TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/06 A5 314182-1/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.11.2008
beobachten
merken
Spruch

A5 314.182-1/2008/9E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. SCHREFLER-KÖNIG als Vorsitzende und die Richterin Mag. UNTERER als Beisitzerin, im Beisein der Schriftführerin VB Wilhelm, über die Beschwerde des O.L., geb. am 00.00.1987, Staatsangehöriger von NIGERIA, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.8.2007, Zl. 07 04.849 EAST-Ost, in nichtöffentlicher Sitzung, zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde von O.L. wird gemäß § 3 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wird O.L. der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt.

 

III. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 wird O.L. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

I.1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 27.5.2007 gemäß § 3 AsylG 2005 abgewiesen und ihm den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt und diese Entscheidung mit einer Ausweisung verbunden.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde.

 

I.3. Mit 01.07.2008 wurde gegenständliche Beschwerdeangelegenheit dem nunmehr erkennenden Senat des Asylgerichtshofes zur Entscheidung zugewiesen.

 

I.4. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 41 Abs. 7 AsylG 2005 auf Grund des aus der Aktenlage als geklärt anzusehenden Sachverhaltes Abstand genommen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

II.1.1. Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und ist Staatsangehöriger von Nigeria. Seine Identität konnte in Ermangelung entsprechender Nachweise nicht geklärt werden, es ist aber auf Grund seiner länderspezifischen Kenntnisse davon auszugehen, dass er aus Nigeria stammt.

 

II.1.2. Er reiste am 27.5.2007 schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte noch am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der ebenfalls am 27.5.2007 stattgefundenen niederschriftlichen Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes führte der nunmehrige Beschwerdeführer befragt zu seinem Reiseweg aus, er sei ausgehend von Benin City mit einem Bus nach Lagos gefahren und habe dort mit der Hilfe eines schwarzen Mannes ein Schiff in Richtung Europa bestiegen. Nach Ankunft in einem ihm unbekannten Land habe ihn derselbe Mann, ein Angestellter der Schiffscrew, eine Mitfahrgelegenheit in einem weißen PKW vermittelt, dessen Fahrer den Beschwerdeführer an einem Bahnhof aussteigen habe lassen. Er sei in weiterer Folge mit einem Zug bis nach Traiskirchen gefahren und habe den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass seine Freundin schwanger gewesen sei, er sich allerdings zu jung gefühlt habe, um bereits für ein Kind zu sorgen. Aus diesem Grund hätten sie beschlossen, entgegen den in Nigeria geltenden gesetzlichen Bestimmungen eine Abtreibung vornehmen zu lassen. Zwecks Genehmigung habe der Beschwerdeführer den vorzunehmenden Eingriff, bei dem seine Freundin überdies verstorben sei, mit seiner Unterschrift bestätigen müssen. Seit dem Ableben seiner Freundin würde er von der Polizei sowie von ihrer Familie gesucht und könne daher unmöglich in Nigeria weiterleben, da er entweder von den Behörden eingesperrt oder von der Familie seiner verstorbenen Freundin getötet würde.

 

II.1.3. Im Rahmen der am 31.5.2007 stattgefundenen niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt, EAST Ost, gab der Beschwerdeführer an, er würde polizeilich gesucht, da er für den Tod seiner während einer illegal vorgenommenen Abtreibung verstorbenen Freundin verantwortlich sei. Die Tatsache, dass er den illegalen Eingriff mit seiner Unterschrift bestätigt habe, sei allerdings "eine große Dummheit" gewesen. Als die Familie der Freundin am Nachmittag dieses Tages zu ihm gekommen sei, um sich nach ihrem Verbleib zu erkundigen, habe er sie mit dem Verweis, seine Freundin sei krank, an die besagte Klinik verwiesen. Dort sei ihnen von einer Mitarbeiterin über die tödlich verlaufene Abtreibung berichtet worden, woraufhin sich der Beschwerdeführer, im Bewusstsein festgenommen beziehungsweise getötet zu werden, zu einem Freund begeben habe. Von diesem habe er auch erfahren, dass er auf Grund dieses Vorfalls von der Polizei gesucht würde.

 

II.1.4. Anlässlich der am 15.6.2007 vor dem Bundesasylamt stattgefundenen niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers zur Wahrung des Parteiengehörs führte dieser ergänzend aus, er sei damals einfach in die besagte Klinik gegangen und habe nach dem behandelnden Arzt gefragt. Der Arzt habe ihn und seine Freundin zwar darauf hingewiesen, dass Abtreibungen illegal seien, den Eingriff aber auf Grund der Versicherung des Beschwerdeführers, nichts darüber weiterzuerzählen, schließlich dennoch durchgeführt. Weshalb jene Mitarbeiterin, die der Familie seiner Freundin von dem Unglück berichtet habe, eigentlich über deren Tod bescheid gewusst habe, darüber könne er nur Mutmaßungen anstellen.

 

Dem Beschwerdeführer wurde im Zuge dieser Einvernahme die Gelegenheit geboten, zu den durch die belangte Behörde getroffenen Länderfeststellungen Stellung zu beziehen. Auf den Vorhalt des Bundesasylamtes, wonach in ganz Nigeria Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit gewährleistet sei, gab er an, dass die Polizei auch in Lagos, wo er sich vor seiner Ausreise eine Woche lang aufgehalten habe, nach ihm gesucht habe. Über den Tod seiner Freundin sei überdies im Fernsehen berichtet worden; zudem habe die zuständige Polizei in Benin alle Dienststellen im Land über den Vorfall informiert.

 

II.1.5. Die belangte Behörde wies den Antrag des nunmehrigen Beschwerdeführers auf Gewährung von internationalem Schutz ab und begründete ihre Entscheidung zusammengefasst mit der fehlenden Asylrelevanz seiner Angaben. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt seines Vorbringens gebe er selbst zu, sich als Mittäter einer strafbaren Handlung schuldig gemacht zu haben, so dass ein behördliches Vorgehen nicht als Verfolgung im Sinne der GFK zu werten sei. Der Strafrahmen dieses Deliktes betrage zudem höchstens drei Jahre und bisher seien lediglich zwei Männer für eine Abtreibung verantwortlich gemacht worden. Zu Spruchpunkt II führte das Bundesasylamt aus, es bestünde im Falle des Beschwerdeführers kein Hinweis auf "real risk" im Sinne des Art.

 

3 EMRK, welcher eine Rückführung nach Nigeria als unzulässig erscheinen ließe. Bezugnehmend auf Spruchpunkt III verwies die belangte Behörde auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich über keinerlei Verwandtschaft verfüge und einer Ausweisung daher in Hinblick auf Art 8 ERMK nichts im Wege stehe.

 

II.1.6. Der Beschwerdeführer erhob gegen diese Entscheidung fristgerecht Berufung

 

(ab 1.7.2008: Beschwerde) und bekämpfte den Bescheid des Bundesasylamtes wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhalts. Begründend verwies er auf seine zuvor im erstinstanzlichen Verfahren vorgebrachten Fluchtgründe.

 

Er beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und inhaltliche Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides, in eventu den Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung an die erste Instanz zurückzuverweisen.

 

II.1.7. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts vom 00.00.2008 wegen eines Vergehens nach §§ 15 StGB, 28 Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten rechtskräftig verurteilt. Mit Bescheid der BPD von 8.4.2008 wurde gegen ihn ein unbefristetes Rückkehrverbot, durchsetzbar ab 9.4.2008, erlassen.

 

II.2. Zur Lage in Nigeria

 

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu Nigeria werden zum Gegenstand des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes erhoben.

 

II.3. Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung

 

II.3.1 Gemäß § 28 Abs. 1 AsylGHG, BGBl.I Nr. 2008/4 nimmt der Asylgerichtshof mit 1.7.2008 seine Tätigkeit auf. Das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, tritt mit 1.7.2008 außer Kraft.

 

II.3.2. Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, sofern sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005,

 

BGBl. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungs- verfahrensgesetzes 1991 (AVG) mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

II.3.3. Gemäß § 9 leg.cit. entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder verstärkte Senate (Kammersenate) vorgesehen ist.

 

II.3.4. Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes. Gemäß Abs. 3 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4, wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 und wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowie über die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

II.3.5. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

II.3.6. Gemäß § 41 Abs.7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67d AVG.

 

II.3.7. Gemäß § 18 Abs. 1 AsylG 2005 haben das Bundesasylamt und der Asylgerichtshof in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amtswegen beizuschaffen. Gemäß Abs. 2 ist im Rahmen der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens eines Asylwerbers auf die Mitwirkung im Verfahren Bedacht zu nehmen.

 

II.3.8. Gemäß § 15 AsylG 2005 hat ein Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken; insbesondere hat er ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Weiters hat er bei Verfahrenshandlungen und Untersuchungen durch einen Sachverständigen persönlich und rechtzeitig zu erscheinen und an diesen mitzuwirken sowie unter anderen auch dem Bundesasylamt oder dem Asylgerichtshof alle ihm zur Verfügung stehenden Dokumente und Gegenstände am Beginn des Verfahrens, oder soweit diese erst während des Verfahrens hervorkommen oder zugänglich werden, unverzüglich zu übergeben, soweit diese für das Verfahren relevant sind.

 

Im gegenständlichen Fall liegen die oben genannten Voraussetzungen des § 41 Abs.7 AsylG 2005 für den Entfall einer mündlichen Verhandlung vor. Das Bundesasylamt hat ein im beschriebenen Sinne ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und enthält der Beschwerdeschriftsatz zudem kein Vorbringen, das geeignet wäre, die in der schlüssigen Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheids zum Ausdruck kommende Beurteilung der belangten Behörde zu entkräften oder in Zweifel zu ziehen. Der verfahrensrelevante Sachverhalt ist daher nach dem Dafürhalten des Asylgerichtshofes als aus der Aktenlage geklärt anzusehen.

 

Nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. VwGH vom 23.1.2003, Zl. 2002/20/0533, VwGH vom 2.3.2006, Zl. 2003/20/0317) kann nur dann angenommen werden, dass ein Sachverhalt nicht aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung (nunmehr Beschwerde) als geklärt anzusehen ist, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in einem entscheidenden Punkt nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will.

 

Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall des Beschwerdeführers nicht vor.

 

Der Asylgerichtshof erachtet es des Weiteren im gegenständlichen Fall nicht für notwendig, die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes um zusätzliche (über bloße Zusatzbemerkungen oder Eventualausführungen hinausgehende) eigene Argumente zu ergänzen.

 

Nach der Rechtssprechung des VwGH widerspräche lediglich diese Notwendigkeit der Annahme eines hinreichend geklärten Sachverhaltes mit der Folge, dass von einer mündlichen Verhandlung nicht Abstand genommen werden dürfte (vgl. VwGH vom 30.9.2004,

 

Zl. 2001/20/0140).

 

II.3.9. Gemäß § 66 Abs.4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Auf die oben zitierte Bestimmung des § 23 ASylGHG, derzufolge die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, wird hingewiesen.

 

II.3.10. Der Beschwerdeführer hat den Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz am 27.5.2007 gestellt. Daher gelangen im gegenständlichen Verfahren die Bestimmungen des AsylG 2005 vollumfänglich zur Anwendung.

 

II.3.11. Zu Spruchpunkt I

 

Gemäß § 3 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK (idF des Art. 1 Abs.2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999,

 

99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4. 1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr -Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse

 

(vgl VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.2.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

 

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu

 

VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

 

Der Asylgerichtshof schließt sich unter Abstandnahme einer mündlichen Verhandlung der Beurteilung der belangten Behörde an und erachtet den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz als nicht asylrelevant im oben beschriebenen Sinn.

 

Ausgehend vom Wahrheitsgehalt seiner Angaben liegt gegenständlichem Vorbringen keine Asylrelevanz hinsichtlich einer unter die GFK zu subsumierenden Voraussetzungen zugrunde, da strafrechtliche Verfolgungshandlungen im gesetzlich vorgesehen Ausmaß, ohne Bezug zu GFK- relevanten Motiven, nicht als asylrelevante Verfolgung im Sinne des Gesetzes zu werten sind. Dass der Beschwerdeführer, wie selbst behauptet, einer lebenslangen Freiheitsstrafe ausgesetzt sei, kann in Hinblick auf das durch die Erstbehörde festgestellte Strafausmaß einer für diesen Fall verübten Mittäterschaft nicht angenommen werden. Insofern es überhaupt zu einer dahingehenden Anklage wegen Beihilfe zum Schwangerschaftsabbruch komme, werden die betroffenen Männer den einschlägigen Quellen zufolge in gleichem Ausmaß wie Frauen verurteilt, demgemäß bei Einwilligung zu einer siebenjährigen - nicht dreijährigen, wie das Bundesasylamt fälschlicherweise feststellt - Gefängnisstrafe. Bezugnehmend auf den im bekämpften Bescheid zitierten Amnesty International Bericht (auszugsweise aus ACCORD 2004) können Männer zudem in den meisten Fällen durch schlichte Leugnung, an der Abtreibung beteiligt gewesen zu sein, einer behördlichen Verfolgung entgehen.

 

Jedenfalls ist dem Bundesasylamt dahingehend zuzustimmen, dass dem Beschwerdeführer die zumutbare Möglichkeit offen gestanden wäre, sich in Lagos dauerhaft niederzulassen, um der behaupteten Verfolgung - sowohl seitens der Polizei als auch der Familie seiner verstorbenen Freundin - zu entkommen. Dem diesbezüglichen Vorhalt der belangten Behörde, aus welchem Grund er dies nicht in Betracht gezogen habe, trat er nicht in substantiierter Weise entgegen, sondern vermeinte schlicht, im Fernsehen sei über besagte Abtreibung berichtet worden, weshalb er nunmehr in ganz Nigeria polizeilich gesucht würde. Abgesehen von der gänzlichen Unglaubwürdigkeit dieser Behauptung bleibt anzumerken, dass er diese Information wiederum aus zweiter Hand - von seinem Freund in Lagos, bei welchem er die Woche bis zu seiner Ausreise verbracht habe - erhalten habe. Nach dem Dafürhalten des Asylgerichtshofes handelte es sich hierbei um eine spontane und als nicht glaubhaft zu qualifizierende Schutzbehauptung, welche in Ermangelung jeglicher Plausibilitätserwägungen nicht geeignet erscheint, um das Nichtvorliegen einer innerstaatlichen Relokationsmöglichkeit tatsächlich zu begründen.

 

Zu seinem eigentlichen fluchtursächlichen Vorbringen wird schließlich am Rande bemerkt, dass sich die Behauptungen des Beschwerdeführers insgesamt, in einer inhaltlichen Betrachtungsweise, als nicht nachvollziehbar erweisen. Seine Schilderungen bezüglich der unterschriftlichen Bestätigung beziehungsweise Genehmigung des Schwangerschaftsabbruchs erscheinen in Anbetracht der Illegalität des Eingriffs und des darüber herrschenden Bewusstseins als nicht plausibel. Ausgehend vom Umstand, dass der Arzt zwar entgegen gesetzlichen Bestimmungen - wissentlich - vorgehabt habe, eine strafbare Handlung zu begehen, trotzdem aber gefordert habe, den illegalen Vorgang schriftlich mit der Unterschrift des Beschwerdeführers festzuhalten, erweist sich aus Sicht des Asylgerichtshofes eine derartige Vorgehensweise als nicht mit den logischen Denkgesetzen in Einklang stehend, da die Intention einer verbotenen Handlung ja gerade darin liegt, nicht durch Beweise dieser Art untermauert zu werden; dies vor allem unter Berücksichtigung der in diesem Sinne widersprüchlichen Aussage des Beschwerdeführers, wonach der Arzt den besagten Vorfall auch geheim zu halten versucht habe.

 

Nur der Vollständigkeit halber ist auch auf seine zum Teil widersprüchlichen Aussagen anlässlich seiner bisherigen Einvernahmen im erstinstanzlichen Verfahren betreffend den zeitlichen Ablauf des Geschehens (unter anderem betreffend den Zeitpunkt der Abtreibung und der Verhaftung des Arztes) hinzuweisen, dem zur Folge somit in einer Gesamtschau der bereist oben erörterten Thematik der grundsätzlich fehlenden Asylrelevanz seines Vorbringens - unter Außerachtlassung seiner Glaubwürdigkeit - eine für die Gewährung von internationalem Schutz relevante Verfolgungsgefahr des Beschwerdeführers in seiner Heimat Nigeria nicht abgeleitet werden kann, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

 

II.3.12. Zu Spruchpunkt II

 

Gemäß § 8 Abs.1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder

 

Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Der Asylgerichtshof hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Beschwerdeführers in sein Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336).

 

Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

Im Sinne der Judikatur des EGMR und jener des darauf in seiner Rechtssprechung Bezug nehmenden VwGH - vgl. etwa VwGH vom 23.9.2004, Zl. 2004/21/0134 mit weiteren Nachweisen - hat die entsprechende Prüfung von Refoulementschutz dahingehend zu erfolgen, ob im Herkunftsstaat des Antragstellers eine derart extreme Gefahrenlage herrscht, dass praktisch jedem, der in diesen Staat abgeschoben wird, Gefahr für Leib und Leben in einem Maße droht, dass die Abschiebung im Lichte des Art. 3 EMRK unzulässig erschiene.

 

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den der Fremde abgeschoben werden soll, genügt nach der ständigen Rechtssprechung des VwGH (vgl. E. vom 1.7.1999, Zl. 97/21/0804; E. vom 9.5.2003,

 

Zl. 1998/18/0317) nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde.

 

Im Fall des Beschwerdeführers konnten keine derart exzeptionellen Umstände festgestellt werden, die der Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK gleichzuhalten wären.

 

Unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Beweisverfahrens kann nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in sein Herkunftsland einer existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein könnte, sodass die Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK bedeuten würde. Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen jungen Mann mit sehr guter Schulbildung, der gemäß seinen eigenen Angaben in Nigeria während den zwei Jahren vor seiner Ausreise als Textilienverkäufer tätig war. Die Deckung der existentiellen Grundbedürfnisse kann daher nach dem Dafürhalten des Asylgerichtshofes sowie aus den Feststellungen als gesichert angenommen werden, da bei einer Rückkehr nach Nigeria nichts gegen eine Wiederaufnahme seiner zuvor ausgeübten Tätigkeiten spricht.

 

Der Beschwerdeführer leidet an keiner lebensbedrohlichen Krankheit, welche einen weiteren Verbleib im Bundesgebiet rechtfertigen würde oder seine Rückführung nach Nigeria im Lichte des Art. 3 EMRK als unzulässig erscheinen ließe.

 

Überdies leben noch andere enge Familienmitglieder des Beschwerdeführers - insbesondere seine Eltern und sein Bruder - in Nigeria, weshalb auch einer Wiederaufnahme in den Familienverband aus Sicht des Asylgerichtshofes nichts im Wege steht.

 

Der Beschwerdeführer behauptet oder bescheinigt auch keinen sonstigen auf seine Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand", der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG darstellen könnte.

 

Für den Asylgerichtshof ergeben sich in gegenständlichem Verfahren somit keine Gründe, die unter dem Gesichtpunkt des Art. 3 EMRK die Annahme rechtfertigen würden, dass eine Außerlandesbringung eine unmenschliche Behandlung oder Strafe darstelle, oder die in Nigeria vorherrschende allgemeine Sicherheitslage sich als derart schlecht erwiese, dass jedem, der in dieses Land ausgewiesen wird, eine Gefahr für Leib und Leben in einem

 

Art. 3 EMRK überschreitenden Ausmaß drohen würde.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

II.3.13. Zu Spruchpunkt III

 

Gemäß §10 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen unzulässig, wenn dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Im konkreten Fall kommt dem Beschwerdeführer weder ein solches Aufenthaltsrecht zu, noch konnte festgestellt werden, dass der Genannte im Fall seiner Ausweisung in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Privat- und Familienleben verletzt würde.

 

In diesem Zusammenhang ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer seit Mai 2007 in Österreich aufhältig ist und während dieses kurzen Aufenthaltes keinerlei Verfestigungs- oder Integrationstatbestände verwirklicht wurden, sondern er vielmehr wegen eines Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz zu einer rechtskräftigen Freiheitsstrafe verurteilt und über ihn ein unbefristetes Rückkehrverbot verhängt wurde.

 

Ein in Österreich bestehendes Familienleben konnte vom Asylgerichtshof weder festgestellt werden, noch wurde das Bestehen eines solchen vom Beschwerdeführer selbst behauptet.

 

Es liegen daher insgesamt betrachtet keine Gründe im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG vor, die einer Ausweisung entgegenstehen. Die Ausweisungsentscheidung der belangten Behörde steht somit in Einklang mit den gesetzlichen Voraussetzungen und war somit zu bestätigen.

 

II.4. Die öffentliche Verkündung des Erkenntnisses hatte gemäß § 67g Abs. 2 Z. 1 AVG zu entfallen.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, innerstaatliche Fluchtalternative, Interessensabwägung, Lebensgrundlage, mangelnde Asylrelevanz, non refoulement, soziale Verhältnisse, strafrechtliche Verfolgung, strafrechtliche Verurteilung, Straftatbestand
Zuletzt aktualisiert am
05.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten