TE AsylGH Erkenntnis 2011/04/12 E6 418606-1/2011

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Veröffentlicht am 12.04.2011
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Spruch

E6 418.606-1/2011-3E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Habersack als Vorsitzenden und die Richterin Dr. Kloibmüller als Beisitzerin über die Beschwerde der XXXX, StA. Türkei, vertreten durch RA Dr. Vacarescu, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.03.2011, Zl. 10 11.799-BAG, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

 

I.1. Für die in Österreich geborene, minderjährige Beschwerdeführerin stellte ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin am 01.12.2010 vor der PI Traiskirchen EASt einen Antrag auf internationalen Schutz, insbesondere auf Gewährung desselben Schutzes im Sinne des

 

§ 34 Abs 1 AsylG 2005, unter Vorlage der Geburtsurkunde der Beschwerdeführerin, ausgestellt vom Standesamt der Landeshauptstadt

XXXX.

 

2. Mit Bescheid vom 15.03.2011, Zl. 10 11.799-BAG, wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchteil I.), wies gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei ab (Spruchteil II.) und stellte in Spruchteil III. gemäß § 10 Abs 1 AsylG die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei fest.

 

Festgehalten wurde vom Bundesasylamt, dass für die Beschwerdeführerin am XXXX (offensichtlich irrtümliche Annahme eines falschen Antragsdatums im Bescheid, richtigerweise 01.12.2010, Antragsdatum laut AIS 15.12.2010) ein Antrag gemäß § 34 AsylG im Rahmen eines Familienverfahrens ohne Geltendmachung eigener Fluchtgründe zu einem noch offenen Asylverfahren der Mutter eingebracht worden sei, welches mit Ablehnung der Beschwerde durch den Verwaltungsgerichtshof am 13.12.2010 abgeschlossen worden sei.

 

Als Beweismittel wurden dem Verfahren vom Bundesasylamt die Geburtsurkunde der Beschwerdeführerin, der Akt zum Asylverfahren der Mutter sowie die Einvernahmen der Mutter zugrunde gelegt. Die Einvernahmen beschränkten sich lediglich auf die Befragung der Mutter der Beschwerdeführerin zu den Personalien und die von der Mutter einmalig vor der PI Traiskirchen am 01.12.2010 getätigte und vor dem Bundesasylamt am 03.02.2011 lediglich ohne weitere Rückfragen bestätigte Angabe zu den Fluchtgründen mit dem Wortlaut:

"Meine Tochter hat keine eigenen Asylgründe. Ich stelle den Asylantrag, weil mein Asylverfahren beim Verwaltungsgerichtshof anhängig ist. Das Kind ist gesund und ich stelle stellvertretend dafür einen Asylantrag."

 

Fragen zum Vater der Beschwerdeführerin bzw. zu dessen Aufenthaltstitel für das österreichische Bundesgebiet wurden keine gestellt, es wurden dem Verfahren keine Länderfeststellungen zugrunde gelegt, sondern wurde lediglich zur Situation im Herkunftsstaat auf den Asylbescheid der Mutter der Beschwerdeführerin verwiesen und sind dem Akt weitere Erhebungen oder Ermittlungsschritte des Bundesasylamtes bzw. ein Parteiengehör hierzu nicht zu entnehmen. Im Bescheid wurde zur Ausweisungsentscheidung kurz festgestellt, dass der Mutter nach Abschluss ihres Asylverfahrens kein Aufenthaltsrecht in Österreich zukommen würde und der Vater der Beschwerdeführerin über einen Niederlassungsnachweis verfüge. Dem Vater der Beschwerdeführerin sei die Fortsetzung des Familienlebens auch in der Türkei zuzumuten, weshalb im Falle einer Ausweisung der Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet von keiner Verletzung des

 

Art. 8 EMRK auszugehen sei.

 

Dieser Bescheid wurde der Mutter der Beschwerdeführerin als gesetzlicher Vertreterin am 17.03.2011 persönlich zugestellt.

 

3. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht vom bevollmächtigten rechtsfreundlichen Vertreter der Beschwerdeführerin am 29.03.2011 Beschwerde eingebracht. In dieser wurde ausschließlich Spruchpunkt III des Bescheides des Bundesasylamtes angefochten.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass die minderjährige Beschwerdeführerin die leibliche Tochter des XXXX, und der XXXX, sei, welche am XXXX vor dem Standesamt der Landeshauptstadt XXXX geheiratet hätten.

 

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 13.12.2010, Zl. 2008/23/0110-6, sei die Behandlung der Beschwerde gegen den abweisenden Bescheid des damaligen unabhängigen Bundesasylsenates vom 19.06.2007, Zl. 311.661-2/E-XIV/08/07, betreffend die Mutter der Beschwerdeführerin abgelehnt worden.

 

Der Vater der minderjährigen Beschwerdeführerin sei seit Jahren im österreichischen Bundesgebiet niederlassungsberechtigt und habe zwischenzeitig beim zuständigen Amt XXXX einen Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft eingebracht.

 

Mit Bescheid des XXXX, sei dem Vater der Beschwerdeführerin die österreichische Staatbürgerschaft für den Fall, dass er innerhalb von zwei Jahren aus dem türkischen Staatsverband ausscheidet, zugesichert worden. Diesen Nachweis des Ausscheidens aus dem türkischen Staatsverband habe der Vater der Beschwerdeführerin bereits Ende Jänner 2011 dem Amt XXXX, übermittelt, sodass der Vater der Beschwerdeführerin aktuell staatenlos und in absehbarer Zeit österreichischer Staatbürger sei.

 

Zu den Beschwerdegründen an sich wurde ausgeführt, dass die erstinstanzliche Behörde es unterlassen habe, in rechtlich relevanter Art und Weise ein notwendiges ordentliches Ermittlungsverfahren iSd §§ 37, 39 AVG durchzuführen. Hätte die Behörde ein ordentliches Ermittlungsverfahren durchgeführt, wäre sie zu dem Ergebnis gelangt, dass der Vater der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits staatenlos gewesen sei. Damit sei eine Ausweisung eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes gemäß Art. 8 EMRK, da es der Beschwerdeführerin nicht möglich sei, im Herkunftsstaat ein Familienleben mit ihrem Vater aufrechtzuerhalten.

 

Weiters habe die erstinstanzliche Behörde die Beschwerdeführerin in ihrem Recht gemäß

 

§ 45 Abs. 3 AVG verletzt. Dies sei insofern von rechtlicher Relevanz, zumal bei Einhaltung des Parteiengehörs die Beschwerdeführerin bzw. ihre gesetzliche Vertreterin darauf aufmerksam hätte machen können, dass der Vater der Beschwerdeführerin über einen Zusicherungsbescheid zur Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft verfügen würde, und eben seit Anfang des Jahres staatenlos sei.

 

Schließlich habe sich die erstinstanzliche Behörde auch nicht mit der Niederlassungsbewilligung des Vaters der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt, und auch die aktuelle Judikatur des Europäischen Gerichtshofes, insbesondere das Urteil vom 08.03.2011 in der Rechtssache C-34/09 in Sachen Zambrano gegen Belgien zu berücksichtigen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1.1. Gemäß § 23 Absatz 1 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idF BGBL. I Nr. 147/2008, sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Im vorliegenden Fall ist das Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100 in geltender Fassung anzuwenden.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 61 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat.

 

Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.

 

II.1.2. Gemäß § 18 AsylG 2005 haben die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Rechtsnorm stellt eine Konkretisierung der aus § 37 AVG i.V.m. § 39 Abs. 2 leg. cit. hervorgehenden Verpflichtung einer Verwaltungsbehörde, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen, dar.

 

Gemäß § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung zu nehmen. Den Parteien ist das Ergebnis der behördlichen Beweisaufnahme in förmlicher Weise zur Kenntnis zu bringen und ausdrücklich unter Setzung einer angemessenen Frist Gelegenheit zu geben, zu diesen Ergebnissen Stellung zu nehmen (VwGH 05.09.1995, Zl. 95/08/0002). Gegenstand des Parteiengehörs sind sämtliche Ergebnisse der Beweisaufnahme. Auch soweit die Behörde bestimmte Tatsachen als offenkundig behandelt, ist dies der Partei bekannt zu geben (VwGH 17.10.1995, Zl. 94/08/0269). Gemäß der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 27.02.2003, Zl. 2000/18/0040) ist die Verletzung des Parteiengehörs zwar saniert, wenn im Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens dargelegt werden und die Partei die Möglichkeit hat, in ihrer Berufung dagegen Stellung zu nehmen - Voraussetzung einer solchen Sanierung ist aber, dass in der erstinstanzlichen Bescheidbegründung tatsächlich alle Beweisergebnisse dargelegt werden, da ansonsten der Asylgerichtshof das Parteiengehör einräumen müsste (VwGH 25.03.2004, Zl. 2003/07/0062).

 

II.1.3. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde (kraft oben zitierter Bestimmung auch der Asylgerichtshof, es bestehen diesbezüglich keine materiellrechtlichen Sondernormen), so der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

 

Gemäß Absatz 3 dieser Bestimmung kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnissen vom 21. November 2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im letztgenannten Erkenntnis insbesondere ausgeführt:

 

"Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, Zl. 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommende Rolle einer ¿obersten Berufungsbehörde' (Art. 129c 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen."

 

In Erkenntnis vom 17.10.2006 (Zl. 2005/20/0459) hat der VwGH betont, dass eine Behebung nach § 66 Abs 2 AVG nur zulässig ist, wenn eine weitere Verhandlung/Einvernahme erforderlich ist, was nicht der Fall wäre, wenn die Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens durch schriftliches Parteiengehör saniert hätten werden können.

 

II.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat nun in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durch die Verwaltungsbehörde durchzuführen ist. Im vorliegenden Fall ist dies in qualifizierter Weise unterlassen worden, dies aus folgenden Erwägungen:

 

Im vorliegenden Fall hat es das Bundesasylamt völlig unterlassen, sich mit der Person des Vaters der Beschwerdeführerin, insbesondere dessen Aufenthaltsstatus in Österreich näher auseinanderzusetzen. Die bloße Feststellung, dass der Vater der Beschwerdeführerin über einen "Niederlassungsnachweis" verfüge und es ihm aufgrund seiner Reisefreiheit auch zumutbar sei, das Familienleben allenfalls im gemeinsamen Herkunftsstaat weiterzuführen, genügt keinesfalls den Ermittlungspflichten, und wurde der Beschwerdeführerin bzw. ihrer Mutter auch kein Parteiengehör zum Ermittlungsergebnis des Bundesasylamtes gewährt.

 

Eine Befragung der Eltern der Beschwerdeführerin zum aktuellen Stand des Niederlassungsverfahrens des Vaters der Beschwerdeführerin wäre unerlässlich gewesen und wird dies im fortgesetzten Verfahren vom Bundesasylamt daher nachzuholen sein. Wie sich auch aus der Beschwerde ergibt, hat sich das Bundesasylamt in weiterer Folge in nachvollziehbarer Weise mit der Frage auseinanderzusetzen, ob nicht durch den noch zu ermittelnden Aufenthalts- bzw. Niederlassungsstatus des Vaters der Beschwerdeführerin Fakten vorliegen, welche einer Ausweisung entgegenstehen könnten.

 

Aus Sicht der Beschwerdeinstanz verstößt das Prozedere des Bundesasylamtes somit gegen die von § 18 AsylG 2005/§ 28 AsylG 1997 determinierten Ermittlungspflichten. Das Bundesasylamt hätte schon von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken gehabt, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben vervollständigt werden. Diese Rechtsnorm, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG i.V.m. § 39 Abs. 2 leg. cit. hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen ist, hat das Bundesasylamt in diesem Verfahren missachtet.

 

Es hätte jedenfalls im Sinne des § 45 Abs 3 AVG auch einer Konfrontation der Beschwerdeführerin bzw. ihrer gesetzlichen Vertreterin mit dem (wie oben aufgezeigt) amtswegig zu ermittelnden Sachverhalt und den diesbezüglichen Beweismitteln bedurft. Den Parteien ist das Ergebnis der behördlichen Beweisaufnahme in förmlicher Weise zur Kenntnis zu bringen und ausdrücklich unter Setzung einer angemessenen Frist Gelegenheit zu geben, zu diesen Ergebnissen Stellung zu nehmen, was nicht geschehen ist. Gegenstand des Parteiengehörs sind sämtliche Ergebnisse der Beweisaufnahme. Auch soweit die Behörde bestimmte Tatsachen als offenkundig behandelt, ist dies der Partei bekannt zu geben. Die Verletzung des Parteiengehörs wäre zwar saniert, wenn im Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens dargelegt werden und die Partei die Möglichkeit hat, in ihrer Beschwerde dagegen Stellung zu nehmen. Voraussetzung einer solchen Sanierung ist aber, dass in der verwaltungsbehördlichen Bescheidbegründung tatsächlich alle Beweisergebnisse dargelegt werden, da ansonsten die Beschwerdeinstanz das Parteiengehör einräumen müsste. Durch das oben dargestellte Verfahren bzw. Ermittlungsverfahren ist dieses Erfordernis aber mit Sicherheit nicht erfüllt.

 

Ohne Nachholung der für die Prüfung notwendigen Tatsachenerhebungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Sachverhalt entsprechend entscheidungsrelevant ermittelt wurde. Eine neuerliche Befragung und Würdigung des Vorbringens unter Zugrundelegung aktueller - und entscheidungsrelevanter - Feststellungen wird das Bundesasylamt im fortgesetzten Verfahren nachzuholen haben.

 

II.3. Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit aktuellen und auf objektiv nachvollziehbaren Quellen beruhenden Länderfeststellungen verlangt (vgl. VwGH 26.11.2003, Zl. 2003/20/0389).

 

Wie oben dargestellt, kann es nicht Sache der Beschwerdeinstanz sein, die im gegenständlichen Fall dazu erforderlichen - jedoch im Verfahren vor dem Bundesasylamt wesentlich mangelhaft gebliebenen - Ermittlungen nachzuholen, um dadurch erst zu den erforderlichen Entscheidungsgrundlagen zu gelangen und würde es darüber hinaus, sofern der Asylgerichtshof diese Vorgangsweise wählen würde, (mindestens) einer mündlichen Verhandlung nur zur Erörterung der Ermittlungsergebnisse bedürfen.

 

Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall das dem Asylgerichtshof gem. § 66 Abs. 2 und 3 AVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung zu üben. Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht des Beschwerdeführers gegen eine Kassation des Bescheides des Bundesasylamtes sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar.

 

II.4. Die Rechtssache war daher spruchgemäß an das Bundesasylamt zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das Bundesasylamt wird im fortzusetzenden Verfahren die dargestellten Mängel zu verbessern haben.

Schlagworte
Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
27.04.2011
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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