TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/05 B5 268283-0/2008

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Veröffentlicht am 05.09.2008
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Spruch

B5 268.283-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Elmar SAMSINGER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Gregor MORAWETZ als Beisitzer über die Beschwerde von B. E., geb. 00. 00.1985, StA. Kosovo, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.02.2006, FZ. 05 22.299-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 AsylG 1997 i.d.F. BGBl I 2003/101 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Die beschwerdeführende Partei führt nach eigenen Angaben den im Spruch genannten Namen, ist kosovarische Staatsangehörige, gehört der albanischen Volksgruppe an, ist muslimischen Bekenntnisses, war im Heimatstaat zuletzt wohnhaft im Dorf K. in der Gemeinde Peje, reiste laut eigenen Angaben am 18.12.2005 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag.

 

Vom Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, im Beisein eines Dolmetschers der albanischen Sprache am 02.01.2006 einvernommen, wurde als Fluchtgrund im Wesentlichen angegeben, dass der Bruder des Beschwerdeführers vor sechs oder sieben Monaten von einer bewaffneten maskierten Gruppe der UPK geschlagen worden sei und daraufhin nach New York geflüchtet sei. Es habe auch einen Vorfall gegeben, bei dem ein Verwandter des Beschwerdeführers von der Gruppierung angehalten und unter Morddrohung aufgefordert worden sei, einen Brief zur Polizei zu bringen. Der Beschwerdeführer selbst sei niemals bedroht worden und sei der Gruppierung auch nicht begegnet. Er fühle sich aber sehr unsicher. Der Beschwerdeführer habe eine medizinische Schule besucht und in Peje Arbeit gefunden. Der Beschwerdeführer legte einen von der UNMIK im Juli 2004 ausgestellten Personalausweis vor.

 

In der Einvernahme beim Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, am 13.02.2006 gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers der albanischen Sprache wiederum an, dass sein Bruder vor drei Jahren von unbekannten Personen geschlagen worden sei, weshalb er nach Amerika geflüchtet sei. Sein Bruder wisse bis heute nicht, warum er geschlagen worden sei. Der Beschwerdeführer habe auch gehört, dass die bewaffnete Gruppierung Leuten Zetteln in die Hand drücke, worin sie aufgefordert werden würden, das Land zu verlassen. Der Beschwerdeführer habe von einem Bekannten erfahren, dass einer von dessen Familienangehörigen vor einem Monat einen solchen Zettel erhalten habe. Selbst sei der Beschwerdeführer mit der Gruppierung nicht in Kontakt gekommen und sei auch nicht bedroht worden. Er fühle sich jedoch unsicher, da die meisten Morde in der Gemeinde Peje in seiner Region erfolgt seien. Ein entsprechender Vorhalt eines Berichts der österreichischen Botschaft, Außenstelle Pristhina, vom September 2005, wonach sowohl die UNMIK, die KFOR als auch die KPS kriminelle Delikte verfolgen und für ein sicheres Umfeld im Kosovo sorgen würden, wurde vom Beschwerdeführer auch für seine Region bestätigt, dennoch gäbe es nach Ansicht des Beschwerdeführers viele Morde und Todesfälle.

 

Mit dem nunmehr angefochtenen oben angeführten Bescheid des Bundesasylamtes wurde der Asylantrag der beschwerdeführenden Partei gem. § 7 AsylG 1997 i.d.F. BGBl I 2003/101 (Spruchpunkt I.) abgewiesen und ausgesprochen, dass deren Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat Serbien und Montenegro, Provinz Kosovo, gem. § 8 Abs. 1 leg.cit. zulässig sei (Spruchpunkt II.) sowie deren Ausweisung gemäß § 8 Abs. 2 leg.cit. ausgesprochen (Spruchpunkt III.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die beschwerdeführende Partei nicht glaubwürdig dartun habe können, dass ihr im Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung droht.

 

Dagegen wurde innerhalb offener Frist im Wesentlichen mit der Begründung Beschwerde (bis 1.7.2008 Berufung) erhoben, dass das Bundesasylamt bei richtiger Würdigung des Vorbringens zum Ergebnis hätte kommen müssen, dass der beschwerdeführenden Partei die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

 

2.1. Aufgrund des vom Bundesasylamt durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht nachstehender entscheidungswesentliche Sachverhalt als erwiesen fest:

 

Die beschwerdeführende Partei ist kosovarische Staatsangehörige, gehört der albanischen Volksgruppe an, ist muslimischen Bekenntnisses, und war zuletzt im Heimatstaat im Dorf K. in der Gemeinde Peje wohnhaft. Sie hat im gesamten Asylverfahren nicht dargetan, dass sie seinerzeit im Heimatstaat aus welchen Gründen immer in das Blickfeld von Behörden oder Sicherheitskräfte geraten ist und war auch politisch nicht aktiv. Sie war vor ihrer Flucht keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt. Sie konnte auch nicht glaubhaft machen, dass sie im Kosovo mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einer Gefahr einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder Todesstrafe ausgesetzt wäre.

 

Bezüglich des Herkunftsstaates der beschwerdeführenden Partei ist ergänzend auszuführen, dass das Staatsangehörigkeitsgesetz der Republik Kosovo (Law Nr. 03/L-034 on Citizenship of Kosova) am 15.06.2008 in Kraft getreten ist.

 

Gemäß Artikel 3 leg.cit. wird die kosovarische Staatsbürgerschaft durch Geburt, Adoption, Einbürgerung, aufgrund internationaler Verträge oder aufgrund der Artikel 28 und 29 dieses Gesetzes erworben.

 

Aufgrund Art. 28 Abs. 1 leg.cit. wird jede Person, die nach Maßgabe der UNMIK Verordnung Nr. 2000/13 (UNMIK Regulation No. 2000/13 on the Central Civil Registry) als Einwohner ("habitual resident") in der Republik Kosovo registriert ist, als kosovarischer Staatsbürger angesehen und als solcher im Staatsbürgerregister ("register of citizens") eingetragen.

 

Jede Person, die am 01.01.1998 Bürger der Bundesrepublik Jugoslawien war und zu diesem Stichtag ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Republik Kosovo hatte, wird gemäß Art. 29 Abs. 1 leg.cit. als Staatsbürger der Republik Kosovo angesehen und als solcher ungeachtet seines derzeitigen Aufenthalts oder seiner derzeitigen Staatsbürgerschaft im Staatsbürgerregister eingetragen. Gemäß Art. 29 Abs. 2 leg .cit. gilt diese Bestimmung auch für direkte Nachkommen der in Abs. 1 angesprochenen Personengruppe. Die Registrierung der in Abs. 1 und 2 genannten Personengruppe im Staatsbürgerregister erfolgt durch den Antrag der Person, die die Voraussetzungen des Art. 29 Staatsangehörigkeitsgesetz erfüllt.

 

Gemäß Art. 3 leg.cit führt der Besitz oder Erwerb einer anderen Staatsbürgerschaft nicht zum Verlust der kosovarischen Staatsbürgerschaft.

 

Um Wiederholungen zu vermeiden wird auf die Feststellungen des Bundesasylamts zum Herkunftsstaat im angefochtenen Bescheid verwiesen.

 

2.2. Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Die vom Bundesasylamt getroffene Würdigung der Beweise, insbesondere der Aussage der beschwerdeführenden Partei ist umfassend und schlüssig und wird daher auch der gegenständlichen Entscheidung zugrundegelegt (vgl. VwGH 25.3.1999, 98/20/0559; 8.6.2000, 99/20/0366; 30.11.2000, 2000/20/0356; 22.2.2001, 2000/20/0557; 21.6.2001, 99/20/0460).

 

Im angefochtenen Bescheid wurde im Bezug auf die beschwerdeführende Partei als Herkunftssaat Serbien und Montenegro, Provinz Kosovo, angenommen. Infolge der unter anderem von Österreich anerkannten Unabhängigkeit hat die Republik Kosovo das am 15.06.2008 in Kraft getretene Staatsbürgerschaftsgesetz verabschiedet. Im Verfahren ist hervorgekommen, dass die beschwerdeführende Partei die Voraussetzungen dieses Staatsbürgerschaftsgesetz erfüllt, weshalb spruchgemäß vom Herkunftsstaat Republik Kosovo auszugehen war.

 

In der Beschwerde wird kein neuer Sachverhalt vorgebracht und werden den Ausführungen des Bundesasylamtes keine konkreten stichhaltigen Argumente entgegengesetzt. So hat es die beschwerdeführende Partei in ihrer Beschwerdeschrift vollkommen unterlassen, konkret auf die ihr angelasteten und begründeten massiven Widersprüchlichkeiten in Kernpunkten ihres Vorbringens einzugehen. Die in der Beschwerdeschrift angeführten Berichte beziehen sich zudem ausschließlich auf ethnische Konflikte im Zusammenhang mit den Ereignissen im März 2004, denen der Beschwerdeführer, da er sich in keiner Minderheitensituation im Kosovo befindet, nicht ausgesetzt ist. Darüber hinaus reichen die in der Beschwerdeschrift angeführten Berichte nicht über den Zeitraum September 2004 hinaus und sind gegenüber den vom Bundesasylamt in der Einvernahme vom 13.02.2006 sowie im bekämpften Bescheid herangezogene Berichten, die bis zum September 2005 reichen, als nicht mehr hinreichend aktuell anzusehen. Auch der Verweis auf die hohe Arbeitslosigkeit im Kosovo und das diesbezügliche Gutachten im Berufungsverfahren des unabhängigen Bundesasylsenats zur GZ. 232.204/4-II/05/05 verläuft ins Leere, da auch das Bundesasylamt im bekämpften Bescheid von einer hohen Arbeitslosenquote im Kosovo ausging, aus den dort herangezogenen Berichten aber auch klar hervorgeht, dass ein Existenzminimum (Lebensmittel, Unterhalt, Unterkunft) im Kosovo grundsätzlich als gesichert anzusehen ist. Der Beschwerdeschrift sind keine Hinweise zu entnehmen, wonach beim Beschwerdeführer besondere Umstände vorliegen würden, die ihm hinsichtlich seiner Existenzsicherung im Kosovo in eine auswegslose Lage geraten lassen würden. Vielmehr erklärte der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt mehrmals, den Kosovo nicht aus wirtschaftlichen Gründen verlassen zu haben, wobei er laut eigenen Angaben über eine Unterkunft sowie ein soziales Netz (Eltern) im Kosovo verfügt und zudem qualifiziert ausgebildet sei, weshalb er auch eine Anstellung im Krankenhaus in Peje erhalten hätte.

 

2.3. Die Aufnahme weiterer Beweise war wegen Entscheidungsreife nicht mehr erforderlich.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (AsylG 2005, BGBL. I Nr. 100 i.d.g.F. BGBl. I Nr. 4/2008) in Kraft getreten und ist auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge anzuwenden.

 

Gemäß § 61 Abs. 1 Asylgesetz entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter (1.) über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und (2.) Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

Gemäß § 22 Abs. 1 AsylG 2005 ergehen Entscheidungen des Asylgerichtshofs in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses.

 

Gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die beschwerdeführende Partei hat ihren Asylantrag nach dem 30.04.2004 gestellt; das Verfahren war am 31.12.2005 anhängig; das Berufungsverfahren ist daher nach dem AsylG i. d.F. der AsylGNov. 2003 - zu führen.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 und 3 Asylgesetz 2005 sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen; Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat bzw. die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des unabhängigen Bundesasylsenats geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Soweit sich aus dem B-VG, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, sind gemäß § 22 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat der Asylgerichtshof, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

2. Zur Entscheidung über den Asylantrag (§ 7 AsylG 1997 i.d.F. BGBl. I Nr. 101/2003):

 

2.1. Gemäß § 7 AsylG 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Artikel 1, Abschnitt A, Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht, und keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne des AsylG 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt. Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein.

 

2.2. Wie das Bundesasylamt im bekämpften Bescheid zutreffend festgestellt hat und in den Feststellungen und der Beweiswürdigung ausgeführt ist, ist es der beschwerdeführenden Partei jedoch während des gesamten Verfahrens nicht gelungen, glaubhaft darzustellen, dass ihr in ihrem Herkunftsland Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

3. Zur Non Refoulement-Prüfung (§ 8 Abs. 1 AsylG 1997 i.d.F. BGBl. I Nr. 101/2003):

 

3.1. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG 2005 treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des Fremdengesetztes 1997 verwiesen wird, die entsprechenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes an deren Stelle.

 

3.2. Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (vormals § 57 FrG 1997, nunmehr § 50 FPG 2005); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

Gemäß § 50 Abs. 1 FPG 2005 ist die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

 

Gemäß § 50 Abs. 2 FPG 2005 ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Gemäß Art 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

 

Die bloße Möglichkeit einer dem Art 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG 1997 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH vom 27.02.1997, 98/21/0427).

 

Der Fremde hat das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und / oder Abs. 2 FrG 1997 glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH vom 02.08.2000, 98/21/0461; VwGH vom 25.01.2001, 2001/20/0011).

 

3.3. Wie bereits bei der Abweisung des Asylantrages ausgeführt bestehen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass das Leben oder die Freiheit der beschwerdeführenden Partei aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre, weshalb kein Fall des § 50 Abs. 2 FPG 2005 vorliegt.

 

3.4. Im gesamten Asylverfahren finden sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die beschwerdeführende Partei bei einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit der in diesem Zusammenhang maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer Gefährdungssituation im Sinne des § 50 Abs. 1 FPG 2005 ausgesetzt sein würde. Dass jedem Abgeschobenen im vorliegenden Herkunftsstaat Gefahr für Leib und Leben in einem Maße drohen, dass die Abschiebung im Lichte des Art. 3 EMRK unzulässig wäre, kann nicht festgestellt werden. Nicht festgestellt werden kann weiters, dass es Abgeschobenen im vorliegenden Herkunftsstaat an der notdürftigsten Lebensgrundlage fehlen würde.

 

Weder aus den Angaben der beschwerdeführenden Partei zu den Gründen, die für die Ausreise maßgeblich gewesen sein sollen, noch aus den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens ist im konkreten Fall ersichtlich, dass jene gemäß der Judikatur des EGMR geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegen würde, um die Außerlandesschaffung eines Fremden im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegende Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen zu lassen (VwGH vom 21.08.2001, 2000/01/0443).

 

Im zitierten Erkenntnis des VwGH vom 21.08.2001 wird die maßgelbliche Judikatur des EGMR dargestellt. Vor dem Hintergrund dieser Judikatur kommt es unter dem hier interessierenden Aspekt darauf an, ob die Abschiebung die betreffende Person in eine "unmenschliche Lage" versetzen würde. Solche Umstände sind im Asylverfahren nicht hervorgekommen.

 

3.5. Das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei vermag sohin keine Gefahren i.S.d. § 50 FrG bzw. die Unzumutbarkeit der Rückkehr aufgrund der individuellen konkreten Lebensumstände darzutun. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

4. Zur Ausweisungsentscheidung (§ 8 Abs.2 AsylG 1997 i.d.F. BGBl. I Nr. 101/2003):

 

4.1. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG hat die Behörde dann, wenn ein Asylantrag abzuweisen ist und wenn die Überprüfung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ergeben hat, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, diesen Bescheid mit der Ausweisung zu verbinden. Der Gesetzgeber beabsichtigt durch die zwingend vorgesehen Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern (VfGH vom 17.03.2005, G 78/04 u.a.).

 

4.2. Solche Gründe sind im gesamten Asylverfahren nicht hervorgekommen. Das Bundesasylamt hat die durch Art. 8 Abs. 2 MRK vorgeschriebene Interessenabwägung mängelfrei vorgenommen. In diesem Zusammenhang sei zusätzlich darauf hingewiesen, dass die beschwerdeführende Partei zum Aufenthalt in Österreich nur auf Grund eines Asylantrages, der sich letztlich als nicht begründet erwiesen hat, berechtigt gewesen ist. Es fehlen auch sonstige Anhaltspunkte für andere soziale Bindungen in Österreich, weswegen die verfügte Ausweisung keinen Eingriff in den Art. 8 EMRK darstellt.

 

5. Eine mündliche Verhandlung kann gemäß § 41 Abs. 7 AsylG 2005 unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67d AVG.

 

Von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte somit abgesehen werden, da das Bundesasylamt den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ausreichend ermittelt hat. Das Vorbringen in der Beschwerde deckt sich zur Gänze mit dem Vorbringen vor dem Bundesasylamt, ein darüber hinausgehendes Vorbringen wurde nichts erstattet. Eigene Ermittlungen des Asylgerichtshofes waren daher wegen geklärter Sachlage nicht mehr erforderlich.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, Lebensgrundlage, non refoulement, soziale Verhältnisse, Unterkunft
Zuletzt aktualisiert am
24.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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