Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichtes Dr. Jesionek als Vorsitzende sowie den Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Rassi und den KR Ing Pridt in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. N***** GmbH, *****, 2523 Tattendorf, 2. R***** M*****, *****, 2500 Baden, beide vertreten durch Dr. Michael Prager Rechtsanwaltsgesellschaft GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. F***** Z***** und 2. A***** Z*****, *****, 3123 Obritzberg-Rust, vertreten durch Thum Weinreich Schwarz, Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen Unterlassung, Schadenersatz, Rechnungslegung, Zahlung und Feststellung (Streitwert im Provisorialverfahren EUR 21.000,--), über den Rekurs der erstklagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom 18.11.2008, GZ 19 Cg 108/07d-12, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss :
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die erstklagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die mit EUR 1.152,95 (darin EUR 192,16 USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 20.000,--. Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Text
Begründung:
Der Zweitkläger und die Beklagten sind die Gründer und Gesellschafter der Erstklägerin, zu deren Unternehmensgegenstand ua die Herstellung von Biofaserlehm, Lehmputz und anderen (insb biologischen) Baustoffen aus Lehm gehört. Der Erstkläger ist Mehrheitsgesellschafter. Mit ihrer auf §§ 1 und 12 UWG gestützten und ausdrücklich als „Klage nach UWG“ bezeichneten Klage begehrten die Kläger die Unterlassungsverpflichtung der Beklagten, die im geschäftlichen Verkehr anvertrauten Vorlagen oder Vorschriften technischer Art zu Zwecken des Wettbewerbs unbefugt zu verwerten oder unter Verwendung des Know-hows der Kläger eigenständige Produkte, insb Lehmputze, aus dem Sortiment der Erstklägerin zu produzieren und/oder zu verkaufen. Neben einem weiteren Begehren auf Rechnungslegung und Feststellung begehrten die Kläger auch die Zahlung von EUR 6.000,-- sA an Schadenersatz sowie den sich aus der Rechnungslegung ergebenden Betrag.
Im Laufe dieses Verfahrens beantragte die Erstklägerin zur Sicherung ihres Unterlassungsbegehrens den Beklagten zu verbieten, unter Verwendung des Know-hows „der gefährdeten Parteien“ eigenständige Produkte, Lehmputze und insbesondere solche, die unter den Patentschutz EP 0903328 B1 fallen, zu produzieren und/oder zu vertreiben, sowie im geschäftlichen Verkehr anvertraute Vorlagen oder Vorschriften technischer Art zu Zwecken des Wettbewerbs unbefugt zu verwerten.
Die Erstklägerin brachte vor, das Know-how zur Herstellung von Lehmputzsorten habe ausschließlich der Zweitkläger in das Unternehmen eingebracht. Die Beklagten seien als Lohnproduzenten tätig. Die Produktion erfolge nach den vom Zweitkläger erstellten Rezepturen. Das Know-how sei den Beklagten aus ihrer Gesellschafterstellung und der vorbereitenden Zusammenarbeit bekannt geworden. Die Beklagten würden in wettbewerbswidriger Weise das vom Zweitkläger in die Erstklägerin eingebrachte Wissen über die Lehmputzherstellung verwenden und in konkurrenzierender Tätigkeit zur Erstklägerin Lehmputze herstellen. Dabei würden sie gegen eine Konkurrenzvereinbarung verstoßen. Die Beklagten hätten dadurch gegen ihre Pflichten als Gesellschafter und gegen §§ 1 und 12 UWG verstoßen. Ein Konkurrenzverbot sei nämlich auch dahingehend anzunehmen, dass bloße Gesellschafter Informationen, die lediglich aus dem Gesellschaftsverhältnis heraus bekannt seien, nicht zu einem Wettbewerb verwendet werden dürfen. Die Beklagten würden ganz gezielt versuchen, mit ihrem bei der Erstklägerin erworbenen Wissen, direkt Kunden der Erstklägerin anzusprechen. Eine Laboranalyse der von den Detektivbüros entnommenen Proben habe ergeben, dass die Beklagten den Patentschutz des Patentes EP 0903328 B1 verletzten würden. Im Labor habe man festgestellt, dass die von den Beklagten an Dritte gelieferten Produkte nahezu ident seien mit den Produkten, die von der Erstklägerin vertrieben würden. Die Beklagten hätten derartige Produkte nur aufgrund des in der Zusammenarbeit und als Gesellschafter erlangten Wissens produzieren und vertreiben können. Die Beklagten wandten im Provisorialverfahren die Unzuständigkeit des Erstgerichtes ein. Im Kern handle es sich hierbei um eine Patentrechtssache, sodass dafür das Handelsgericht Wien zuständig sei. Es werde lediglich versucht, aufgrund des UWG den Patentschutz zu verbreitern.
In der Sache führten die Beklagten aus, dass die beantragte einstweilige Verfügung zu unbestimmt sei. Zudem solle den Beklagten auch verboten werden, andere Produkte als Lehmprodukte herzustellen, was jedenfalls unzulässig sei. Der Zweitkläger habe nicht das alleinige Wissen zur Erzeugung von Lehmputz in das Unternehmen der Erstklägerin eingebracht. Die Beklagten hätten nicht geheimes Know-how zum Zwecke des Wettbewerbs unbefugt verwertet. Die Lehmputzproben der Erstklägerin und die der Beklagten seien nicht identisch. Sowohl die Erstklägerin als auch die Beklagten würden den Sand und Lehm der Beklagten verwenden, sodass eine daraus notwendiger Weise gegebene Ähnlichkeit nur logisch scheine. Der von den Beklagten eigenständig produzierte und verkaufte Lehmputz sei nicht nach den Rezepturen der Klägerin erfolgt. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, wäre das zulässig, weil die Rezeptur durch Analyse des Endproduktes jedermann zugänglich sei. Die Beklagten seien überdies berechtigt, soweit die Klägerin Know-how zur Verfügung gestellt habe, dies zu eigenen Zwecken zu verwenden. Es bestehe keine Konkurrenzvereinbarung oder Konkurrenzklausel.
Der Zweitkläger hat sich am Provisorialverfahren nicht beteiligt. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht die Unzuständigkeitseinrede (rechtskräftig) verworfen und den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgewiesen. Es traf dabei folgende Feststellungen:
Die Beklagten sind Gesellschafter der im Jahr 2002 gegründeten Erstklägerin und seit Jahren mit dieser in einem regelmäßigen Geschäftsverhältnis tätig. Die Beklagten produzieren über Auftrag der Erstklägerin Lehmputz. Der Zweitkläger und Mehrheitsgesellschafter der Erstklägerin ließ sich am 21.08.1998 eine Baustoffmischung aus ungebranntem Lehm und/oder Ton patentieren. Ob das Wissen über die spezifische Herstellung des Lehmputzes ausschließlich vom Zweitkläger stammt oder dies ein Entwicklungsprozess unter Mitwirkung der Beklagten war, kann nicht festgestellt werden. Es kann ebenfalls nicht festgestellt werden, ob der Zweitkläger spezielles Know-how zur Lehmputzherstellung an die Erstklägerin weitergeleitet hat. Es kann weiters nicht festgestellt werden, welches spezifische Wissen der Zweitkläger hinsichtlich der Erzeugung von Lehmputz hat und welches Wissen in welcher Form an die Klägerin weitergegeben wurde. Ebenfalls nicht festgestellt werden kann, welches spezifische Wissen über Lehmputzherstellung die Beklagten nach Ansicht der Erstklägerin verwenden. Die Entnahme von Lehmputzproben aus der Produktion der Beklagten und einer aus der Produktion der Erstklägerin ergeben in Bezug auf Fasergehalt und Fasertype, dass der von der Erstklägerin analysierte Lehmputz ca 0,35% des Gewichtes an Hanffasern enthält. Die Proben, die von den Beklagten entnommen wurden, enthalten 0,20 bis 0,25% des Gewichtes an zum Teil ausschließlich Hanf und zum Teil Hanf- und Strohfasern.
Nicht festgestellt werden kann, ob zwischen den Streitteilen ein Konkurrenzverbot vereinbart wurde. Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass die Beklagten durch ihr Verhalten gegen gesellschaftsrechtliche Treuepflichten verstoßen haben. Weiters kann nicht festgestellt werden, ob der von den Beklagten hergestellte Lehmputz dem Patent EP 0903328 B1 entspricht.
In rechtlicher Hinsicht stützte das Erstgericht die Abweisung des Sicherungsbegehrens im Wesentlichen auf den Umstand, dass eine widerrechtliche Verwendung von spezifischem Wissen der Erstklägerin zum Zwecke des Wettbewerbs durch die Beklagten nicht bescheinigt worden sei. Der Umstand allein, dass die Beklagten konkurrenzierend zur Erstklägerin Lehmputz herstellten, sei noch kein Verstoß gegen § 1 UWG. Die Erstklägerin hätte die von ihr behaupteten Wettbewerbsverstöße der Beklagten nicht bescheinigen können. Die Voraussetzungen des Patentrechtes würden sich nicht mit denen des UWG decken. Dieses sei trotz Formalschutzes anzuwenden, wenn besondere Umstände eine Sittenwidrigkeit erkennen lassen. Wer Ausschließlichkeitsrechte wie Patentrechte missachtet, könne gegen §§ 1, 2 UWG verstoßen, weil er sich dadurch einen ungerechtfertigten Vorsprung verschaffen könne. Nach dem Bescheinigungsverfahren liege keine Verletzung patentrechtlicher Ansprüche vor. Unabhängig von der fehlenden Bescheinigung durch die Erstklägerin beziehe sich der Antrag auf einstweilige Verfügung nicht ausschließlich auf Lehmputze, sondern auch auf andere Produkte. In diesem Umfang sei der Sicherungsantrag zu weit gefasst.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Erstklägerin wegen unrichtigen Tatsachenfeststellungen und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Die Erstklägerin beantragt, die angefochtene Entscheidung im stattgebenden Sinn abzuändern.
Die Beklagten beantragen, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
In ihrer Beweisrüge bekämpft die Rekurswerberin ausschließlich das der erstgerichtlichen Entscheidung zugrundeliegende non-liquet, wonach nicht festgestellt werden konnte, ob der von den Beklagten verwendete Lehmputz dem Patent EP 0903328 B1 entspricht. Sie begehrt eine Ersatzfeststellung dahin, dass der von den Beklagten hergestellte und verkaufte Lehmputz dem Patent EP 0903338 B1 des Zweitklägers entspricht.
Im Sicherungsverfahren ist die Überprüfung der Beweiswürdigung des erkennenden Richters durch das Rekursgericht insoweit ausgeschlossen, als dieser den Sachverhalt (auch) auf Grund vor ihm abgelegter Zeugenaussagen oder Parteienaussagen als bescheinigt angenommen hat (6 Ob 650/93 [verst Senat] = SZ 66/164 = JBl 1994, 549 [Pichler]; 4 Ob 225/07b; 9 ObA 45/08w; 2 Ob 82/08k; 3 Ob 191/08x; RIS-Justiz RS0012391). Die Überprüfung der Beweiswürdigung durch das Rekursgericht ist nur dann zulässig, wenn das Erstgericht seine Feststellungen ausschließlich aufgrund von Urkunden getroffen hat (4 Ob 15/99f; 4 Ob 243/99k; RIS-Justiz RS0012391 [T3]). Diese Voraussetzung liegt hier vor, weshalb die Beweisrüge inhaltlich zu behandeln ist.
Der Rekurswerberin gelingt es nicht, erhebliche Zweifel an der erstgerichtlichen Beweiswürdigung zu erwecken. Dabei ist zu beachten, dass das Beweismaß im Provisorialverfahren gegenüber dem ordentlichen Verfahren herabgesetzt ist, weil es hier genügt, die tatbestandsrelevanten Tatsachen lediglich zu bescheinigen, dh glaubhaft zu machen (4 Ob 47/06z uva). Die Bescheinigung hat das gegenüber der Beweisführung im strengen Sinn eingeschränkte Ziel, dem Richter die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln (RIS-Justiz RS0040276). Die Bescheinigung ist dann gelungen, wenn der Richter von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit einer behaupteten Tatsache überzeugt ist (Rechberger in Rechberger³ § 274 ZPO Rz 1; ders in Fasching/Konecny² III § 274 ZPO Rz 1). Daraus folgt, dass im Provisorialverfahren ein non-liquet erst dann anzunehmen ist, wenn das Gericht nicht überwiegend überzeugt ist, dass eine Behauptung bzw das entsprechende Gegenteil wahr ist.
Das Erstgericht hat nachvollziehbar begründet (tlw disloziert in der rechtlichen Beurteilung), warum es nicht überwiegend überzeugt war, dass der von den Beklagten verwendete Lehmputz dem Patent EP 0903328 B1 entspricht. Dem hält die Erstklägerin die Ergebnisse dreier Prüfberichte eines chemischen Labors entgegen. Der Rekurswerberin ist zuzugestehen, dass der Inhalt der Prüfberichte ihren Standpunkt durchaus stützen kann. Allerdings kommt diesen Urkunden kein entscheidender Beweiswert zu. Wohl können im Provisorialverfahren auch schriftliche Stellungnahmen von einem nicht gerichtlich bestellten Sachverständigen herangezogen werden (vgl etwa RIS-Justiz RS0005284). Allerdings ist der Beweiswert eines derartigen Privatgutachtens deutlich herabgesetzt. Sie haben nur den Rang einer Privaturkunde und beweisen bloß, welche Ansicht der Verfasser vertritt (vgl Rechberger in Rechberger³ Vor § 351 ZPO Rz 8 mwN). Umso weniger weist daher ein mit einem Befund vergleichbarer Prüfbericht eines chemischen Labors einen hoher Beweiswert auf. Selbst die Erstklägerin qualifiziert die Prüfberichte in ihrem Rechtsmittel als Befunde (vgl Seite der 3 des Rekurses). Hinzukommt, dass die Prüfberichte weder umfassend noch nachvollziehbar begründet wurden, was aber angesichts der komplexen technischen Thematik erforderlich gewesen wäre. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Prüfberichte beim Erstgericht den für das Provisorialverfahren nötigen Überzeugungsgrad nicht auslösten, weshalb die Beweisrüge unbegründet ist.
Ob die Glaubhaftmachung behaupteter Tatsachen gelungen ist oder nicht, ist das Ergebnis richterlicher Beweiswürdigung und keine Frage der rechtlichen Beurteilung (SSV-NF 11/94; Rechberger in Fasching/Konecny² III § 274 ZPO Rz 5). Die Rechtsrüge der Erstklägerin, die sich ausschließlich und nur „aus advokatorischer Vorsicht“ mit der Frage der angeblich bescheinigten Patentverletzung auseinandersetzt, ist daher nicht gesetzmäßig ausgeführt. Die gesetzmäßige Ausführung einer Rechtsrüge verlangt nämlich ein konkretes Vorbringen, warum die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes unzutreffend sein soll. Dieses Vorbringen muss sich strikt an den „festgestellten Sachverhalt“ halten und darf keine feststellungsfremden Elemente, insbesondere keinen „Wunschsachverhalt“ einführen (RIS-Justiz RS0041585). Die hier bescheinigungspflichtige Erstklägerin hat den behaupteten Patenteingriff nicht bescheinigt, weshalb der darauf gestützte wettbewerbsrechtliche Anspruch schon deshalb ins Leere geht (vgl 4 Ob 127/92).
Davon abgesehen ist entgegen der Rechtsansicht der Erstklägerin festzuhalten, dass das Nachahmen eines fremden Produktes, das Patentschutz genießt, nicht in jedem Fall zugleich wettbewerbswidrig iSd § 1 UWG ist (4 Ob 127/92). Die Voraussetzungen des formalen Schutzes des Patentrechts decken sich nicht mit den Voraussetzungen
des Schutzes, den das UWG gewährt (4 Ob 174/32 = Rsp 1932/187; 4 Ob
386/34 = Rsp 1934/360).
Grundsätzlich ergänzt das UWG den durch das formale Sonderrecht (Patent-, Marken- und Musterschutzrecht) gewährten Rechtsschutz; seine Anwendung ist an sich zulässig, soweit sie nicht von den Formalgesetzen ausdrücklich oder stillschweigend ausgeschlossen wird (1 Ob 153/58 = ÖBl 1959, 23; 4 Ob 127/92; RIS-Justiz RS0077411). Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass auch derjenige gegen § 1 UWG idF vor der Novelle 2007 verstoßen kann, der Ausschließlichkeitsrechte missachtet, weil er sich vor jenen Mitbewerbern, die diese Rechte respektieren (und etwa Lizenzgebühren zahlen) einen ungerechtfertigten Vorsprung verschafft. Diese Entscheidungen betrafen aber stets den Klageanspruch des angeblichen Rechtsinhabers und nicht das auf eine fremde Rechtsposition gestützte Begehren eines Dritten (4 Ob 243/99k; RIS-Justiz RS0079466). Hingegen sind die Möglichkeiten Dritter, eine Verletzung von Ausschließlichkeitsrechten (etwa von Patent- oder Lizenzrechten) wettbewerbsrechtlich geltend zu machen, beschränkt. Nach der jüngsten Rsp des OGH kann ein Verstoß gegen ein Ausschließlichkeitsrecht von dritter Seite nur dann nach dem UWG geltend gemacht werden, wenn durch die Verletzung auch schützenswerte Belange der Allgemeinheit (und damit auch der Mitbewerber) betroffen werden (4 Ob 93/01g = ÖBl 2001, 220 – Internet-Nachrichtenagentur [Mayer]). Derartiges wurde von der Erstklägerin nicht vorgebracht. Den in der Entscheidung 4 Ob 405/76 (RIS-Justiz RS0078013) ausgesprochenen Grundsatz, ein Mitbewerber könne wettbewerbsrechtliche Ansprüche auch wegen Verletzung fremder Ausschließlichkeitsrechte geltend machen, sofern der Rechtsverletzer bewusst und planmäßig in der Absicht gehandelt habe, sich durch diesen Gesetzesverstoß einen Vorsprung vor seinen gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen, hat die jüngere Rechtsprechung mit ausführlicher Begründung nicht aufrecht erhalten
(4 Ob 93/01g = ÖBl 2001, 220 – Internet-Nachrichtenagentur [Mayer]; 4
Ob 140/01v; 4 Ob 30/02v = ecolex 2002/321 [Anderl]). Danach vermag zB
die Übernahme einer patentrechtlich geschützten Erfindung für sich allein eine Unlauterkeit im Sinn des § 1 UWG nicht zu begründen (4 Ob 30/02v = ecolex 2002/321 [Anderl]). Es steht nämlich dem Patentberechtigten frei, einzelnen Wettbewerbern Nutzungsrechte einzuräumen oder aber zu verweigern. Es muss daher auch ihm überlassen bleiben, Rechtsverletzungen hinzunehmen oder zu verfolgen. Die Einordnung von Patentrechtsverletzungen durch einen Mitbewerber unter die Fallgruppe des Erlangens eines Wettbewerbsvorsprungs durch Rechtsbruch lässt den Umstand unberücksichtigt, dass das Patentrecht bestimmten privilegierten Personen Ausschließlichkeitsrechte einräumt, allgemein verbindliche Verhaltensnormen für Jedermann, wie dies etwa im Gewerbe-, Lebensmittel- oder Arzneimittelrecht der Fall ist, aber nicht aufstellt (4 Ob 93/01g = ÖBl 2001, 220 – Internet-Nachrichtenagentur [Mayer]).
Dass die hier behauptungs- und bescheinigungspflichtige (vgl RIS-Justiz RS0079466) Erstklägerin (und alleinige Antragstellerin im Provisorialverfahren) selbst Trägerin eines Ausschließungsrechtes ist, dessen Verletzung sie als Verstoß gegen das UWG geltend macht, wurde von ihr weder behauptet noch bescheinigt. Vielmehr wurde vor Einleitung des Provisorialverfahrens von beiden Klägern behauptet, dass der am Provisorialverfahren nicht beteiligte Zweitkläger alleiniger Inhaber des Patents sei und dieses an die Erstklägerin nicht übertragen hätte (vgl ON 5, Seite 3). Eine Nutzungsberechtigung der Erstklägerin wurde nicht behauptet bzw bescheinigt.
Selbst wenn man von einer Nutzungsberechtigung der Erstklägerin
ausginge, wäre für sie nichts gewonnen. Eine „bloße“
Patentrechtsverletzung reicht auch für den Träger des
Ausschließlichkeitsrechts nicht hin, darauf einen Verstoß gegen § 1
UWG stützen (ähnlich für die deutsche Rechtslage: Holtorf in
Gloy/Loschelder, Handbuch des Wettwerbsrechts³ § 4 Rz 21 mwN). Die
Anwendung der Generalklausel des § 1 UWG (Abs 1 idF der UWG-Novelle
2007) setzt jedenfalls voraus, dass besondere Umstände einen
zusätzlichen Tatbestand sittenwidriger Art ergeben (4 Ob 386/34 = Rsp
1934/360; 1 Ob 599/38 = SZ 20/267; RIS-Justiz RS0077489). Die näheren
Umstände einer Patentrechtsverletzung müssen über das hinausgehen,
was regelmäßig mit einer typischen Verletzung von Patentrechten
verbunden ist. Diese Umstände müssen ein zusätzliches zu
missbilligendes Element enthalten, das die subsidiäre Anwendung des §
1 UWG auf solche Fälle rechtfertigen könnte (OLG Innsbruck 2 R
269/92). Als besonderer Umstand, der den geforderten zusätzlichen
Tatbestand sittenwidriger Art ergeben würde, kommt etwa eine
schwerwiegende Verletzung einer Vertragspflicht (zB
Konkurrenzverbot; 4 Ob 243/99k) oder von gesellschaftsrechtlichen
Treuepflichten in Betracht. In diesem Zusammenhang ist anzumerken,
dass ein Vertragsbruch nur dann gegen § 1 UWG verstößt, wenn im
Einzelfall besondere Umstände hinzutreten, aus denen sich ergibt,
dass die Vertragserfüllung aus sittlich verwerflichen Gründen
unterblieben ist. So erschöpft sich die Verletzung einer
vertraglichen Verpflichtung vor allem dort nicht im vertraglichen
Unrecht, wo sich ein Unternehmer über sie hinwegsetzt, um die
Vertragstreue seiner Mitbewerber zum eigenen Vorteil im Wettbewerb
für sich auszunützen (4 Ob 144/01g = ÖBl 2002, 15). Neben den bisher
aufgezählten Umständen, sind auch folgende missbilligende Elemente
denkbar: Herkunftstäuschung (BGH GRUR 2000, 521 und GRUR 2001, 251),
Rufausnutzung (BGH GRUR 1997, 754) oder Erschleichen der für die
Nachahmung notwendigen Kenntnisse (BGH GRUR 1985, 402).
Im Provisorialverfahren konnte vom Erstgericht kein besonderer Umstand festgestellt werden, was unbekämpft blieb.
Lediglich der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass auch die übrigen zur Stützung des Sicherungsantrages vorgebrachten Behauptungen nicht bescheinigt werden konnten. Das betrifft insbesondere die Vorwürfe an die Beklagten, sie hätten Informationen, die ihnen ausschließlich aus dem Gesellschaftsverhältnis heraus bekannt seien, zu Wettbewerbszwecken verwertet. Die entsprechenden Feststellungen blieben unbekämpft.
Das gilt auch für die auf § 12 UWG gestützten Behauptungen. Nach den Feststellungen liegen keine Anhaltspunkte vor, dass die Beklagten allfällige ihnen im geschäftlichen Verkehr anvertraute Vorlagen oder Vorschriften technischer Art zu Zwecken des Wettberwerbs unbefugt verwertet hätten.
Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf die §§ 402 Abs 4, 78 EO iVm § 41 ZPO. Als Bemessungsgrundlage für die Kosten der Beklagten gilt allerdings der für das Unterlassungsbegehren maßgebliche Streitwert, weil sich das Provisorialverfahren ausschließlich darauf bezieht. Es gebührt nur ein Streitgenossenzuschlag von 10%, weil der Zweitkläger am Provisorialverfahren nicht beteiligt war.
Gemäß §§ 402 Abs 4, 78 EO iVm §§ 526 Abs 3, 500 Abs 2 ZPO war auszusprechen, dass der nicht in einem Geldbetrag bestehende Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000,-- übersteigt, weil kein Anlass bestand, von der Bewertung des Unterlassungsbegehrens, auf das sich das Provisorialverfahren bezieht, durch die Klägerin abzugehen. Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig, weil der Entscheidung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt und das Rekursgericht auch sonst nicht über eine erhebliche Frage des formellen oder materiellen Rechts zu entscheiden hatte. Oberlandesgericht Wien
1016 Wien, Schmerlingplatz 11
Anmerkung
EW006861R37.09gEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0009:2009:00100R00037.09G.0227.000Zuletzt aktualisiert am
21.07.2009