TE OGH 2009/1/22 13Os164/08d

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Veröffentlicht am 22.01.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Jänner 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schörghuber als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gyula B***** wegen Verbrechen des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 1 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 31. Juli 2008, GZ 15 Hv 62/08w-48, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter, dritter und fünfter Fall SMG (2.a und 2.b) und wegen Vergehen nach § 27 Abs 1 zweiter und sechster Fall SMG idF BGBl I 2002/134 (3.) und demzufolge auch im Strafausspruch einschließlich der Vorhaftanrechnung aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die seine Nichtigkeitsbeschwerde betreffenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Gyula B***** wurde, soweit für das Verfahren über die und aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung, mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG (2.a), mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (2.b), mehrerer Vergehen nach § 27 Abs 1 zweiter und sechster Fall SMG idF BGBl I 2002/134 (3.), des Vergehens des Hausfriedensbruchs nach § 109 Abs 3 Z 1, 2 und 3 StGB (4.a) und des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (4.b) schuldig erkannt. Danach hat er in Graz und anderen Orten

2. von Ende April 2007 bis Ende Juni 2007 und im Dezember 2007 vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge

a) aus- und eingeführt, indem er in mehreren Angriffen „mindestens

4.480 Stück Ecstasy-Tabletten, 15 Gramm Amphetamin und 10 Gramm Heroin" von Ungarn nach Österreich importierte,

b) anderen überlassen, indem er in mehreren Angriffen „mindestens

4.450 Stück Ecstasy-Tabletten" im Zug mehrerer gewinnbringender Verkäufe an abgesondert verfolgte Abnehmer veräußerte;

3. von Anfang 2006 bis 29. Dezember 2007 den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift besessen und anderen überlassen, indem er unbekannte Mengen Ecstasy-Tabletten, Kokain und Amphetamin teils allein, teils gemeinsam mit anderen konsumierte und am 30. Dezember 2007 30 Stück Ecstasy-Tabletten besaß;

4. an einen nicht näher bekannten Tag im Juni 2007 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zwei noch nicht identifizierten Mittätern als unmittelbarer Täter

a) den Eintritt in die Wohnstätte des Sebastian N***** und der Monika S***** mit Gewalt erzwungen, wobei er gegen die dort befindlichen Personen Gewalt zu üben beabsichtigte, einer der Beteiligten mit Wissen des Angeklagten eine Waffe, nämlich ein Messer, mit sich führte, um den Widerstand einer Person zu überwinden oder zu verhindern, und das Eindringen mehrerer Personen erzwungen wurde, indem er die Wohnungstür eintrat (US 8);

b) „unter Aufrechterhaltung der durch die Tathandlungen zu 4.a) bewirkten Bedrohungssituation, sohin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB)" - welche die Tatrichter über den solcherart im Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilsspruch (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) genannten Sachverhalt hinaus den Entscheidungsgründen zufolge auch auf die von einem Begleiter des Angeklagten unter Anhalten eines Messers geäußerte Drohung bezogen, Monika S***** „die Finger" abzuschneiden (US 9) - Sebastian N***** und Monika S***** fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Packung mit Ecstasy-Tabletten, eine Spielkonsole in unbekanntem Wert und einen Bargeldbetrag von circa 200 Euro mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten inhaltlich seiner Einwände ausschließlich gegen den Schuldspruch wegen Raubes (4.b) gerichtete, auf Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch von Amts wegen zu Gunsten des Angeklagten vom Vorliegen einer nicht geltend gemachten Nichtigkeit (290 Abs 1 StPO).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:

Die auf die Konstatierungen zu Verhalten und Willen des Angeklagten in Bezug auf das Abverlangen von Suchtgift und Bargeld bezogene Mängelrüge (Z 5 erster, vierter und fünfter Fall) geht mit Hinweisen auf einzelne Aussagedetails daran vorbei, dass sich die Tatrichter zur Fundierung jener Feststellungen eingehend mit den Angaben der Zeugen Sebastian N***** und Monika S***** befassten, Widersprüche in deren Angaben einer kritischen Würdigung unterzogen und darlegten, aus welchen - unter dem Gesichtspunkt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstandenden - Erwägungen sie, was den zuerst Genannten betrifft, insbesondere der Aussage vom 28. Februar 2008 (ON 28) und, was die Zweitgenannte anbelangt, deren damit kongruenter Darstellung folgten (US 12 f).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zielt mit dem Vorbringen, das Erstgericht habe „lediglich ohne nähere Begründung von der verba legalia Gebrauch gemacht", nicht auf den von der Prozessordnung verlangten Vergleich des festgestellten Sachverhalts mit dem darauf angewendeten Gesetz (RIS-Justiz RS0099810), legt nicht näher dar, welche Feststellungen der Beschwerdeführer vermisst, und geht von urteilsfremden eigenen Sachverhaltsannahmen aus.

Zum umfassenden Aufhebungsantrag wurde kein die übrigen Schuldsprüche betreffendes Vorbringen erstattet (§§ 285 Abs 1, 285 a Z 2 StPO). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Zur amtswegigen Maßnahme:

Aus Anlass der Beschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon, dass den Schuldsprüchen 2.a und 2.b eine nicht geltend gemachte, dem Angeklagten zum Nachteil gereichende, gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen aufzugreifende Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO anhaftet.

Die Urteilsannahmen, wonach der Angeklagte, wie das Erstgericht zusammenfassend ausführte, von Ende April 2007 bis Ende Juni 2007 „in mehreren Angriffen mindestens 4.480 Stück Ecstasy-Tabletten in Straßenqualität mit einem Reinheitsgehalt bezogen auf den reinen Wirkstoff N-Äthyl-MDA von 5 % sowie 15 Gramm hochwertiges Amphetamin und 10 Gramm Heroin guter Qualität" von Ungarn nach Österreich importierte (US 11), bringen keine Feststellungsgrundlage zum Ausdruck, auf welche der Schuldspruch zu 2.a wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG gestützt werden könnte. Beim Wirkstoff N-Äthyl MDA beträgt die Grenzmenge (§ 28b SMG) 30,0 Gramm, bei Amphetamin 10,0 Gramm und bei Heroin 3,0 Gramm (Z 1, 3 und 4 des Anhangs zur SGV). Welche konkrete Menge welchen Wirkstoffs die Tatrichter zumindest als erwiesen ansahen, geht aus der Formulierung, 4.480 Stück Ecstasy-Tabletten - ungenannten Gewichts - hätten 5 % Gehalt des Wirkstoffs N-Äthyl-MDA gehabt, ebenso wenig hervor wie aus der unscharfen Angabe der Entscheidungsgründe, das Amphetamin sei „hochwertig" und das Heroin von „guter Qualität" gewesen.

Liegen einem Schuldspruch nach § 28a SMG (oder § 28 SMG) keine konkreten Feststellungen zur Mindestmenge an tatgegenständlichem Suchtgift, bezogen auf die Reinsubstanz des Wirkstoffs, zugrunde, haftet ihm ein Rechtsfehler mangels Feststellungen an, der gemäß § 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO zur Aufhebung und Anordnung neuer Verhandlung und Entscheidung führt.

Dies trifft auf den Schuldspruch 2.a ebenso zu wie auf den Schuldspruch 2.b, welcher auf der gleichermaßen ohne Angabe einer Mindestmenge an Wirkstoff getroffenen Konstatierung beruht, der Angeklagte habe von den schon genannten Ecstasy-Tabletten insgesamt mindestens 4.450 Stück sowie - insoweit im Übrigen vom Urteilstenor abweichend (US 2 f) - „15 Gramm Speed" weiterverkauft (US 11). Das demnach in den Entscheidungsgründen fehlende Tatsachensubstrat zu den Schuldsprüchen 2.a und 2.b wird durch die inhaltlich als rechtliche Beurteilung aufzufassende Stelle der Gründe, wonach der Angeklagte anderen eine Suchtgiftmenge überlassen habe, „die dem mehr als 7-fachen der Grenzmenge von 30 Gramm entspricht" (US 12 oben), nicht ersetzt.

Die Kassation der Schuldsprüche 2.a und 2.b erfordert gemäß § 289 StPO mit Blick auf §§ 35 Abs 1, 37 Abs 1 SMG (wegen des gegenüber der alten Rechtslage weiteren Anwendungsbereichs idgF: §§ 1, 61 StGB, Art I Abs 1 StRAG) auch jene des Schuldspruchs zu 3 (RIS-Justiz RS0119278).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten, die das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde, aber nicht auch das amtswegige Vorgehen betrifft, beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Anmerkung

E8975213Os164.08d

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0130OS00164.08D.0122.000

Zuletzt aktualisiert am

02.03.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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