TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/25 A3 318656-1/2008

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Veröffentlicht am 25.09.2008
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Spruch

A3 318.656-1/2008/3E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Holzschuster als Vorsitzende und den Richter Mag. LAMMER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin VB Wilhelm über die Beschwerde des Z.K., geb. 00.00.1986, StA. Algerien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.03.2008, FZ. 05 05.800-BAE, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde von Herrn Z.K. wird gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen.

 

Gemäß § 8 Abs. 1 des AsylG 1997 in Verbindung mit § 50 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) BGBl I Nr. 100/2005 wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von Herrn Z.K. nach Algerien zulässig ist.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 wird Z.K. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Algerien ausgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I.1. Der nunmehrige Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Algerien, brachte beim Bundesasylamt am 25.04.2005 einen Asylantrag ein. Zu seinem Fluchtweg und den Fluchtgründen wurde er im Beisein eines geeigneten Dolmetschers am 23.04.2005, 29.04.2005 und am 19.03.2008 niederschriftlich einvernommen. Diese niederschriftlichen Einvernahmen werden zum Inhalt der vorliegenden Entscheidung erhoben.

 

2. Bereits am 06.06.2005 wurde das Asylverfahren vom Bundesasylamt gemäß § 30 Abs. 2 AsylG eingestellt, weil die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wegen Abwesenheit des Beschwerdeführers nicht möglich war. Nachdem der Beschwerdeführer auf Grund des Dubliner Übereinkommens aus den Niederlanden rückübernommen wurde, wurde das Asylverfahren am 21.01.2008 von Amts wegen fortgesetzt.

 

3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.03.2008, FZ. 05 05.800-BAE, wurde der Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Algerien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig erklärt und der Asylwerber aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Algerien ausgewiesen.

 

4.. Gegen diese Entscheidung erhob der nunmehrige Beschwerdeführer fristgerecht und zulässig Berufung (nunmehr Beschwerde). Im Wesentlichen wurde betont, dass es für den Begriff der Glaubhaftmachung geradezu definitionsinherrent sei, dass das Vorbringen nicht belegt werden müsse. Weiters müsse zum ersten Vorhalt der Behörde, wonach sich die in den zwei Einvernahmen vorgebrachten Fluchtgründe nicht decken, gesagt werden, dass der Asylwerber dies damit begründet habe, dass sich die Angaben bei Betrachtung von einer Zeitspanne von 3 Jahren nicht widersprechen müssen, das heißt, beides geschehen sein könne. Alle weiteren Vorhalte der Behörde betreffen Widersprüche zu Zeitangaben. Aus einem einzigen Widerspruch dürfe nicht automatisch auf die Unglaubwürdigkeit im Hauptpunkt geschlossen werden. Widersprüche zu Zeitspannen und Punkten allein können daher nicht zu einer die ganze Fluchtgeschichte des Asylwerbers als unglaubwürdig einschätzenden Endbetrachtung führen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat über die Beschwerde in nicht öffentlicher Sitzung erwogen:

 

A. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 (in der Folge: AsylG) hat über die Berufung, die gemäß § 23 AsylGHG nunmehr als Beschwerde zu gelten hat, der Asylgerichtshof zu entscheiden; da keine der in § 61 Abs. 3 AsylG angeführten Ausnahmen vorliegt, hat der Asylgerichtshof in einem Senat von zwei Richtern zu entscheiden.

 

Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1, Abschnitt A, Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1, Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiverweise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welche geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorherigen Aufenthalts zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit im Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende pro futuro zu erwartende Verfolgungsgefahr dar.

 

Das Bundesasylamt hat in der Begründung des Bescheides vom 20.03.2008, FZ. 05 05.800-BAE, die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage hinsichtlich der behaupteten Flüchtlingseigenschaft klar und übersichtlich zusammengefasst und den rechtlich maßgeblichen Sachverhalt in völlig ausreichender Weise erhoben. Der Asylgerichtshof schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides.

 

Der Beweiswürdigung wurde nicht substantiiert entgegengetreten, weshalb von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof abgesehen werden konnte, da der maßgebende Sachverhalt durch die Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war (vgl. § 41 Abs. 7, 1. Fall AsylG 2005). Entgegen den Beschwerdeausführungen hat die erstinstanzliche Behörde nicht aus einem einzigen Widerspruch automatisch auf die Unglaubwürdigkeit im Hauptpunkt geschlossen. In der Bescheidbegründung wurde seitens des Bundesasylamtes genau dargelegt, warum das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft ist. So wurden die widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers in Bezug auf seine Fluchtgründe genau aufgezeigt und war der Beschwerdeführer nicht imstande diese plausibel zu erklären. Weiters wurde das unterschiedliche Vorbringen in Bezug auf seinen Aufenthalt in Algier dargestellt. Ferner hat das Bundesasylamt zutreffend dargelegt, dass Ungereimtheiten im Zusammenhang mit dem Zeitpunkt des Verlassens seines Heimatortes aufgetreten sind. Darüber hinaus konnte der Beschwerdeführer nicht einmal den Monat angeben, wann sich der Überfall der Terroristen auf den Campingplatz ereignet habe. Da bei diesem Überfall auch sein Cousin ums Leben gekommen sei, wäre es dem Beschwerdeführer, wie vom Bundesasylamt zutreffend dargelegt, zuzumuten, ein genaues Datum angeben zu können. Schon allein diese widersprüchlichen und unbestimmten Angaben deuten darauf hin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers unglaubwürdig ist und nicht den Tatsachen entspricht.

 

Im gegenständlichen Fall konnte der Beschwerdeführer somit nach Ansicht des Asylgerichtshofes eine konkrete gegen ihn gerichtete aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht glaubhaft machen.

 

Der Berufung war demnach hinsichtlich der Abweisung des Asylantrages nicht Folge zu geben.

 

B. Zum Ausspruch über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Heimatstaat Algerien ist Folgendes auszuführen:

 

Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten; am 1.1.2006 ist gemäß § 126 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge: FPG) das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Demnach ist die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechende Bestimmung" des FPG zu beziehen, das ist § 50 FPG. Anzumerken ist, dass sich die Regelungsgehalte beider Vorschriften (§ 57 FrG und § 50 FPG) nicht in einer Weise unterscheiden, die für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - unmittelbar oder mittelbar - auf § 57 FrG bezieht, lässt sich insoweit auch auf § 50 FPG übertragen.

 

Die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre (§ 8 Abs. 1 AsylG iVm § 50 Abs. 1 FPG) bzw. dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der GFK iVm § 50 Abs. 2 FPG und § 8 Abs. 1 AsylG), es sei denn es bestehe eine inländische Fluchtalternative.

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 50 FPG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden demnach unzulässig, wenn dieser dadurch der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde (§ 50 Abs. 1 FPG iVm Art. 3 EMRK), wenn sein Recht auf Leben verletzt würde (§ 50 Abs. 1 FPG iVm Art. 2 EMRK) oder ihm die Vollstreckung der Todesstrafe drohen würde (§ 50 Abs. 1 FPG idF BGBl. I 126/2002 iVm Art. 1 des 13. Zusatzprotokolls zur EMRK). Da sich § 50 Abs. 1 FPG inhaltlich weitestgehend mit § 57 Abs. 1 FrG deckt und die Neufassung im Wesentlichen nur der Verdeutlichung dienen soll, kann die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 57 Abs. 1 FrG weiterhin als Auslegungsbehelf herangezogen werden. Nach dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist sohin auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht mehr vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in § 50 Abs. 1 FPG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 95/21/0294 vom 26.6.1997). Unter "außergewöhnlichen Umständen" (z.B. fehlende medizinische Behandlung bei lebensbedrohender Erkrankung) können auch von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertretende lebensbedrohende Ereignisse ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 50 Abs. 1 FPG darstellen (Urteil des EGMR in D vs. Vereinigtes Königreich vom 2.5.1997).

 

Auf Basis der Sachverhaltsfeststellungen liegt nach Ansicht der erkennenden Behörde keine aktuelle Bedrohung im Sinne von § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 50 Abs. 1 und 2 FPG vor. Dies im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer die seine Person betreffenden Fluchtgründe nicht glaubhaft machen konnte.

 

Es besteht auch kein Hinweis auf "außergewöhnliche Umstände" (lebensbedrohende Erkrankung oder dergleichen), die eine Abschiebung im Sinne von Art. 3 EMRK und § 50 Abs. 1 FPG unzulässig machen könnten. In Algerien herrscht keine Bürgerkriegssituation. Wie aus den Feststellungen hervorgeht, würden dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr keine "außergewöhnlichen Umstände" wie etwa Hungertod, unzureichende medizinische Versorgung, eine massive Beeinträchtigung der Gesundheit oder gar der Verlust des Lebens drohen. Der Beschwerdeführer hat im Übrigen weder eine lebensbedrohende Erkrankung noch einen sonstigen auf seine Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" behauptet, der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 50 Abs. 1 FPG darstellen könnte. Es besteht auch kein sonstiger Anhaltspunkt, dass der arbeitsfähige und gesunde Beschwerdeführer im Fall der Rückführung in eine aussichtslose Situation geraten könnte.

 

Der Asylgerichtshof schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid bezüglich der Refoulement-Entscheidung vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides. Angemerkt wird, dass keine Umstände amtsbekannt sind, dass in Algerien landesweit eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.

 

Die Berufung, nunmehr Beschwerde erweist sich sohin auch hinsichtlich des Ausspruches über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Algerien als nicht berechtigt.

 

C. Da die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden nach Algerien zulässig ist, hat der Asylgerichtshof die gegenständliche Entscheidung gemäß § 8 Abs. 2 AsylG mit der Ausweisung zu verbinden.

 

Das Asylverfahren ist, wie sich aus den vorangehenden Entscheidungsteilen ergibt, für den Antragsteller negativ entschieden worden; seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat ist zulässig, sodass - falls damit kein unzulässiger Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens der berufenden Partei vorliegt (Art. 8 Abs. 1 EMRK) - der Bescheid mit einer Ausweisung zu verbinden ist.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (IGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt.

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterien hiefür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.6.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 7.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 5.7.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Es ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer über kein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht verfügt. Es wurde vom Beschwerdeführer keine besondere Beziehungsintensität im Sinne eines Abhängigkeitsverhältnisses zu einer in Österreich lebenden Person behauptet. Die Ausweisung stellt daher keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Familienleben dar.

 

Es liegt auch kein Anhaltspunkt vor, dass durch die Ausweisung in relevanter Weise in das Recht auf Privatleben eingegriffen würde. Es sind insbesondere keine Umstände hervorgekommen, die auf eine besondere Integration des Beschwerdeführers in Österreich hindeuten. Sofern der Beschwerdeführer ausgeführt hat, in Österreich einen Deutschkurs besucht zu haben, so stellt dieser Umstand unter Berücksichtigung der Unbegründetheit des Asylantrages und der rechtswidrigen Einreise in das Bundesgebiet keine derart schützenswerte Integration dar, dass allein aus diesem Grunde die Ausweisung für unzulässig zu erklären wäre. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die nunmehrige Ausweisung einen Eingriff in Art. 8 Abs. 1 EMRK darstellt, so gelangt die erkennende Behörde im Hinblick auf diese Umstände doch zum Ergebnis, dass die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, insbesondere das wirtschaftliche Wohl des Landes (Verhinderung ungeordneter Zuwanderung), und die öffentliche Ordnung (geordnetes Fremdenwesen) die Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Verbleib überwiegen, dies auch deshalb, weil dem Beschwerdeführer bewusst sein musste, dass er nur über eine vorübergehende Aufenthaltsberechtigung für Asylwerber verfügt und das Land im Falle einer negativen Verfahrensbeendigung zu verlassen hat. Es ist im Übrigen darauf zu verweisen, dass der nunmehrige Beschwerdeführer zwar im April 2005 einen Asylantrag gestellt hat, jedoch bereits im Mai 2005 das österreichische Bundesgebiet verlassen hat. Im Jänner 2008 wurde er auf Grund des Dubliner Übereinkommens von den Niederlanden rückübernommen und ist der Beschwerdeführer erst seit Jänner 2008 im Bundesgebiet wieder aufhältig.

 

Die Ausweisung ist daher durch die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen gerechtfertigt und verhältnismäßig.

 

Von einer mündlichen Verhandlung konnte Abstand genommen werden, zumal der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (§ 41 Abs. 7, 1. Fall AsylG 2005).

 

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

 

Gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 war dieses Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 (AsylG) zu Ende zu führen.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, non refoulement
Zuletzt aktualisiert am
24.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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