TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/29 B3 260570-0/2008

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Veröffentlicht am 29.08.2008
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Spruch

B3 260570-0/2008/4E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Karin WINTER als Vorsitzende und den Richter Mag. Florian NEWALD als Beisitzer über die Beschwerde des A.B., geboren am 00.00.1982, kosovarischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11. Mai 2005, Zl. 05 05.670-EAST-West, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG) mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Spruchteile II. und III. des angefochtenen Bescheides zu lauten haben:

 

"II. Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von A.B. in den Kosovo ist gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig.

 

"III. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG wird A.B. aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Kosovo ausgewiesen."

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

1. Der Beschwerdeführer, ein kosovarischer Staatsbürger und Angehöriger der albanischen Volksgruppe muslimischen Glaubens, stammt aus J. (Gemeinde Peje/Kosovo) und reiste nach seinen Angaben am 21. April 2005 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein. Er brachte am selben Tag einen Asylantrag ein. Dazu gab er bei seinen Einvernahmen am 27. April und 4. Mai 2005 - zusammengefasst - an, er sei im Sommer 2003 mit seiner Mutter und seiner Cousine im Auto unterwegs gewesen, als er in seinem Heimatort zwei Männer gesehen habe, welche die Straße überquert hätten. Anschließend sei ein Kombi vorbeigefahren und der Beschwerdeführer habe eine Schießerei gehört. Er habe angehalten und gemerkt, dass der Kombi von der Straße abgekommen sei und sein Nachbar erschossen worden sei. Der Beschwerdeführer habe diesen Vorfall nicht angezeigt, weil dies schon "jemand anders" gemacht habe. Ca. drei Wochen später sei der Beschwerdeführer in seinem Heimatort von zwei ihm unbekannten maskierten Männern, bei denen es sich offenbar um die Täter des Mordanschlages gehandelt habe, angehalten worden. Sie hätten seinen PKW wiedererkannt und ihm gedroht, er solle verschwinden. Am 9. April 2005 sei er an eben dieser Stelle abermals von den beiden Männern angehalten worden. Sie hätten gefragt, warum er hier sei und gedroht, ihn zu erschießen, sollten sie ihn noch einmal "erwischen". Seit diesem Zeitpunkt habe er beschlossen, seine Heimat zu verlassen und sich nicht mehr zu Hause aufgehalten. An die Polizei habe er sich nicht gewandt, weil er sich nicht "getraut" habe. Am 17. April 2005 habe er schließlich den Kosovo verlassen. Zu den ihm vorgehaltenen Länderfeststellungen gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass es im Bereich Peje mehrere Attentate gegeben habe. Zur Wirtschaftslage führte er aus, dass ihn dies nicht betreffe, er habe gearbeitet und sogar die Genehmigung zur Eröffnung eines Lokals besessen.

 

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 AsylG ab (Spruchteil I.), erklärte gemäß § 8 Abs. 1 AsylG seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung "nach Serbien und Montenegro in die Provinz Kosovo" für zulässig (Spruchteil II.) und wies ihn gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchteil III.). Es traf umfangreiche Feststellungen zur Situation im Kosovo. Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers beurteilte das Bundesasylamt als unglaubwürdig und führte dazu aus, es sei nicht plausibel, dass die Männer den PKW des Beschwerdeführers erkannt hätten, obwohl der PKW ca. 200 Meter vom Tatort entfernt gestanden sei. Auch sei es nicht nachvollziehbar, dass die Männer nach fast zwei Jahren den Beschwerdeführer bedrohen sollten, obwohl dieser kein Interesse gezeigt habe, den Vorfall der Polizei zu melden. Weiters verneinte das Bundesasylamt, dass der Beschwerdeführer iSd § 8 AsylG idF BG BGBl. I 101/2003 iVm § 57 Abs. 1 und 2 Fremdengesetz 1997 BGBl. I 75 (in der Folge: FrG) bedroht oder gefährdet sei und begründete abschließend seine Ausweisungsentscheidung.

 

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, fristgerechte, nun als Beschwerde (vgl. dazu weiter unten) zu behandelnde (und daher in Folge so bezeichnete) Berufung. Darin wird lediglich vorgebracht, dass es zur Frage einer innerstaatlichen Fluchtalternative im angefochtenen Bescheid an ausreichenden Sachverhaltserhebungen fehle. Der Beschwerdeführer bestreite das Vorliegen einer tauglichen Fluchtalternative, weil er im gesamten Kosovo verfolgt werde und sich weder durch die Polizei noch durch KFOR ausreichend geschützt sehe.

 

4. Am 16. Mai 2008 heiratete der Beschwerdeführer eine in S. (Deutschland) wohnhafte deutsche Staatsangehörige.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens und die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammengefasst. Der Asylgerichtshof schließt sich den Feststellungen zum Sachverhalt an (vgl. VwGH 25.3.1999, 98/20/0559; 8.6.2000, 99/20/0366; 30.11.2000, 2000/20/0356; 22.2.2001, 2000/20/0557; 21.6.2001, 99/20/0460). Auch die Beweiswürdigung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

 

2. In der Beschwerde wird kein neuer Sachverhalt vorgebracht und werden den Ausführungen des Bundesasylamtes keine konkreten stichhaltigen Argumente entgegengesetzt.

 

3. Rechtlich folgt:

 

3.1. Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Die Zuständigkeit des Asylgerichtshofes stützt sich auf § 38 AsylG 1997. Diese Bestimmung spricht zwar vom "unabhängigen Bundesasylsenat" und ist durch das AsylGH-EinrichtungsG nicht geändert worden; auch die Übergangsbestimmungen des AsylG 2005 ergeben insoweit nichts. Da jedoch gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG der unabhängige Bundesasylsenat am 1. Juli 2008 zum Asylgerichtshof geworden ist und dieses Gericht gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiterzuführen hat, ist davon auszugehen, dass sich § 38 AsylG 1997 nunmehr auf den Asylgerichtshof bezieht. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich jene Bestimmungen des AsylG 1997, die von "Berufungen" sprechen, nunmehr auf Beschwerden beziehen (vgl. AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).

 

3.2.1. Gemäß § 75 Abs. 1 des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100, sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG idF der AsylGNov. 2003 sind Verfahren über Asylanträge, die ab dem 1. Mai 2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG idF der AsylGNov. 2003 zu führen.

 

3.2.2. Der Beschwerdeführer hat seinen Asylantrag nach dem 30. April 2004 gestellt; das vorliegende Verfahren ist daher nach dem AsylG idF der AsylGNov. 2003 zu führen.

 

3.3. Gemäß § 41 Abs. 7 AsylG hat der Asylgerichtshof § 67d AVG mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

 

Gemäß § 23 Abs. 1 AsylG ist auf Verfahren nach dem AsylG, soweit nicht anderes bestimmt ist, das AVG anzuwenden. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Rechtsmittelinstanz, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

3.4.1. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

 

3.4.2.1. Vorauszuschicken ist, dass der Beschwerdeführer nunmehr ein Staatsangehöriger der Republik Kosovo ist, weil er einen UNMIK-Personalausweis (AS 43f) besitzt und somit ein Personaldokument, das von der UNMIK nur dann ausgestellt worden ist, wenn der/die Betreffende als "habitual resident" im Zivilregister eingetragen ist; gemäß Art. 28 des kosovarischen Staatsbürgerschaftsgesetzes wird jede Person, die als "habitual resident" im Zivilregister registriert ist, als Staatsbürger der Republik Kosovo betrachtet (vgl. dazu etwa das Papier des dt. Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom Mai 2008, Kosovo Länderreport, Band 1, 17f). Es ist daher davon auszugehen, dass der Kosovo der Herkunftsstaat des Beschwerdeführers ist.

 

3.4.2.2. Der Beschwerdeführer konnte die angegebenen Fluchtgründe nicht glaubhaft machen. Damit fehlt es an der Voraussetzung für die Gewährung von Asyl. Selbst im Falle einer hypothetischen Zugrundelegung weist die behauptete Bedrohungssituation keine asylrelevante Verfolgung auf: Dem Fluchtvorbringen (verbale Drohungen Dritter) kann weder entnommen werden, dass der Beschwerdeführer aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 GFK genannten Gründen verfolgt würde, noch dass ihm die Behörden im Kosovo aus einem solchen Grund Schutz verweigern würden. Dem Beschwerdevorbringen, er sehe sich "weder durch die Polizeikräfte im Kosovo noch durch die KFOR ausreichend geschützt" ist entgegenzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer seinen Angaben nach nicht um staatlichen Schutz bemüht hat; warum ihm ein solcher verwehrt werden sollte, ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht dargelegt. Darüber hinaus wäre - entgegen der ebenfalls nicht näher begründeten Behauptung in der Beschwerdeschrift - im gegebenen Fall jedenfalls auch vom Vorliegen einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative (etwa nach Pristina) auszugehen (vgl. Bericht des dt. Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien [Kosovo] vom 29. November 2007, S 14).

 

3.5.1. Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat nach § 57 FrG zulässig ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden. Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft getreten; am 1. Jänner 2006 ist gemäß § 126 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge: FPG) das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass das jeweilige andere Bundesgesetz nunmehr auf die entsprechenden Bestimmungen des FPG verweist. Demnach wäre die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechende Bestimmung" des FPG zu beziehen, di. § 50 FPG. Ob dies wirklich der Absicht des Gesetzgebers entspricht - da doch Asylverfahren, die am 31. Dezember 2005 bereits anhängig waren, nach dem AsylG weiterzuführen sind - braucht nicht weiter untersucht zu werden, da sich die Regelungsgehalte beider Vorschriften (§ 57 FrG und § 50 FPG) nicht in einer Weise unterscheiden, die für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre und da sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - unmittelbar oder mittelbar - auf § 57 FrG bezieht, insoweit auch auf § 50 FPG übertragen ließe. Angemerkt sei jedoch, dass ein Verweis des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 50 FPG nicht etwa jene Rechtslage herstellte, die dem Asylgesetz 2005 entspricht; § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (der inhaltlich dem § 8 Abs. 1 AsylG entspricht) verweist nämlich nicht auf § 50 FPG, sondern regelt den subsidiären Rechtsschutz etwas anders als § 8 Abs. 1 AsylG, er zählt auch die maßgeblichen Bedrohungen selbst auf, und zwar in einer Weise, die nicht wörtlich dem § 50 FPG entspricht.

 

Gemäß § 57 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Gemäß § 57 Abs. 2 und 4 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder - mit einer Einschränkung, die im vorliegenden Verfahren nicht in Betracht kommt - Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 GFK).

 

Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FrG knüpft an jene zum inhaltsgleichen § 37 Fremdengesetz BGBl. 838/1992 an. Für § 57 Abs. 1 FrG idF BG BGBl I 126/2002 kann auf die Rechtsprechung zur Stammfassung dieser Bestimmung (BGBl I 75/1997) zurückgegriffen werden (VwGH 16.7.2003, 2003/01/0059; 19.2.2004, 99/20/0573), mit der sie sich inhaltlich deckt (die Änderung diente nur der Verdeutlichung). Nach der Judikatur zu (§ 8 AsylG - nunmehr § 8 Abs. 1 AsylG - iVm) § 57 FrG ist Voraussetzung einer Feststellung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Beschwerdeführer betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (zB VwGH 25.1.2001, 2000/20/0438). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.2.2001, 98/21/0427; 20.6.2002, 2002/18/0028).

 

3.5.2. Wie bereits oben ausgeführt, bestehen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass das Leben oder die Freiheit des Beschwerdeführers aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre; daher liegt kein Fall des § 57 Abs. 2 FrG vor. Zu prüfen bleibt, ob es begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass durch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur EMRK verletzt würde. Im Kosovo besteht nicht eine solch extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Der Beschwerdeführer hat auch keinen auf seine Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" glaubhaft machen können, der ein Abschiebungshindernis bilden könnte. Wie oben unter Punkt 3.3.2.2. ausgeführt, liegen - bei Zugrundelegung des Vorbringens - keine Hinweise vor, dass dem Beschwerdeführer staatlicher Schutz gegen Übergriffe Dritter verwehrt wird. Es ist weiters darauf hinzuweisen, dass der 1982 geborene, gesunde Beschwerdeführer im Kosovo als Kellner gearbeitet und die Genehmigung zur Eröffnung eines Lokals erteilt bekommen hat sowie über ein familiäres Netz (jedenfalls Eltern, Bruder, Cousine) verfügt. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass er nach einer Rückkehr in den Kosovo in seiner Lebensgrundlage gefährdet wäre.

 

2.6.1. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG hat die Behörde dann, wenn ein Asylantrag abzuweisen ist und wenn die Überprüfung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ergeben hat, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, diesen Bescheid mit der Ausweisung zu verbinden. Der Gesetzgeber beabsichtigt durch die zwingend vorgesehen Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern (VfGH 17.03.2005, G 78/04 ua.). Bei einer Ausweisungsentscheidung nach § 8 Abs. 2 AsylG ist auf Art. 8 EMRK Bedacht zu nehmen (VfGH 15.10.2004, G 237/03 ua., VfGH 17.03.2005, G 78/04 ua.). Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

2.6.2. Das Bundesasylamt hat die durch Art. 8 Abs. 2 EMRK vorgeschriebene Interessenabwägung mängelfrei vorgenommen. Es ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer zum Aufenthalt in Österreich bisher nur auf Grund eines Asylantrages, der sich letztlich als nicht begründet erwiesen hat, berechtigt gewesen ist (vgl. mit ähnlichen Überlegungen zu Ausweisungen nach § 33 Abs. 1 FrG zB VwGH 20.2.2004, 2003/18/0347; 26.2.2004, 2004/21/0027; 27.4.2004, 2000/18/0257; sowie EGMR 8.4.2008, NNYANZI v Vereinigtes Königreich, Rs 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen). Zur Verehelichung des Beschwerdeführers mit einer in S. wohnhaften deutschen Staatsangehörigen ist auszuführen, dass keinerlei Anhaltspunkte für ein Familienleben in Österreich bestehen.

 

3.6.3. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 30.06.2005, 2005/20/0108) war die Ausweisung zielstaatsbezogen zu formulieren.

 

3.7. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 7 AsylG unterbleiben.

Schlagworte
Ausweisung, Familienverband, inländische Schutzalternative, Lebensgrundlage, mangelnde Asylrelevanz, non refoulement, staatlicher Schutz
Zuletzt aktualisiert am
14.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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