TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/17 A1 245204-0/2008

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Veröffentlicht am 17.11.2008
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Spruch

A1 245.204-0/2008/18E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Andreas Druckenthaner als Vorsitzenden und den Richter Dr. Christian Filzwieser als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Frau Ines Csucker über die Beschwerde des E. alias O. alias B.R. alias M. alias E.R., geb. 00.00.1987 alias 00.00.1982, StA. Marokko, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.11.2003, GZ. 03 27.470-BAI, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 7 AsylG 1997 idF BGBl Nr. 126/2002 als unbegründet abgewiesen.

 

II: In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid in Spruchpunkt II behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

Die beschwerdeführende Partei begehrte am 10.09.2003 die Gewährung von Asyl.

 

Am 05.11.2003 wurde der Beschwerdeführer beim Bundesasylamt zu seinem Asylantrag niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen Folgendes an:

 

Aufforderung: Beschreiben Sie im Wesentlichen Ihren Fluchtweg ab Verlassen Ihres Heimatlandes bis zu Ihrer Ankunft in Österreich!

 

Antwort: Ich bin versteckt in einem LKW, welcher auf ein Frachtschiff geladen wurde, von Marokko, C., in eine Hafenstadt in Spanien gefahren. In Spanien habe ich mich 3 Jahre lang aufgehalten und habe auf der Straße gelebt. Danach bin ich nach Deutschland gefahren. Ich war wieder in einem LKW versteckt. In Deutschland habe ich ca. 6 Monate in einem Heim gelebt. Da ich gesehen habe, dass mir in Deutschland nicht geholfen wird, bin ich mit dem Zug nach Italien gereist. In Italien habe ich ca. 2 Jahre gelebt. Ich war eigentlich in den meisten italienischen Städten wie Rom, Mailand, Verona, Neapel usw. Dort habe ich auf der Straße gelebt, sowie ab und zu in verlassenen Häusern. Von ein paar Leuten wurde mir dann empfohlen, dass ich meine Probleme den österreichischen Behörden erzähle, da ich noch jung sei und mir sicher geholfen wird. Deshalb fuhr ich mit einem Kollegen, der nach Deutschland fuhr, mit einem Zug von Italien nach Österreich. Ich wollte mich in Österreich zur Polizei begeben, um dort meine Probleme zu erzählen. Zufällig wurde ich auf der Zugfahrt von der Polizei kontrolliert.

 

Frage: Wo in Österreich wollten Sie denn zur Polizei gehen?

 

Antwort: Es war eigentlich egal, Hauptsache in Österreich.

 

Frage: Was wollten Sie der Polizei erzählen?

 

Antwort: Eigentlich wollte ich ihnen meine Geschichte erzählen, damit ich eine Unterkunft und Essen bekomme. Das hat es in Spanien bzw. Italien nicht gegeben.

 

Vorhalt: Sie wurden am 19.06.2003 von der AGM Kufstein in Jenbach kontrolliert. Wenn Sie wirklich in Österreich zur Polizei gehen wollten, dann hätten Sie den Zug bereits in Innsbruck verlassen. Ihr Wille, sich in Österreich bei der Polizei zu melden, ist deshalb nicht glaubhaft. Was sagen Sie dazu?

 

Antwort: Ich habe nicht mitbekommen, dass der Zug schon solange auf österreichischem Gebiet gefahren ist und wir schon so nahe an der deutschen Grenze sind.

 

Vorhalt: Sie haben vor den Beamten der AGM Kufstein eine andere Identität angegeben, als Sie es jetzt tun. Warum haben Sie das gemacht? Erklären Sie das.

 

Antwort: Ich habe vor lauter Angst, dass ich ins Gefängnis komme, eine falsche Identität angegeben. Als ich merkte, dass ich nicht ins Gefängnis komme, habe ich die Wahrheit gesagt.

 

Frage: Wie lautet der Name des Heimes, in welchem Sie 6 Monate gelebt haben?

 

Antwort: Wie das Heim heißt, weiß ich nicht. Es war in M.. Es war ein Heim für Jugendliche. In Deutschland habe ich auch einen anderen Namen angegeben, als hier in Österreich.

 

Frage: Welchen Namen haben Sie in Deutschland verwendet?

 

Antwort: C.S., sowie das gleiche Geburtsdatum wie ich hier angegeben habe. Als Staatsbürgerschaft habe ich Algerien angegeben.

 

Frage: Haben Sie jemals zuvor in einem anderen Land einen Asylantrag gestellt?

 

Antwort: Ich habe nirgendwo einen Asylantrag gestellt. In Deutschland wurde ich zwar fotografiert, aber von Asyl war noch keine Rede. Fingerabdrücke wurden von mir nicht abgenommen.

 

............

 

Frage: Warum haben Sie nicht bereits in einem anderen Land um Asyl angesucht?

 

Antwort: In Italien und Spanien hat man keine Chance, Asyl zu bekommen. In Deutschland haben mir die Polizisten erzählt, ich könne höchstens ein paar Monate hier bleiben. Ich hätte keine Papiere und deshalb würden sie mich abschieben.

 

Frage: Sie wurden am 19.06.2003 von der AGM Kufstein kontrolliert. Ihren Asylantrag haben Sie erst am 10.09.2003 gestellt. Erklären Sie das.

 

Antwort: Ich selbst hatte keine Ahnung von Asyl. Irgendjemand, ein Araber, hat mir dann von Asyl erzählt.

 

Anmerkung von Herrn G.:

 

Die JWF hat bereits Kontakt mit der Familie in Marokko aufgenommen, um eine Rückführung nach Marokko zu organisieren. Nach einem Telefonat mit dem Vater und der Schwester des AW konnte festgestellt werden, dass die Familie des AW jedoch nichts mehr mit diesem zu tun haben möchte und auch nicht für eine Rückführung des AW nach Hause ist. Um Zeit zu gewinnen und seinen Aufenthalt in Österreich zu sichern, wurde der AW angewiesen, einen Asylantrag zu stellen.

 

Angaben zum Fluchtgrund:

 

Aufforderung: Schildern Sie die Gründe, die Sie zur Flucht aus Ihrem Heimatland veranlasst haben!

 

Antwort (freie Erzählung):

 

Ich war damals 7 Jahre alt und habe als Hilfsarbeiter in einer Schlosserei gearbeitet. Wir waren zu zweit immer auf dem Heimweg unterwegs. Wir wurden öfters von einem Mann belästigt und er hat uns auch öfters den Lohn weggenommen, den wir verdienten.

 

Einmal hat dies ein anderer Jugendlicher beobachtet und wollte uns helfen. Er hat mit einem Stein auf den Kopf dieses Mannes geschlagen. Der Mann wurde am Kopf verletzt, ist aber nicht gestorben. Dieser Jugendliche ist danach weggelaufen. Wir sind auch weggegangen und zu Hause wurden wir von der Polizei abgeholt. Uns wurde Mordversuch an diesem Mann vorgeworfen und wir wurden in eine Jugendanstalt gesteckt, wo wir bis zu unserem 18. Lebensjahr bleiben hätten müssen und dann wäre die Gerichtsverhandlung gewesen.

 

Der Mann, der uns immer belästigte, war der Sohn des Polizeichefs in meinem Viertel. Als ich in der Jugendanstalt war, wurde ich öfters von dem Polizeichef geschlagen und verletzt. Das war fast tagtäglich und ich habe mir gedacht, solange halte ich das nicht aus. Nach 2 Jahren Aufenthalt bin ich aus der Anstalt geflüchtet.

 

In der Stadt wo wir waren, haben wir gebettelt und so konnte ich mit dem erbettelten Geld nach C. fahren, von wo aus ich nach Spanien gefahren bin. Ich habe auch von meinen Eltern dass die Polizei öfters bei uns zu Hause nach mir gefragt hat. Die Stadt in der die Jugendanstalt war heißt A. und die Anstalt hieß "XX".

 

(Ende der freien Erzählung)

 

Frage: Haben Sie, außer dem bisher vorgebrachten Sachverhalt, weitere Gründe Ihrer Flucht vorzubringen?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Sind Sie in Ihrem Heimatland vorbestraft?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Haben Sie in Ihrem Heimatland strafbare Handlungen begangen?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Sind oder waren Sie jemals Mitglied einer politischen Partei?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Waren Sie, außerhalb einer politischen Partei, in Ihrem Heimatland jemals politisch aktiv?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Hatten Sie in Ihrem Heimatland jemals Probleme mit der Polizei, einem Gericht oder einer anderen staatlichen Behörde?

 

Antwort: Außer dem bereits erwähnten hatte ich keine Probleme.

 

Frage: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Rasse, Religion, politischen Gesinnung, Nationalität oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt?

 

Antwort: Nein, ich wurde nie verfolgt.

 

Frage: Was befürchten Sie für den Fall Ihrer Rückkehr in Ihr Heimatland?

 

Antwort: Ich war in einer Jugendanstalt und bin von dort geflüchtet. Die Zeit, in der ich nicht dort war, würde mir angerechnet werden. Außerdem würde ich noch vor ein Gericht gestellt werden. Also würde ich lebenslänglich ins Gefängnis kommen.

 

Frage: Wie hat dieser Mann geheißen, der von einem Jugendlichen verletzt wurde?

 

Antwort: F.M..

 

Frage: Wie hat der Jugendliche geheißen, der diesen Mann verletzte?

 

Antwort: Das weiß ich nicht.

 

Frage: Wie hieß der Vater des Mannes, der angebliche Polizeichef Ihres Viertels?

 

Antwort: F.H..

 

Frage: Wann genau wurden Sie von der Polizei verhaftet?

 

Antwort: Im Oktober, ich war 7 Jahre alt. Das Jahr kann ich nicht mehr sagen. Ich vermute 1996.

 

Frage: Was wurde Ihnen von der Polizei vorgeworfen?

 

Antwort: Mir wurde Mordversuch vorgeworfen. Außerdem wurde mir noch vorgeworfen, dass ich die Wohnung dieses Mannes beraubt hätte.

 

Frage: Welche Verletzungen hatte dieser F.M.?

 

Antwort: Es war keine aufregende Verletzung, nichts aufregendes.

 

Frage: Wurden Sie einem Richter vorgeführt?

 

Antwort: Ja.

 

Frage: Kam auch der andere Junge, der mit Ihnen zusammen als Hilfsarbeiter gearbeitet hat, in die Jugendanstalt?

 

Antwort: Ja. Auch dieser Junge kam dahin. Er ist zusammen mit mir geflüchtet. Ich glaube, dass er jetzt in England ist. Er heißt M.B..

 

Frage: Warum wollen Ihre Eltern nichts mehr mit Ihnen zu tun haben?

 

Antwort: Ich weiß es selbst auch nicht. Vielleicht deshalb, weil man mir vorgeworfen hat, dass ich die Wohnung des Mannes ausgeraubt hätte und mein Vater gesagt hat, dass er mit einer solchen Person nichts zu tun haben will.

 

Frage an den Vertreter: Haben Sie noch eine Frage oder etwas vorzubringen?

 

Antwort: Ich beantrage mir eine angemessene Frist zu gewähren, damit das Ergebnis meiner Anfrage aus Marokko einlangen kann und ich dieses dem Bundesasylamt in Vorlage bringen kann. Bei den Erhebungen geht es darum, dass wir bei der Jugendanstalt in Marokko eine Anfrage gestellt haben.

 

Belehrung: Ihnen wird eine Frist von zwei Wochen gewährt, um das Ergebnis der Anfrage bei der ho Behörde in Vorlage zu bringen. Sind Sie damit einverstanden?

 

Antwort: Ja.

 

Frage: Die Befragung wird hiermit beendet. Wollen Sie sonst noch etwas vorbringen, was Ihnen von Bedeutung erscheint?

 

Antwort: Nein, ich habe alles gesagt.

 

............

 

Der Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.11.2003, GZ. 03 27.288-BAW gemäß § 7 AsylG 1997 idF BGBl Nr. 126/2002 abgewiesen und gemäß § 8 AsylG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Gambia zulässig ist.

 

Zur Person des Asylwerbers traf das Bundesasylamt folgende Feststellungen:

 

Ihre Identität konnte nicht festgestellt werden.

 

Sie sprechen die arabische Sprache.

 

Es konnte nicht zweifelsfrei festgestellt werden, über welches Land Sie nach Österreich eingereist sind. Fest steht, dass Sie illegal auf österreichisches Bundesgebiet gelangt sind.

 

Fest steht, dass Ihnen im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme eine Frist von zwei Wochen (bis 19.11.2003) eingeräumt wurde, um beim Bundesasylamt Beweismittel in Vorlage zu bringen.

 

Fest steht weiters, dass Sie innerhalb dieser Frist keine Beweismittel in Vorlage gebracht haben.

 

Fest steht aufgrund Ihrer Angaben, dass Sie in Ihrer Heimat nicht vorbestraft sind.

 

Als Ausreisegrund haben Sie vorgebracht, dass Sie fälschlich beschuldigt worden wären einen Mann mit einem Stein niedergeschlagen zu haben. Sie wären deshalb in eine Art "Jugendheim" eingewiesen worden.

 

Zur Situation im Herkunftsland traf das Bundesasylamt folgende Feststellungen:

 

Marokko (amtliche arabische Bezeichnung Al Mamlaka al Maghribijja), Erbmonarchie in Nordafrika, deren Staatsgebiet im Norden an das Mittelmeer, im Osten und Südosten an Algerien, im Süden an die Westsahara und im Westen an den Atlantik grenzt.

 

Die südöstliche Landesgrenze in der Wüste Sahara ist nicht genau definiert. Die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla an der Mittelmeerküste sind von marokkanischem Staatsgebiet umgeben. Einige kleine Inseln vor der Nordküste des Landes sind ebenfalls Besitzungen Spaniens. Von 1912 bis 1956 war Marokko selbst in französische und spanische Protektoratsgebiete aufgeteilt. Das heutige Staatsgebiet umfasst eine Fläche von 453.730 Quadratkilometern. Seit 1979 hält Marokko die angrenzende Westsahara (früher Spanisch-Sahara) besetzt. Marokko (ohne Westsahara) erstreckt sich von Südwesten nach Nordosten über rund 1.300 Kilometer; die maximale West-Ost-Ausdehnung beträgt etwa 750 Kilometer.

 

Die Einwohnerzahl Marokkos beträgt etwa 30,6 Millionen. Daraus ergibt sich eine Bevölkerungsdichte von 67 Einwohnern pro Quadratkilometer (2001). Die Wachstumsrate beträgt 1,71 Prozent (2001 geschätzt). Die Bevölkerung ist sehr ungleich über das Land verteilt. Auf etwa 10 Prozent der Landesfläche im Westen und Nordwesten leben rund zwei Drittel aller Einwohner. Die ursprünglichen Bewohner Marokkos waren Berber, etwa drei Viertel aller heutigen Marokkaner stammen von ihnen ab. Die zweitgrößte Gruppe bilden die Araber, die vor allem in den größeren Städten leben. Es kommt häufig zu Eheschließungen zwischen Arabern, Berbern und den wenigen Schwarzafrikanern, den Nachkommen ehemaliger Sklaven. In Marokko leben derzeit annähernd 60 000 Europäer, die meisten von ihnen sind Franzosen. Die etwa 7 000 im Land verbliebenen Juden (1952 lebten in Marokko noch 218 000) sind größtenteils Nachkommen von Familien, die bereits seit Jahrhunderten in der Gegend wohnen. Die Urbanisierungsrate Marokkos liegt bei 55 Prozent. In der von Marokko besetzten Westsahara leben 250 559 Menschen (2001).

 

Der Islam ist die Staatsreligion des Landes. Fast die gesamte muslimische Bevölkerung gehört der sunnitischen Glaubensrichtung an. Staatsoberhaupt und oberste muslimische Autorität des Landes ist der König. Ungefähr 1 Prozent der Bevölkerung bekennt sich zum Christentum (überwiegend zur römisch-katholischen Kirche).

 

Die Amtsprache ist Arabisch. Französisch ist nach wie vor als Bildungs- und Handelssprache von großer Bedeutung. Das marokkanische Arabisch wird Derija genannt (wörtlich "Dialekt"). Derija, das sich stark vom klassischen Arabisch unterscheidet, wird von den meisten arabischen Marokkanern gesprochen. Fast 35 Prozent der Bevölkerung sprechen verschiedene Berberdialekte. Die verbreitetsten Dialekte sind: Tashilhayt, das im Hohen Atlas und dem Souss-Tal gesprochen wird, Tarifit, das in der Er Rif-Region verbreitet ist und Tamazight, das im Mittleren Atlas zu hören ist. Der arabische Dialekt Hasaniya wird um Guelmim im Süden des Landes und auch in der Westsahara gesprochen. In den ehemaligen spanischen Küstengebieten um Tanger und Sidi Ifni ist Spanisch noch verbreitet.

 

Das Gesundheitswesen ist in den Städten im Vergleich zu anderen afrikanischen Staaten gut entwickelt, während die medizinischen Versorgungseinrichtungen in den ländlichen Gegenden immer noch unzureichend sind. Aufgrund der hohen Jugendarbeitslosigkeit wandern viele männliche Jugendliche in europäische Länder aus. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei 69,4 Jahren (2001).

 

Marokko ist seit 1972 eine parlamentarische Monarchie und wird gemäß der 1992 per Gesamtreferendum verabschiedeten und im September 1996 letztmals ergänzten Verfassung regiert.

 

A. Exekutive

 

Der Monarch, der laut Verfassung männlich sein muss, ist das Staatsoberhaupt von Marokko und ernennt den Premierminister und das Regierungskabinett. Er ist zur Auflösung der Legislative berechtigt, kann durch sein Veto die Revision von Gesetzeserlassen bewirken und ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte.

 

B. Legislative

 

Seit 1997 gibt es in Marokko ein Zweikammerparlament; die 325 Mitglieder der ersten Kammer, des Parlaments, werden direkt gewählt, die 270 Abgeordneten des Senats werden in indirekter Wahl von Kommunen, Regionen, Berufsverbänden und Gewerkschaften bestimmt.

 

C. Judikative

 

Die höchste Instanz des Gerichtswesens ist das Oberste Gericht mit Sitz in Rabat. Es gibt in Marokko 15 Berufungsgerichte. Klagen, die lediglich geringere Geldsummen zum Gegenstand haben, werden vor kommunalen Tribunalen verhandelt, während wichtigere Fälle von Regionalgerichten bearbeitet werden. Marokko verfügt außerdem über 14 Arbeitsgerichte.

 

D. Kommunalverwaltung

 

Marokko ist in 16 Regionen mit 43 Präfekturen gegliedert; die besetzte Westsahara umfasst vier Provinzen. Den Regionen stehen Gouverneure vor, die vom König ernannt werden und deren Amtszeit willkürlich von der zentralen Nationalregierung bestimmt wird. Jede Provinz ist in cercles gegliedert, diese wiederum in so genannte circonscriptions (Wahlkreise).

 

E. Politik

 

Marokko verfügt über ein Mehrparteiensystem. Bei den vergangenen Parlamentswahlen standen sich zwei Blöcke gegenüber. Der Wifaq-Block besteht u. a. aus Union Constitutionelle (UC), Mouvement Populaire (MP; Berber- und Bauernpartei) und Mouvement Nationale Populaire (MNP); der Koutla-Block umfasst u. a. Union Socialiste des Forces Populaires (USFP), Istiqla (I, eine gemäßigte Gruppierung) und Parti Progrès du Socialisme (PPS). Stärkste der weiteren Parteien ist der Rassemblement National des Indépendents (RNI).

 

F. Verteidigung

 

Für Männer besteht in Marokko eine allgemeine Wehrpflicht von 18 Monaten. Den Streitkräften gehören 198 500 Soldaten an (1999).

 

G. Neuere Entwicklungen

 

Bei den Parlamentswahlen von 1993 konnte eine Mitte-rechts-Koalition die meisten Stimmen auf sich vereinen, ohne jedoch die Mehrheit im Parlament zu erlangen. König Hassan bot den Oppositionsparteien eine Regierungsbeteiligung an, allerdings nur mit beschränkten Vollmachten. Dies lehnte die Opposition ab, woraufhin Hassan im November 1993 ein Kabinett ernannte, das sich großteils aus parteiunabhängigen Fachleuten zusammensetzte. Schon im Februar 1995 sah sich Hassan zu einer Umbildung der Regierung veranlasst, nachdem sich der Konflikt zwischen Opposition und König um eine Regierungsbeteiligung bzw. die Besetzung der Regierung überhaupt verschärft hatte. In die neue Regierung wurden auch einige Repräsentanten der rechten Parteien berufen; Premierminister blieb der parteilose Abdellatif Filali, Innenminister der umstrittene Driss Basri, dessen Entlassung die Opposition mit Nachdruck gefordert hatte. Im Februar 1996 wurde ein Assoziierungsprogramm mit der Europäischen Union (EU) unterzeichnet.

 

Im September 1997 erzielten Marokko und die Befreiungsfront Polisario im Konflikt um die Westsahara unter Vermittlung des früheren US-Außenministers James Baker einen Kompromiss. Beide Seiten einigten sich in Houston (im US-Bundesstaat Texas) auf die Rahmenbedingungen für ein Referendum über die Zukunft der ehemaligen spanischen Kolonie. In dem für Ende des Jahres 1998 angestrebten Plebiszit sollten die Wähler zwischen der Unabhängigkeit und einem Anschluss an Marokko entscheiden können. Lange Zeit blockierte die Streitfrage nach der Größe der Wählerschaft der Westsahara die Verhandlungen. Die Regierung in Rabat verlangte, auch 125 000 aus Marokko zugewanderten Siedlern das Stimmrecht zu gewähren, deren Votum sie sich sicher sein konnte. Die Befreiungsfront berief sich auf den letzten Zensus der spanischen Kolonialbehörden aus dem Jahr 1974 und ermittelte eine Zahl von rund 75 000 Wahlberechtigten, von denen die meisten in von der Polisario geleiteten Flüchtlingslagern nahe dem algerischen Ort Tindouf leben. Beide Konfliktparteien einigten sich nun auf eine Zahl von rund 80 000 Wählern.

 

Aus den ersten freien Parlamentswahlen in Marokko im November 1997, bei denen alle Abgeordnete direkt gewählt wurden, ging das oppositionelle Mitte-links-Bündnis des Koutla-Blocks mit knapper Mehrheit als stärkste Kraft vor dem bisherigen rechtskonservativen Regierungsbündnis (Wifaq-Block) und den Parteien des Zentrums hervor. Mit der Regierungsbildung beauftragte König Hassan II. Anfang Februar 1998 Abderrahman Youssoufi von der Union Socialiste des Forces Populaires (Sozialistische Union der Volkskräfte, USFP), der stärksten Einzelpartei im neuen Parlament. Damit gelangte zum ersten Mal in einem arabischen Land die Opposition auf demokratischem Wege an die Regierung, und zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit 1956 übernahm in Marokko ein Politiker einer Links-Partei das Amt des Ministerpräsidenten.

 

Nach langen Verhandlungen sowohl mit dem König als auch mit den anderen im Parlament vertretenen Gruppierungen stellte Youssoufi im März 1998 schließlich sein Kabinett vor, dem auch einige Mitglieder der alten Wifaq-Regierung angehörten, u. a. Driss Basri, enger Vertrauter des Königs, als Innenminister; außerdem behielten der Außen-, der Justiz-, der Religions- und der Verteidigungsminister ihre Ämter. Die Lösung des Westsahara-Problems blieb das vordringliche Ziel auch der neuen Regierung. Einem von den Vereinten Nationen für Dezember 1999 vorgeschlagenen Referendum stimmte die Regierung im November 1998 allerdings nicht zu.

 

Am 23. Juli 1999 starb König Hassan II., sein ältester Sohn Mohammed VI. wurde zum Nachfolger proklamiert. Gleich zu Beginn ließ der Thronfolger umfangreiche Amnestien durchführen und eine Kommission errichten, die sich mit der Entschädigung willkürlich Inhaftierter sowie für Familien von Verschleppten befassen soll. Am 9. November 1999 entließ der Monarch Innenminister Basri, dem bis dahin Marokkos Geheim- und Sicherheitsdienste unterstanden.

 

Anfang September 2000 führte der König eine Regierungsumbildung durch. Die parteipolitische Zusammensetzung des neuen Kabinetts blieb unverändert, allerdings verringerte sich die Zahl der Minister und Staatssekretäre von 42 auf 33. Regierungschef Youssoufi behielt sein Amt. Al-Fassi, ehemaliger Generalsekretär der Partei Istiqlal und schärfster Kritiker Youssoufis, wurde zum Arbeitsminister ernannt. Das Finanzministerium erhielt zusätzlich die Zuständigkeiten über Tourismus, Außenhandel und Privatisierungen. Die Fischerei wurde aus dem Landwirtschaftsressort ausgegliedert. Die Ressorts für Innen- und Außenpolitik sowie für Justiz und Religion blieben unverändert.

 

Quelle: "Marokko". Microsoft(r) Encarta(r) Online-Enzyklopädie 2002, http://encarta.msn.de (4 Feb. 2002).

 

Beweiswürdigend führte das Bundesasylamt Folgendes aus:

 

Hinsichtlich Ihrer Person sind Sie mangels Vorlage eines Personaldokuments zum Nachweis Ihrer Identität nicht glaubwürdig.

 

Aufgrund Ihrer Sprache und Ihrer allgemeinen Kenntnisse über Marokko geht die Behörde davon aus, dass Sie aus Marokko stammen und Staatsbürger von Marokko sind.

 

Ihre Angaben zum Reiseweg waren irgendwie denkmöglich und daher auch glaubwürdig.

 

Geglaubt wird Ihnen weiters, dass Sie in Ihrer Heimat nicht vorbestraft sind und keinem den in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Gründen verfolgt wurden.

 

Ihre Angaben zum Ausreisegrund waren denkmöglich und daher auch glaubwürdig.

 

Nicht nachvollziehbar war Ihre Behauptung, dass Sie im Falle einer Rückkehr in Ihre Heimat vor ein Gericht gestellt und zu lebenslanger Haft verurteilt werden würden, weil nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht davon auszugehen ist, dass eine Person die einer Straftat verdächtig ist bis zu Ihrem 18. Lebensjahr angehalten und anschließend für eine Tat zu lebenslänglicher Haft verurteilt wird.

 

Rechtlich führte das Bundesasylamt nach Anführung der angewandten Gesetzesbestimmungen folgendes aus:

 

Zu Spruchpunkt I.

 

.......

 

Die gegen Sie gesetzten oder von Ihnen befürchteten Maßnahmen sind nicht geeignet, eine Asylgewährung zu bewirken, ist für eine solche doch Voraussetzung, dass die Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt. Der von Ihnen als Fluchtgrund vorgebrachte Sachverhalt steht mit keinem dieser Konventionsgründe im Zusammenhang und haben Sie dies auch selbst bestätigt.

 

Soweit Sie vorgebracht haben, in Ihrem Heimatland Verfolgungsmaßnahmen befürchtet zu haben, bzw. solchen ausgesetzt gewesen zu sein, so standen diese lediglich im Zusammenhang mit dem Verdacht der Begehung einer strafbaren Handlung. Ein Einschreiten staatlicher Behörden ist in einem solchen Fall nicht als Verfolgung anzusehen, weil es sich hierbei um Schritte zur Aufklärung eines allgemein strafbaren Deliktes handelt, was keinem der oben erwähnten Konventionsgründen entspricht (vgl. Erkenntnis d. VwGH vom 25.05.1994, Zl.94/20 /0053).

 

Dass die gegen Sie erhobenen Beschuldigungen aber etwa lediglich als Vorwand genommen worden wären, um Ihnen z. B. aus politischen Interessen habhaft zu werden, oder dass Sie aus sonstigen in der GFK angeführten Gründen Verfolgung zu befürchten gehabt hätten, haben Sie ebenso wenig behauptet, wie, dass Sie aufgrund des Vorliegens solcher Gründe mit einem unfairen Verfahren oder mit einer strengeren Bestrafung hätten rechnen müssen. Allein der Umstand, dass aufgrund eines bestimmten Sachverhaltes ein bestimmter Personenkreis in behördlichen Ermittlungen einbezogen wird bzw. werden könnte, kann aber nicht bewirken, dass ein diesem Personenkreis angehörender Verdächtiger begründete Furcht vor Verfolgung aus den in der angeführten Gesetzesstelle aufgezählten Gründen mit Aussicht auf Erfolg geltend machen kann. Vielmehr wäre es an Ihnen gelegen, sich dem gegen Sie erhobenen Vorwurf kriminellen Handelns zu stellen und diesen zu entkräften.

 

Daher kann Ihr Vorbringen, Sie wären fälschlich beschuldigt worden, die Gewährung von Asyl nicht rechtfertigen. Es kann jedem Bürger eines jeden Staates jederzeit widerfahren, wegen falschen Verdachtes in ein Straf- bzw. Ermittlungsverfahren einbezogen zu werden. Es ist Ihnen zuzumuten, Ihre Unschuld vor den zuständigen Gerichten zu beweisen.

 

Das Bundesasylamt gelangt nach eingehender rechtlicher Würdigung zur Ansicht, dass es nicht glaubhaft ist, dass Ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung droht und ist Ihr Asylantrag aus diesem Grund abzuweisen.

 

Zu Spruchpunkt II.

 

......

 

Mit Ihren Rückkehrbefürchtungen, Sie würden zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt werden, vermochten Sie nicht glaubhaft zu machen, dass Sie für den Fall Ihrer Rückkehr nach Marokko einer Bedrohung oder drohenden Gefahr im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG ausgesetzt wären.

 

Für das Vorliegen einer Bedrohung im Sinne des § 57 FrG ist es aber erforderlich, dass der Asylwerber konkret und in sich stimmig solche Gefahren vorbringt.

 

Bei Ihren Rückkehrbefürchtungen handelt es sich um eine in den Raum gestellte Behauptung bzw. eine Vermutung und damit um subjektiv empfundene Furcht, die von Ihnen durch keinerlei objektive objektive Beweise untermauert werden konnte, weshalb Ihre Rückkehrbefürchtungen mangels Individualisierung und Konkretisierung auch nicht objektivierbar waren.

 

Objektive Tatsachen, die Ihre geäußerten Besorgnisse zu erhärten vermochten, liegen aber in Ihrem Fall nicht vor.

 

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist das Feststehen der Identität Voraussetzung für die Glaubhaftmachung einer aktuellen Gefährdung oder Bedrohung des Antragstellers (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 21.2.1997, Zl. 97/18/0061). Ihre Identität konnte weder festgestellt werden, noch vermochten Sie Ihre Identität nachzuweisen oder auf andere geeignete weise glaubhaft zu machen.

 

Nachdem Sie selbst angegeben haben, in Ihrer Heimat nicht vorbestraft zu sein und eine staatliche Verfolgung aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Gründen selbst dezidiert verneint haben, gelangt die Behörde zur Ansicht, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestehen, dass Sie im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Gefahr liefen, in Marokko einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden, womit festzustellen war, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung zulässig ist.

 

Über die fristgerecht erhobene Beschwerde hat der Asylgerichtshof in nicht öffentlicher Sitzung wie folgt erwogen:

 

Anzuwenden war gegenständlich gemäß § 75 Abs 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF 2008/4, in Verbindung mit § 44 Abs 1 AsylG 1997 idF BGBl. I 2003/101 das AsylG in der Fassung BGBl. I 2002/126, da der Beschwerdeführer den Antrag auf Gewährung von Asyl am 17.12.2001 gestellt hat.

 

Gemäß § 9 Abs 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist.

 

Gemäß § 60 Abs 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter.

 

Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt sowie gemäß § 11 Abs 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet, durch einen Kammersenat.

 

Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch für die Entscheidung durch den Kammersenat vor, sodass Senatszuständigkeit gegeben ist.

 

In der Sache selbst:

 

Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst.

 

Der Asylgerichtshof als Berufungsinstanz schließt sich oben angeführten Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Die Beschwerdeausführungen sind nicht geeignet, um zu einem vom Bundesasylamt abweichenden Ergebnis zu gelangen.

 

Zu Spruchpunkt I.

 

Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen oder er staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 23.09.1998, 98/01/0224). Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (vgl. zur der Asylentscheidung immanenten Prognose VwGH 09.03.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.03.1999, 98/01/0352).

 

Der Beschwerdeführer lässt zunächst den § 7 Ausspruch des erstinstanzlichen Bescheides und die damit zusammenhängende Begründung gänzlich unbekämpft.

 

Im Gegenteil:

 

Vom gesetzlichen Vertreter des Beschwerdeführers wurden mehrmalige Versuche unternommen mit der Familie des Jugendlichen Kontakt aufzunehmen, um eine Rückkehr des Jugendlichen in die Wege zu leiten. Dieses scheiterte offensichtlich deshalb, weil die Familie des Beschwerdeführers mit dem Beschwerdeführer - offensichtlich aufgrund der im Bescheid angeführten strafrechtlichen Vorkommnisse in Marokko - nichts mehr mit dem Beschwerdeführer zu tun haben wollte.

 

Dass im gegenständlichen Fall offensichtlich nicht Konventionsgründe zur Diskussion stehen, sondern gleichfalls wie in Marokko strafbestandsgemäßes Verhalten zur Prüfung ansteht, zeigen die rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet vom 14.04.2005 wegen der §§ 83/1, 15 105/1, 125 297/1 (2.Fall) StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 9 Monaten und am 27.01.2006 wegen der §§ 127, 129/1, 131, 15 83/1, 84/1, 125 StGB und § 27/1 Suchmittelgesetz zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten.

 

Der Beschwerdeführer hat also in Marokko ein Strafverfahren wegen des Verdachtes der Begehung von Mord und Raub zu befürchten . Diese vom Beschwerdeführer angeführten und ihm vorgeworfenen Straftatbestände wurden von ihm nicht einmal ansatzweise mit einem in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ angeführten Grund in Verbindung gebracht. Sohin war zunächst der § 7 Ausspruch des Bundesasylamtes zu bestätigen.

 

Zu Spruchpunkt II.

 

Gemäß § 66 Abs 2 AVG kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid erheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an einen Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

 

Gemäß Abs 3 leg cit kann die Berufungsbehörde die mündliche Verhandlung und unmittelbar Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 66 Abs 2 in Asylangelegenheiten erging zum Zeitpunkt des Bestehens des Vorläufers des Asylgerichtshofes, des unabhängigen Bundesasylsenates, ist aber auch für den Asylgerichtshof maßgebend:

 

Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren eingerichtet und hat in diesen Verfahren bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln. Es ist nicht im Sinne des Gesetzgebers, wenn die Berufungsbehörde jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht und somit ihre umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Dies spricht auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich bei derselben Behörde enden soll, für ein Vorgehen nach § 66 Abs 2 AVG.

 

Dem angefochtenen Bescheid liegt ein qualifiziert mangelhaftes Ermittlungsverfahren zugrunde, wodurch es nicht möglich war, das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Frage der Abschiebungszulässigkeit korrekt zu beurteilen und zu würdigen und erscheint die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung daher unvermeidlich.

 

In diesem Sinne erweist sich der erstinstanzliche Bescheid als wesentlich mangelhaft.

 

Es fehlen jegliche Feststellungen zur Situation der Menschenrechte, Haftbedingungen, die aber gerade gegenständlich getroffen werden müssen, hat doch der Beschwerdeführer in erster Instanz - (nach Ansicht des BAA) glaubwürdig - angegeben, bereits in jenen Jugendheim, in welchem er untergebracht wurde, schwerst misshandelt worden zu seien.

 

Das Bundesasylamt hat also im fortgesetzten Verfahren zu ermitteln, welche Behandlung der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr durch die marokkanischen Schutzbehörden anlässlich seiner zur erwartenden Einbeziehung in das gegen den Beschwerdeführer geführte Strafverfahren wegen Mordes, Raubes zu erwarten hat.

 

Also:

 

Hat der Beschwerdeführer Folter, unmenschliche Behandlung während einer allfälligen Untersuchungshaft bis zur Gerichtsverhandlung zu erwarten?

 

Entspricht ein in Marokko durchgeführtes Strafverfahren, welches den Beschwerdeführer erwartet, annährend rechtstaatlichen Prinzipien?

 

Welche unmenschliche Strafe hat der Beschwerdeführer aller Voraussicht nach zu erwarten: Todesstrafe, Prügelstrafe?

 

Welche Strafbedingungen erwarten den Beschwerdeführer?

 

In diesem Sinne war die erstinstanzliche Entscheidung spruchgemäß zu bestätigen.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, strafrechtliche Verfolgung, strafrechtliche Verurteilung
Zuletzt aktualisiert am
03.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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