TE OGH 2011/7/15 5Nc6/11v

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Veröffentlicht am 15.07.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätin Dr. Hurch sowie den Hofrat Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Manfred S*****, vertreten durch Mag. Robert Benedikt, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Felix Graf, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Aufhebung eines Vertrags und 5.801 EUR sA, über den Antrag der klagenden Partei auf Bestimmung der Zuständigkeit nach § 28 JN den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Zur Verhandlung und Entscheidung über die zu AZ 6 C 217/10p des Bezirksgerichts Leibnitz eingebrachte Klage wird das Bezirksgericht Leibnitz als örtlich zuständiges Gericht bestimmt.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt mit seiner am 26. 11. 2010 beim Bezirksgericht Leibnitz eingebrachten Klage gestützt (insbesondere) auf Irrtum die (ex tunc) Aufhebung eines von ihm als Verbraucher mit der Beklagten als Unternehmer über deren - zwischenzeitig bereits wieder aus dem Firmenbuch gelöschten - Zweigniederlassung in Bürs (Vorarlberg) abgeschlossenen Klientenvertrags und die Rückzahlung von ihm geleisteter Betreuungsgebühren in Höhe des Klagsbetrags.

Zur Zuständigkeit des angerufenen Gerichts berief sich der Kläger auf Art 13 Z 3 lit b LGVÜ (aF; Lugano Abkommen vom 16. 9. 1988; BGBl 1996/448).

Die Beklagte räumte im Hinblick auf Art 13 Z 3 lit b LGVÜ (aF) das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit ein, erhob jedoch den Einwand der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Bezirksgerichts, bestritt in der Sache das Klagsvorbringen und beantragte Zurückweisung der Klage, in eventu Abweisung des Klagebegehrens.

Der Kläger begehrte daraufhin für den Fall der rechtskräftigen Verneinung der örtlichen Zuständigkeit durch das angerufene Bezirksgericht die Aktenvorlage an den Obersten Gerichtshof mit dem Antrag, gemäß § 28 JN das Bezirksgericht Leibnitz als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen.

Das Bezirksgericht Leibnitz schränkte die Verhandlung gemäß § 189 ZPO auf die Zuständigkeitsfrage ein und sprach sodann mit Beschluss vom 24. 2. 2011 seine örtliche Unzuständigkeit aus. Nach Rechtskraft dieses Beschlusses legte es nunmehr die Akten dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Ordinationsantrag vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Ordinationsantrag ist berechtigt.

1. Das Bezirksgericht Leibnitz hat vor der Aktenvorlage - bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0046344) folgend - die von der Beklagten erhobene Unzuständigkeitseinrede erledigt und dabei seine örtliche Zuständigkeit verneint. Wird von einem österreichischen Gericht seine örtliche Zuständigkeit rechtskräftig verneint, ist der Oberste Gerichtshof insofern daran gebunden, als er dann als Ordinationsgericht einzuschreiten hat (RIS-Justiz RS0046568).

2. Ausgehend von der unstrittigen Eigenschaft des Klägers als Verbraucher und jener der Beklagten als Unternehmer sowie dem Vertragsabschluss über eine in Österreich gelegen gewesene Zweigniederlassung der Beklagten stützen sich die Partei und das Erstgericht zur vorliegenden inländischen Gerichtsbarkeit übereinstimmend und (inhaltlich) mit Recht auf Art 13 Z 3 lit b und Art 14 LGVÜ (aF). Allerdings existiert bereits das revidierte Lugano-Übereinkommen vom 30. 10. 2007 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LGVÜ II; ABl EU L 2007/339, 3 idF ABl L 2009/147, 44), welches - laut Notifikation der Schweizer Eidgenossenschaft vom 27. 10. 2010 - im Verhältnis zur Schweiz (erst) mit 1. 1. 2011 in Kraft trat (Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht [2011] Rz I/151). Welche übergangsrechtlichen Implikationen sich daraus ergeben, kann aber im vorliegenden Zusammenhang dahinstehen, weil Art 15 Z 1 lit c und Art 16 LGVÜ II eine für die hier gegebene Konstellation vergleichbare Zuständigkeitsregelung enthalten, sodass es insoweit zu keiner für diesen Fall relevanten Änderung der Rechtslage gekommen ist.

3. Ist die inländische Gerichtsbarkeit (internationale Zuständigkeit) nach den zuvor genannten Bestimmungen über die Zuständigkeit in Verbrauchersachen gegeben, dann wird damit aber kein örtlich bestimmtes Gericht berufen, weshalb auf entsprechenden Antrag die Ordination nach § 28 Abs 1 Z 1 JN vorzunehmen ist (RIS-Justiz RS0106680; vgl auch Matscher in Fasching² § 28 JN Rz 32; Mayr aaO Rz II/114 sowie ders in Rechberger³, § 28 JN Rz 3).

4. Welches Gericht ordiniert wird, bleibt dem Obersten Gerichtshof überlassen; dabei sind Kriterien der Sach- und Parteinähe bzw der Zweckmäßigkeit zu berücksichtigen (4 Nc 11/09v). Im vorliegenden Fall wird der Kläger als Partei zu vernehmen sein. Welche Person (erforderlichenfalls) zur Parteieinvernahme der Beklagten erscheinen soll, hat diese bislang nicht bekannt gegeben. Die frühere Zweigniederlassung der Beklagten in Bürs (Vorarlberg) ist inzwischen bereits wieder aus dem Firmenbuch gelöscht. Die Parteinähe spricht daher nach dem derzeitigen Verfahrensstand für das Bezirksgericht Leibnitz. Sonstige, insbesondere unter den Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit und Verfahrensökonomie maßgebliche Umstände, die - überwiegend - für ein anderes Gericht, namentlich für das von der Beklagten präferierte Bezirksgericht Bludenz sprechen würden, sind demgegenüber auf der Grundlage des derzeitigen Aktenstandes nicht zu erkennen.

Es war somit spruchgemäß das Bezirksgericht Leibnitz als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen.

Schlagworte

Zivilverfahrensrecht,Europarecht

Textnummer

E97828

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0050NC00006.11V.0715.000

Im RIS seit

27.07.2011

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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