TE OGH 2011/7/18 6Ob66/11s

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Veröffentlicht am 18.07.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** S*****, vertreten durch Dr. Hans Kaska, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei H***** S*****, vertreten durch Dr. Georg Lugert, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen Duldung einer Servitutsausübung (Streitwert 6.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 25. November 2010, GZ 21 R 330/10b-11, womit das Urteil des Bezirksgerichts Neulengbach vom 16. Juli 2010, GZ 2 C 1209/09b-7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 556,99 EUR (darin 92,83 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Streitteile sind jeweils Alleineigentümer benachbarter Grundstücke. Zugunsten des Grundstücks der Klägerin ist ob dem Grundstück des Beklagten gemäß Dienstbarkeitsvertrag vom 11. 1. 1974 die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens im C-Blatt einverleibt. In der Natur handelt es sich bei diesem Dienstbarkeitsweg um einen ca 3 m breiten geschotterten Weg als Zufahrtsstraße zum Haus der Klägerin, der in die Landeshauptstraße einmündet. Nach dem Dienstbarkeitsvertrag ist den Eigentümern des herrschenden Grundstücks die Dienstbarkeit eingeräumt, den Zufahrtsweg „zu halten und zu erhalten“. Weiters ist danach vereinbart, dass jede Veränderung der vertragsgegenständlichen Anlagen nur in beiderseitigem Einvernehmen geschehen dürfe. Durch kostenintensive Erhaltungsarbeiten kann der Gefahr vorgebeugt werden, dass der Weg durch einwirkende Regenfälle und Benützung auf Dauer abgeschwemmt und somit unpassierbar wird. Eine kurzfristige Unpassierbarkeit trat 2002 und 2009 im Zuge von Hochwasser ein. Auch in Zukunft ist zu erwarten, dass trotz Erhaltungsarbeiten der Weg alle paar Jahre kurzfristig unpassierbar wird.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, der Beklagte sei schuldig, die Asphaltierung des Weges samt allen für die Asphaltierung notwendigen technischen Erfordernissen, insbesondere Herstellung eines geeigneten Unterbaus, im Rahmen des Wegerechts der Klägerin laut Dienstbarkeitsvertrag vom 11. 1. 1974 zu dulden. Sie bringt im Wesentlichen vor, eine Asphaltierung verhindere die nunmehr bereits annähernd jährlich, manchmal mehrmals jährlich notwendigen Reparaturarbeiten nach Unwettern, die den Weg unpassierbar machten. Das Abschwemmen von Material auf die Straße würde verhindert, die Schneeräumung im Winter erleichtert. Für den Beklagten würden durch die Asphaltierung keine Nachteile entstehen.

Der Beklagte wendete ein, die Klägerin habe anlässlich ihrer Bauführung 2008 den Weg so verändert, dass größeren Lastkraftwagen die Zufahrtsmöglichkeit gegeben werden sollte. Hätte die Klägerin den Weg nicht verändert, wäre es zu den Abschwemmungen, bei denen es sich um ein einmaliges punktuelles Ereignis gehandelt habe, nicht gekommen. Der Beklagte habe ein Interesse daran, dass der Weg nicht betoniert werde. Unter anderem würde dadurch die Benützung seines Grundstücks eingeschränkt und die Dienstbarkeit zugunsten des Grundstücks der Klägerin ausgedehnt. Sollte der Weg asphaltiert werden, bestehe die Gefahr, dass bei Regen das Wasser vom Berg herunter über den Asphalt vermehrt auf sein darunter liegendes Haus zugeleitet würde.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht führte im Wesentlichen aus, eine Asphaltierung stelle eine Veränderung des Weges dar, wozu nach dem Dienstbarkeitsvertrag das Einvernehmen der beiden Grundeigentümer notwendig sei. Eine Zustimmung des Beklagten liege nicht vor. Umstände, die schwerwiegend genug seien, um eine Verpflichtung des Beklagten, der Asphaltierung zuzustimmen, anzunehmen, lägen nicht vor.

Erst über Antrag der Klägerin ließ das Berufungsgericht nachträglich gemäß § 508 Abs 3 ZPO die Revision zu. Nach der Entscheidung 2 Ob 143/09g könnte die Asphaltierung eines Servitutswegs unter die Erhaltungspflicht fallen. Diesfalls könnte die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des Dienstbarkeitsvertrags unrichtig sein, wenn man dann die Asphaltierung nicht als „Veränderung“, sondern als „Erhaltung“ zu qualifizieren hätte. Auch die vom Berufungsgericht subsidiär herangezogene Interessenabwägung nach § 484 ABGB könnte bei der dargestellten Interpretation anders ausfallen. Eine den § 502 Abs 1 ZPO unterfallende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht sei nicht von vornherein auszuschließen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen des Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Vertragsauslegung im Einzelfall bildet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO, es sei denn, die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung stellte eine auffallende Fehlbeurteilung, also eine krasse Verkennung der Auslegungsgrundsätze dar (RIS-Justiz RS0042776 [T1]; RS0044298). Dies gilt auch für die Auslegung eines Dienstbarkeitsvertrags (RIS-Justiz RS0042776 [T38]; 6 Ob 118/09k).

Eine derartige vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht liegt nicht vor. Nach der Rechtsprechung können zwar Servituten der fortschreitenden technischen Entwicklung angepasst werden. Besteht etwa die Dienstbarkeit der „Duldung der Errichtung, Erhaltung und Benützung eines Parkplatzes für jede Art von Fahrzeugen“, dann stellt zwar die Asphaltierung einer geschotterten Parkplatzfläche einen wesentlichen Eingriff in das Eigentumsrecht des mit der Dienstbarkeit Belasteten dar; dies ist aber hinzunehmen, wenn die Nutzung an zeitbedingte Erfordernisse angepasst wird und der Belastete hiedurch keine unzumutbare Beeinträchtigung erleidet (RIS-Justiz RS0097852).

Dennoch ist das vom Berufungsgericht erzielte Auslegungsergebnis zumindestens vertretbar: Die Asphaltierung stellt im Sinne der zitierten Rechtsprechung einer wesentliche Änderung der Oberflächengestaltung im Vergleich zu der im Vertragszeitpunkt bestehenden Gestaltung dar. Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (1974) stellten asphaltierte Fahrbahnen keine Besonderheit mehr dar, weshalb kein Fall einer Abänderung infolge fortschreitender technischer Entwicklung im engeren Sinn vorliegt (zB Pkw statt Pferdefuhrwerk). Nach den Feststellungen reicht der vorhandene Schotterweg zur Erreichung des Zwecks der Servitut, nämlich der Anbindung an das öffentliche Straßennetz, aus. Daran ändert auch nichts, dass der Weg alle paar Jahre kurzfristig unpassierbar wird.

Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin und des Berufungsgerichts lässt sich aus der Entscheidung 2 Ob 143/09g für den Standpunkt der Klägerin nichts gewinnen. Dieser Entscheidung lag ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Dort ging es um das Vorliegen eines deliktischen Schadenersatzanspruchs infolge Verletzung der Erhaltungspflicht. Ein Zustimmungsvorbehalt wie im vorliegenden Fall war nicht zu beurteilen. Überdies wurde die Asphaltierung nur als eine von mehreren möglichen zumutbaren Vorkehrungen zur Verhinderung des Schadenseintritts qualifiziert. Als andere Möglichkeit wurden „entsprechende Aufträge an den Baumeister und die weiteren Unternehmer, für die Reduzierung der transportierten Lasten Sorge zu tragen“, genannt. Im vorliegenden Fall steht fest, dass auch in anderer Art als durch Asphaltierung der Gefahr der Abschwemmung und Unpassierbarkeit des Weges vorgebeugt werden kann.

Insoweit keine unrichtige rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht vorliegt, kann die vom Berufungsgericht verneinte Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens (bautechnischer Sachverständiger) im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963).

Soweit die Revisionswerberin argumentiert, die Weigerung des Beklagten, der Asphaltierung zuzustimmen, verstoße gegen Treu und Glauben und sei sittenwidrig, ist ihr Folgendes zu entgegnen: Die Klägerin hat diese Vorwürfe in erster Instanz nicht erhoben, es handelt sich somit um eine im Rechtsmittelverfahren unzulässige Neuerung. Von Amts wegen ist auf diese Umstände nach ständiger Rechtsprechung nicht einzugehen (RIS-Justiz RS0016435 [T4, T5, T6]; RS0026717; vgl auch RS0016453).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Der Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Textnummer

E98032

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0060OB00066.11S.0718.000

Im RIS seit

29.08.2011

Zuletzt aktualisiert am

23.01.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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