TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/04 D2 247056-0/2008

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Veröffentlicht am 04.09.2008
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Spruch

D2 247056-0/2008/42E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof erkennt durch den Richter Dr. Feßl als Einzelrichter über die Beschwerde des I.A., 00.00.1980 geb., StA.:

Somalia, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.01.2004, FZ. 03 31.653-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.08.2008 zu Recht:

 

I. Die Beschwerde wird gem. § 7 AsylG 1997 (AsylG) hinsichtlich Spruchpunkt I. als unbegründet abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 50 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG), BGBl I 100/2005, wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von I.A. nach Somalia nicht zulässig ist.

 

III. Gemäß § 8 Abs. 3 i.V.m. § 15 Abs. 2 AsylG i.d.F. BGBl I Nr. 100/2003 wird I.A. eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 02.09.2009 erteilt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Der nunmehrige Beschwerdeführer wurde am 13.10.2003 im Gemeindegebiet vom Kittsee, vermutlich nach illegalem Überschreiten der slowakisch-österreichischen Staatsgrenze, aufgegriffen. In der Folge stellte er den nunmehr entscheidungsgegenständlichen Asylantrag. In einer vor der Grenzbezirksstelle Neusiedl/See aufgenommenen Effektenliste wurde unter Nationalität "Somalia" angeführt. In der vor dem Bundesasylamt am 04.12.2003 in amharischer Sprache durchgeführten Einvernahme wurde die äthiopische Staatsangehörigkeit und die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Oromo festgehalten. Zu seinen Fluchtgründen führte der nunmehrige Beschwerdeführer - kurz zusammengefasst - folgendes aus:

 

Seine Eltern seien Staatsangehörige von Äthiopien und Angehörige der Volksgruppe Oromo. Er selbst sei in Mogadischu, Somalia, im "C."

aufgewachsen. Er habe dort die ganze Zeit mit seinen Eltern und seiner jüngeren Schwester gelebt, die im Jahre 1999 getötet worden sei. Auch seine Mutter sei getötet worden. Er sei nicht zur Schule gegangen, weil Ausländer in Somalia keine Schule besuchen dürften. Sein Vater sei im März 1991 bei einem Anschlag auf das Büro der OLF (Oromo Befreiungsfront) getötet worden. Zu dieser Zeit sei der Bürgerkrieg in Somalia eskaliert, deshalb seien die Bewohner vom "C." vom Bürgerkrieg betroffen gewesen. Drei Wochen später seien die Schwester und die Mutter ums Leben gekommen. Der nunmehrige Beschwerdeführer, der damals 10 Jahre alt gewesen sei, sei zu einer Tante gezogen und habe als Schuhputzer auf der Straße gearbeitet. Bei dieser Tante, die ebenfalls Angehörige der Oromo-Volksgruppe sei, habe der Beschwerdeführer bis zu seiner Ausreise gelebt. Er habe jedoch auch auf der Straße in Mogadischu genächtigt. In Äthiopien habe er niemals gelebt. Er selbst spreche die Sprachen Oromo, Somalisch und Amharisch. Sein Vater habe aufgrund von Schwierigkeiten im Jahr 1997 Äthiopien verlassen müssen. Seine Dokumente, und zwar seine Geburtsurkunde, habe er auf dem Weg nach Österreich verloren. Da er im Zeitpunkt des Todes seines Vaters ein Kind gewesen sei, sei er naturgemäß nicht politisch tätig gewesen. Er sei niemals inhaftiert gewesen. In Somalia lebe man nicht wirklich als Mensch. Es gäbe mehrere Schwierigkeiten dort. Es bestehe Lebensgefahr, weswegen er um Asyl ansuchen müsse. Da sein Vater doch in Somalia als Funktionär der OLF tätig gewesen sei, wolle er auch nicht nach Äthiopien gehen. In Äthiopien habe er niemanden. Er sei in Somalia geboren worden und habe keine Ahnung über Äthiopien. Im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien würde er umgebracht werden, weil er ein Oromo sei. Somalische Dokumente habe er nicht, es sei ihm jedoch vor dem Krieg eine Geburtsurkunde ausgestellt worden. Er habe gehört, dass er Verwandte in Äthiopien habe. Zu diesen habe er jedoch keinen Kontakt.

 

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Asylantrag gem. § 7 AsylG abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des nunmehrigen Beschwerdeführers nach Äthiopien gem. § 8 AsylG für zulässig erklärt, dies

 

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kurz zusammengefasst - mit folgender Begründung:

 

Es sei davon auszugehen, dass der nunmehrige Beschwerdeführer Staatsangehöriger von Äthiopien sei. Er habe ständig in Somalia gelebt und sei niemals in Äthiopien aufhältig gewesen. In Äthiopien befürchte er Schwierigkeiten einerseits aufgrund der früheren Funktion seines Vaters und andererseits aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit. Eine "Verfolgung im Konventionssinn" könne nicht festgestellt werden. Ebenso wenig könne eine drohende unmenschliche Behandlung oder Strafe oder Todesstrafe festgestellt werden. Der vom nunmehrigen Beschwerdeführer vorgebrachte Sachverhalt werde zwar zum Gegenstand des Bescheides erhoben, doch sei das Vorbringen des nunmehrigen Beschwerdeführers, wonach er in Äthiopien Schwierigkeiten zu befürchten habe, zumal sein Vater als Funktionär der OLF mit der früheren äthiopischen Regierung Probleme gehabt und das Land verlassen habe, sei nicht nachvollziehbar. Dieses Vorbringen erstrecke sich bloß auf Vermutungen und Annahmen, die aus objektiver Sicht nicht nachvollzogen werden könnten. Der Vater des nunmehrigen Beschwerdeführers habe Schwierigkeiten mit einem nicht mehr existierenden Regime gehabt. Dieser Umstand und die Tatsache, dass der Beschwerdeführer niemals in Äthiopien gewesen sei, lasse mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Schluss zu, dass keinerlei Verbindung zwischen seinem Vater (der Funktion des Vaters) und der Person des Beschwerdeführers bestehe. Dies schon aufgrund des fehlenden zeitlichen Zusammenhangs. Es könne auch nicht von einer Gruppenverfolgung der Oromo-Volksgruppe, welcher der Beschwerdeführer angehöre, gesprochen werden. Auch der Umstand, wonach der Beschwerdeführer in Äthiopien niemanden kenne, könne in Ermangelung einer Verfolgung nach der GFK nicht zur Asylgewährung führen. Ebenso wenige könne ein Abschiebungshindernis i. S.d. (damaligen) § 57 FrG festgestellt werden. Von einer fehlenden Lebensgrundlage im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien könne nicht ausgegangen werden, zumal es dem nunmehrigen Beschwerdeführer als einem damals 24-jährigen arbeitsfähigen jungen Mann ohne Sorgepflichten zumutbar sei, allein in Äthiopien zu leben.

 

Mit der fristgerecht eingebrachten Berufung (nunmehr: Beschwerde) vom 10.02.2004 wird beantragt, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem Berufungswerber Asyl gewährt, in eventu die Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung gem. § 8 AsylG nach Äthiopien sowie nach Somalia festgestellt wird. Dies

 

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kurz zusammengefasst - mit folgender Begründung:

 

Die Eltern des Berufungswerbers (nunmehr: Beschwerdeführers) seien Staatsangehörige von Äthiopien und Angehörige der Oromo-Volksgruppe. Der Vater habe als OLF-Mitglied (wegen der daraus resultierenden Verfolgung) Äthiopien verlassen müssen. In Somalia sei ihm Flüchtlingsstatus zuerkannt worden. Im Jahr 1991 sei er einem Anschlag auf das Büro der OLF in Mogadischu zum Opfer gefallen. Der Berufungswerber (Beschwerdeführer) sei selbst in Somalia geboren und somalischer Staatsangehöriger. Dies werde durch die der Berufungsschrift angeschlossene Geburtsurkunde bescheinigt. Da er die somalische Staatsbürgerschaft besitze und noch nie in Äthiopien gewesen sei, gehe er davon aus, dass er nicht Staatsangehöriger von Äthiopien sei. Er fühle sich als Oromo. Diese würden von der äthiopischen Regierung unterdrückt und würden einen eigenen Staat fordern. Keineswegs fühle er sich als Äthiopier. Nach dem Tod seiner Eltern habe er bei der Tante gelebt. Er habe für eine somalische Miliz schwere Arbeiten verrichten müssen und sei über Nacht zusammen mit anderen Flüchtlingen in ein Gefängnis gesperrt worden. Die somalische Miliz habe ihn gedemütigt und aufgrund seiner äthiopischen Abstammung bzw. der Zugehörigkeit zum Stamm der Oromo geschlagen. Aufgrund von Kampfhandlungen zwischen verschiedenen Somali-Milizen sei ihm die Flucht aus dem Gefängnis gelungen. Die Stimmung der somalischen Bevölkerung gegenüber den Oromo-Flüchtlingen habe sich geändert. Aufgrund von Tätowierungen sei der Berufungswerber (Beschwerdeführer) als Oromo erkennbar. Er sei ein unerwünschter Eindringling und werde aufgrund der Zugehörigkeit zum Oromo-Stamm verfolgt. Auch in Äthiopien würden die Angehörigen des Oromo-Stammes unterdrückt. Tatsächlich wisse der Berufungswerber (Beschwerdeführer) nicht, ob tatsächlich noch Angehörige seiner Familie in Äthiopien leben. Es sei ihm jedenfalls der Aufenthaltsort nicht bekannt, er habe auch keine sozialen Kontakte in Äthiopien.

 

Der Berufungsschrift sind Kopien einer (später im Original vorgelegten) Geburtsurkunde und eines Leumundszeugnisses (jeweils in somalischer und englischer Sprache) angeschlossen.

 

Am 13.09.2005 langte beim damaligen Unabhängigen Bundesasylsenat ein ärztlicher Kurzbrief des Krankenhauses Klagenfurt vom 00.00.2005 ein, wonach der nunmehrige Beschwerdeführer unter eine depressiven Episode, einer Depression und einer depressiven Störung leidet.

 

In einer mit 26.02.2006 datierten Berufungsergänzung (OZ 8 inhaltlich ident mit OZ 9) wird

 

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kurz zusammengefasst - ausgeführt, dass das bisherige Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben und der Grundsatz des Parteiengehörs verletzt worden sei. Die am 14.12.2003 vor dem Bundesasylamt aufgenommene Niederschrift weise gravierende Mängel auf. Richtigerweise sei die Tante des Berufungswerbers (nunmehr: Beschwerdeführer) somalische und nicht äthiopische Staatsangehörige. Überdies habe der Berufungswerber (Beschwerdeführer) richtigerweise angegeben, dass seine Eltern die somalische Staatsbürgerschaft angenommen und einen "Red Passport" bekommen hätten. Aufgrund dieser Tatsache sei der Berufungswerber (Beschwerdeführer) selbst somalischer Staatsangehöriger, doch sei es ihm aufgrund der Bürgerkriegsereignisse nicht möglich gewesen, einen Reisepass zu besorgen. Das Vorbringen des Berufungswerbers (Beschwerdeführers), wonach er Anfang 2003 durch somalische Milizen verschleppt und gefangen gehalten wurde, habe in der Niederschrift zu Unrecht keine Erwähnung gefunden. Es sei von einer Befangenheit des Dolmetschers auszugehen. Die Einvernahme habe schlussendlich in der Sprache Amharisch stattgefunden. Das Protokoll sei nicht vollständig, sondern nur kursorisch rückübersetzt worden. Es werde nunmehr beantragt, einen Dolmetscher für die somalische Sprache beizuziehen. Des weiteren sei auf die Bürgerkriegsereignisse in Somalia zu verweisen und auf die Verfolgung des Berufungswerbers (Beschwerdeführers) als Angehörigen einer Minderheitengruppe in Somalia.

 

Der Berufungswerber (Beschwerdeführer) beantragt in der Berufungsschrift die Einvernahme von S.O. als Zeugen zum Beweis des Umstandes, dass er bereits die somalische Staatsbürgerschaft erlangt hat. Im Hinblick auf die medizinisch nachweisbaren Spuren der Folterungen beantragt der Berufungswerber (Beschwerdeführer) die Einholung eines medizinischen Gutachtens. Überdies ist der Berufungsschrift (nunmehr: Beschwerde) eine Bestätigung von Universitätsdozent Dr. W.R. betreffend psychische Erkrankung des Berufungswerbers (Beschwerdeführers) angeschlossen. Aus einer Eingabe des Beschwerdeführers vom 00.00.2005 (OZ 7, Kopie eines ärztlichen Kurzberichtes des Landeskrankenhauses Klagenfurt) ergibt sich, dass der Beschwerdeführer an einer depressiven Episode und depressiven Störung leidet.

 

Der Unabhängige Bundesasylsenat hat - in Entsprechung des in der Berufungsschrift gestellten Antrags - das Gutachten des Sachverständigen Dr. G. vom 24.10.2006 betreffend die vom Beschwerdeführer behaupteten Folterspuren (OZ 23) eingeholt. Zu diesem Gutachten nahm der Beschwerdeführer (u.a.) schriftlich mit Schreiben vom 15.05.2007

 

(OZ 31) Stellung.

 

Der Unabhängige Bundesasylsenat hatte über die Berufung (nunmehr: Beschwerde) am 26.05.2006 (Verhandlungsschrift OZ 12) und am 02.05.2007 (Verhandlungsschrift OZ 30) Berufungsverhandlungen durchgeführt. Am 19.08.2008 wurde vor dem Asylgerichtshof, von welchem gem. § 75 Abs. 7 AsylG 2005 i.d.F. BGBl I 4/2008 die anhängigen Verfahren weiterzuführen sind, eine Verhandlung über die nunmehr als Beschwerde zu wertende Berufung (s. § 23 des ASylGHG BGBl I 4/2008) durchgeführt.

 

Im Zuge der Verhandlungen wurden folgende vom Verhandlungsleiter bzw. vorsitzenden Richter beigeschaffte Schriftstücke verlesen und erörtert:

 

Bericht des UN-Generalsekretärs über die Situation in Somalia gem. den Abs. 3 und 9 der Resolution des Sicherheitsrates Nr. 1744 (Beilage I),

 

Aussendung des Sicherheitsrates vom 30.04.2007 betreffend Besorgnis des Sicherheitsrates über neuerliche Kämpe in Somalia (Beilage II),

 

Bericht des Auswärtigen Amtes Berlin vom 17.03.2007 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Somalia (Beilage III) insbesondere hinsichtlich des Abschnittes betreffend rassische Diskriminierung, des Abschnittes betreffend die Menschenrechtslage (Abschnitt III) und des Abschnittes betreffend Rückkehrfragen (Abschnitt IV),

 

Bericht des Britischen Home Office vom 24.01.2007 mit dem Titel "Country of Origin Information Report Somalia",(Beilage IV) insbesondere hinsichtlich des Abschnittes betreffend ethnische Gruppen 20.01 bis 20.23 und hinsichtlich der Übersicht über die somalische Clanstruktur und Minderheitengruppen in Somalia (Annex C und D),

 

Aussendungen des UNHCR vom November 2005 und vom Jänner 2004 betreffend Rückkehr von abgewiesenen Asylsuchenden nach Somalia (Beilage V und VI),

 

Auszug aus Wikipedia betreffend Somalia (Beilage VII),

 

Bericht des UN Generalsekretärs über die Situation in Somalia vom 20.04.2007

 

(Beilage VIII),

 

Aussendung des UHNCR vom 28.03.2008 mit dem Titel "15,000 Somailis seek asylum in region since beginning of year" (Beilage IX),

 

ACCORD Anfragebeantwortung 30.04.2008 betreffend Kampfhandlungen in Mogadischu zwischen Äthiopischen Soldaten und Islamisten im April und Mai 2007 (Beilage X),

 

Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Somalia vom 05.05.2008, insbesondere hinsichtlich der Abschnitte betreffend die Menschenrechtslage und Rückkehrfragen (Beilage XI),

 

Offener Brief vom 16.02.2008 an UHNCR betreffend Schutz der Oromo-Flüchltinge in Somalia entnommen, der Internetausgabe der Sudan Tribune (Beilage XII),

 

Bericht des US Department of State über die Menschenrechtslage in Somalia vom März 2008 insbesondere hinsichtlich des Abschnittes betreffend Verfolgung von Minderheiten (Beilage XIII).

 

Desweiteren wurden - neben dem Sachverständigengutachten Dris. G. vom 24.10.2006 (OZ 23) - folgende vom Berufungswerber (nunmehr: Beschwerdeführer) vorgelegte Schriftstücke verlesen und erörtert:

 

Bestätigung von Univ. Doz. Dr. W.R. vom 14.02.2006 betreffend psychische Erkrankung (Beilage A)

 

Bestätigung über die stationäre Behandlung des Berufungswerbers (nunmehr: Beschwerdeführers) im Landeskrankenhaus Klagenfurt

 

(Beilage B)

 

dem Internet entnommene Berichte betreffend Verhaftung von einigen Angehörigen der Oromo-Volksgruppe (Eingabe vom 20.04.2007, OZ 29Z)

 

Konvolut von ergänzenden aktuellen Länderberichten zur Situation in Somalia

 

(Beilage E)

 

Ergänzung zur Stellungnahme zum Sachverständigengutachten OZ 23 (Beilage F)

 

Der Beschwerdeführer brachte in der Folge noch eine ergänzende Stellungnahme zur Menschenrechtssituation und Verfolgung der Oromo-Volksgruppe in Somalia ein (OZ 41, eingebracht am 27.08.2008).

 

Auf Grundlage der vom Bundesasylamt durchgeführten Ermittlungen und des dargestellten, vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat und dem Asylgerichtshof durchgeführten ergänzenden Ermittlungsverfahrens wird folgender Sachverhalt festgestellt und der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

Die erkennende Behörde geht davon aus, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger von Somalia und am 00.00.1980 geboren ist. Er gehört zur Volksgruppe der Oromo und lebte in Mogadischu, und zwar im Bezirk A., Flüchtlingslager "C.". Die erkennende Behörde geht davon aus, dass der nunmehrige Beschwerdeführer bereits in Somalia geboren wurde und sein gesamtes Leben (bis zur Ausreise aus Somalia) in Mogadischu verbracht hat. Es kann nicht festgestellt werden, dass er jemals politisch tätig war oder irgendeiner Oromo-Organisation angehört hat. Der Berufungswerber leidet unter einer psychischen Erkrankung, und zwar unter ausgeprägten Somatisierungstendenzen in Verbindung mit schwerer Depressivität, möglicher Suizidalität, extremem sozialem Rückzug und ausgeprägter Angstsymptomatik (lt. Bestätigung von Univ. Doz. Dr. W.R. vom 14.02.2006 und ärztlichem Kurzbericht vom 00.00.2005, OZ 7).

 

Die vom nunmehrigen Beschwerdeführer vorgebrachten Gründe für die Flucht aus Somalia, nämlich die behauptete mehrmonatige Anhaltung durch Angehörige der Harbadagir-Volksgruppe sowie die behaupteten Verletzungen und Misshandlungen (angebliche Schädelverletzung und länger dauernde Bewusstlosigkeit, Verletzung durch Gewehrkolben, Verletzung im Ohrbereich durch Gewehrkolbenhieb) werden den Feststellungen nicht zugrunde gelegt. Der Beschwerdeführer weist Verletzungsspuren auf, die jedoch nicht auf die angegebene Art und Weise und nicht zu dem von ihm behaupteten Zeitpunkt entstanden sein können. Es kann des Weiteren nicht festgestellt werden, dass der Berufungswerber jemals politisch aktiv war. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass er für die Oromo Liberation Front (OLF) in irgendeiner Weise tätig war.

 

Zur humanitären und menschenrechtlichen Situation in Somalia werden folgende Feststellungen getroffen:

 

Am 26. Juni 1960 erlangte das britische Protektorat Somaliland die Unabhängigkeit und schloss sich fünf Tage später mit dem dann unabhängig gewordenen italienisch verwalteten Teil Somalias zur Republik Somalia zusammen. 1969 kam General Mohammed Siad Barre durch einen Militärputsch an die Macht. Nach der Vertreibung des Militärmachthabers General Barre 1991 durch den USC - United Somali Congress im Süden, brachen Kämpfe um die Nachfolge in der Präsidentschaft aus, die zum Zusammenbruch der zentralstaatlichen Ordnung in Somalia führten. Die im Jahre 2005 aus dem Exil in Kenia zurückgekehrte Regierung von Präsident Abdullahi Yusuf schaffte es zunächst nicht, die vollständige Kontrolle über das Land zu bekommen. Im Jahr 2006 kam es zu einer vorübergehenden faktischen Vorherrschaft der UIC (Union der islamischen Gerichtshöfe) in Süd- und Zentralsomalia. Diese errichtete, nachdem sie die in Mogadischu ansässigen Kriegsherrn besiegt hatte, ein strenges Regime auf Grundlage der Scharia. Die Vorherrschaft der UIC wurde durch die militärische Intervention Äthiopiens und den Vormarsch der Milizen der Übergangsregierung Ende 2006 / Anfang 2007 beendet. Nach der Vertreibung der UIC aus Mogadischu, übersiedelte die Übergangsregierung aus der provisorischen Hauptstadt nach Mogadischu. Die Anwesenheit der äthiopischen Truppen in Zentral- und Südsomalia wurde durch die Abgeordneten des Übergangsparlaments legalisiert. Auch nach einem nationalen Versöhnungskongress im Sommer 2007 sind die Machtverhältnisse in Zentral- und Südsomalia unübersichtlich. Die Übergangsregierung und die äthiopischen Truppen sehen sich vor allem in Mogadischu, aber auch in anderen Landesteilen immer wieder aufflammendem bewaffnetem Widerstand - vor allem islamistischer Kämpfer der Gruppe "al-Shabab" gegenüber. Das weitgehende Fehlen staatlicher Strukturen sowie die innerhalb der somalischen Gesellschaft entlang der Clan-Zugehörigkeiten verlaufenden Konflikte verwischen die Grenzen zwischen staatlicher Repression und ansonsten weit verbreiteter Kriminalität und Gewaltanwendung.

 

In Nordwestsomalia wurde am 17. Mai 1992 die international nicht anerkannte Republik Somaliland ausgerufen. In Nordostsomalia hat die herrschende SSDF - Somali Salvation Democratic Front - im August 1998 den Regionalstaat "Puntland" ausgerufen, der sich zur territorialen Einheit ganz Somalias bekennt. Die Lage in den meisten Teilen Zentral- und Südsomalias einschließlich der Hauptstadt Mogadischu ist darüber hinaus durch weit verbreitetes Banditentum gekennzeichnet.

 

Zu den Minderheiten (Minority Groups) in Somalia werden folgende Feststellungen getroffen:

 

Die somalische Gesellschaft ist charakterisiert durch die Zugehörigkeit zu Clans, welche in Unterclans unterteilt sind. Die Minderheiten Somalias waren zum Zeitpunkt des Sturzes Siad Barres 1991 die einzigen Bevölkerungsgruppen, welche nicht ihre eigenen bewaffneten Milizen zu ihrem Schutz hatten. Während des Bürgerkrieges waren unter diesen Gruppen daher die meisten Opfer zu beklagen. Zu den kleineren Stämmen gehören unter anderem die Benadiri und Rer Hamar. Eine Heirat zwischen den kleinen Stämmen und den Hauptstämmen ist eingeschränkt. Manche der kleineren Stämme haben eingeschränkten Zugang zu den vorhandenen sozialen Diensten. Die Angehörigen der kleineren Stämme können auch Übergriffen und Einschüchterungen ausgesetzt sein. Die Benadiri leben hauptsächlich in den Städten Mogadischu, Merka und Brava. Als Rer Hamar bezeichnet man die ursprüngliche Benadiri Bevölkerung Mogadischus. Als Konsequenz des Bürgerkrieges und der mangelnden Sicherheit haben 90 % der Rer Hamar Mogadischu verlassen. Im Zeitraum 2007/2008 kam es in Mogadischu immer wieder zu Kampfhandlungen zwischen der Übergangsregierung und Aufständischen. Ein Teil der Einwohner hat Mogadischu verlassen; diese Personen leben nun als intern Vertriebene in anderen Landesteilen. Was die Oromo-Volksgruppe in Somalia betrifft, wird festgestellt, dass in Somalia mindestens 40.000 Angehörige dieser Volksgruppe leben dürften, die teilweise wegen ihrem Naheverhältnis zur OLF (Oromo Liberation Front) nach Somalia geflohen sein dürften. Nach dem Einmarsch äthiopischer Regierungstruppen kam es in bestimmten Fällen zu Übergriffen gegen ethnische Oromos. Eine sudanesische Tageszeitung berichtet über ein (angebliches) Massaker an einigen Oromo-Flüchtlingen in Bosao angeblich am 05.02.2008. Es kann allerdings nicht festgestellt werden, dass alle in Somalia lebenden Oromos bereits wegen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit systematische Verfolgung (Gruppenverfolgung) zu befürchten haben.

 

Zur medizinischen Versorgungslage und den Behandlungsmöglichkeiten für psychisch Erkrankte in Somalia werden folgende Feststellungen getroffen:

 

Nach Angaben der Organisation "Mèdecins Sans Frontières (Ärzte ohne Grenzen) ist die medizinische Versorgung in Zentral- und Südsomalia sehr mangelhaft. Nach Angaben von UNDP hat weniger als die Hälfte der somalischen Bevölkerung Zugang zu medizinischer Versorgung Das Personal in den wenigen Krankenhäusern des Landes ist zum überwiegenden Anteil nicht ausreichend ausgebildet. Eine medizinische Grundversorgung ist, - wenn überhaupt - nur für diejenigen erhältlich, die über ausreichende finanzielle Mittel verfügen um die hohen Kosten zu tragen. Auch die Gewalt hindert die Menschen daran, medizinische Einrichtungen überhaupt erst aufzusuchen. Männer ohne die finanzielle Unterstützung ihres Clans haben es noch schwerer als Frauen Zugang zur medizinischen Behandlung zu erreichen, da Männer in ihrer Bewegungsfreiheit durch Clangrenzen eingeschränkt sind. Die Mehrheit der Patienten in den wenigen öffentlichen Krankenhäusern Mogadischus sind Opfer der Clan-Konflikte. Aufgrund des praktisch nicht vorhandenen öffentlichen Gesundheitssektors sind zwar private Einrichtungen entstanden, doch ist in diesen das Personal vielfach ebenfalls mangelhaft qualifiziert und die Behandlung vom überwiegenden Anteil der somalischen Bevölkerung nicht bezahlbar.

 

Das psychosoziale Gesundheitswesen beschränkt sich auf psychiatrische Behandlung in der psychiatrischen Klinik in Berbera, der psychiatrischen Abteilung im Hargeisa Krankenhaus und auf wenige private Psychiater in Mogadischu. Die psychiatrische Klinik in Berbera ist bei weitem überbelegt. Die Lebensbedingungen der Patienten sind trostlos, die hygienischen Zustände sind mangelhaft und Psychopharmaka fast nicht existent. Oftmals ist die einzige verfügbare Behandlung die Elektroschocktherapie. Patienten werden angekettet. Kriminelle Patienten sind nicht von den Übrigen getrennt. Lebensmittel stammen ausschließlich aus öffentlichen Spenden. In Somalia arbeiten lediglich 5 Psychiater, 4 davon in Forlinini Krankenhaus in Mogadischu. Kein einziger arbeitet in der psychiatrischen Klinik in Berbera. Im ganzen Land gibt es keinen klinischen Psychologen oder Sozialarbeiter. Abgesehen von diesen marginalen Kapazitäten gibt es keinerlei psychiatrische Betreuung in Somalia. Obwohl es einige private Kliniken in Mogadischu und Hargesia gibt, besteht keine private Möglichkeit der stationären Unterbringung psychisch kranker Personen. Betroffene werden in der somalischen Gesellschaft stigmatisiert. Die meisten Menschen glauben, dass psychische Krankheiten auf übernatürlichen Kräfte und Dämonen zurückzuführen sind.

 

Diese Feststellungen gründen sich auf folgende Beweiswürdigung:

 

Die erkennende Behörde geht - abweichend von den im angefochtenen Bescheid enthaltenen Feststellungen - im Zweifel davon aus, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger von Somalia ist. Dies im Hinblick darauf, dass er nach eigenen Angaben bereits in Somalia geboren wurde, dort sein gesamtes bisheriges Leben verbracht hat und auch ein somalisches Dokument (Geburtsurkunde vom 00.00.1990) vorgelegt hat. Die erkennende Behörde geht auch davon aus, dass der Beschwerdeführer in Mogadischu, in dem von ihm angegebenen Stadtviertel gelebt hat (bescheinigt durch die oben genannte Geburtsurkunde) und zur Volksgruppe der Oromo gehört. Dass er zur Volksgruppe der Oromo gehört, erscheint schon deshalb glaubhaft, weil er - wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren festgestellt - neben der somalischen Sprache auch die Oromo-Sprache spricht.

 

Hingegen waren die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe (Anhaltung durch eine somalische Miliz der Habargidir bis Jänner 2003, Körperverletzungen durch Schläge mit einem Gewehrkolben, Bruch des Wangenknochens, Schnittverletzung am linken Ohr) den Feststellungen aus folgenden Erwägungen nicht zugrunde zu legen:

 

Der Unabhängige Bundesasylsenat hat - entsprechend dem in der Berufung (nunmehr: Beschwerde) gestellten Antrag - eine Begutachtung der angeblichen Folterspuren durch einen Sachverständigen für Unfallchirurgie veranlasst. Der Sachverständige Dr. G. führt in seinem Gutachten vom 24.10.2006 (OZ 23) aus, dass die vom Berufungswerber (Beschwerdeführer) geschilderten Verletzungen nicht in der vom Berufungswerber (nunmehr: Beschwerdeführer) geschilderten Art und Weise und zu dem angegebenen Zeitpunkt entstanden sein können. Der Sachverständige begründet dieses Ergebnis nach einer am 19.10.2006 durchgeführten Befundaufnahme in seinem schriftlichen Gutachten vom 24.10.2006 im Wesentlichen wiefolgt:

 

"Der Asylwerber gibt an, im Jänner 2003 von 4 Männern misshandelt worden zu sein. Er sei mit Gewehrkolbenhieben am Schädel verletzt worden und hätte dadurch Wunden am Schädel bzw. am linken Ohr und hinter dem rechten Ohr gehabt, er sei auch mit einem Bajonett in den rechten Oberschenkel gestochen worden und mit Fußtritten am Rücken misshandelt worden, er sei nach dem Niederschlag mit dem Gewehrkolben ein bis zwei Stunden bewusstlos gewesen. Er sei danach verschleppt worden, nach 2 bis 3 Wochen seien zwei der Wunden in einer Sanitätsstation des Roten Kreuzes genäht worden, er hätte auch durch die Schläge gegen den Schädel einen Bruch im Kieferbereich rechts erlitten. Hinsichtlich der angegebenen Bewusstlosigkeit muss ausgesagt werde, dass ein Niederschlag mit einem Gewehrkolben gegen den Schädel theoretisch eine Bewusstlosigkeit auslösen kann, auch wenn es nur zu einer Verletzung der Haut, nicht des Knochens kommt, wobei jedoch eine ein bis zwei Stunden dauernde Bewusstlosigkeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit einer retrograden Amnesie (Erinnerungslücke), begleitenden vegetativen Symptomen nach dem Aufwachen aus der Bewusstlosigkeit und mit hoher Wahrscheinlichkeit doch mit einer morphologischen Veränderung im Bereich des Hirnes einherzugehen pflegt. Personen, welche solche Verletzungen erlitten haben, können sicherlich nicht am nächsten Tag einer normalen körperlichen Arbeit nachgehen, sondern bedürfen erfahrungsgemäß einer Krankenhaus-, wenn nicht einer Intensivpflegebetreuung, zudem ist es so, dass mit apodiktischer Sicherheit einer Erinnerung an das Unfallgeschehen oder die Zeit davor besteht. Es muss also davon ausgegangen werden, dass die angegebene lang dauernde Bewusstlosigkeit entweder nur eine Schutzbehauptung des Asylwerbers darstellt, um seine Verletzungen zu aggravieren, oder aber nur eine kurzfristige Benommenheit stattgefunden hat oder überhaupt eine Bewusstlosigkeit vorgelegen hat.

 

Weiters muss festgehalten werden, dass der Asylwerber angibt, erhätte in der rechten Parietalregion eine Narbe, welche durch einen Gewehrkolbenhieb entstanden sei. Der Unterzeichnende ist seit gut 20 Jahren als Gutachter zur Beurteilung von Folteropfern tätig und hat schon sehr viele Menschen gesehen, welche mit Gewehrkolbenhieben misshandelt wurden. Durch die Form dieser Gewehrkolben kommt es praktisch immer zu einer rechtwinkeligen Narbenform, welche im gegenständlichen Fall jedoch nicht nachgewiesen werden kann. Es findet sich eine eher spitzwinkelige, 3 cm lange Narbe in der rechten Parietalregion, welche mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht durch den angegebenen Mechanismus entstanden ist, zudem ist das Alter der Narbe so beschaffen, dass eine Entstehung weit vor dem angegebenen Folterzeitpunkt anzunehmen ist.

 

Analoges gilt für die Narbe mit Substanzdefekt an der Ohrmuschel, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit älter als 10 bis 15 Jahre ist und in keiner Weise mit dem angegebenen Foltermechanismus und Folterzeitpunkt korreliert. Zudem muss schon festgehalten werden, dass die Aussage des Asylwerbers, er sei 2 bis 3 Wochen nach den Vorfällen im Bereich beider Ohren genäht worden keinesfalls nachvollziehbar ist. Auch in medizinisch nicht hoch entwickelten Ländern ist es üblich, Wunden innerhalb einer 6 Stunden-grenze zu nähen, da danach mit einer erhöhten Keimbesiedelung und einer Infektion im Bereich der Wunde gerechnet werden muss, zudem ist bei solchen Wunden nach 2 bis 3 Wochen die vom Körper induzierte Wundheilung soweit fortgeschritten, dass eine chirurgische Naht nicht möglich und vor allem auch nicht notwendig ist.

 

Auch die hinter dem rechten Ohr befindliche Narbe ist der Struktur nach so alt, dass eine Korrelation mit dem angegebenen Folterzeitpunkt nicht nachvollziehbar ist.

 

Bei der Exploration des Gesichtsschädels des Asylwerbers können keine Anomalien festgestellt werden, in der Röntgenuntersuchung können keinerlei Zeichen einer abgelaufenen knöchernen Verletzung, welche zum heutigen Zeitpunkt bei zum angegebenen Zeitpunkt erlittenen Verletzung sichtbar sein müssten, nachvollzogen werden. Es kann also davon ausgegangen werden, dass - falls die angegebene Misshandlung wirklich stattgefunden hat - nur eine Prellung des Gesichtes, nicht jedoch ein Knochenbruch am Kieferknochen oder Gesichtsschädelknochen entstanden ist.

 

Hinsichtlich der vom Asylwerber angegebenen Schwellung durch Fußtritte gegen den Rücken kann aus Sicht des Gutachters nur festgehalten werden, dass in diesem Bereich keinerlei Anomalien vorhanden sind. Es finden sich über dem rechten Schulterblatt 2 Narben, welche mit Sicherheit wesentlich älter sind, als dem angegebenen Folterzeitpunkt entsprechen würde. Es besteht weder eine wesentliche Fehlstellung, noch Schwellung oder Muskelverletzungen, welche durch Gewalteinwirkung entstehen hätte können. Zudem muss schon festgehalten werden, dass durch Tritt- oder Schlagverletzungen entstandene Blutergüsse und Schwellungen sich spätestens nach 2 bis 3 Wochen aufzusaugen pflegen und danach keinerlei Spuren mehr hinterlassen können.

 

Bei dem Asylwerber findet sich an der Beugeseite des rechten Oberschenkels eine rund 4 cm lange Narbe, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit durch schneidende Gewalt entstanden ist. Die Narbe ist 4 cm lang, sodass mit Sicherheit eine Stichverletzung durch ein Bajonett ausgeschlossen werden kann, welches keine so breiten Narben zu hinterlassen pflegt, zudem müsste eine Stichverletzung in dieser Region mit einer Verletzung im Bereich der Muskulatur einhergehen, was zum heutigen Zeitpunkt als Muskelnarbe und Funktionseinschränkung der entsprechenden Beugemuskulatur des Oberschenkels nachvollziehbar sein müsste resultiert sein was ebenfalls nicht nachgewiesen werden kann. Zudem muss festgehalten werden, dass die Struktur dieser Narbe so beschaffen ist, dass eine Entstehung weit vor dem angegebenen Folterzeitpunkt anzunehmen ist.

 

Zusammenfassend kann deswegen festgehalten werden, dass die beim Asylwerber vorhandenen Narben wesentlich älter sind, als dem angegebenen Folterzeitraum entsprechen dürfte. Die Entstehung der Narben durch den angegebenen Foltermechanismus ist zumindest bei der Narbe im Bereich der Kopfkalotte gutachterlich auszuschließen, die vom Asylwerber angegebene lange Bewusstlosigkeit, die angebliche chirurgische Versorgung 2 bis 3 Wochen nach dem Vorfall, sowie auch der Bruch des Schädelknochen ist nicht nachzuvollziehen und scheint der Phantasie des Asylwerbers entsprungen zu sein. Zudem muss auf die differenten Aussagen des Asylwerbers hinsichtlich der Angaben beim Asylverfahren in der Traiskirchen bzw. bei der Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat und dem Ergebnis der heutigen gutachterlichen Untersuchung hinsichtlich der Anzahl und der Dauer der Folterungen eindeutig hingewiesen werden."

 

Der Asylgerichtshof ist der Ansicht, dass dieses Sachverständigengutachten schlüssig begründet ist. Dies im Hinblick darauf, dass der Sachverständige seine Schlussfolgerungen in nachvollziehbarer Weise mit medizinischen Argumenten begründet, insbesondere mit den Folgen einer derart lang dauernden Bewusstlosigkeit, der Form und dem Alter der Narben sowie dem Fehlen von Anzeichen einer abgelaufenen knöchernen Verletzung.

 

Der Beschwerdeführer erklärte zunächst mit schriftlicher Eingabe vom 18.10.2006 (OZ 22), dass gegen den Sachverständigen Dr. G. "nicht unwesentliche Bedenken bezüglich seiner fachlichen Kenntnisse und seiner Unbefangenheit" bestünden. Diese Bedenken werden im Wesentlichen damit begründet, dass diverse Rechtsberatungszentren an einen namentlich genannten Verein herangetreten seien, um Gegengutachten wegen behaupteter mangelhafter bzw. inadäquater Schlussziehungen erstellen zu lassen. In der Folge unterzog sich der nunmehrige Beschwerdeführer der Befundaufnahme, brachte jedoch in der Folge am 15.05.2007 eine Stellungnahme ein (OZ 31), mit welcher er neuerlich auf eine angebliche Befangenheit des Sachverständigen verwies. Dies im Hinblick darauf, dass es nicht Aufgabe des Sachverständigen sei, den Berufungswerber einzuvernehmen, weshalb auch nicht auf divergierende Aussagen hingewiesen dürfe. Im Übrigen ergebe sich aus Zusatzkommentaren im Gutachten Befangenheit des Sachverständigen. In der vor dem Asylgerichtshof am 19.08.2008 durchgeführten Verhandlung legte der nunmehrige Beschwerdeführer eine weitere Stellungnahme vor, womit er sich jedenfalls auf eine angebliche Befangenheit bzw. auf Mängel des Sachverständigengutachtens berief (Beilage F). Nach Ansicht der erkennenden Behörde sind die in den genannten Schriftsätzen enthaltenen Ausführungen nicht geeignet, die fachliche Eignung des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen oder dessen Befangenheit darzutun. Die bloß allgemein gehaltenen Ausführungen, wonach "immer wieder Gegengutachten verfasse werden mussten", lassen nicht erkennen, warum dem Sachverständigen die notwendige Sachkunde fehlen sollte. Allein aus der Einholung von "Gegengutachten" lässt sich nicht ableiten, dass der Sachverständige nicht über die nötige Fachkunde verfügt. Überdies führt der Sachverständige in seinem Gutachten (OZ 23) selbst aus, dass er "seit gut 20 Jahren als Gutachter zur Beurteilung von Folteropfern tätig" ist und "schon sehr viele Menschen gesehen" hat, "welche mit Gewehrkolbenhieben misshandelt wurden". Auf Grundlage der Qualifikation als Facharzt für Unfallchirurgie und der dargestellten langjährigen einschlägigen Praxis kann wohl kein ernstlicher Zweifel an der fachlichen Qualifikation des Sachverständigen bestehen. Der Asylgerichtshof ist überdies der Ansicht, dass aus den Ausführungen im Gutachten auch kein Anhaltspunkt für eine Befangenheit des Sachverständigen abgeleitet werden kann. Insoweit der Beschwerdeführer ausführt, dass die Einvernahme nicht Aufgabe des Sachverständigen sei, dem entgegenzuhalten, dass der Sachverständige im Zuge der Befundaufnahme sehr wohl ein Gespräch mit dem Asylwerber zu führen hat und dass zu diesem Zweck auch ein Dolmetscher für die russische Sprache beigezogen wurde. Aus dem im Sachverständigengutachten enthaltenen Hinweis, dass die vom Beschwerdeführer bei der Befundaufnahme gemachten Angaben nicht in allen Punkten mit früher gemachten Angaben korrelieren, kann keine Befangenheit des Sachverständigen abgeleitet werden. Ebenso wenig kann daraus, dass der Sachverständige an einer Stelle die Wendung "scheint der Phantasie des Asylwerbers entsprungen" gebraucht, Befangenheit abgeleitet werden. Der Sachverständige hat das Ergebnis eingehend medizinisch begründet; Anhaltspunkte dafür, dass der Sachverständige dem Beschwerdeführer gegenüber voreingenommen wäre, finden sich nicht.

 

Zusammenfassend ist die erkennende Behörde solcherart der Ansicht, dass die Behauptungen des Beschwerdeführers zu den angeblichen Misshandlungen durch das Gutachten des Sachverständigen Dr. G. in schlüssiger Weise widerlegt werden. Aus dem Umstand, dass der Berufungswerber die Misshandlungen nicht in der beschriebenen Art und nicht zu dem beschriebenen Zeitpunkt erlitten hat, ist abzuleiten, dass die Angaben zu den Fluchtgründen, insbesondere auch zur Anhaltung, Misshandlung und Zwangsarbeit für einen somalischen Clan (bis Jänner 2003) nicht den Tatsachen entsprechen.

 

In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, dass der nunmehrige Beschwerdeführer sein Vorbringen im Zuge des Verfahrens laufend gesteigert hat. Im Verfahren vor dem Bundesasylamt erwähnte der nunmehrige Beschwerdeführer weder Misshandlungen noch Anhaltung oder Zwangsarbeit für einen somalischen Clan. Auf Frage, warum er einen Asylantrag gestellt habe, führte er vielmehr aus, dass man in Somalia nicht wirklich als Mensch lebe. Es gäbe mehrere Schwierigkeiten dort. Es bestehe in Somalia Gefahr für das Leben, deshalb müsse er um Asyl ansuchen (s. Seite 23 im Akt des Bundesasylamtes). Zwar beruft sich der Beschwerdeführer nunmehr auf Verständigungsprobleme, weil er in der amharischen Sprache vernommen worden war, dennoch scheint es dem Asylgerichtshof nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer, der ja auch die sonstigen an ihn gerichteten Fragen sinnvoll beantwortet hat, die zentralen Probleme (Anhaltung, Misshandlung, Zwangsarbeit) vor dem Bundesasylamt nicht einmal ansatzweise geschildert hat. Aus all diesen Erwägungen war dem Vorbringen zu den Fluchtgründen insgesamt die Glaubwürdigkeit zu versagen.

 

Der von der erkennenden Behörde über Antrag des Beschwerdeführers vernommene Zeuge S.O. konnte lediglich Angaben zur Herkunft des Beschwerdeführers aus Somalia und zur somalischen Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers machen. Die angeblichen Probleme des Beschwerdeführers waren ihm auch nur aus den Schilderungen des Beschwerdeführers, nicht jedoch aus eigener Wahrnehmung, bekannt (s. Seiten 6 f. der Verhandlungsschrift OZ 12). Demnach vermag die Aussage des Zeugen S.O. zur Glaubhaftmachung der geltend gemachten Fluchtgründe nicht beizutragen. Es wurden auch keine anderen Zeugen namhaft gemacht, die aus eigener Wahrnehmung die Richtigkeit der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe bestätigen könnten. Vom Beschwerdeführer wurde zwar mit Schriftsatz (OZ 33) ein weiterer Zeuge namhaft gemacht, der jedoch ebenfalls nur die Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers (Volksgruppe der Oromo), nicht aber die unmittelbar fluchtauslösenden Gründe, bestätigen könnte. Der Asylgerichtshof geht aber ohnehin von dieser Volksgruppenzugehörigkeit aus, sodass die mehrfach beantragte Einvernahme des I.H. (s. OZ 32 und 33) entbehrlich war.

 

Was die psychische Erkrankung des nunmehrigen Beschwerdeführers (depressive Episode, depressive Störung, Spitalsaufenthalt aufgrund dieser Erkrankungen) betrifft, gründen sich die Feststellungen auf den ärztlichen Kurzbericht vom 00.00..2005 (OZ 7) und die Bestätigung von Univ. Doz. Dr. W.R. vom 14.02.2006 (Beilage A), wonach beim Asylwerber eine schwere psychische Störung mit dringender Behandlungsbedürftigkeit besteht.

 

Die Feststellungen zur allgemeinen politischen Situation in Somalia gründen sich insbesondere auf die vom Verhandlungsleiter bzw. vorsitzenden Richter beigeschafften aktuellen Berichte (Beilagen XI und XIII). Aus diesen Berichten ergibt sich übereinstimmend, dass die Übergangsregierung mit Unterstützung äthiopischer Truppen nunmehr in wesentlichen Bereichen die Kontrolle übernommen hat, wobei es jedoch nach wie vor in Süd- und Zentralsomalia zu bürgerkriegsartigen Auseinandersetzungen und Anschlägen kommt. Es trifft auf Grundlage der vom Asylgerichtshof herangezogenen Berichte zu, dass nunmehr äthiopische Truppen in Zentral- und Südsomalia stationiert sind. Die erkennende Behörde vermag jedoch - auch unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer vorgelegten Berichte und Stellungnahmen (OZ 41, Beilage E, OZ 29, OZ 28) - nicht den Schluss zu ziehen, dass Angehörige der Oromo-Volksgruppe in Somalia bloß aufgrund dieser Volksgruppenzugehörigkeit, ohne dass sie selbst politisch in der OLF oder anderen Oromo-Organisationen aktiv tätig geworden sind, einer systematischen Verfolgung ausgesetzt sind. In den umfassenden und detaillierten Berichten zur Menschenrechtssituation in Äthiopien (Beilagen XI und XIII) wird eine Verfolgung von Angehörigen der Oromo-Volksgruppe nicht einmal erwähnt. Die Behauptungen des Beschwerdeführers zur Verfolgung der Oromo-Volksgruppe stützen sich im Wesentlichen nur auf Aussendungen der sudanesischen Zeitung "Sudan Tribune", die - neben Oromo-Organisationen - offenbar als einzige über die behaupteten Verfolgungen der Oromo-Volksgruppe berichtet. Selbst wenn man die Meldungen der "Sudan Tribune" zugrunde legt, so lässt sich daraus nur ableiten, dass es in manchen Fällen nach dem Einmarsch der äthiopischen Truppen zu Übergriffen gegen Oromos kam. Aus den Meldungen lässt sich jedoch nicht schlüssig ableiten, dass alle in Somalia lebenden Oromos nunmehr systematischer Verfolgung ausgesetzt wären. Diesbezüglich ist auch nur anzumerken, dass selbst in Äthiopien keine systematische Verfolgung der - dort zahlenmäßig sehr großen - Oromo-Volksgruppe feststellbar ist (s. etwa auch Abschnitt II.1.5 im Bericht des Auswärtigen Amtes Berlin vom 06.11.2007 zur asyl- und abschiebungsrelevanten Situation Äthiopien), sondern dass lediglich bestimmte Aktivisten der OLF (Oromo Liberation Front) und bestimmter anderer Oromo-Organisationen einer Verfolgung ausgesetzt sind bzw. sein können. Da solcherart selbst in Äthiopien keine generelle Verfolgung der Oromo-Volksgruppe besteht, vermag der Asylgerichtshof nicht zu erkennen, dass die Anwesenheit äthiopischer Truppen in Somalia nunmehr dort zu einer generellen Verfolgung dieser Volksgruppe geführt hätte bzw. führen würde.

 

Aus allen von der erkennenden Behörde herangezogenen Berichten ergibt sich übereinstimmend, dass die Gesundheitsversorgung, insbesondere die Behandlung psychischer Erkrankungen, in Somalia nur in äußerst eingeschränktem Umfang funktionsfähig ist. Dies ergibt sich u.a. aus Abschnitt IV.1.2. des Berichtes (Beilage XI).

 

Rechtlich folgt aus dem festgestellten Sachverhalt:

 

Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 i.d.F. BGBl I 4/2008 sind die am 01.07.2008 beim (vormaligen) Unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 AsylG 2005 haben Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenats, die zu Richtern des Asylgerichtshofs ernannt worden sind, alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Zwar enthält § 75 Abs. 7 AsylG 2005 keine unmittelbare Aussage über jene Verfahren, auf welche gem. § 75 Abs. 1 AsylG 2005 weiterhin die Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 (AsylG) anzuwenden sind. Doch ist im Ergebnis davon auszugehen, dass § 75 Abs. 7 auch für derartige nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führende Verfahren sinngemäß gilt (s. zur sinngemäßen Geltung der im AsylG 2005 enthaltenen, das Verfahren des Asylgerichtshofs betreffenden Verfahrensbestimmungen auf derartige Altverfahren insbesondere das Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 12.08.2008, Zl.

 

C5 251212-0/2008/11E).

 

Demnach ist § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sinngemäß auch auf das gegenständliche Verfahren anzuwenden, das bereits am 31.12.2005 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängig war und nach dem AsylG 1997 (AsylG) fortzuführen ist (§ 75 Abs. 1 AsylG 2005). Daraus folgt, dass der Asylgerichtshof zur Entscheidung über die gegenständliche Berufung, die nunmehr gem. § 23 AsylGHG als "Beschwerde" zu gelten hat, zu entscheiden hat und dass diese Entscheidung durch einen Einzelrichter zu treffen ist (§ 75 Abs. 7 AsylG 2005), zumal bereits vor dem 01.07.2008 eine Verhandlung vor diesem nunmehrigen Richten stattgefunden hat, der damals Mitglied des Unabhängigen Bundesasylsenates war und zum Richter des Asylgerichtshofs ernannt wurde.

 

Auf Grundlage der Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 (AsylG), das, wie dargelegt, auf den gegenständlichen Fall weiterhin anzuwenden ist, ergibt sich in rechtlicher Hinsicht Folgendes:

 

Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Zentrales Element dieses Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Diese begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiverweise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Unter Verfolgung ist ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welche geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in diesen Staat zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

 

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Asylgerichtshofes die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund, nicht gegeben. Dies im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe (Anhaltung und Zwangsarbeit für den Clan der Habargadir, Misshandlungen und Körperverletzungen bis einschließlich Jänner 2003) nicht glaubhaft machen konnte. Auch aus der angeblichen, viele Jahre zurückliegenden politischen Betätigung des Vaters lässt sich eine aktuelle Verfolgung nicht schlüssig ableiten, zumal der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben selbst politisch niemals aktiv war.

 

Eine systematische generelle Verfolgung der Oromo-Volksgruppe, welcher der Beschwerdeführer angehört, konnte ebenfalls nicht festgestellt werden. Vielmehr waren nur einzelne Übergriffe gegen Angehörige dieser Volksgruppe feststellbar.

 

Demnach war der Beschwerde hinsichtlich der Abweisung des Asylantrages der Erfolg zu versagen.

 

Zum Ausspruch über die Nicht-Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in sein Heimatland ist Folgendes auszuführen:

 

Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten; am 01.01.2006 ist gem. § 126 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge: FPG) das FPG in Kraft getreten. Gemäß

 

§ 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Demnach wäre die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechende Bestimmung" des FPG zu beziehen, das ist § 50 FPG. Anzumerken ist, dass sich die Regelungsgehalte beider Vorschriften (§ 57 FrG und § 50 FPG) nicht in einer Weise unterscheiden, die für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - unmittelbar oder mittelbar - auf § 57 FrG bezieht, lässt sich insoweit auch auf § 50 FPG übertragen.

 

Die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre (§ 8 Abs 1 AsylG i.V.m. § 50 Abs. 1 FPG) bzw. dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der GFK i.V.m. § 50 Abs. 2 FPG und § 8 Abs 1 AsylG), es sei denn es bestehe eine inländische Fluchtalternative.

 

Gemäß § 8 Abs 1 AsylG i.V.m. § 50 FPG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden demnach unzulässig, wenn dieser dadurch der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde (§ 50 Abs. 1 FPG i.V.m. Art. 3 EMRK), wenn sein Recht auf Leben verletzt würde (§ 50 Abs. 1 FPG i.V.m. Art. 2 EMRK) oder ihm die Vollstreckung der Todesstrafe drohen würde (§ 50 Abs. 1 FPG i.V.m. Art. 1 des 13. Zusatzprotokolls zur EMRK). Da sich § 50 Abs. 1 FPG inhaltlich weitestgehend mit § 57 Abs. 1 FrG deckt und die Neufassung im Wesentlichen nur der Verdeutlichung dienen soll, kann die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 57 Abs. 1 FrG weiterhin als Auslegungsbehelf herangezogen werden. Nach dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH v. 26.06.1997, Zl. 95/18/1293; VwGH v. 17.07.1997, Zl. 97/18/0336). Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist sohin auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht mehr vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in § 50 Abs. 1 FPG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 95/21/0294 vom 26.6.1997). Unter "außergewöhnlichen Umständen" (z.B. fehlende medizinische Behandlung bei lebensbedrohender Erkrankung) können auch von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertretende lebensbedrohende Ereignisse ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK i.V.m. § 50 Abs. 1 FPG darstellen (Urteil des EGMR in D vs. Vereinigtes Königreich vom 02.05.1997).

 

Auf Basis der Sachverhaltsfeststellungen liegt ein Abschiebungshindernis im Sinne von § 8 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 50 Abs. 1 FPG vor.

 

Auch außergewöhnliche, vom Herkunftsstaat nicht zu vertretende Umstände (insbesondere schwere, nicht behandelbare Erkrankungen) können im Hinblick auf das zitierte Urteil des EGMR vom 02.05.1997 ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK i.V.m. § 50 Abs. 1 FPG darstellen. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt, zumal der Beschwerdeführer an einer schweren depressiven Störung leidet. Der Beschwerdeführer bedarf medikamentöser und fachärztlicher psychiatrischer Behandlung. Den Feststellungen ist zu entnehmen, dass in Somalia die Kapazitäten zur Behandlung von psychisch Kranken äußerst gering sind. In den wenigen vorhandenen Einrichtungen ist das Personal unzureichend ausgebildet, die medikamentöse Versorgung unausreichend und die Lebensbedingungen der Patienten katastrophal. Auch in den wenigen privaten Kliniken gibt es keine Möglichkeit der stationären Unterbringung psychisch kranker Personen. Außerdem wäre eine Behandlung nur gegen Bezahlung zugänglich. Der Beschwerdeführer verfügt aber - soweit feststellbar - über keine finanziellen Mittel. Somit ist davon auszugehen, dass die psychische Krankheit des Beschwerdeführers im Falle seiner Rückkehr nach Somalia nicht behandelt werden kann bzw. ihm der Zugang zur Behandlung aufgrund der hohen Kosten verwehrt wäre.

 

Nach Ansicht des Asylgerichtshofes liegt folglich ein "außergewöhnlicher Umstand" vor, der die Gewährung von Abschiebungsschutz im Sinne von Art. 3 EMRK i.V.m. § 50 Abs. 1 FPG rechtfertigt. Im Übrigen wäre ein derartiges Abschiebungshindernis wohl auch aus der andauernden Bürgerkriegssituation ohne wirklich funktionierende staatliche Autorität abzuleiten. Diese begründet, ausgehend von der Judikatur des EGMR zu Art. 3 EMRK (Fall Ahmed gegen Österreich, Urteil vom 17.12.1996, Nr. 71/1996, Nr. 71/1995/577/663), ein Rückschiebungshindernis. Es war demnach die Unzulässigkeit der Rückschiebung festzustellen.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG ist Fremden, deren Asylantrag aus anderen Gründen als in Asylausschlussgründen (§ 13) abgewiesen wurde, von jener Asylbehörde mit Bescheid eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, von der erstmals festgestellt wurde, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung unzulässig ist. Ein Asylausschlussgrund liegt im gegenständlichen Fall offensichtlich nicht vor.

 

Gemäß § 15 Abs. 2 AsylG ist die befristete Aufenthaltsberechtigung für höchstens ein Jahr und nach der ersten Verlängerung für höchsten fünf Jahre zu bewilligen. Die Aufenthaltsberechtigung behält bis zur Entscheidung über die Verlängerung durch das Bundesasylamt Gültigkeit. Die Verlängerung gem. § 15 Abs. 1 AsylG obliegt die Verlängerung befristeter Aufenthaltsberechtigungen gem. § 8 Abs. 3 sowie deren Widerruf dem Bundesasylamt.

 

Voraussetzung für die Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung gem. § 15 Abs. 1 AsylG ist eine dem Rechtsbestand angehörende Feststellung nach § 8 AsylG, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung unzulässig ist (VwGH

v. 24.02.2000, Zl. 99/20/0474; VwGH v. 25.01.2001, Zl. 99/20/0009) und das Nichtvorliegen eines Asylausschlussgrundes. Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall vor, weshalb die befristete Aufenthaltsberechtigung spruchgemäß zu erteilen war. Die Aufenthaltsberechtigung wurde für die Höchstdauer von einem Jahr erteilt, weil eine Besserung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers ebenso wenig absehbar ist, wie eine Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten in Somalia. Ebenso wenig ist die Verbesserung der allgemeinen Sicherheitslage absehbar.

 

Dieses Verfahren war vom Asylgerichtshof gem. § 75 Abs. 1 AsylG 2005 nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 (AsylG) zu Ende zu führen.

Schlagworte
befristete Aufenthaltsberechtigung, gesteigertes Vorbringen, gesundheitliche Beeinträchtigung, Glaubwürdigkeit, Lebensgrundlage, medizinische Versorgung, Misshandlung, Sicherheitslage, Verfolgungsgefahr, Volksgruppenzugehörigkeit
Zuletzt aktualisiert am
23.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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