TE OGH 2011/8/24 3Ob128/11m

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Veröffentlicht am 24.08.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch Blum, Hagen & Partner Rechtsanwälte GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei V*****GmbH, *****, vertreten durch ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 240.492,60 EUR sA sowie Rente und Feststellung, über die Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 12. April 2011, GZ 4 R 52/11w-50, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 7. Dezember 2010, GZ 5 Cg 178/08y-45, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der klagenden Partei wird teilweise Folge gegeben. Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Ersturteil in seinem Punkt I. lautet:

„Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen 185.492,60 EUR samt 4 % Zinsen aus 175.346,30 EUR vom 22. August 2008 bis 23. November 2010 und aus 185.492,60 EUR ab 24. November 2010 zu bezahlen und die mit 19.579,45 EUR (darin 2.418,07 EUR Umsatzsteuer und 5.071,02 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten zu ersetzen.

Das Mehrbegehren von 55.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 22. August 2008 wird abgewiesen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.064,06 EUR (darin 177,34 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 2.469 EUR (anteilige Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens, die im Übrigen gegeneinander aufgehoben werden, zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei 1.851,67 EUR an anteiligen Barauslagen für das Berufungsverfahren zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der - als Folge eines ärztlichen Kunstfehlers erblindete - Kläger wurde am 14. August 2005 als erster von Zwillingen in der 28. Schwangerschaftswoche (geplanter Geburtstermin 7. November 2005) in dem von der beklagten Partei betriebenen Landeskrankenhaus entbunden. Der nachgeburtliche Verlauf war kompliziert. Anlässlich einer Untersuchung durch einen bei der beklagten Partei tätigen Oberarzt am 4. Oktober 2005 wurde wegen festgestellter Veränderungen im Bereich der Augen eine engmaschige Kontrolle des Klägers festgesetzt. Dieser Anweisung kam man aber im Krankenhaus der beklagten Partei in der Zeit von 14. Oktober 2005 bis 8. November 2005 nicht nach. Aufgrund des Ergebnisses einer Untersuchung vom 8. November 2005 wurde der Kläger notfallmäßig nach Innsbruck überwiesen; eine dort eingeleitete Notoperation wurde wegen Aussichtslosigkeit abgebrochen.

Eine Behandlung des Klägers lege artis hätte auch im Zeitraum vom 14. Oktober bis 8. November 2005 eine engmaschige Kontrolle erfordert; in diesem Fall hätte eine umgehende Therapierung hinsichtlich der Netzhautablösung veranlasst werden können. Im Fall der engmaschigen Kontrolle und einer umgehenden Behandlung hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Sehbehinderung nicht verhindert werden können. Allerdings wäre dem Kläger diesfalls (mit ca 60%-iger Wahrscheinlichkeit) eine Sehschärfe von 20 bis 40 % verblieben, die ein problemloses Meistern des Alltags ermöglicht hätte. Mit der verspäteten Behandlung verbundene körperliche Schmerzen hatte der Kläger nicht zu erdulden.

Die Entwicklung eines Kindes mit einem Sehvermögen zwischen 20 und 40 % verläuft nahezu parallel zur solchen eines nicht sehbehinderten Kindes. Kindergarten und Regelschule können, wenn keine weiteren Beeinträchtigungen vorliegen, ohne zusätzliche Hilfen oder Betreuung absolviert werden. Unter Umständen ist in höheren Schulstufen eine vergrößerte Schrift nötig, die aber leicht mit Hilfe eines Computers ermöglicht wird. In der Berufswahl ergeben sich vergleichsweise geringe Einschränkungen, nur Berufe, die hohe Anforderungen an das Sehvermögen stellen, wie zB Feinmechaniker, Kraftfahrer etc können nicht ergriffen werden.

Bis zum dritten Lebensmonat verläuft die Entwicklung blinder und sehender Kinder konform, dann kommt es zu Divergenzen im Entwicklungsverlauf. Im Bereich der akustischen Wahrnehmung treten vor allem Probleme bei der Filterung der einzelnen Reize auf, da ein blindes Kind nicht abschätzen kann, welche Geräusche bedeutend sind. Im Umkreis des Kindes muss daher die Geräuschkulisse möglichst reduziert und ihm jedes Geräusch erklärt werden, weil unbekannte und unerwartete Laute großen Stress bedeuten und Angst auslösen. Zur Erkennung eines Gegenstands (taktile Wahrnehmung) muss ein blindes Kind diesen „begreifen“ und so repräsentative Merkmale zu seiner Identifikation erfassen. Bei sehenden Kindern setzt das Greifen nach Gegenständen aufgrund des optischen Anreizes bereits mit ca drei Monaten ein, wohingegen erst in einem Zeitraum von neun bis zwölf Monaten nach Gegenständen gegriffen wird, die bloß akustisch wahrnehmbar sind. Sehende Kinder haben so bereits einen Entwicklungsvorsprung von sechs bis neun Monaten, was das aktive Kennenlernen von Objekten betrifft. Dies hat negative Auswirkungen auf das Explorationsverhalten und die Sprachentwicklung blinder Kinder.

Betreffend die soziale Entwicklung kommt es aufgrund des fehlenden Blickkontakts zu eingeschränkter Mimik und spezieller Eigenschaften in der Kommunikation zu einer Störung der frühen Beziehungserfahrung des Kindes. Nach verschiedenen Untersuchungen treten bei blinden Kindern viermal so häufig Verhaltensauffälligkeiten auf als bei sehenden. Das Erlernen sozialer Kompetenz ist erschwert, da wenige Erlebnisse von Intersubjektivität möglich sind, das heißt, das blinde Kind erlebt kaum, dass andere Personen gemeinsam mit ihm Aufmerksamkeit für bestimmte Objekte oder Gefühle teilen. Dadurch kommt es zu Erlebnissen von Isolation, was das Risiko im späteren Leben an Depressionen zu erkranken, erhöht, häufig auch zur Unterdrückung von Aggressionen, die aufgrund der Abhängigkeit von anderen Personen nicht ausgelebt, sondern nur nach innen gerichtet werden können. Auch die Entwicklung der Grobmotorik ist eingeschränkt. Aufgrund der Blindheit sind in verschiedensten Bereichen Retardierungen, die nur zum Teil und mit einem massiv erhöhten Förderaufwand kompensiert werden können, zu verzeichnen.

Im Vergleich zu einem Kind mit einem Sehvermögen zwischen 20 und 40 % benötigt ein blindes Kind einen durchschnittlich täglichen Pflege- und Betreuungsmehraufwand von fünf Stunden, der lebenslang besteht.

Die psychische Situation blinder Menschen ist sehr schwierig, die Wahrscheinlichkeit der Notwendigkeit einer Psychotherapie sehr hoch. Die Bewältigung der Blindheit wird bei Kindern, die von Geburt an blind sind, meist in der Pubertät zum Problem, wenn sich die blinden Jugendlichen der durch die Blindheit verursachten Einschränkungen bewusst werden. Psychische Probleme entstehen in der Erfahrung, wie sehende Menschen viel schneller, geschickter und kompetenter den Alltag bewältigen. Blinde Menschen haben keine Vorstellung, was Sehen ermöglicht, sie erleben sich als wenig selbstwirksam und die Sehenden als allmächtig, was enorme Auswirkungen auf ihr Selbstwertgefühl hat und zu psychischen Problemen führt. Der Verlust des Augenlichts später im Leben ist traumatisierend, jedoch konnten wesentliche Entwicklungsaufgaben bereits bewältigt werden. Durch das Sehen konnten Kinder und Jugendliche, die nicht von Geburt an blind sind, bereits einiges lernen, was ihnen auch bei der Bewältigung des Alltags hilft. Trotz der Traumatisierung durch die Erblindung sind die Selbstwirksamkeit und die Kompetenz bis auf die erste Zeit nach dem Verlust des Augenlichts im Allgemeinen wesentlich höher als bei Kindern, die von Geburt an blind sind.

Mit Ausnahme eines geringfügigen Zinsenmehrbegehrens gab das Erstgericht dem auf den Zuspruch von Schmerzengeld in Höhe von 200.000 EUR, von Verunstaltungsentschädigung in Höhe von 20.000 EUR sowie von weiteren, im Rechtsmittelverfahren nicht mehr relevanten Schadenersatzbeträgen gerichteten Klagebegehren statt und stellte die Haftung der beklagten Partei für künftige, aus der augenfachärztlichen Fehldiagnose bezüglich der Netzhautablösung und der dadurch erfolgten Erblindung resultierenden Schäden fest.

In rechtlicher Hinsicht legte das Erstgericht dar, das begehrte Schmerzengeld von 200.000 EUR sei im Hinblick auf die festgestellten mit der Blindheit des Klägers verbundenen Beeinträchtigungen angemessen. Auch das weitere Fortkommen des Klägers werde dadurch beeinträchtigt, weshalb auch die begehrte Verunstaltungsentschädigung von 20.000 EUR zustehe.

Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht erachtete einen Schmerzengeldbetrag von 100.000 EUR zur Abgeltung des durch den Zustand des Blindseins an sich verbundenen seelischen Leids und den damit verbundenen Benachteiligungen samt dauernder Abhängigkeit von fremder Unterstützung und Hilfe als angemessen und gerechtfertigt. Aus dem Titel der Verunstaltungsentschädigung erschien dem Berufungsgericht aufgrund der hohen Wahrscheinlichkeit einer Behinderung des beruflichen Fortkommens des Klägers ein Betrag von 15.000 EUR angemessen.

Das Berufungsgericht ließ die Revision mit der Begründung zu, dass die Thematik des Verlusts des Sehvermögens von Geburt an bei Abwesenheit körperlicher Schmerzen bislang vom Obersten Gerichtshof noch nicht behandelt worden sei.

Mit ihren Revisionen streben die Parteien eine Neubemessung des Schmerzengeldes und der Verunstaltungsentschädigung an. Der Kläger möchte einen Zuspruch eines Schmerzengeldes von 200.000 EUR und einer Verunstaltungsentschädigung von 20.000 EUR erreichen; die beklagte Partei strebt eine Reduktion des Schmerzengeldes auf 50.000 EUR an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; die Revision der klagenden Partei ist teilweise auch berechtigt, während der Revision der beklagten Partei keine Berechtigung zukommt.

1. Das Schmerzengeld stellt grundsätzlich eine Globalabfindung für alle eingetretenen und für alle nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden künftigen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen durch die Unfallfolgen dar (RIS-Justiz RS0031300, RS0031307, RS0031015 [T3]; zuletzt 3 Ob 241/10b). In aller Regel ist das Schmerzengeld daher als einmaliger Globalbetrag zu bemessen. Im vorliegenden Fall kann das mit der Erblindung verbundene Ungemach des Klägers mit hinreichender Sicherheit bereits überblickt werden.

2. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die Beurteilung der Höhe des angemessenen Schmerzengeldes von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Zur Vermeidung einer völligen Ungleichmäßigkeit der Rechtsprechung ist aber auch ein objektiver Maßstab anzulegen, indem der von der Judikatur ganz allgemein gezogene Rahmen für die Bemessung im Einzelfall nicht gesprengt wird (RIS-Justiz RS0031075).

2.1. Der bisher höchste Zuspruch in Österreich - zu 2 Ob 237/01v - betrug 3.000.000 ATS = 218.018,50 EUR (Danzl in KBB3 § 1325 Rz 30). Da für die Höhe des Schmerzengeldes der Geldwert zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung in erster Instanz maßgeblich ist (RIS-Justiz RS0031402 [T2 und T4]), muss für eine Vergleichbarkeit früherer Schmerzengeldzusprüche auch die inflationsbedingte „Verdünnung“ des Geldwerts berücksichtigt werden. In dem der Entscheidung 2 Ob 237/01v zugrunde liegenden Fall wurde das erstinstanzliche Urteil am 23. Jänner 2001 gefällt (der Schluss der Verhandlung wird in zeitlicher Nähe zu diesem Datum gelegen sein). Im vorliegenden Fall wurde die Verhandlung in erster Instanz am 23. November 2010 gefällt. Eine Aufwertung des Schmerzengeldzuspruchs rein nach dem VPI 2000 würde eine rechnerische Anhebung von etwa 22 % auf etwa 266.000 EUR ergeben. Der Fall war durch schwerste Dauerfolgen eines zum Unfallszeitpunkt 21-jährigen Mannes gekennzeichnet (hohe Querschnittsymptomatik mit Lähmung des Atmungsnervs; dadurch bedingte künstliche Beatmung bis an das Lebensende; nur geringe Bewegungsmöglichkeit im Bereich der rechten Fingergelenke und des rechten Ellenbogengelenks; Doppelbilder aufgrund einer Augenmuskellähmung).

2.2. Zweifellos liegen auch beim Kläger gravierende Dauerfolgen, und zwar praktisch von Lebensbeginn an vor; sie erreichen jedoch nicht die Schwere derjenigen, die der Entscheidung 2 Ob 237/01v zugrunde liegen.

3. Der Verlust des Augenlichts bildete den Gegenstand zweier schon etwas älterer Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs.

3.1. In der Entscheidung 2 Ob 59/84 billigte der Oberste Gerichtshof einen Schmerzengeldzuspruch von umgerechnet etwa 58.000 EUR an eine 17-Jährige, die praktisch erblindet war und den Geruchs- und Geschmackssinn verloren hatte. Das Ersturteil wurde am 30. Dezember 1983 gefällt. Eine Aufwertung auf November 2010 nach dem VPI 1976 (Wert Dezember 1983: 142,6; Wert November 2010: 260,3) würde zu einem Betrag von ca 106.000 EUR führen.

3.2. Zu 2 Ob 14/86 erachtete der Oberste Gerichtshof einen Zuspruch von umgerechnet etwa 51.000 EUR an einen 24-Jährigen, der trotz eines verbliebenen Sehvermögens am rechten Auge von 10 % als praktisch blind anzusehen war, als angemessen. Das Ersturteil wurde am 17. Juli 1985 gefällt. Eine Aufwertung auf November 2010 nach dem VPI 1976 (Wert Juli 1985: 153,1; Wert November 2010: 260,3) würde zu einem Betrag von ca 87.000 EUR führen.

4. In den letzten Jahrzehnten ist zu beobachten, dass die Rechtsprechung bei der Bewertung von Dauerfolgen die Komponente des psychischen Leids stärker als früher in den Vordergrund rückt (siehe bereits Kossak, „Schmerzengeld nach Tagessätzen“, ZVR 2001, 227), sodass eine pauschale Aufwertung von Schmerzengeldzusprüchen parallel zur Entwicklung des Verbraucherpreisindex den heute anzuwendenden Relationen nicht gänzlich gerecht wird, auch wenn damit Anhaltspunkte für eine Objektivierung gewonnen werden können.

4.1. Auch wenn in der Entscheidung 2 Ob 59/84 zusätzlich der Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns auszugleichen war, stehen einem Zuspruch von nur 100.000 EUR im konkreten Fall die besonderen Umstände des Einzelfalls entgegen. Der Kläger hat den Verlust des Sehvermögens praktisch von Geburt an zu erleiden; schon allein damit gehen gravierende Nachteile in der persönlichen Entwicklung einher, die in der Folge auch zu beträchtlichen psychischen Beeinträchtigungen der Lebensperspektiven führen, die über den Umstand der Blindheit als körperliche Beeinträchtigung weit hinausgehen.

4.2. Unter Berücksichtigung dieser speziellen Umstände und unter Beachtung der Relation zum bisherigen Höchstzuspruch von Schmerzengeld erscheint ein Zuspruch in Höhe von 150.000 EUR angemessen.

5. Der von der beklagten Partei in ihrer Revision erneut aufgegriffene Kausalzusammenhang zwischen dem auf ein Unterlassen zurückzuführenden Kunstfehler und der Erblindung betrifft den Tatsachenbereich und kann in der Revision nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden. Das Erstgericht hat festgestellt, dass es bei der gebotenen engmaschigen Kontrolle und einer umgehenden Behandlung „wahrscheinlich gewesen [wäre] (Wahrscheinlichkeitsgrad ca 60 %), dass dem Kläger eine Sehschärfe von 20 bis 40 % verblieben wäre“. Die Tatsacheninstanzen sind auf dieser Grundlage davon ausgegangen, dass die gebotene Behandlung den Schaden verhindert hätte. Diese Vorgangsweise entspricht der Rechtsprechung, die wegen der besonderen Schwierigkeiten eines exakten Beweises der Kausalität eines festgestellten Behandlungsfehlers im Arzthaftungsprozess geringere Anforderungen an den Kausalitätsbeweis als sonst im Schadenersatzrecht stellt (vgl etwa RIS-Justiz RS0026412 [T13]; RS0038222 [T6]; Neumayr, Prozessuale Fragen des Arzthaftungsprozesses, in Resch/Wallner [Hrsg], Handbuch Medizinrecht [2011] 283 [294]).

6. In Bezug auf die Verunstaltungsentschädigung erscheint der Zuspruch von 15.000 EUR unter Berücksichtigung der vorliegenden Beeinträchtigungen des Klägers in seinem Fortkommen sowie unter Bedachtnahme auf die bisherigen Zusprüche (siehe die Auflistung bei Harrer in Schwimann3 § 1326 ABGB Rz 27) angemessen.

7. Die Abänderung macht eine Neuberechnung des Kostenersatzes erforderlich.

7.1. Für das erstinstanzliche Verfahren beruht die Kostenentscheidung auf § 41 ZPO in Verbindung mit § 43 Abs 2 2. Fall ZPO.

Da eine „Überklagung“ nicht vorliegt, hat die beklagte Partei dem Kläger im erstinstanzlichen Verfahren dessen Kosten, allerdings nur auf Basis des zugesprochenen Betrags zu ersetzen. Dies gilt sowohl für die Anwaltskosten als auch für die Gerichtsgebühren (RIS-Justiz RS0116722 [T2]). Die Bemessungsgrundlage des erstinstanzlichen Verfahrens beträgt in diesem Sinn 187.492,60 EUR. Unter Berücksichtigung der vom Erstgericht vorgenommenen (und auch vom Berufungsgericht) übernommenen berechtigten Abstriche ergibt sich eine Summe aus Verdienst und ERV-Zuschlag von 12.090,36 EUR; dazu kommen die Umsatzsteuer (2.418,07 EUR) und die Barauslagen (reduzierte Pauschalgebühr von 3.577 EUR; SV-Kosten 1.494,02 EUR).

7.2. Im Berufungsverfahren gelten für den Kostenersatz die §§ 50, 43 Abs 1 ZPO. Das Berufungsinteresse der beklagten Partei betrug 160.000 EUR (Schmerzengeld 150.000 EUR; Verunstaltungsentschädigung 10.000 EUR). Davon hat die beklagte Partei 55.000 EUR obsiegt, das ist rund 1/3. Die klagende Partei hat dementsprechend Anspruch auf 1/3 ihrer Kosten der Berufungsbeantwortung; die beklagte Partei hat Anspruch auf Ersatz von 1/3 ihrer Pauschalgebühren von 5.555 EUR (= 1.851,67 EUR).

7.3. In Bezug auf die erfolglose Revision der beklagten Partei gelten §§ 50, 41 ZPO; die klagende Partei hat Anspruch auf Ersatz der gesamten Kosten der Revisionsbeantwortung.

Die klagende Partei ist mit ihrer Revision (Revisionsinteresse 105.000 EUR) mit 50.000 EUR durchgedrungen, das ist in etwa die Hälfte. Sie hat daher gemäß § 43 Abs 1 und § 50 ZPO Anspruch auf Ersatz der halben Pauschalgebühr, während im Übrigen die Kosten gegeneinander aufzuheben sind.

Textnummer

E98212

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0030OB00128.11M.0824.000

Im RIS seit

14.09.2011

Zuletzt aktualisiert am

05.08.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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