TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/01 E1 310853-1/2008

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Veröffentlicht am 01.10.2008
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Spruch

E1 310.853-1/2008-10E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Ilse FAHRNER als Vorsitzende und den Richter Mag. Huber-Huber als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Frau AUBERGER über die Beschwerde der R.M., geb. 00.00.1981, StA.. Iran, vertreten durch Dr. Helmut Blum, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.03.2007, FZ. 06 13.652-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.09.2008 zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und R.M., gem. § 3 Abs. 1 AsylG BGBl I. Nr. 100/2005, der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gem. § 3 Abs. 5 wird festgestellt, dass R.M., damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. VERFAHRENSGANG:

 

1. Der von der Beschwerdeführerin, am 17.12.2006 gestellte Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.03.2007, Zahl: 06 13.652-BAT, gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführerin der Status der Subsidiärschutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und dieser eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).

 

2. Gegen Spruchpunkt I. richtet sich die fristgerecht eingebrachte Berufung.

 

3. Der Asylgerichtshof führte am 19.09.2008 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch. Ein Vertreter des Bundesasylamtes nahm an der Verhandlung entschuldigt nicht teil.

 

4. Der Asylgerichtshof hat in der mündlichen Verhandlung nach Beratung das Erkenntnis mündlich verkündet und auf die Zustellung der schriftlichen Ausfertigung gem. § 41 Abs. 9 Z 3 AsylG hingewiesen.

 

II. DER ASYLGERICHTSHOF HAT ERWOGEN:

 

1. Beweis wurde erhoben durch:

 

Schweizer Flüchtlingshilfe, Iran Updates Susanne Bachmann vom 02.08.2006

 

APA vom 27.07.2006

 

VwGH Darmstadt vom 12.01.2006

 

AA Bericht, 18.03.2008

 

Asylmagazin April 2007, Christen im Iran

 

Zeitungsartikel über die geplante Einführung der Todesstrafe für Abtrünnige vom 26.01.2008

 

sowie dem vorgelegten Dokumentationsmaterial und ergänzende Einvernahme des Ehegatten der Beschwerdeführerin.

 

A) Der Asylgerichtshof geht aufgrund des durchgeführten

Ermittlungsverfahrens von folgendem Sachverhalt aus:

 

Die von der Behörde erster Instanz im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin auf Seite 20 des Bescheides (Punkt 3, 4, 5 und 6) werden vom Asylgerichtshof übernommen. Punkt 3. jedoch mit der Änderung,dass festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem Ehegatten in Österreich in der evangelischen Kirche G. am 09.09.2007, nach dem evangelischen Ritus A.B. getauft wurde und diese gemäß dem Auszug aus dem Traubuch der Pfarrgemeinde A.B. A. auch nach dem evangelischen Ritus A.B, geheiratet haben. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin hat den evangelischen Pfarrer aufgrund seiner guten Türkischkenntnisse bei der Missionstätigkeit unter türkischen Muslimen nachhaltig unterstützt, sowie unentgeltlich und regelmäßig Aufgaben des Küsterdienstes übernommen. Es ist davon auszugehen, dass der Glaubenswechsel auch für die Beschwerdeführerin, wie für ihren Ehegatten, ernsthaft und von innerer Überzeugung getragen ist. Die evangelische Kirche ist eine, dem Missionsgedanken verpflichtete Kirche.

 

2. Zur Situation im Herkunftsland:

 

2.1. Zur Frage der Apostasie ist Folgendes festzuhalten: Das geltende iranische Strafgesetzbuch enthält keine ausdrückliche Bestimmung hinsichtlich der Apostasie, d.h. des "Abfalls vom [islamischen] Glauben". Apostasie stellt allerdings nach islamischem Verständnis einen hochverratsähnlichen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem dar, der mit der Todesstrafe bedroht ist. In Ermangelung eines kodifizierten Straftatbestandes ermöglicht Art. 167 der Verfassung Richtern, ihr Urteil auf "autoritative islamische Quellen" und "authentische Rechtsgutachten ["fatwas"]" zu stützen, wobei die Verfassung ausdrücklich aufträgt, auch angesichts fehlender oder nicht ausreichender Rechtsvorschriften oder Rechtsvorschriften, die kurz oder widersprüchlich sind, Verfahren zu führen und Urteile zu fällen.

 

Demgemäß wird die Abkehr vom Glauben oder der Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion nicht hingenommen. Vielmehr wird nach islamischem Recht zwischen zwei Arten von Apostasie unterschieden:

Apostate, deren Eltern Muslime waren und die den Islam zunächst gläubig praktiziert haben, später jedoch vom Islam abgefallen sind, müssen, sofern es sich um einen Mann handelt, hingerichtet werden. Handelt es sich jedoch um eine Frau, muss diese eine lebenslängliche Freiheitsstrafe verbüßen, es sei denn, dass sie ihre Abkehr vom Glauben bereut. Apostate, die von einem anderen Glauben zum Islam übergetreten sind, um schließlich wieder zu ihrem ursprünglichen Glauben zurückzukehren, müssen dazu gebracht werden, zu bereuen. Weigern sie sich zu bereuen, so sind sie hinzurichten. Darüber hinaus umfasst das kodifizierte iranische Strafrecht etliche Straftatbestände, die eine Subsumtion des "hochverratsähnlichen" Verhaltens der Apostasie erlauben würden. So ist beispielsweise die Schmähung islamischer Heiligtümer bzw. Persönlichkeiten mit der Todesstrafe bedroht, falls dies eine "Prophetenlästerung" darstellt; sofern keine "Prophetenlästerung" vorliegt, droht eine Freiheitsstrafe in der Dauer von ein bis fünf Jahren (Art. 513 des Strafgesetzbuches).

 

Die zu erwartenden Sanktionen im Fall der Apostasie erstrecken sich von beruflichen Behinderungen, Mordanschlägen bis hin zu Verurteilungen zu langen Freiheitsstrafen oder gar zur Todesstrafe. Eine Missionstätigkeit führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Verfolgungsmaßnahmen, da den nicht-islamischen Religionsgemeinschaften im Iran jede missionarische Aktivität verboten ist. Für Konvertiten, insbesondere, wenn die Konversion öffentlich wird, d.h. sie missionarisch tätig sind, zieht dies härteste Sanktionen bis hin zur Todesstrafe nach sich. Darüber hinaus wurden viele Konvertiten gezwungen, ihren Übertritt in eine andere Religion öffentlich zu widerrufen. Hingegen wird die private Konversion, die keine Öffentlichkeitswirksamkeit entfaltet, von den iranischen Behörden mitunter stillschweigend geduldet.

 

Aktuell wird im iranischen Parlament eine Gesetzesvorlage behandelt, die auch ausdrücklich für Abtrünnige, die Verhängung der Todesstrafe vorsieht.

 

Zur allgemeinen politischen Lage:

 

Das konservativ- klerikale Lager verfügt über die entscheidenden Machtpositionen im politischen System Irans, reformorientierte Kräfte hatte es fast völlig zurückgedrängt. Bei den Parlamentswahlen am 20.02.2004 hat das gemäßigt konservative Lager einen klaren Wahlerfolg erzielt uns stellte nunmehr im Parlament die Mehrheit. Im Vorfeld der Wahlen war es zum Ausschuss von über 2000 reformfreundlichen Kandidaten durch den Wächterrat gekommen. Über 100 Abgeordnete hatten darauf hin aus Protest ihre Ämter niedergelegt und zum Boykott der Wahlen aufgerufen. Einige von ihnen sind seit dem unter anderem wegen Unruhestiftung, vor Gericht vorgeladen worden.

 

Mahmoud Ahmadinejad, der dem konservativen Lager angehörende frühere Bürgermeister von Teheran gewann die Präsidentenwahl im Juli 2005.

 

Die iranische Verfassung sieht eine Gewaltentrennung vor, die wegen der zugrunde liegenden islamischen Normen um einige Institutionen ergänzt wird. Das Volk wählt ins geheime, direkten Wahlen das Parlament (290 Mitglieder, Amtszeit vier Jahre), den Präsidenten (Amtszeit vier Jahre) sowie den sog. Expertenrat (Amtszeit acht Jahre, 83 Mitglieder aus dem Klerus). Letzterer hat vor allem die Aufgabe, nach bestimmten, in der Verfassung vorgegebenen Kriterien den Islamischen Revolutionsführer auf Lebenszeit zu ernennen sowie in seiner Amtsführung zu überwachen. Nach Ayatollah Khomeini hat jetzt Ayatollah Khamenei das mit weit reichenden Machtbefugnissen ausgestattete Amt inne. Durch das Recht, Vertreter wichtiger Verfassungsorgane und anderer staatlicher Stellen zu ernennen, kontrolliert er indirekt weite Teile der Politik.

 

Der Islamische Wächterrat überprüft die vom Parlament beschlossenen Gesetze auf ihre Vereinbarkeit mit islamischen Normen. Er setzt sich aus sechs vom Islamischen Revolutionsführer ernannten islamischen Theologen und sechs vom Parlament auf Vorschlag des Chefs der Judikative ernannten Rechtsexperten zusammen (Amtszeit 6 Jahre). Sollte es zu keiner Einigung zwischen Parlament und Wächterrat kommen, obliegt die Entscheidung dem Schlichtungsrat. Dieser kann auch über jede ihm vom Islamischen Revolutionsführer vorgelegte Frage beraten und entscheiden. Seine 25 Mitglieder werden vom Islamischen Revolutionsführer ernannt, Vorsitzender ist derzeit der ehemalige Staatspräsident Rafsandjani.

 

Der Islamische Revolutionsführer ernennt auch für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative, der laut Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Judikative innehat, sowie den Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofs und den Generalstaatsanwalt. Der Justizminister hat ausschließlich Verwaltungs-Kompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, sie haben sich bei ihren Entscheidungen an geltende Gesetze zu halten, nur in Ausnahmefällen, z.B. wenn ein bestimmter Sachverhalt nicht rechtlich geregelt ist, kann ein Urteil aus islamischer Rechtsliteratur oder entsprechenden "fatwas" abgeleitet werden.

 

Eine nach außen wirksame aktive politische Betätigung, die erkennbar den Sturz des Regimes oder des islamischen Systems zum Ziel hat, wird mit strafrechtlichen Maßnahmen strikt verfolgt.

 

Als Begründung für strafrechtliche Maßnahmen werden dabei herangezogen die Artikel 183 bis 196 des StGB betreffend die Bestrafung wegen "Feindschaft gegen Gott" ("Mohareb") und "Korruption (Verderben schaffen) auf Erden" ("Mofzed bil Arz").

 

Gemäß Artikel 183 StGB ist ein "Feind Gottes" (Mohareb) jeder, der bewaffnet und in öffentlichkeitswirksamer Weise Angst und Schrecken bei den Menschen verbreitet und sie ihrer Freiheit und Sicherheit beraubt.

 

Gemäß Art. 186 StGB sind Mitglieder und Unterstützer einer Organisation, die bewaffnet gegen die iranische Regierung kämpft, die die Position dieser Gruppe kennen und aktiv zur Förderung ihrer Ziele beitragen, "Feinde Gottes", selbst wenn sie nicht im militärischen Zweig der Gruppe mitarbeiten.

 

Gemäß Artikel 190 StGB werden "Feinde Gottes" oder Personen, die sich der "Korruption auf Erden" schuldig gemacht haben, mit Körperstrafe oder dem Tod bestraft. Auch einige unter den Begriff der "Staatsschutzdelikte" zu subsumierende Artikel, die im Zuge der Taazirat-Reform 1996 in das StGB eingefügt wurden (insbes. Art. 498 - 515), sehen z.T. harte Strafen für gegen das Regime gerichtete Aktivitäten vor, die bei Vorliegen der genannten Erschwerungsgründe ("Mofzed bil Arz" oder "Mohareb") bis zur Todesstrafe gehen können. Hervorzuheben sind dabei Art. 513 und 514 StGB, die die Beleidigung des Islam, des Propheten bzw. der Revolutionsführer Khomeini und Khamenei unter Haftstrafe bzw. - falls der Tatbestand der Blasphemie ("Sab-on- Nabi") vorliegt - unter Todesstrafe stellen.

 

Für Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solche - insbesondere das Prinzip der "Herrschaft des Rechtsgelehrten" - richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, besteht das Risiko, wegen Spionage belangt zu werden.

 

2.3. Zur Menschrechtsituation:

 

In der Praxis bleibt die Menschenrechtssituation, die wesentlich von der klerikal beherrschten und reformfeindlichen Justiz bestimmt wird, unverändert unbefriedigend. Die Regierung unter Khatami zielte bisher mit ihren Kampagnen für die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und Bindung aller Staatsorgane an die Verfassung direkt auf eine Reform der Justiz. Sie versuchte ebenso, ihre Kontrolle über die verschiedenen Sicherheitsorgane zu vergrößern. Tatsächlich konnten allenfalls geringe Fortschritte in der Verbesserung der Menschenrechtslage erzielt werden. Durch die Wahlen zum 7.Parlament wurde die Regierung weiter geschwächt. Dies wird sich auf die Fähigkeit und den Willen zur Umsetzung politischer Initiativen auswirken.

 

Verhörmethoden und Haftbedingungen in Iran schließen in einzelnen Fällen seelische Folterung und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung ein. Im eigentlichen Strafvollzug ist die Regierung bei bestehenden Defiziten um wirkliche Verbesserungen bemüht, auch unter Berücksichtigung moderner Konzepte. Zur Anwendung von Folter oder unmenschlicher Behandlung kommt es nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes - obgleich explizit in der Verfassung (Art. 38) verboten - eher im Vorfeld des eigentlichen Verfahrens zur Erzwingung von Geständnissen.

 

Die Todesstrafe kann nach iranischem Recht für eine große Zahl von Delikten verhängt werden. Hinrichtungen werden nach wie vor in großer Anzahl durchgeführt, zum Teil auch öffentlich.

 

2008 wurden bereits mehr als 300 öffentliche Hinrichtungen in Teheran vollzogen.

 

B) Beweiswürdigung:

 

Die Behörde erster Instanz hat das Vorbringen des Ehegatten der Beschwerdeführerin und das der Beschwerdeführerin selbst für glaubwürdig erachtet und schließt sich der Asylgerichtshof dieser Einschätzung ausdrücklich an. Die vollzogenen Taufe und Trauung nach dem evangelischen Ritus A.B. wurden durch unbedenkliche Urkunden, (ausgestellt von der evangelischen Kirche) nachgewiesen.

 

Die zu A.2. getroffenen Feststellungen zum Herkunftsland, ergeben sich aus dem zitierten Dokumentationsmaterial.

 

C) Rechtliche Beurteilung:

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat das erkennende Gericht, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gem. § 75 (1) des Asylgesetzes 2005, BGBl I Nr. 4/2008 (AsylG 2005) sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs. 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

 

Im gegenständlichen Fall wurde der Antrag auf internationalen Schutz am 05.10.2007 gestellt, weshalb das AsylG 2005 zur Anwendung gelangt.

 

Zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft:

 

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling i.S.d. Asylgesetzes ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung".

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH E vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH E vom 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. (VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH E vom 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH E vom 26.2.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH E vom 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH E 18.4.1996, 95/20/0239; VwGH E vom 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH E vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH E vom 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH E vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH E vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH E vom 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

 

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

 

Eine Verfolgung, d.h. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann weiters nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH 27.01.2000, Zl. 99/20/0519, VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256, VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177, VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203, VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0291, VwGH 07.09.2000, Zl. 2000/01/0153, u.a.).

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 30.06.2005, Zahl: 2003/20/0544) ist zur Frage der Verfolgungsgefahr bei Iranern, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind, maßgeblich, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung des behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsse, aus diesem Grunde mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden (so schon im Erkenntnis des VwGH vom 24.10.2001, Zl. 99/20/0550, ebenfalls VwGH vom 17.10.2002, Zahl:

2000/20/0102). In gleichem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 31.05.2001, Zl. 2001/20/0054, im Zusammenhang mit einer noch nicht erfolgten, aber beabsichtigten Konversion zum Ausdruck gebracht, dass für die Beurteilung des Asylanspruches maßgeblich sei, ob der Asylwerber in seinem Heimatstaat in der Lage war, eine von ihm gewählte Religion frei auszuüben, oder ob er bei Ausführung seines inneren Entschlusses, vom Islam abzufallen und zum Christentum überzutreten, mit asylrelevanter Verfolgung rechnen müsse.

 

Nach islamischem Verständnis bedeutet der Abfall vom Islam einen hochverratsähnlichen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem und ist der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Iran dort Verfolgungshandlungen bis hin zur Todesstrafe ausgesetzt.

 

Nachdem alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union bindenden normativen Vorgaben des Artikel 10 Abs. 1 b RL 2004/83/eg, kann einem Flüchtling nicht mehr angesonnen werden, sich bei der Religionsausübung auf das sogenannte "forum internum" zu beschränken.

 

Asylbegehren, die auf Verfolgung mit religiösem Hintergrund gestützt werden, müssen so hin unter Berücksichtung der unmittelbar anwendbaren Vorgaben des Artikel 10 Abs. 1 b RL 2004/83/eg geprüft werden. Gemäß dieser Richtlinie muss so hin die öffentliche Ausübung (forum externum) des christlichen Glaubens in Lehre, Gottesdienst und Sakramentsverwaltung möglich sein. Sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche ist eine missionarische Kirche und sieht ihren Auftrag darin, die christliche Botschaft weiterzugeben, und ist die öffentliche Ausübung des Christentums integraler Bestandteil des christlichen Glaubens.

 

Gemäß den getroffenen Feststellungen zum Herkunftsstaat ist eine solche öffentliche Ausübung für zum Chrsitentum konvertierte Muslime jedenfalls nicht gegeben, die drohenden Sanktionen erreichen nach den getroffenen Feststellungen jedenfalls asylrelevante Intensität. Hiezu kommt, dass im Hinblick auf die islamische Verfassungsordnung des Iran dem Verhalten des Beschwerdeführers (auch) ein politisches - die Grundlagen des iranischen Staatswesens betreffendes - Moment anhaftet, sodass eine diesbezügliche (strafrechtliche) Verfolgung auch aus Gründen der politischen Gesinnung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 GFK mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

 

Unabhängig davon droht dem Ehegatten der Beschwerdeführerin jedoch auch aus der Verurteilung wegen des Deliktes des Ehebruches mit der Straffolge der Steinigung - die Behörde erster Instanz hat die Glaubwürdgkeit dieses Vorbringens ausdrücklich festgestellt - entgegen der rechtlichen Ansicht im erstinstanzlichen Bescheid - ebenfalls asylrelevante Verfolgung.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in mehrfachen Erkenntnissen festgehalten, dass die Verquickung von Staat und Religion im Iran das Erfordernis einer Prüfung dahingehend notwendig machen, ob dem Schutz religiöser Werte dienende Strafvorschriften, nicht bereits unter dem Gesichtspunkt einer unterstellten politischen Gesinnung zu sehen ist, wobei die völlige Unverhältnismäßigkeit der drohenden, vorgesehen Bestrafung ein Indiz dafür bilden kann bzw. den Schluss zuläßt, dass dem Täter eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird. (vergleiche VwGH 25.03.1999, Zahl: 98/20/0431, VwGH 21.01.1999, Zahl: 98/20/0350, VwGH 16.09.1999, Zahl: 98/20/0543, VwGH 17.10.2002, Zahl: 2000/20/0102).

 

Unter Zugrundelegung dieser rechtlichen Überlegungen, kommt bei der gegebenen unverhältnismäßigen Bestrafung des Ehebruches mit der Straffolge der Steinigung, jedenfalls Asylrelevanz zu.

 

Die Beschwerdeführerin hat in Kenntnis der Verurteilung ihres Ehemannes wegen des Deliktes des Ehebruches und der Verurteilung zur Steinigung gemeinsam mit diesem den Iran verlassen und kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführerin in der gemeinsamen Flucht aufgrund der religiös- politischen Dimension, des ihrem Ehegatten vorgeworfenen Deliktes, selbst eine politische Gesinnung unterstellt wird. Der Beschwerdeführerin war daher in Modifizierung des mündlich verkündeten Spruches nicht nur ein vom Ehegatten abgeleitetes Recht - dies wurde irrtümlich nicht nur beim minderjährigen Sohn der Beschwerdeführerin, sondern auch für sie selbst angenommen - der Status des Asylberechtigten im Sinne des § 3 Abs. 1 zuzuerkennen.

 

Es ist daher im vorliegenden Fall objektiv nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführerin aus Furcht vor ungerechtfertigten Eingriffen, von erheblicher Intensität aus einem der in Artikel 1 Abschnitt A 2 GFK genannten Gründe, nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes seines Herkunftsstaates zu bedienen, zumal auch eine inländische Ausweichmöglichkeit - die iranische Regierung übt über alle Landesteile die Macht aus - nicht vorhanden ist. Hinweise dass einer der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlusstatbestände eingetreten sein könnten, sind nicht hervorgekommen.

Schlagworte
Apostasie, asylrechtlich relevante Verfolgung, Konversion, politische Gesinnung, Religion, strafrechtliche Verfolgung, Straftatbestand
Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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