TE AsylGH Beschluss 2008/07/09 S7 317214-2/2008

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Veröffentlicht am 09.07.2008
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Spruch

S 7 317.214-2/2008/2E

 

BESCHLUSS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Monika Lassmann als Einzelrichterin über die Beschwerde der Z. A., geb. 1953, Russische Staatsangehörige, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.Mai 2008, FZ 07 10.635-BAT beschlossen:

 

Spruch

 

Der Berufung (nunmehr: Beschwerde) wird stattgegeben, und der bekämpfte Bescheid gemäß § 66 Abs 4 AVG ersatzlos behoben.

Text

BEGRÜNDUNG :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Die Berufungswerberin (nunmehr: Beschwerdeführerin), eine Staatsbürgerin der russischen Föderation, stellte am 16.11.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs 1 Z 13 AsylG. Hiezu fand am 16.11.2007 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes eine Erstbefragung statt.

 

2. Am 22.11.2007 wurde der Beschwerdeführerin vom Bundesasylamt eine schriftliche Mitteilung gemäß § 29 Abs 3 Z 4 AsylG 2005 ausgefolgt, in welcher ihr zur Kenntnis gebracht wurde, dass seit 20.11.2007 Dublinkonsultationen mit der Slowakei geführt werden.

 

3. Die Beschwerdeführerin wurde vor dem Bundesasylamt am 18.12.2007 und am 23.04.2008 nierderschriftlich einvernommen.

 

4. Das Bundesasylamt hat erstmalig mit Bescheid vom 16.01.2008, Zahl 07 10.635-EAST-Ost, den Asylantrag der Beschwerdeführerin, ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und gleichzeitig ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Asylantrages gemäß Artikel 13 iVm 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates die Slowakei zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Griechenland ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung zulässig sei.

 

Ihrer dagegen behobenen Berufung wurde mit Bescheid des unabhängigen Asylsenates vom 09.02.2008 Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid gemäß § 41 Absatz 3 AsylG behoben.

 

5. Am 19.Mai 2008 erließ das Bundesasylamt den nunmehr angefochtenen Bescheid, indem es neuerlich aussprach, dass der Antrag auf internationalen Schutz, der Z. A. vom 16.11.2007 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs 1 AsylG 2005, Bundesgesetzblatt I Nr. 100/2005 (AsylG) in der geltenden Fassung, als unzulässig zurückgewiesen wird, für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Artikel 13 iVm Artikel 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates die Slowakei zuständig sei und Z. A. gemäß § 10 Abs 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Slowakei ausgewiesen werde, demzufolge eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Slowakei gemäß § 10 Abs. 4 AsylG zulässig sei.

 

6. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Berufung erhoben, in welcher im wesentlichen gerügt wird, dass die 6-monatige Überstellungsfrist gemäß Artikel 20 Absatz 2 Dublin II VO bereits abgelaufen sei sowie dass die Zurückweisung und Ausweisung aufgrund der Gefahr von refoulement sowie rechtlicher Sonderpositionen der Slowakei in Bezug auf tschetschenische Asylwerber unzulässig sei.

 

7. Die Beschwerde langte am 07.07.2008 beim Asylgerichtshof ein.

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch die zuständige Richterin über die gegenständliche Berufung (nunmehr: Beschwerde) wie folgt erwogen:

 

Rechtlich ergibt sich folgendes:

 

Mit 1.1.2006 ist das neue Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005) und ist somit auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge anzuwenden.

 

Im gegenständlichen Fall wurde der Asylantrag im November 2007 gestellt, weshalb § 5 AsylG in der Fassung BGBl. Nr. 100/2005 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 5 Abs 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der § 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden. Aufgrund der im November 2007 erfolgten Asylantragstellung bezieht sich fallbezogen § 5 AsylG auf die Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 (Dublin II), da gemäß Artikel 29 leg.cit. diese Verordnung auf Asylanträge anwendbar ist, die ab dem ersten Tag des 6. Monats nach ihrem In Krafttreten - dies ist der 01.09.2003 - gestellt werden.

 

Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der ersten Säule der Europäischen Union (vgl. Artikel 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedsstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur auf ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedsstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

 

Es ist daher zunächst zu überprüfen, ob ein anderer Mitgliedsstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Artikel 5 Abs. 1 Dublin II VO) Kriterien der Artikel 6-12 bzw. 14 und Artikel 15 Dublin II VO zuständig ist oder die Zuständigkeit bei ihm selbst nach dem Auffangtatbestand des Artikel 13 Dublin II VO (erste Asylantragstellung) liegt.

 

Im vorliegenden Fall ist dem Bundesasylamt zuzustimmen, dass eine Zuständigkeit der Slowakei gemäß Artikel 16 Abs. 1 lit. c Dublin II VO grundsätzlich bestanden hat. Eine solche Zuständigkeit wurde von der Slowakei auch ausdrücklich anerkannt. Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist zunächst gegeben gewesen.

 

Nach dem hier maßgebenden Artikel 20 Abs. 1 lit. d Dublin II VO muss die Überstellung spätestens 6 Monate nach der Annahme des Antrages auf Wiederaufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, erfolgen, andernfalls die Zuständigkeit wieder an den ersuchenden Mitgliedsstaat übergeht.

 

Konkret war die slowakische Zustimmung am 04.12.2007 erfolgt, die Frist ist somit am 04.06.2008 abgelaufen. Daraus folgt, dass im Zeitpunkt der (fristgerechten) Entscheidung über das gegenständliche Rechtsmittel der Asylwerberin die 6-monatige Überstellungsfrist jedenfalls bereits abgelaufen ist. Aus dem Akteninhalt ergeben sich auch keine Hinweise auf eine Fristverlängerung gemäß Artikel 20 Abs. 2 2. Satz Dublin II VO.

 

Aus diesen Gründen war daher vom Faktum des Fristablaufes auszugehen, der nach Artikel 20 Abs. 2 Dublin II VO zwingend, den Zuständigkeitsübergang an Österreich zur Folge hat, wodurch auch der angefochtenen Unzuständigkeitsentscheidung die Rechtsgrundlage entzogen ist. Aus den dargelegten Erwägungen kann der angefochtene Bescheid somit mangels Zuständigkeit der Slowakei keinen Bestand mehr haben.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde - außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall - , sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und dem gemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Zu § 66 Abs. 4 AVG führt der VWGH im Erkenntnis vom 13.04.2000, 99/07/0202, aus, dass "in bestimmten Fällen [...] die Sachentscheidung der Berufungsbehörde auch in einer bloßen Kassation des angefochtenen Bescheides zu bestehen hat; dies dann, wenn nach der materiell- rechtlichen Situation die Erlassung eines Bescheides überhaupt unzulässig war oder während des Berufungverfahrens unzulässig geworden ist und allein die Kassation eines solchen Bescheides, den von der Rechtsordnung gewünschten Zustand herstellen kann".

 

Die Erstbehörde wird das Asylverfahren der Beschwerdeführerin zuzulassen und nun in geeigneter Weise inhaltlich zu prüfen haben. Eine neuerliche Unzuständigkeitsentscheidung gemäß § 5 AsylG kommt bei der gegebenen Sachlage nicht mehr in Frage.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden. Angesichts des Spruchinhalts und Erlassung des Bescheides innerhalb der Frist von 7 Tagen gemäß § 37 Abs. 1 AsylG erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

 

Eine öffentlich mündliche Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG entfallen.

Schlagworte
Fristversäumung
Zuletzt aktualisiert am
17.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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