TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/09 B3 308864-1/2008

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Veröffentlicht am 09.10.2008
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Spruch

B3 308.864-1/2008/3E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Karin WINTER als Vorsitzende und den Richter Mag. Florian NEWALD als Beisitzer über die Beschwerde des S.G., geboren am 00.00.1976, kosovarischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18. Dezember 2006, Zl. 05 15.692-BAL, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG), mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Wortfolge "nach Serbien, Provinz Kosovo" in den Spruchteilen II. und III. des angefochtenen Bescheides durch "in die Republik Kosovo" ersetzt wird.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

1. Der Beschwerdeführer, ein kosovarischer Staatsbürger und Angehöriger der albanischen Volksgruppe und muslimischen Glaubens, stammt aus P.. Er brachte am 25. September 2005 einen Asylantrag ein. Dazu gab er bei seiner Einvernahme am 4. Oktober 2005 vor dem Bundesasylamt - zusammengefasst - Folgendes an: Sein Vater habe von 1972 bis 1998 bei der SUP gearbeitet. Eine Woche vor der Ausreise des Beschwerdeführers, die am 21. September 2005 stattgefunden haben soll, seien maskierte Männer zu ihm nach Hause gekommen und hätten mit seiner Mutter gesprochen. Sie hätten zu ihr gesagt, dass ihr Ehemann und ihre Söhne das Land verlassen sollten. Sein Vater sei daher zu seinem Schwager gegangen und der Beschwerdeführer habe das Land verlassen. Die maskierten Männer hätten den Beschwerdeführer deswegen gesucht, weil er ständig mit seinem Vater zusammen gewesen sei. Wenn dieser Termine gehabt habe, sei der Beschwerdeführer mitgegangen. Seine Brüder würden jedoch nach wie vor zu Hause leben. Bei seiner Einvernahme am 18. September 2006 gab der Beschwerdeführer hingegen an, in den letzten sechs Monaten vor seiner Ausreise seien die maskierten Männer wöchentlich einmal zu ihnen gekommen; auch früher seien sie gekommen. Erstmals seien sie drei Monate nach Kriegsende gekommen und zum letzten Mal drei Tage vor seiner Abreise aus dem Kosovo. Jedoch hätten weder sein Vater noch der Beschwerdeführer während des Krieges mit den serbischen Behörden kollaboriert. Der Beschwerdeführer wisse nicht, wer die maskierten Personen seien. Anzeige habe er nicht erstattet, weil er das nicht gedurft habe. Die maskierten Männer hätten auch gesagt, wenn sie mit jemandem anderen darüber reden sollten, würden sie alle mit dem Haus verbrennen. Sein Vater sei in Montenegro, komme jedoch manchmal zwei oder drei Tage nach Hause zurück. Der Beschwerdeführer legte Unterlagen vor, aus denen hervorgeht, dass sein Vater im serbischen Innenministerium gearbeitet habe und ihm Urlaub zugesprochen worden sei. Weiters legte der Beschwerdeführer seinen von der UNMIK ausgestellten Personalausweis vor.

 

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 AsylG ab (Spruchteil I.), erklärte gemäß § 8 Abs. 1 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "nach Serbien, Provinz Kosovo" für zulässig (Spruchteil II.) und wies ihn gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Serbien, Provinz Kosovo", aus (Spruchteil III.). Es traf umfangreiche Feststellungen zur Situation im Kosovo. Das Fluchtvorbringen beurteile das Bundesasylamt als unglaubwürdig und führte dazu aus, dass der Beschwerdeführer zunächst angegeben habe, dass maskierte Männer eine Woche vor seiner Ausreise nach ihm gesucht hätten und im Widerspruch dazu später vorgebracht habe, dass diese erstmals drei Monate nach Kriegsende und letztmals drei Tage vor seiner Ausreise bzw. die letzten sechs Monate wöchentlich nach ihm gesucht hätten. Ein weiterer Widerspruch bestehe darin, dass der Beschwerdeführer zunächst angegeben habe, dass sein Vater im Heimatort wohne, später jedoch, dass er in Montenegro lebe bzw. dass sich sein Vater zwei bis drei Tage immer wieder zu Hause aufhalte. Auch sei es unplausibel, dass die Brüder bzw. die Mutter des Beschwerdeführers und auch seine Ehefrau und Söhne weiterhin unbehelligt im Elternhaus des Beschwerdeführers lebten und nicht geflohen seien. Weiters könne nicht nachvollzogen werden, dass der Beschwerdeführer auf Grund der Arbeit seines Vaters als einziger von fünf Söhnen einer Bedrohung ausgesetzt sein soll und nicht auch seine Brüder. Schließlich sei auch nicht nachvollziehbar, dass sich der Beschwerdeführer nicht an die Sicherheitsbehörden um Schutz gewandt habe, obwohl die Familie angeblich sechs Jahre Bedrohungen ausgesetzt gewesen sei. Das Bundesasylamt verneinte, dass der Beschwerdeführer iSd § 8 AsylG idF BG BGBl. I 101/2003 iVm § 57 Abs. 1 und 2 Fremdengesetz 1997 BGBl. I 75 (in der Folge: FrG) bedroht oder gefährdet sei. Abschließend begründete es seine Ausweisungsentscheidung.

 

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, fristgerechte, nun als Beschwerde (vgl. dazu weiter unten) zu behandelnde (und daher in Folge so bezeichnete) Berufung. In dieser führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, sein Vater habe bis 1998 bei der serbischen Polizei gearbeitet. Um ihn zu unterstützen und ihm zusätzlichen Schutz zu bieten, habe der Beschwerdeführer seinen Vater seit dem Jahre 1993 oft begleitet. Nach dem Krieg seien maskierte Männer bei ihnen erschienen und hätten seinen Vater und ihn bedroht, ab ca. 2001 seien diese öfters gekommen. Der Beschwerdeführer nehme an, diese würden seinem Vater und auch dem Beschwerdeführer eine mögliche Zusammenarbeit mit den serbischen Behörden während des Krieges unterstellen. Sie hätten sich daher nicht mehr häufig zu Hause aufgehalten und abwechselnd bei verschiedenen Verwandten gelebt. Seine Aussage, dass die Männer ungefähr eine Woche vor seiner Ausreise gekommen seien, habe sich auf deren letzten Besuch vor seiner Ausreise bezogen. Er habe im Zuge der Datenaufnahme angegeben, dass sein Vater offiziell in seinem Heimatort gemeldet sei, sich aber dort nur mehr versteckt aufgehalten habe. Weiters werden in der Beschwerde Ausschnitte aus dem Bericht von Freedom House mit dem Titel "Kosovo: Jahresbericht zu politischen Rechten und bürgerlichen Freiheiten 2005" und aus dem Kosovo-Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission vom 9. November 2005 zitiert, um aufzuzeigen, dass die vom Bundesasylamt festgestellte Effektivität der kosovarischen Sicherheitsbehörden nicht gegeben sei.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens und die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammengefasst. Der Asylgerichtshof schließt sich den Feststellungen zum Sachverhalt an (vgl. VwGH 25.3.1999, 98/20/0559; 8.6.2000, 99/20/0366; 30.11.2000, 2000/20/0356; 22.2.2001, 2000/20/0557; 21.6.2001, 99/20/0460). Auch die Beweiswürdigung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zu Recht zeigte das Bundesasylamt die Widersprüche und Unplausibilitäten im Vorbringen des Beschwerdeführers auf, die der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar entkräften konnte. Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass der Vater des Beschwerdeführers seit Jahren im Heimatort lebt und offenbar keinen Bedrohungen ausgesetzt ist (vgl. dazu die Angaben der später in Österreich eingereisten Brüder des Beschwerdeführers, GZ 311.869 und GZ 401.714).

 

2. In der Beschwerde wird kein neuer Sachverhalt vorgebracht und werden die Ausführungen des Bundesasylamtes nicht substantiiert bekämpft.

 

3. Rechtlich folgt:

 

3.1. Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Die Zuständigkeit des Asylgerichtshofes stützt sich auf § 38 AsylG 1997. Diese Bestimmung spricht zwar vom "unabhängigen Bundesasylsenat" und ist durch das AsylGH-EinrichtungsG nicht geändert worden; auch die Übergangsbestimmungen des AsylG 2005 ergeben insoweit nichts. Da jedoch gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG der unabhängige Bundesasylsenat am 1. Juli 2008 zum Asylgerichtshof geworden ist und dieses Gericht gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiterzuführen hat, ist davon auszugehen, dass sich § 38 AsylG 1997 nunmehr auf den Asylgerichtshof bezieht. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich jene Bestimmungen des AsylG 1997, die von "Berufungen" sprechen, nunmehr auf Beschwerden beziehen (vgl. AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).

 

3.2.1. Gemäß § 75 Abs. 1 des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100, sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG idF der AsylGNov. 2003 sind Verfahren über Asylanträge, die ab dem 1. Mai 2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG idF der AsylGNov. 2003 zu führen.

 

3.2.2. Der Beschwerdeführer hat seinen Asylantrag nach dem 30. April 2004 gestellt. Das vorliegende Verfahren war am 31. Dezember 2005 anhängig; es ist daher nach dem AsylG idF der AsylGNov. 2003 zu führen.

 

3.3. Gemäß § 41 Abs. 7 AsylG hat der Asylgerichtshof § 67d AVG mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

 

Gemäß § 23 Abs. 1 AsylG ist auf Verfahren nach dem AsylG, soweit nicht anderes bestimmt ist, das AVG anzuwenden. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Rechtsmittelinstanz, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

3.4.1. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

 

3.4.2.1. Vorauszuschicken ist, dass der Beschwerdeführer nunmehr ein Staatsangehöriger der Republik Kosovo ist (vgl. dazu etwa das Papier des [dt.] Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom Mai 2008, Kosovo Länderreport, Band 1, 17f; in seinem von der UNMIK ausgestellten Personalausweis ist festgehalten, dass er in P. [Kosovo] geboren wurde).

 

3.4.2.2. Der Beschwerdeführer konnte eine ihn betreffende asylrelevante Gefährdung im Falle seiner Rückkehr in den Kosovo nicht glaubhaft machen. Selbst wenn sich die (spekulative und durch keinerlei Beweismittel untermauerte) vorgebrachte Angst des Beschwerdeführers, er werde von maskierten Männern bedroht, als wahr erweisen sollte, ist auf die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu verweisen. Aus diesen ergibt sich das Vorhandensein einer grundsätzlich stabilen Sicherheitslage für Angehörige der Mehrheitsbevölkerung. Dass sich die diesbezügliche Lage seit Bescheiderlassung verschlechtert hätte, ist nicht ersichtlich (vgl. etwa den Bericht des [brit.] Home Office vom 22. Juli 2008, Operational Guidance Note Kosovo, 4f., aus dem sich ergibt, dass UNMIK bzw. KPS willens und auch in der Lage sind, denjenigen, die Verfolgung befürchten, Schutz zu gewähren und einen rechtlichen Mechanismus zur Ermittlung, Strafverfolgung und Bestrafung von Verfolgungsmaßnahmen sicherstellen). Die in der Beschwerde zitierten Ausschnitte aus dem Bericht von Freedom House mit dem Titel "Kosovo: Jahresbericht zu politischen Rechten und bürgerlichen Freiheiten 2005" und aus dem Kosovo-Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission vom 9. November 2005 sind daher als überholt zu werten. Es kann im Ergebnis daher nicht mit der hierfür erforderlichen Wahrscheinlichkeit erkannt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in den Kosovo Eingriffen in seine körperliche Integrität von maßgeblicher Intensität ausgesetzt wäre, gegen die er keinen Schutz erhalten würde.

 

3.5.1. Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat nach § 57 FrG zulässig ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden. Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft getreten; am 1. Jänner 2006 ist gemäß § 126 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge: FPG) das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass das jeweilige andere Bundesgesetz nunmehr auf die entsprechenden Bestimmungen des FPG verweist. Demnach wäre die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechende Bestimmung" des FPG zu beziehen, di. § 50 FPG. Ob dies wirklich der Absicht des Gesetzgebers entspricht - da doch Asylverfahren, die am 31. Dezember 2005 bereits anhängig waren, nach dem AsylG weiterzuführen sind - braucht nicht weiter untersucht zu werden, da sich die Regelungsgehalte beider Vorschriften (§ 57 FrG und § 50 FPG) nicht in einer Weise unterscheiden, die für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre und da sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - unmittelbar oder mittelbar - auf § 57 FrG bezieht, insoweit auch auf § 50 FPG übertragen ließe. Angemerkt sei jedoch, dass ein Verweis des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 50 FPG nicht etwa jene Rechtslage herstellte, die dem Asylgesetz 2005 entspricht; § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (der inhaltlich dem § 8 Abs. 1 AsylG entspricht) verweist nämlich nicht auf § 50 FPG, sondern regelt den subsidiären Rechtsschutz etwas anders als § 8 Abs. 1 AsylG, er zählt auch die maßgeblichen Bedrohungen selbst auf, und zwar in einer Weise, die nicht wörtlich dem § 50 FPG entspricht.

 

Gemäß § 57 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Gemäß § 57 Abs. 2 und 4 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder - mit einer Einschränkung, die im vorliegenden Verfahren nicht in Betracht kommt - Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 GFK).

 

Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FrG knüpft an jene zum inhaltsgleichen § 37 Fremdengesetz BGBl. 838/1992 an. Für § 57 Abs. 1 FrG idF BG BGBl I 126/2002 kann auf die Rechtsprechung zur Stammfassung dieser Bestimmung (BGBl I 75/1997) zurückgegriffen werden (VwGH 16.7.2003, 2003/01/0059; 19.2.2004, 99/20/0573), mit der sie sich inhaltlich deckt (die Änderung diente nur der Verdeutlichung). Nach der Judikatur zu (§ 8 AsylG - nunmehr § 8 Abs. 1 AsylG - iVm) § 57 FrG ist Voraussetzung einer Feststellung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Beschwerdeführer betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (zB VwGH 25.1.2001, 2000/20/0438). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.2.2001, 98/21/0427; 20.6.2002, 2002/18/0028).

 

3.5.2. Wie bereits oben ausgeführt, bestehen keine stichhaltigen Gründe iS eines "real risk" für die Annahme, dass das Leben oder die Freiheit des Beschwerdeführers aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre; daher liegt kein Fall des § 57 Abs. 2 FrG vor. Zu prüfen bleibt, ob es begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass durch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur EMRK verletzt würde. Im Kosovo besteht nicht eine solch extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Wie oben unter Punkt 3.4.2.2. ausgeführt, liegen keine Hinweise vor, dass dem Beschwerdeführer staatlicher Schutz gegen Übergriffe Dritter verwehrt wird. Der Beschwerdeführer hat auch keinen auf seine Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" glaubhaft machen können, der ein Abschiebungshindernis bilden könnte. Es ist darauf hinzuweisen, dass der 1976 geborene, gesunde Beschwerdeführer, im Kosovo in der Baubranche tätig war und dort über Familienangehörige (zumindest seine Eltern, seine Ehefrau und Söhne leben in seinem Heimatort) verfügt. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass er bei einer Rückkehr in den Kosovo in seiner Lebensgrundlage gefährdet wäre.

 

3.6.1 Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG hat die Behörde dann, wenn ein Asylantrag abzuweisen ist und wenn die Überprüfung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ergeben hat, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, diesen Bescheid mit der Ausweisung zu verbinden. Der Gesetzgeber beabsichtigt durch die zwingend vorgesehen Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern (VfGH 17.03.2005, G 78/04 ua.). Bei einer Ausweisungsentscheidung nach § 8 Abs. 2 AsylG ist auf Art. 8 EMRK Bedacht zu nehmen (VfGH 15.10.2004, G 237/03 ua., VfGH 17.03.2005, G 78/04 ua.). Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

3.6.2. Das Bundesasylamt hat die durch Art. 8 Abs. 2 EMRK vorgeschriebene Interessenabwägung mängelfrei vorgenommen. Es ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer zum Aufenthalt in Österreich bisher nur auf Grund eines Asylantrages, der sich letztlich als nicht begründet erwiesen hat, berechtigt gewesen ist (vgl. mit ähnlichen Überlegungen zu Ausweisungen nach § 33 Abs. 1 FrG zB VwGH 20.2.2004, 2003/18/0347; 26.2.2004, 2004/21/0027; 27.4.2004, 2000/18/0257; sowie EGMR 8.4.2008, NNYANZI v Vereinigtes Königreich, Rs 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen). Weiters ist darauf hinzuweisen, dass mit Erkenntnissen vom heutigen Tag der Asylgerichtshof die in den Verfahren der Brüder des Beschwerdeführers vom Bundesasylamt getroffenen Ausweisungsentscheidungen bestätigt hat (siehe GZ 311.869 und GZ 401.714).

 

3.7. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 7 AsylG unterbleiben.

Schlagworte
Ausweisung, Familienverband, Glaubwürdigkeit, Lebensgrundlage, non refoulement, Sicherheitslage, staatlicher Schutz
Zuletzt aktualisiert am
06.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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