die Voraussetzungen nach § 55 Abs 1 JN nicht vor. Daher ist jede Zahlung zur Frage der Zulässigkeit der Revision gesondert zu beurteilen. Somit sind die Akten zwecks Vorlage an das Gericht zweiter Instanz (das gemäß § 507b Abs 2 ZPO über den eventualiter gestellten Antrag nach § 508 ZPO zu entscheiden haben wird) dem Erstgericht zurückzustellen.

Schlagworte

13 Anfechtungsrecht,

Textnummer

E97786

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0030OB00041.11T.0609.000

Im RIS seit

06.08.2011

Zuletzt aktualisiert am

05.09.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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