TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/23 A9 252506-0/2008

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Veröffentlicht am 23.09.2008
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Spruch

A9 252.506-0/2008/8E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Schnizer-Blaschka als Vorsitzende und den Richter Dr. Pipal als Beisitzer über die Beschwerde von A.V., geb. 00.00.1988, StA. Nigeria, vertreten durch Mag. Volkan Kaya, Asyl in Not, Währingerstraße 59/2/1, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.08.2004, GZ. 04 14.673-EAST Ost, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.09.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 7 und § 8 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 mit der Maßgabe abgewiesen, dass Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat wie folgt:

 

"Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 wird A.V. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen."

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. 1. Der Beschwerdeführer (StA: Nigeria) reiste in Österreich mit einem gültigem Visum (geplantes Einreisedatum: 05.07.2004, geplantes Ausreisedatum: 20.07.2004) zum Zweck der Teilnahme an einem Fußballturnier ein. Dem Visumsantrag liegt ein mit 00.00.2004 datierter "Letter of Consent" bei, in dem Herr A.E. für seinen Sohn

V. zustimmt, dass dieser mit dem Fussballteam nach Österreich reise und unmittelbar nach Abschluss des Turniers wieder zurückkomme (AS 45).

 

Der Beschwerdeführer reiste jedoch nicht aus, sondern stellte am 19.07.2004 den gegenständlichen Asylantrag.

 

In seiner Einvernahme vom 26.07.2004 brachte der Beschwerdeführer vor, er spreche Ibo und Englisch, habe von 1994 bis 1999 in U. die Grundschule besucht, habe eine etwa 42 Jahre alte Mutter und eine Schwester, die ihn A. lebten. Sein Vater sei "vor zwei Monaten verstorben". Zu seinen Ausreisegründen befragt gab er an, es komme niemand für seine Schulbildung auf, weiters seien seine Mutter und seine Schwester auf ihn angewiesen. Die Frage, ob er also aus wirtschaftlichen Gründen nach Österreich gekommen sei, bejahte er ausdrücklich. Er sei in Nigeria nutzlos, lernte lieber hier etwas. Über Vorhalt, dass die Abweisung des Asylantrages, die Zulässigerklärung der Rückverbringung sowie die Ausweisung beabsichtigt seien, antwortete er: "Dazu gebe ich an, dass es schlimm wäre, da sich meine Familie auf mich verlässt."

 

In seiner zweiten Einvernahme am 02.08.2004 gab der Beschwerdeführer nach Beratung mit seinem Rechtsberater an, dass er seiner ursprünglichen Aussage nichts mehr hinzufügen wolle.

 

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Asylwerbers unter Hinweis auf § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.); weiters wurde mit diesem Bescheid gemäß § 8 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. wies das Bundesasylamt den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet aus (Spruchpunkt III.).

 

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

 

II. Der Asylgerichtshof führte am 23.09.2008 eine mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer unter Beiziehung eines Dolmetschers für die englische Sprache einvernommen wurde. Zu seinen Fluchtgründen brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen folgendes vor ("VR"= vorsitzende Richterin, "BF" = Beschwerdeführer;

Verhandlungsniederschrift "VN" OZ 7):

 

"BF: Mein Vater ist gestorben. Ich war 5 Jahre alt, wie Angehörige meinen eigenen Vater umgebracht haben, ich weiß nicht, was damals war.

 

VR: Sie haben in der erstinstanzlichen Aussage (AS 19) am 26.07.2004 ausgeführt, dass Ihr Vater vor 2 Monaten verstorben sei.

 

BF: Mein Vater ist nicht in diesen zwei Monaten vorher gestorben, sondern das war im Zeitraum von vier Monaten. Ich war damals noch sehr klein.

 

VR: Übrige Familie haben Sie in Nigeria?

 

BF: Ich habe nur noch meine Mutter und meine jüngere Schwester D.. Meine Familie war nie gut zu meiner Mutter, weil sie nicht aus demselben Staat stammt wie mein Vater. Deswegen hat die Familie meines Vaters sie im Stich gelassen.

 

VR: Was ist die Firma F.?

 

Dem BF wird der Zustimmungsbrief, der im Zuge der Visumsbeantragung vorgelegt wurde, vorgehalten (AS 45).

 

BF: Diese Firma ist mir unbekannt, ich habe keinen Vater. Wenn ich gefragt werde, wer dann diese Zustimmungserklärung für die Teilnahme am Fußballturnier abgegeben hat, gebe ich an: Das war ein Kontakt über meine Mutter.

 

VR: Möchten Sie zur allgemeinen Lage in Nigeria etwas ausführen?

 

BF: Ich möchte nur sagen, ich möchte nicht wieder nach Nigeria zurück.

 

VR: Möchten Sie etwas ausführen, was über Ihre bisherigen Aussagen hinausgeht?

 

BF: Ich möchte nur noch sagen, dass die Lage mit meiner Familie nicht gut ist. Diese Leute haben meinen Vater umgebracht und suchen auch mich. Sie würden auch mich umbringen. Außerdem haben sie rausgefunden, dass ich jetzt in Österreich bin. Meiner Mutter geht es auch nicht gut. Sie ist seit vier Monaten im Spital. Ich weiß nicht, was mit meiner Schwester ist.

 

VR: Sie sagten, dass Ihr Vater über 4 Monate gestorben ist. Inwiefern wurde er ermordet?

 

BF: Die eigenen Brüder wollten ihn bei einem Ritual opfern, weil er damals bei der Eisenbahngesellschaft gearbeitet hat

 

VR: Warum haben Sie das nicht schon anlässlich des erstinstanzlichen Verfahrens erzählt? Es besteht ein Neuerungsverbot.

 

BF: Ich war damals ganz durcheinander. Es gab damals so viele Leute, die mir dumme Ratschläge gegeben haben.

 

VR: Welche Umstände liegen vor, dass Sie in Österreich integriert sind?

 

BF: Was ist damit gemeint?

 

VR: Haben Sie Arbeit? Haben Sie Sprachkurse gemacht? Haben Sie hier Angehörige?

 

BF: Ja, ich habe 2 Jahre einen Deutsch-Kurs (im 16. Bezirk bei der Diakonie)besucht und kann mittlerweile Deutsch sprechen und schreiben. Wenn ich die Möglichkeit bekomme, dann würde ich meine Ausbildung auch gerne fortsetzen, denn Bildung ist das Wichtigste im Leben.

 

VR: Im Akt liegt eine Anzeige vor vom Januar und vom April 2008. (Verdacht des Suchtmittelhandels)

 

BF: Ich bin an diesem Abend von einem Fußballmatch nach 11 Uhr in der Nacht heim gekommen und sah, wie Leute aus unserem Heim davonliefen. Sie sagten mir, dass die Polizei im Haus sei. Ich bin trotzdem hineingegangen, weil ich wusste, dass ich ein reines Gewissen habe. Die Polizei hat mich dann mitgenommen, nach drei Tagen aber wieder frei gelassen.

 

VR: Es sind 2 Vorfälle. Im April war auch einer.

 

BF: Beim zweiten Vorfall im April war ich gerade im Begriff das Haus zu verlassen. Ich bin hinunter gegangen, da war die Polizei im Haus, aber sie haben bei mir nichts gefunden.

 

VR: Aber es ist Anzeige erstattet worden. Ist dieses Verfahren noch im Gange?

 

BF: Ich habe keine Vorladung zum Gericht bekommen. Ich war auch nicht der einzige. Ich glaube, ich habe ein Schreiben bekommen, wonach die Sache eingestellt wurde.

 

VR: Möchten Sie noch etwas zu Ihrem Fall vorbringen?

 

BF: Ich brauche Hilfe, das ist alles.

 

BFV: Sie reden von einem Fußballspiel. Sind Sie in einem Verein tätig?

 

BF: Ich war bei so vielen Fußballclubs als Spieler tätig, jetzt möchte ich für das XY-Fußballteam spielen.

 

BFV: Das von der XY?

 

BF: Ja.

 

BFV: Und die Team-Spieler? Sind alle Asylwerber oder Österreicher?

 

BF: Dort sind Schwarze wie ich. Ich bin noch am Überlegen, aber wahrscheinlich möchte ich mich diesem Team anschließen. Bislang besuche ich allerdings nur das Training. Ich möchte diesen Leuten helfen, sie haben mich darum gebeten.

 

Keine weiteren Fragen seitens BR, BFV und kein weiteres Vorbringen."

 

III. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1.1. Zur Person und den Fluchtgründen des Beschwerdeführers wird festgestellt:

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria und gehört der Volksgruppe der Ibo an. Er verließ seinen Herkunftsstaat zum Zweck der Teilnahme an einem Fußballturnier in Österreich im Juli 2004, kehrte dann aber nicht mehr zurück, sondern stellte hier am 19.07.2004 den gegenständlichen Asylantrag.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Nigeria aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre. Es konnten auch keine konkreten Gründe festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, in Nigeria einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden. Die vom Beschwerdeführer erstmals in der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof vorgebrachten Fluchtgründe (Bedrohung durch Mitglieder seiner Familie, die bereits seinen Vater getötet hätten) werden - abgesehen davon, dass sie dem Neuerungsverbot unterliegen (siehe dazu unten) - mangels Glaubwürdigkeit nicht festgestellt. Der Beschwerdeführer hat in Nigeria Verwandte (jedenfalls seine Mutter und eine Schwester).

 

Im Beschwerdefall können keine Umstände festgestellt werden, die für eine besondere Integration des Beschwerdeführers in Österreich sprächen.

 

1.2. Zur politischen und menschenrechtlichen Situation in Nigeria werden folgende Feststellungen getroffen:

 

Die Situation in Nigeria ist grundsätzlich ruhig, die Staatsgewalt (Polizei und Justiz) funktionsfähig. Anzumerken ist jedoch, dass die nigerianische Bundespolizei in personeller Hinsicht im Vergleich zu westlichen Staaten relativ schlecht ausgestattet und verschiedentlich auch mangelhaft ausgebildet ist, weshalb in einzelnen Bundesstaaten so genannte Bürgerwehren polizeiliche Aufgaben übernommen haben. In einzelnen Landesteilen Nigerias (z. B. in den nördlichen Bundesstaaten Kano und Kaduna) kommt es wiederholt zu religiös motivierten Auseinandersetzungen zwischen Christen und Moslems. Weiters kommt es im Niger-Delta verschiedentlich zu Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Volksgruppen. In bestimmten Fällen wurde das Militär zur Niederschlagung von Unruhen eingesetzt. Abgesehen von diesen lokal begrenzten Auseinandersetzungen ist die Situation in Nigeria jedoch ruhig. Im Zuge der Gouverneurs- und Präsidentenwahlen 2007 kam es in einzelnen Landesteilen zu mittlerweile beendeten Unruhen, es herrscht kein Bürgerkriegszustand.

 

Die im Mai 1999 in Kraft getretene nigerianische Verfassung verfügt im Kapitel V über einen Grundrechtskatalog, der sich an den einschlägigen völkerrechtlichen Instrumenten orientiert. Die nigerianische Regierung bekennt sich auch politisch zum Schutz der Menschenrechte und zählt diesen zu den Prioritäten des Regierungshandelns. Die Verfassung garantiert die Religionsfreiheit, definiert Nigeria als säkularen Staat und verbietet es dem Bundesstaat oder einzelnen Staaten, eine Religion zur Staatsreligion zu machen.

 

Grundsätzlich kann, insbesondere wegen des fehlenden Registrierungswesens, örtlich begrenzten Konflikten bzw. Verfolgungsmaßnahmen durch Übersiedlung in einen anderen Landesteil ausgewichen werden. Alle nigerianischen Großstädte sind multi-ethnisch. In der Regel wohnen die Angehörigen der jeweiligen Volksgruppe möglichst in derselben Gegend, wenn sie nicht sogar ausschließlich ganze Stadtviertel belegen. Jeder der fremd in eine Stadt kommt, wird sich in die Gegend begeben, wo er "seine Leute" findet. Unter "seinen Leuten" können nicht nur Angehörige derselben Ethnie, sondern auch Personen desselben Religionsbekenntnisses, Absolventen derselben Schule oder Universität, Bewohner desselben Dorfes oder derselben Region verstanden werden. Von diesen Personengruppen kann der Betreffende Unterstützung erwarten. In der Regel wird ihm die Bestreitung des Lebensunterhaltes ermöglicht werden.

 

Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass abgelehnte Asylwerber bei der Rückkehr nach Nigeria nach Beantragung von Asyl in einem westeuropäischen Land mit staatlichen Repressionen zu rechnen hätten. Außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise (z. B. Verhaftung) von abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylwerbern sind bisher nicht bekannt geworden. Die Basisversorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln ist zumindest im städtischen Bereich grundsätzlich gewährleistet. In den Großstädten ist eine ausreichende medizinische Versorgungslage gegeben, es gibt sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser.

 

2.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und seinen Ausreisegründen gründen sich auf dessen eigene Angaben in den Einvernahmen vor der Erstbehörde. Diese sind auch vor dem Hintergrund der Visumserteilung nachvollziehbar Soweit der Beschwerdeführer erstmals in der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof vorbrachte, dass Mitglieder der Familie seines Vaters seinen Vater umgebracht hätten und nunmehr auch den Beschwerdeführer selbst suchten, wird diesem Vorbringen kein Glaube geschenkt. Dies zum einen deshalb, weil ein tatsächliches Bedrohungsszenario - wie sich aus den Erfahrungen bei Einvernahmen von Asylwerbers in vergleichbaren Asylverfahren regelmäßig zeigt - über ausdrückliches Befragen von den Asylwerbern gewöhnlich sogleich dargelegt wird und nicht erst über Vorhalt, dass die bis dahin dargestellten Ausreisegründe unzureichend seien, zum anderen verwickelte sich der Beschwerdeführer hinsichtlich des Ablebens seines Vaters in Widersprüche (nach der erstinstanzlichen Aussage sei er vor zwei Monaten "verstorben"; AS 19 des erstinstanzlichen Aktes, das wäre im Mai 2004 gewesen, wo der Beschwerdeführer bereits 14 Jahre alt war; nach Aussagen in der Verhandlung sei der Vater verstorben, als er selbst erst fünf Jahre alt gewesen sei; Seite 3 VN), auch konnte der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar darlegen, wie es zu der Zustimmungserklärung von A.E., der sich als Vater des Beschwerdeführers ausgab, im Zuge der Visumserteilung tatsächlich gekommen ist.

 

Dafür, dass dem Beschwerdeführer in der erstinstanzlichen Einvernahme etwa zu wenig Zeit zur Schilderung seiner Fluchtgründe eingeräumt worden wäre, gibt es keinen Anhaltspunkt. Dem erst in der Beschwerdeverhandlung erstatteten Bedrohungsvorbringen wird daher - abgesehen davon, dass es sich bei diesem Vorbringen um eine im Beschwerdeverfahren unzulässige Neuerung handelt (§ 32 Abs. 1 AsylG) - kein Glaube geschenkt.

 

2.2. Die Feststellungen zur politischen und menschenrechtlichen Situation in Nigeria stützen sich auf die in der Verhandlung erörterten - vom Asylgerichtshof für unbedenklich und aussagekräftig erachteten - Quellen, nämlich: United States Department of State, Nigeria. Country Report on Human Rights Practices 2007, 11.03.2008; Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, 06.11.2007.

 

3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

3.1. Gemäß § 75 Abs. 1 erster und zweiter Satz AsylG 2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Nach § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe näherer Bestimmungen weiterzuführen.

 

Gemäß § 44 Abs. 2 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 werden Verfahren über Asylanträge, die ab dem 1. Mai 2004 gestellt werden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der jeweils geltenden Fassung geführt.

 

Da der im Berufungsfall zu prüfende Antrag nach dem 1. Mai 2004 (und vor dem 31.12.2005) gestellt wurde, wird das gegenständliche Berufungsverfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 129/2004 geführt.

 

3.2. Zu Spruchpunkt I. (Asylgewährung):

 

Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt. Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Flüchtling im Sinne des AsylG 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (vgl. z.B. VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 23.09.1998, 98/01/0224). Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (vgl. zur der Asylentscheidung immanenten Prognose z.B. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.03.1999, 98/01/0352).

 

Nach den getroffenen Feststellungen stellte der Beschwerdeführer seinen Asylantrag in Österreich nicht aufgrund einer konkreten, ihn betreffenden Bedrohung, vielmehr dürften wirtschaftliche Gründe bzw. die Absicht, eine bessere Ausbildung zu erhalten, ausschlaggebend gewesen sein. In solchen Gründen allein ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber kein asylrelevanter Umstand zu erblicken.

 

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher der Erfolg versagt.

 

3. 3. Zu Spruchpunkt II. (Ausspruch über den subsidiären Schutz):

 

Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

Gemäß § 57 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde.

 

Gemäß § 57 Abs. 2 und 4 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder - mit einer für den vorliegenden Fall nicht in Betracht kommenden Einschränkung - Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 GFK).

 

Zur Auslegung des § 57 FrG ist im Wesentlichen weiterhin die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 37 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, heranzuziehen. Danach erfordert die Feststellung nach dieser Bestimmung das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122). Die bloße Möglichkeit einer solchen Gefahr in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427). Im Übrigen ist auch im Rahmen des § 8 AsylG zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Zu diesem Punkt wird auf die getroffenen Feststellungen (Punkt III. 1.1.) verwiesen, wonach eine konkrete Bedrohung des Beschwerdeführers nicht festgestellt wurde. Es ist auch nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr auf exzeptionelle Umstände träfe, die eine Rückführung im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortung liegende Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen lassen könnten, zumal er Familienbezug zu Nigeria hat, an keiner schweren Krankheit leidet und zudem zumindest eine Grundschulausbildung absolviert hat. Dementsprechend liegt insgesamt gesehen keine dem Beschwerdeführer drohende Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG vor.

 

3. 3. Zu Spruchpunkt III. (Ausspruch über die Ausweisung):

 

Ist ein Asylantrag abzuweisen und hat die Überprüfung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ergeben, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, hat die Behörde diesen Bescheid gemäß § 8 Abs. 2 AsylG mit der Ausweisung zu verbinden.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Bei dieser Interessenabwägung sind insbesondere folgende Kriterien zu berücksichtigen: die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 31.07.2008, 265/07, Omoregie; 08.04.2008, 21878/06, Nnyanzi; VfGH 29.09.2007, B 1150/07; 12.06.2007, B 2126/06; VwGH 20.06.2008, 2008/01/0060; 17.12.2007, 2006/01/0216 bis 0219; 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423;

Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention², 194;

Frank/Anerinhof/Filzwieser, Asylgesetz 2005³, S. 282ff).

 

Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob die Ausweisung des Beschwerdeführers nach Nigeria angesichts seines mehrjährigen Aufenthaltes in Österreich an sich einen Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 Abs. 1 EMRK darstellt. Denn selbst bei Bejahung dieser Frage führte eine Interessenabwägung nach den Gesichtspunkten des Art. 8 Abs. 2 EMRK, insbesondere der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- und Asylwesens (vgl. VwGH 98.09.2000, 2000/19/0043), zu dem Ergebnis, dass die öffentlichen Interessen überwiegen und dass dieser Eingriff in das Grundrecht notwendig und verhältnismäßig ist: Der Beschwerdeführer lebte bis Juli 2004 in Nigeria und reiste mit einem Visum, das einzig die Teilnahme an einer nur wenige Tage dauernden Sportveranstaltung ermöglichen sollte, in Österreich ein. Schließlich verblieb der Beschwerdeführer nach der Sportveranstaltung aber in Österreich und stützte sich von Anfang an ausschließlich auf den vorliegenden und - da ihm bewusst sein musste, dass er eine asyl- bzw. rückschiebungsschutzrelevante Gefährdung in Nigeria nicht zu erwarten hat - daher missbräuchlichen Asylantrag. Dem Beschwerdeführer musste daher sein bloß vorläufiger Aufenthaltsstatus klar gewesen sein. Auch ist nicht zu erkennen, dass in Ansehung des Beschwerdeführers - mit Ausnahme der Absolvierung von Deutschkusen und sportlichen Aktivitäten bei verschiedenen Sportvereinen - in Österreich besondere integrationsbegründende Umstände vorlägen, so ist er ist nicht berufstätig und hat auch keine Familienangehörigen in Österreich. Die von der Erstbehörde ausgesprochene Ausweisung als solche begegnet daher keinen Bedenken. Der Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides war allerdings der seit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 2005, Zahl 2005/20/0108, ständigen Rechtsprechung folgend im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG dahin abzuändern, dass die Ausweisung zielstaatsbezogen ausgesprochen wird.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, mangelnde Asylrelevanz, Neuerungsverbot, non refoulement, wirtschaftliche Gründe
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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