TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/30 S12 401616-1/2008

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Veröffentlicht am 30.09.2008
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Spruch

S12 401.616-1/2008/3E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Maurer-Kober als Einzelrichterin über die Beschwerde des S.D., geb. 00.00.1978, StA.

Türkei, vertreten durch: RA Dr. Wolfgang Vacarescu, Jakominiplatz 16/II, 8010 Graz, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.09.2008, FZ. 08 05.040 EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volksgruppen-zugehörigkeit reiste nach verlassen der Türkei illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 10.06.2008 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Bei der Erstbefragung am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Türkisch gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er habe seinen Heimatort K. am 26.05.2008 illegal und schlepperunterstützt sowie versteckt auf der Ladefläche eines LKWs verlassen und sei vier Tage später, am 30.05.2008 in Graz angekommen. Die genaue Fahrtroute kenne er nicht. In Graz sei er zu Bekannten gefahren und bis zum 10.06.2008 dort geblieben. Einer seiner Bruder lebe in Deutschland, ein zweiter in den USA. Er habe bereits viermal zwischen 2001 und 2005 ein Visum für Österreich als Saisonarbeiter erhalten. Um Asyl habe er noch nie angesucht. Sein Heimatland habe er verlassen, da er von den anderen Bewohnern in K. belästigt und diskriminiert worden sei. Ihm sei vorgehalten worden, dass sein Bruder nach Deutschland geflohen sei und sein Cousin, der Bürgermeister von G. sei, der DTP angehöre. Bei einer Rückkehr in seiner Heimat befürchte er, dieselben Probleme zu haben. Mit staatlichen Sanktionen habe er in seiner Heimat nicht zu rechnen.

 

2. Am 13.06.2008 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Türkisch, in welcher er im Wesentlichen vorbrachte, dass er einen Reisepass gehabt habe, welcher ihm vom Schlepper abgenommen und nicht mehr zurückgegeben worden sei. Der Schlepper habe ihm gesagt, dass er legal als angeblicher LKW Fahrer reisen würde. Einer Anfrage gemäß Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrages zuständig ist (in der Folge: Dublin II-VO) an Ungarn, die Slowakei, Rumänien und Tschechien stimme er zu.

 

Im Rahmen dieser Einvernahme wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 28 Abs. 2 AsylG mitgeteilt, dass die in § 28 Abs. 2 AsylG definierte 20-Tages-Frist für Verfahrenszulassungen für das gegenständliche Verfahren des Beschwerdeführers nicht mehr gilt, da Konsultationen mit Ungarn, der Slowakei, Rumänien und Tschechien gemäß der Dublin II-VO geführt werden.

 

3. In der Folge richtete das Bundesasylamt am 16.06.2008 eine Anfrage gemäß Art. 21 Dublin II-VO an die zuständigen Behörden in Tschechien, der Slowakei, Rumänien und Ungarn.

 

Mit Schreiben vom 19.06.2008 gaben die rumänischen Behörden bekannt, dass für S.D., geboren am 00.00.1979 in G. (Türkei), StA. Türkei, ein rumänisches Visum, gültig vom 00.00.2008 bis zum 00.00.2008, in dessen türkischen Reisepass gültig bis zum 05.12.2009, eingetragen wurde und S.D. am 13.05.2008 über Vama Veche nach Rumänien eingereist ist.

 

4. Am 29.07.2008 erfolgte eine weitere Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt, wobei dieser im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Türkisch im Wesentlichen angab, dass in Österreich zwei seiner Cousins leben würden. Mit seinem Cousin S.K. habe er bis zu seinem zehnten Lebensjahr im gemeinsamen Haushalt gelebt. Zurzeit lebe er bei seinem Cousin S.O.; dieser sei bereits österreichischer Staatsbürger. Auf Vorhalt, er sei im Besitz eines rumänischen Visums gewesen, gab er an, er habe seinen Pass und seinen Führerschein dem Schlepper übergeben, damit er ein Schengenvisum erhalte. Es könne sein, dass der Schlepper mit seinem Pass ein- und ausgereist sei. Auf Vorhalt, dem Bundesasylamt sei bekannt, dass er am 13.05.2008 legal in Rumänien eingereist sei, bestritt er, über Rumänien gekommen zu sein. Er habe auch keinen Pass bei sich. Er sei am 25.05.2008 aus der Türkei weggefahren und nicht in Rumänien gewesen. Zur geplanten Vorgehensweise, ihn nach Rumänien zu überstellen, gab er an, er wolle nicht nach Rumänien. Er habe bereits früher in Österreich gearbeitet und keine Verbindung zu Rumänien. Daher wolle er nicht, dass sein Asylverfahren in Rumänien geführt werde.

 

5. Mit Schreiben vom 29.07.2008 wurde dem Beschwerdeführer am selben Tag gemäß § 29 Abs. 3 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen (§§ 4, 5, 68 Abs. 1 AVG) (§29 Abs.3 Z 4 AsylG), da Dublin Konsultationen mit Rumänien geführt werden (vgl. AS 115f).

 

Aufgrund der Antwort Rumäniens auf die Art. 21 Dublin II-VO Anfrage richtete das Bundesasylamt am 31.07.2008 ein Aufnahmeersuchen gemäß Art. 9 Abs. 2 oder 3 Dublin II-VO an die zuständige rumänische Behörde.

 

6. Mit Schreiben vom 05.08.2008 erklärte sich Rumänien gemäß Art. 9 Abs. 4 Dublin II-VO für die Aufnahme des Asylwerbers und die Durchführung des Asylverfahrens des Beschwerdeführers für zuständig. Eine Zuständigkeit Tschechiens, Ungarns oder der Slowakei hat sich aufgrund der Art. 21 Dublin II-VO Anfrage nicht ergeben.

 

7. Am 27.08.2008 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit eines Rechtsberaters sowie eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Türkisch erneut niederschriftlich einvernommen und gab dabei im Wesentlichen an, dass er sich gut fühle und in der Lage sei, der Einvernahme zu folgen. Zur geplanten Vorgehensweise des Bundesasylamtes, ihn nach Rumänien zu überstellen, gab er an, er sei nie in Rumänien gewesen. Es könne sein, dass der Schlepper seinen Reisepass für Ein- und Ausreisen verwendet habe. Er hätte ihm nämlich ein Schengenvisum besorgen sollen. Auf Vorhalt, wie es möglich sei, dass eine fremde Person mit dem Reisepass des Beschwerdeführers, in dem sich sein Foto, sein Name und seine Unterschrift befänden, ohne Probleme reisen könne, gab er an, es sei üblich, dass LKW-Fahrer ein Schengenvisum bekämen. Seiner Ausweisung nach Rumänien stehe entgegen, dass er bei seinem Cousin O. bleiben wolle. Mit diesem sei er gemeinsam aufgewachsen. Sein Cousin lebe sei 1990 in Österreich. In seinem Heimatland habe er bei seiner Lebensgefährtin und seinen Kindern gewohnt.

 

8. Am 02.09.2008 brachte der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter eine Stellungnahme ein, in welcher im Wesentlichen und zusammengefasst ausgeführt wurde, dass der Beschwerdeführer in seinen Einvernahmen kontinuierlich angegeben habe, er sei am 25.05.2008 aus der Türkei aus- und am 30.05.2008 nach Österreich eingereist. Er könne nicht erklären, wie er zu einem rumänischen Visum kommen hätte und am 13.05.2008 legal in das rumänische Bundesgebiet einreisen hätte können. Ferner sei nach Art. 9 Dublin II-VO eine Einreise in das Hoheitsgebiet des beantragten Mitgliedstaates nach Ablauf der Gültigkeit des Einreisetitels nicht mehr zuständigkeitsbegründend. Sollte der Beschwerdeführer tatsächlich in Besitz eines solchen Visums bzw. tatsächlich nach Rumänien eingereist sein, stehe jedoch nicht fest, ob er danach dieses Visum zur legalen Einreise nach Österreich weiterverwendet habe. Es könne nämlich sein, dass der Beschwerdeführer nach der Einreise in Rumänien zurück in die Türkei gefahren wäre und seine Flucht erst nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des rumänischen Visums angetreten habe. In diesem Fall wäre das abgelaufene rumänische Visum nicht bedingte Voraussetzung der Einreise in das österreichische Bundesgebiet gewesen. Ferner könne nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer persönlich das Visum beantragt und es am 13.05.2008 zur legalen Einreise in das rumänische Bundesgebiet benützt habe. Zusammengefasst sei sohin der Anknüpfungspunkt des Art. 9 der Dublin VO nicht gegeben.

 

9. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 02.09.2008, FZ. 08 05.040 EAST Ost, hat das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 10.06.2008 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutzes gemäß Art. 9 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Rumänien zuständig sei. Gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Rumänien ausgewiesen und festgestellt, dass demzufolge die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Rumänien gemäß § 10 Abs. 4 AsylG zulässig sei.

 

10. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen und zusammengefasst - ähnlich wie in der Stellungnahme vom 02.09.2008 - vor, dass er in sämtlichen Einvernahmen angegeben habe, er habe sein Heimatland am 26.05.2008 verlassen und sei am 30.05.2008 in Graz angekommen. Er habe weder seinen Reisepass noch das rumänische Visum für die Einreise nach Österreich benutzt. Der Reisepass samt rumänischem Visum sei ihm vom Schlepper abgenommen worden, und vermute der Beschwerdeführer, dass der Schlepper, der die illegale Einreise und die Visumserlangung organisiert habe, das Visum ohne sein Wissen für eine andere Person verwendet habe. Die erstinstanzliche Behörde habe sich ferner vorgefertigter Textbausteine bedient, da im erstinstanzlichen Bescheid Länderfeststellungen zu Slowenien und zu Malta getroffen worden seien. Weiters führe die Erstbehörde aus, dass die Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden könne. Aufgrund dieser ungeklärten Identität könne die Erstbehörde jedoch nicht ihrer Entscheidung zu Grunde legen, dass eine Person namens S.D. am 13.05.2008 ein rumänisches Visum zur legalen Einreise nach Rumänien verwendet habe, da nicht geklärt sei, ob es sich hierbei überhaupt um dieselbe Person handle. Die Feststellung der Identität des Beschwerdeführers wäre somit notwendig gewesen, um irgendeine Entscheidung treffen zu können. Ferner habe der Beschwerdeführer wiederholt angegeben, er sei am 25.05.2008 aus der Türkei geflohen und am 30.05.2008 nach fünftägiger Reise in Österreich angekommen. Vor dem 25.05.2008 habe er sich in der Türkei befunden, sodass eine Einreise mit dem rumänischen Visum in das rumänische Bundesgebiet am 13.05.2008 gar nicht möglich gewesen wäre. Jedenfalls sei am 25.05.2008 das rumänische Visum bereits abgelaufen und daher der Anknüpfungspunkt des Art. 9 Dublin II-VO nicht mehr gegeben. Für den Fall, dass der Beschwerdeführer tatsächlich über ein rumänisches Visum verfügt habe und mit diesem nach Rumänien eingereist sei, stehe jedoch nicht fest, ob er dieses Visum auch zur Einreise nach Österreich benützt habe. Dies sei allerdings von Bedeutung, denn wenn der Beschwerdeführer nach dem 13.05.2008 wieder in sein Heimatland zurückgereist wäre und erst nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des rumänischen Visums ausgereist wäre, würde das abgelaufene Visum ebenfalls nicht das Zuständigkeitskriterium des Art. 9 Dublin II-VO erfüllen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

1.1. Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volksgruppen-zugehörigkeit, hat sein Heimatland verlassen, ist illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und stellte am 10.06.2008 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Für den Beschwerdeführer wurde ein rumänisches Visum, gültig vom 00.00.2008 bis zum 00.00.2008 in seinen türkischen Reisepass gültig bis 05.12.2009 eingetragen. Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer mit diesem rumänischen Visum am 13.05.2008 über Vama Veche in das rumänische Bundesgebiet eingereist ist.

 

Zwischen den Jahren 2001 und 2005 wurde dem Beschwerdeführer viermal ein österreichisches Visum als Saisonarbeiter ausgestellt.

 

In Österreich leben zwei Cousins des Beschwerdeführers. Ein besonderes familiäres Naheverhältnis zu diesen beiden Cousins bzw. eine finanzielle oder sonstige Abhängigkeit konnte nicht festgestellt werden. Insbesondere hat der Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes in den Jahren 2001 bis 2005 nicht mit einem seiner beiden Cousins im gemeinsamen Haushalt gelebt. Auch sonst bestehen keine weiteren Bindungen des Beschwerdeführers an Österreich.

 

Rumänien hat sich mit Schreiben vom 05.08.2008 gemäß Art. 9 Abs. 4 Dublin II-VO für die Aufnahme des Asylwerbers und die Durchführung des Asylverfahrens des Beschwerdeführers für zuständig erklärt.

 

1.2. Die in § 28 Abs. 2 AsylG festgelegte zwanzigtätige Frist zur Erlassung eines zurückweisenden Bescheides nach § 5 AsylG gilt nicht, weil dem Beschwerdeführer das Führen von Konsultationen gemäß der Dublin II-VO am im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 13.06.2008 mitgeteilt wurde, weshalb kein Übergang der Zuständigkeit an Österreich wegen Fristüberschreitung eingetreten ist.

 

2. Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf folgende Beweiswürdigung:

 

Die oben angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt, insbesondere aus den Angaben des Beschwerdeführers bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 10.06.2008 sowie aus den niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers am 13.06.2008, am 29.07.2008 und am 27.08.2008.

 

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer mit seinen Cousins in den Jahren 2001 bis 2005 nicht im gemeinsamen Haushalt gelebt hat, ergibt sich aus den eingeholten Auskünften aus dem Zentralen Melderegister vom 23.09.2008.

 

Die weiteren Feststellungen zur Visumsausstellung, zur Einreise des Beschwerdeführers in das rumänische Bundesgebiet und zur Zuständigkeit Rumäniens ergeben sich aus den Schreiben der rumänischen Behörden vom 19.06.2008 und vom 05.08.2008.

 

3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

3.1. Gemäß §§ 73 Abs. 1 und 75 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 (in der Folge AsylG) iVm § 1 AsylG ist das oben angeführte Gesetz auf Anträge auf internationalen Schutz anzuwenden, die ab dem 01.01.2006 gestellt wurden. Daraus folgt, dass für das gegenständliche Verfahren das AsylG 2005 anzuwenden war.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

3.2. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin II-VO zur Prüfung des Antrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates nach der Dublin II-VO ist als negative Prozessvoraussetzung hinsichtlich des Asylverfahrens in Österreich konstruiert. Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist somit die Frage der Zurückweisung des Asylantrages wegen Zuständigkeit eines anderen Staates.

 

Die Dublin II-VO ersetzt das Dubliner Übereinkommen (Art. 24 Abs. 1 Dublin II-VO), ist gemäß Art. 29 Dublin II-VO auf Asylanträge anwendbar, die ab dem 01.09.2003 gestellt werden und gilt - ungeachtet des Zeitpunkts der Stellung des Antrages - ab diesem Zeitpunkt für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Asylwerbern. Da der vorliegende Asylantrag am 10.06.2008 gestellt wurde, ist die Dublin II-VO im gegenständlichen Fall anzuwenden.

 

Nach Art. 3 Abs. 1 Dublin II-VO wird ein Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates stellt, von jenem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III (Dublin II-VO) als zuständiger Staat bestimmt wird. Kapitel III enthält in den Artikeln 6 bis 13 Dublin II-VO die Zuständigkeitskriterien, die nach Art. 5 Abs. 1 Dublin II-VO "in der in diesem Kapitel genannten Reihenfolge" Anwendung finden.

 

3.3. Das Zuständigkeitskriterium des Art. 9 Dublin II-VO sieht in seinem Absatz 4 erster Satz vor, dass wenn ein Asylbewerber nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel besitzt, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.

 

Gemäß Art. 9 Abs. 2 erster Satz Dublin II-VO ist, wenn der Asylbewerber ein gültiges Visum besitzt, der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Asylantrages zuständig, es sei denn, dass das Visum in Vertretung oder mit schriftlicher Zustimmung eines anderen Mitgliedstaates erteilt wurde.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist. Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Gemäß § 28 Abs. 2 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz zuzulassen, wenn das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach seiner Einbringung entscheidet, dass er zurückzuweisen ist, es sei denn, es werden Konsultationen gemäß der Dublin - Verordnung oder eines Vertrages über die Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages oder eines Antrages auf internationalen Schutz geführt. Das Führen solcher Konsultationen ist dem Asylwerber innerhalb der 20-Tages-Frist mitzuteilen. Diesfalls gilt die 20-Tages-Frist nicht.

 

3.4. Im gegenständlichen Fall ist das Bundesasylamt ausgehend davon, dass der Beschwerdeführer über ein weniger als sechs Monate abgelaufenes, rumänisches Visum verfügt und Rumänien einer Aufnahme des Beschwerdeführers zur Führung des Asylverfahrens zugestimmt hat, zu Recht von der Zuständigkeit Rumäniens gemäß Art. 9 Abs. 4 Dublin II-VO ausgegangen.

 

3.5. Zu prüfen bleibt daher, ob Österreich im gegenständlichen Fall verpflichtet wäre, im Hinblick auf Art. 3 EMRK oder Art. 8 EMRK von seinem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO Gebrauch zu machen.

 

3.5.1. Der Verfassungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom 08.03.2001, G 117/00 u.a. VfSlg 16.122, aus, dass § 5 AsylG nicht isoliert zu sehen sei; das im Dubliner Übereinkommen festgelegte Selbsteintrittsrecht Österreichs verpflichte - als Teil der österreichischen Rechtsordnung - die Asylbehörde unter bestimmten Voraussetzungen zur Sachentscheidung in der Asylsache und damit mittelbar dazu, keine Zuständigkeitsbestimmung im Sinne des § 5 vorzunehmen. Eine strikte, zu einer Grundrechtswidrigkeit führende Auslegung (und somit Handhabung) des § 5 Abs. 1 AsylG sei durch die Heranziehung des Selbsteintrittsrechtes zu vermeiden. Dieser Rechtsansicht schloss sich der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23.01.2003, Zl. 2000/01/0498, an.

 

Hatte der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 15.10.2005, G 237/03 u.a. ausgesprochen, dass jene zum Dubliner Übereinkommen angestellten Überlegungen auch für das Selbsteintrittsrecht des Art. 3 Abs. 2 Dublin-VO zutreffen, ergänzte er in seinem Erkenntnis vom 17.06.2005, B 336/05-11, dies dahingehend, dass die Mitgliedstaaten nicht nachzuprüfen haben, ob ein bestimmter Mitgliedstaat generell sicher sei, da die entsprechende Vergewisserung durch den Rat erfolgt sei; eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung eines Asylwerbers in einen anderen Mitgliedstaat im Einzelfall sei jedoch gemeinschaftsrechtlich zulässig. Sollte diese Überprüfung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers etwa durch eine Kettenabschiebung bedroht sind, sei aus verfassungsrechtlichen Gründen das Eintrittsrecht zwingend auszuüben.

 

In seinem Erkenntnis vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582 (dem ein - die Zuständigkeit Italiens nach dem Dubliner Übereinkommen betreffender - Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates zugrunde lag) sowie in dem (bereits die Dublin-VO betreffenden) Erkenntnis vom 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095-9, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass in Verfahren wie dem gegenständlichen eine Gefahrenprognose zu treffen ist, ob ein - über die bloße Möglichkeit hinausgehendes - ausreichend substantiiertes "real risk" besteht, dass ein aufgrund der Dublin-VO in den zuständigen Mitgliedstaat ausgewiesener Asylwerber trotz Berechtigung seines Schutzbegehrens, also auch im Falle der Glaubhaftmachung des von ihm behaupteten Bedrohungsbildes, im Zielstaat der Gefahr einer - direkten oder indirekten - Abschiebung in den Herkunftsstaat ausgesetzt ist, wobei insbesondere zu prüfen sei, ob der Zielstaat rechtliche Sonderpositionen vertritt, nach denen auch bei der Zugrundelegung der Behauptungen des Asylwerbers eine Schutzverweigerung zu erwarten wäre. Weiters wird ausgesprochen, dass geringe Asylanerkennungsquoten im Zielstaat für sich allein genommen keine ausreichende Grundlage dafür sind, um vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.

 

3.5.2. Im gegenständlichen Fall kann nun nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer ausreichend substantiiert und glaubhaft dargelegt hätte, dass ihm durch eine Überstellung nach Rumänien die - über eine bloße Möglichkeit hinausgehende - Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde.

 

Der Beschwerdeführer hat während des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens keine substantiierten, konkreten Gründe angeführt, welche gegen seine Überstellung nach Rumänien bzw. die Durchführung des Asylverfahrens in Rumänien sprächen, ebenso wenig hat er sich im Rahmen der erstinstanzlichen Einvernahme vom 13.06.2008 gegen die Anfrage gemäß Art. 21 Dublin II-VO an Tschechien, die Slowakei, Rumänien und Ungarn betreffend die Einholung seiner dort aufliegenden fremden- und asylrechtlichen Daten ausgesprochen.

 

Zu den Ausführungen in der Beschwerde ist zunächst allgemein anzuführen, dass diese den Länderfeststellungen im angefochtenen Verwaltungsbescheid nicht inhaltlich substantiiert entgegengetreten sind sowie, dass auch in der Beschwerde kein Vorbringen dahingehend erstattet wurde, dass der Durchführung des Asylverfahrens in Rumänien konkrete Gründe entgegenstehen würden. Das Vorbringen, dass im erstinstanzlichen Bescheid Länderfeststellungen zur Slowakei und zu Malta getroffen wurden, ist so nicht richtig. Die gesamten getroffenen Länderfeststellungen im Bescheid des Bundesasylamtes beziehen sich ausschließlich auf Rumänien (vgl. AS 13 bis AS 17 des Bescheides). Richtig ist zwar, dass im Rahmen der Beweiswürdigung einmal Slowenien und im Rahmen der rechtlichen Beurteilung einmal Slowenien und einmal Malta angeführt sind, jedoch ist es - im Gesamtzusammenhang betrachtet - vollkommen eindeutig, dass es sich hierbei lediglich um einen Schreibfehler handelt und sich der gesamte Bescheid (wie auch aus dem Spruch und aus den Länderfeststellungen eindeutig ersichtlich) auf Rumänien bezieht.

 

Ebenso verhält es sich mit dem Vorbringen, dass im erstinstanzlichen Bescheid die Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden konnte. Sowohl aus dem Bescheid als auch aus dem Akteninhalt ergibt sich eindeutig, dass es sich beim Beschwerdeführer um S.D. handelt, da dieser zum Nachweis seiner Identität seinen Personalausweis vorgelegt und sich aus dem Akteninhalt kein Hinweis auf eine Verfälschung dieses Ausweises ergeben hat. Daher ist eindeutig davon auszugehen, dass die Identität des Beschwerdeführers - auch für das Bundesasylamt - feststeht und es sich bei der Negativfeststellung zur Identität lediglich um einen Schreibfehler handelt, zumal im angefochtenen Bescheid unter dem Punkt "Beweismittel" der Personalausweis des Beschwerdeführers angeführt ist.

 

Der Asylgerichtshof verkennt nicht, dass die beiden oben angeführten Punkte auf Sorgfaltsmängel bei der Ausfertigung des angefochtenen Bescheides hinweisen, jedoch ist dies - im Gesamtzusammenhang betrachtet - aus Sicht des Asylgerichtshofs im vorliegenden Fall nicht ausreichend, den Bescheid aufgrund dieser Schreibfehler zu beheben, da sich bei einer Gesamtbetrachtung des Bescheides eindeutig ergibt, dass Rumänien der zuständige Mitgliedstaat ist (zu dem ja auch die Länderfeststellungen getroffen wurden) sowie, dass die Identität des Beschwerdeführers jedenfalls feststeht. Aus diesem Grund - da die Identität des Beschwerdeführers durch Vorlage des Personalausweises eindeutig geklärt ist -, muss auf das Vorbringen in der Beschwerde, aufgrund der ungeklärten Identität könne die Erstbehörde nicht ihrer Entscheidung zu Grunde legen, dass eine Person namens S.D. am 13.05.2008 ein rumänisches Visum zur legalen Einreise nach Rumänien verwendet habe, nicht näher eingegangen werden.

 

Weiters ist zum Vorbringen in der Beschwerde, der Beschwerdeführer habe in sämtlichen Einvernahmen angegeben, er habe sein Heimatland am 26.05.2008 verlassen, auszuführen dass dies nicht dem Akteninhalt entspricht. Der Beschwerdeführer hat im Rahmen der Erstbefragung am 10.06.2008 angegeben, er habe sein Heimatland am 26.05.2008 und sei vier Tage später in Graz angekommen. Bei der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 29.07.2008 hat er jedoch vorgebracht, er sei am 25.05.2008 aus seinem Heimatland geflohen. In der Stellungnahme vom 02.09.2008 wurde ausgeführt, er habe "... kontinuierlich angegeben, am 25.05.2008 Schlepper unterstützt auf einem LKW aus der Türkei weggefahren zu sein ...". Hingegen wird in der Beschwerde selbst zunächst vorgebracht, dass der Beschwerdeführer sein Heimatland am Abend des 26.05.2008 verlassen habe (vgl. Seite 2 der Beschwerde), wobei in derselben Beschwerde auf Seite 4 bzw. Seite 5 vorgebracht wird, er habe seine Reise am 25.05.2008 angetreten und sei nach fünftägiger Fahrt in Österreich angekommen. Da der Beschwerdeführer zu seinem Ausreisedatum aus der Türkei mehrfach unterschiedliche Angaben getätigt hat - auch wenn es sich hierbei lediglich um einen Tag handelt - kann hier das Vorbringen des Beschwerdeführers wohl nicht unhinterfragt als glaubwürdig angesehen werden, zumal diesem die eindeutigen Angaben der rumänischen Behörden entgegenstehen, dass in seinem türkischem Reisepass gültig bis 05.12.2009, ein rumänisches Visum, gültig vom 00.00.2008 bis zum 00.00.2008, eingetragen wurde, und er mit diesem Visum am 13.05.2008 über Vama Veche nach Rumänien eingereist ist.

 

Das Vorbringen in der Beschwerde, der Beschwerdeführer vermute, dass der Schlepper das Visum ohne Wissen des Beschwerdeführers für eine andere Person verwendet habe, ist nicht nachvollziehbar, da sich im Reisepass des Beschwerdeführers sein Name, seine Unterschrift und jedenfalls sein Foto befindet und die rumänischen Grenzbehörden wohl - wie im gesamten Gebiet der Europäischen Union üblich - diese "Person", bei der es sich ja um einen Drittstaatsangehörigen handelt, einer genauen Grenzkontrolle unterzogen hätten und somit alleine aufgrund des Fotos erkannt hätten, dass es sich hierbei nicht um den Beschwerdeführer handelt. Im Übrigen ist hierzu auszuführen, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt 29.07.2008 angegeben hat, dass er den Reisepass dem Schlepper übergeben habe, damit dieser ihm ein Schengenvisum besorge. Das bedeutet, dass der Beschwerdeführer gewusst hat, dass für ihn vom Schlepper auf irgendeine Art und Weise ein (Schengen)visum organisiert hätten werden sollen. Dass es sich hierbei im Endeffekt nicht um ein Schengenvisum, sondern "nur" um ein rumänisches Visum gehandelt hat, hat der Beschwerdeführer vielleicht nicht gewusst, aber zumindest billigend in Kauf genommen.

 

Bei den Ausführungen in der Beschwerde, für den Fall, dass der Beschwerdeführer tatsächlich über ein rumänisches Visum verfügt habe und mit diesem am 13.05.2008 nach Rumänien eingereist, dann wieder in die Türkei zurückgefahren und erst nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des rumänischen Visums nochmals ausgereist sei, handelt es sich um reine Spekulationen des rechtsfreundlichen Vertreters des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer wurde (einschließlich Erstbefragung) viermal einvernommen und hat nie ein derartiges Vorbringen erstattet, sodass diese Ausführungen keine Deckung im tatsächlichen Vorbringen des Beschwerdeführers finden und sohin rein spekulativ sind.

 

Ob der Beschwerdeführer das Visum auch zur Einreise nach Österreich benutzt hat - was er im Übrigen auch nicht vorbrachte - ist für die Anwendung des Art. 9 Abs. 4 Dublin II-VO vollkommen irrelevant; es geht entscheidungsmaßgeblich darum, dass der Beschwerdeführer mit einem Visum, das - zum Zeitpunkt der Asylantragstellung (vgl. hierzu Filzwieser/Liebminger, Dublin II-Verordnung, Das Europäische Asylzuständigkeitssystem, 2. Auflage, K17 zu Art. 9 Dublin II-VO, Seite 90) - weniger als sechs Monate abgelaufen war und mit dem er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates (im vorliegenden Fall sohin Rumänien) einreisen konnte, was die Zuständigkeit des das Visum ausstellenden Staates - hier Rumänien - begründet.

 

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der das Visum erteilende Mitgliedstaat - sohin Rumänien -auch dann für die Führung des Asylverfahrens einer Person zuständig ist, wenn diese das Visum erschlichen hat, da auch in diesem Fall der betreffende Mitgliedstaat für die Anwesenheit dieser Person im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten verantwortlich ist und daher auch für die Prüfung des Asylantrages zuständig sein soll (vgl. Filzwieser/Liebminger, Dublin II-Verordnung, Das Europäische Asylzuständigkeitssystem, 2. Auflage, K27 zu Art. 9 Dublin II-VO, Seite 92).

 

Zuständigkeitsbegründend ist sohin die Erteilung eines Visums, unabhängig davon, wie dieses erworben wurde. Das Visum muss lediglich für den Antragsteller ausgestellt worden sein. Nur, wenn ein Antragsteller mit einem echten Visum eines anderen einreist und keine eigene Berechtigung besitzt, kommt Art. 9 Dublin II-VO nicht zur Anwendung (vgl. Filzwieser/Liebminger, Dublin II-Verordnung, Das Europäische Asylzuständigkeitssystem, 2. Auflage, K28 zu Art. 9 Dublin II-VO, Seite 92).

 

Im vorliegenden Fall wurde das Visum für den Beschwerdeführer ausgestellt und wirkt daher - unabhängig davon, wie es erworben wurde - zuständigkeitsbegründend. Sohin ist es auch irrelevant, ob der Beschwerdeführer das Visum persönlich beantragt hat oder nicht.

 

Der Beschwerdeführer hat sohin kein Vorbringen erstattet, insbesondere keine konkreten Bedrohungen genannt, welches die Annahme rechtfertigen könnte, dass ihm in Rumänien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde.

 

Soweit aus dem Vorbringen bzw. aus der Beschwerde herauszulesen ist, dass der Beschwerdeführer in Rumänien möglicherweise kein Asyl erhalten werde und in die Türkei abgeschoben werden könnte, ist ihm entgegenzuhalten, dass es nicht Aufgabe der österreichischen Asylbehörden oder des Asylgerichtshofes sein kann, "hypothetische Überlegungen über den möglichen Ausgang" eines von einem anderen Staat zu führenden Asylverfahrens anzustellen (vgl. u.a. VwGH vom 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095).

 

Im Zusammenhang mit dem rumänischen Asylverfahren ist lediglich der Vollständigkeit halber noch anzuführen, dass von Seiten Rumäniens keine systemwidrigen Verletzungen der Verpflichtungen aus der Dublin II-VO bekannt sind. Auch geringe Asylanerkennungsquoten im Zielstaat sind für sich genommen keine ausreichende Grundlage dafür, dass die österreichischen Asylbehörden bzw. der Asylgerichtshof vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssten (vgl. u.a. VwGH vom 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095).

 

3.5.3. Betreffend die in Österreich lebenden Cousins des Beschwerdeführers ist anzuführen, dass grundsätzlich unter der Kernfamilie gemäß § 1 Z 6 AsylG idF BGBl. I 101/2003 (nunmehr: § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005), lediglich zu verstehen ist, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Asylantragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. Gemäß dieser Begriffsbestimmung zählen die Cousins des Beschwerdeführers sohin jedenfalls nicht zur Kernfamilie des Beschwerdeführers und umgekehrt.

 

Dessen ungeachtet ist eine Überprüfung gemäß Art. 8 EMRK dahingehend vorzunehmen, ob der Beschwerdeführer über im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK relevante Verbindungen in Österreich verfügt.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Der EGMR bzw. die EKMR verlangen zum Vorliegen des Art. 8 EMRK das Erfordernis eines "effektiven Familienlebens", das sich in der Führung eines gemeinsamen Haushaltes, dem Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses oder eines speziell engen, tatsächlich gelebten Bandes zu äußern hat (vgl. das Urteil Marckx [Ziffer 45] sowie Beschwerde Nr. 1240/86, V. Vereinigtes Königreich, DR 55, Seite 234; hierzu ausführlich: Kälin, "Die Bedeutung der EMRK für Asylsuchende und Flüchtlinge: Materialien und Hinweise", Mai 1997, Seite 46).

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse gemeinsame Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (vgl. EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; siehe auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (vgl. EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311), und zwischen Onkel und Tante und Neffen bzw. Nichten (vgl. EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1989, 761; Rosenmayer ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (vgl. EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Ungeachtet der Tatsache, dass die Beziehung zwischen (volljährigen) Cousins in der Regel nicht unter die gemäß Art. 8 EMRK zu schützenden familiären Beziehungen fällt, kommt im gegenständlichen Fall noch hinzu, dass der eine Cousin des Beschwerdeführers, S.O., den Angaben des Beschwerdeführers zufolge, seit dem Jahr 1990 in Österreich lebt. Der andere Cousin, S.K., lebt - gemäß der Auskunft aus dem Zentralen Melderegister - zumindest seit Jänner 2003 aufrecht gemeldet in Österreich. In den Jahren 2001 bis 2005 - als der Beschwerdeführer als Saisonarbeiter in Österreich aufenthaltsberechtigt war - hat er mit keinem der beiden Cousins im gemeinsamen Haushalt gelebt. Von einem besonders engen Kontakt während dieser Zeit ist ebenfalls nicht auszugehen, da die beiden Cousins in der Steiermark und der Beschwerdeführer selbst in Tirol lebte, was sich eindeutig aus dem Zentralen Melderegister ergibt. Aus diesen Gründen kann sohin von einem Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht gesprochen werden, da es an der von der Rechtsprechung des EGMR geforderten Beziehungsintensität jedenfalls fehlt. Ferner besteht weder ein finanzielles noch ein sonstiges Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und seinen beiden Cousins.

 

Da zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Cousins kein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt und der Beschwerdeführer auch sonst keine Bindungen zu Österreich vorbrachte - wie etwa Deutschkenntnisse oder eine in Aussicht stehende berufliche Tätigkeit - würde der Beschwerdeführer bei einer Überstellung nach Rumänien in seinem durch Art. 8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nicht verletzt werden.

 

3.5.4. Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass kein Anlass für einen Selbsteintritt Österreichs gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO aufgrund einer drohenden Verletzung von Art. 3, 8 EMRK besteht.

 

3.5.5. Festzuhalten ist auch, dass die in § 28 Abs. 2 AsylG normierte 20-tägige Frist im gegenständlichen Fall - wie bereits oben ausgeführt - eingehalten worden ist.

 

3.5.6. Hinsichtlich Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides ist noch auszuführen, dass keine Hinweise für eine Unzulässigkeit der Ausweisung im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG ersichtlich sind, da weder ein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht aktenkundig ist noch der Beschwerdeführer in Österreich über Angehörige im Sinne des Art. 8 EMRK verfügt. Darüber hinaus sind auch keine Gründe für einen Durchführungsaufschub gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ersichtlich. Was schließlich den seitens des Bundesasylamtes in den Bescheidspruch aufgenommenen Ausspruch über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Rumänien anbelangt, so ist darauf hinzuweisen, dass die getroffene Ausweisung, da diese mit einer Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG verbunden ist, gemäß § 10 Abs. 4 erster Satz AsylG schon von Gesetzes wegen als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat gilt.

 

3.5.7. Die Beschwerde erwies sich somit als nicht berechtigt und war daher spruchgemäß abzuweisen.

 

3.5.8. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG abgesehen werden.

Schlagworte
Ausweisung, familiäre Situation, Familienbegriff, Identität, Intensität, non refoulement
Zuletzt aktualisiert am
26.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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