TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/17 E11 400225-1/2008

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Veröffentlicht am 17.11.2008
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Spruch

E11 400.225-1/2008-5E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. KINZLBAUER als Vorsitzenden und die Richterin Dr. ZOPF als Beisitzerin im Beisein der Schriftführerin Fr. Birngruber über die Beschwerde der A.L., geb. am 00.00.2008, StA. von Armenien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.06.2008, FZ. 08 04.449-BAG, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 Abs 1 Z 1, 10 Abs 1 Z 2 iVm. § 34 AsylG 2005 BGBl I 2005/100 idgF als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Die in Österreich geborene minderjährige Beschwerdeführerin (im Folgenden auch BF genannt), eine Staatsangehörige von Armenien, stellte am 20.5.2008 durch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin beim Bundesasylamt (BAA) einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde die Mutter der BF erstbefragt und zu den im Akt ersichtlichen Daten von einem Organwalter des BAA niederschriftlich einvernommen. Der Verlauf dieser Einvernahmen ist im angefochtenen Bescheid vollständig wieder gegeben, weshalb an dieser Stelle hierauf verwiesen wird. Aufgrund der Minderjährigkeit der BF und ihrer Mutter wurden die Interessen der BF vom Jugendwohlfahrtsträger der BH V. gesetzlich vertreten.

 

Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates brachte die Mutter der BF als gesetzliche Vertreterin im Wesentlichen vor, dass ihr Lebensgefährte und Vater der BF beobachtet habe, wie sein Bruder und Onkel der BF von Armenier umgebracht worden sei und diese Leute hätten nun geglaubt, dass der Vater der BF die Mörder an die Polizei verraten werde. Die Familie der BF, insbesondere ihr Vater, sei von diesen Personen, von denen einer der Dorfvorsteher vom Dorf L. gewesen sei, bedroht und gesucht worden. Nach einem einjährigen Aufenthalt in einem anderen Dorf, wo die BF und ihre Familie keinerlei Probleme hatten, habe sich die Familie zu der Ausreise entschlossen. Eine Anzeige bei der Polizei sei ebenfalls erstattet worden und das Verfahren war bis zum Ausreisezeitpunkt der BF noch nicht abgeschlossen. Auch hatten die Familienangehörigen der BF mehre Petitionen an staatliche und nicht-staatliche Stellen gesendet, die auch in einer Zeitung veröffentlicht worden seien. Für die BF selbst wurde keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.

 

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich mit Bescheid des BAA vom 5.6.2008, FZ. 08 04.449-BAG, gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien verfügt (Spruchpunkt III.).

 

Ebenso ergab sich im Rahmen des geführten Familienverfahrens gem. § 34 AsylG kein vom den Spruchpunkten I - III abweichendes Ergebnis.

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen der Mutter der BF als völlig unglaubwürdig zumal die Mutter der BF zu zentralen, entscheidungsrelevanten Aspekten, insbesondere in Zusammenschau mit den Angaben ihres Lebensgefährten, widersprüchliche Angaben gemacht habe. Weiters führte die Erstbehörde dazu aus, dass das Vorbringen - selbst bei hypothetischer Annahme als den Tatsachen entsprechend - nicht geeignet sei, eine Asylgewährung zu begründen, dal eine Verfolgung ihrer Person seitens des Staates nicht behauptet wurde. Auch ließe sich aus den Angaben der Mutter der BF zweifelsfrei ableiten, dass der armenische Staat schutzwillig und schutzfähig sei und auch die Anzeigen des Vaters der BF und seiner Eltern bearbeitet worden seien. Die Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit des armenischen Staates sei auch durch die Länderfeststellungen des Bundesasylamtes in ausreichender Weise festgestellt worden.

 

Im Rahmen der Refoulementprüfung führte die Erstbehörde begründend aus, dass im Falle der BF - aus näher dargelegten, auch die "real risk"-Judikatur des EGMR und VwGH mit einbeziehenden Gründen - keine konkreten Anhaltspunkte vorlägen, die dafür sprechen würden, dass die BF bei einer Rückkehr nach Armenien, einerseits Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden, oder andererseits in eine derart extreme Notlage geraten würde, die eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Artikel 3 EMRK darstellen würde.

 

Die Ausweisungsentscheidung wurde damit begründet, dass im Falle der BF die gesamte Familie von der Ausweisung betroffen sei und auch sonst keine familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet gegeben seien und daher kein Eingriff in deren Familienleben anzunehmen war. Auch aus dem Umstand, dass sich eine Cousine Mutter der BF im Bundesgebiet aufhalte, konnte das Bundesasylamt mangels exzeptionellen wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnisses kein schützenwertes Familienleben ableiten. Aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer und mangels sonstiger Integrationsmerkmale in Österreich war auch kein schützenswertes Privatleben entstanden.

 

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 20.6.2008 durch den Jugendwohlfahrtsträger der BH F. als gesetzliche Vertretung innerhalb offener Frist Berufung (nunmehr: Beschwerde) erhoben. Die Beschwerdeschrift bezog sich auf die Mutter der BF und daher gilt auch der Bescheid der BF als mitangefochten. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

Im Wesentlichen wurde nach Darlegung allgemeiner rechtlicher und sonstiger Ausführungen moniert, dass der von der Erstbehörde in den Länderberichten verwendete Terminus "schwierige" Fälle, im Zusammenhang mit der Aufnahme von polizeilichen Anzeigen in Armenien, nicht eindeutig definiert sei und dass nach Ansicht der Beschwerdeführerin, jedenfalls die Beteiligung eines Bürgermeisters in ein strafrechtliches Verfahren, einen Fall als schwierig erscheinen lassen. Einer minderjährigen Mutter eines Säuglings und eines Kleinkindes sei es unzumutbar, einen bürokratischen Hürdenlauf vollbringen zu müssen, um einen entsprechenden Adressaten ausfindig zu machen, der sich bereit erkläre, eine strafrechtliche Anzeige entgegenzunehmen. Selbst für den Fall, dass sie einen entsprechenden Adressanten gefunden hätte, brächte sie sich in einem gerichtlichen Verfahren als Zeugin in massive Gefahr, wo sich doch die Implementierung eine Zeugenschutzprogrammes erst in der Aufbauphase befinde. Die BF lebe in ständiger Angst und Furcht vor den Verfolgern ihres Mannes und im Falle einer Anzeige und in weiterer Folge eines gerichtlichen Prozesses, könne für ein rechtsstaatliches Verfahren nicht garantiert werden. Die unzulängliche rechtsstaatliche Situation in Armenien wird in der Beschwerde weiters durch Zitate aus den Zeitschriften Asylmagazin 4/2008 und Human Place 01/07 veranschaulicht. Weiters handle es sich bei der zweifachen Mutter um eine traumatisierte Minderjährige, die aus einer sehr religiösen Familie stamme; dadurch sei es nachvollziehbar, dass die Minderjährige nicht unmittelbar bei ihrer ersten Befragung bekannt gegeben habe, dass sie die Leute die ihren Schwager umbrachten, vergewaltigen wollten. Für die BF und ihre beiden Kinder bestehe durchaus begründete Furcht vor Verfolgung und weiters werde durch die Ausweisung der minderjährigen Kindesmutter und ihrer beiden Kinder in das Recht auf Privat- und Familienleben eingegriffen.

 

Hinsichtlich des weiteren Verfahrensherganges bzw. des Vorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Der AsylGH hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) fest.

 

III. Artikel 151 Abs. 39 Z. 1 und 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) lauten:

 

(39) Art. 10 Abs. 1 Z 1, 3, 6 und 14, Art. 78d Abs. 2, Art. 102 Abs. 2, Art. 129, Abschnitt B des (neuen) siebenten Hauptstückes, Art. 132a, Art. 135 Abs. 2 und 3, Art. 138 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1erster Satz und Art. 144a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. 2/2008 treten mit 1. Juli 2008 in Kraft. Für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt:

 

Z 1: Mit 1. Juli 2008 wird der bisherige Unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof.

 

Z 4: Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gemäß § 61 (1) AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. [.....]

 

(2) [.....]

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

[......]

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

§ 34 Abs. 1 AsylG lautet:

 

"Stellt ein Familienangehöriger (§ 2 Abs. 1 Z 22) eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist; eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder eines Asylwerbers einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

 

Gemäß Abs. 3 leg. cit. hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines im Bundesgebiet befindlichen Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, es sei denn,

 

1. dass die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Angehörigen in einem anderen Staat möglich ist, oder

 

2. dem Asylwerber der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

 

Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.

 

Gem. § 73 (1) Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) tritt dieses Gesetz mit der Maßgabe des § 75 (1) leg. cit in Kraft, wonach alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen sind.

 

Gegenständliches Verfahren war am 31.12.2005 nicht anhängig, weshalb es nach den Bestimmungen des AsylG 2005 idgF zu Ende zu führen war.

 

Das erkennende Gericht ist berechtigt, näher bezeichnete Teile des angefochtenen Bescheides zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses zu erheben, ohne sie wiederholen zu müssen (vgl. z.B. das Erk. d. VwGH vom 4. 10. 1995, 95/01/0045; VwGH 24. 11. 1999, 99/01/0280; auch VwGH 8. 3. 1999, 98/01/0278), weshalb im gegenständlichen Fall im bereits genannten Umfang auf den erstinstanzlichen Bescheid verwiesen wird.

 

Ebenso ist das erkennende Gericht berechtigt, auf die außer Zweifel stehende Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) zu verweisen, weshalb auch hierauf im gegenständlichen Umfang verwiesen wird.

 

Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Die Erstbehörde hat sich sowohl mit dem individuellen Vorbringen auseinander gesetzt, als auch ausführliche Sachverhaltsfeststellungen zur allgemeinen Situation in Armenien auf Grundlage ausreichend aktuellen und unbedenklichen Berichtsmaterials getroffen und in zutreffenden Zusammenhang mit der Situation der BF gebracht. Auch der rechtlichen Beurteilung begegnet keine Bedenken. Der Asylgerichtshof teilt daher die Ansicht des Bundesasylamtes, dass die Angaben der Mutter der BF nicht zuletzt auch aufgrund der zahlreichen Widersprüche, als unglaubhaft anzusehen sind. Der Asylgerichtshof stimmt auch der Auffassung der Erstbehörde zu, dass die Angaben der Mutter der BF nicht geeignet gewesen sind, eine Asylgewährung zu begründen, da die vorliegende Begründung des Antrages keine Deckung in der Genfer Flüchtlingskonvention findet und hier auch keine konkret gegen die Person der BF gerichtete staatliche oder quasi-staatliche Verfolgungen aus der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen vorliegt. Eine asylrelevante Verfolgung kann im Lichte der Genfer Flüchtlingskonvention und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nämlich nur dann angenommen werden, wenn die Verfolgungshandlungen entweder vom Verfolgerstaat ausgehen oder die staatlichen Maßnahmen nicht im Ergebnis dazu führen, dass der Eintritt eines asylrechtlich relevante Intensität erreichenden Nachteils aus der von dritter Seite ausgehenden Verfolgung nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. hiezu etwa VwGH 30.06.2005, Zahl 2002/20/0205; VwGH 01.09.2005, Zahl 2005/20/0357), was im letzteren Fall dann Relevanz zeitigen könnte, wenn die staatlichen Behörden nicht schutzwillig oder schutzfähig gegenüber solchen - aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen erfolgenden - Angriffen Dritter sind. Dass die armenischen Behörden den Anzeigen nachgingen und ein Verfahren eingeleitet wurde, wurde sowohl vom Vater als auch der Mutter der BF als auch durch die vorgelegten Zeitungsartikel und Petition der Familienangehörigen der BF bestätigt. Dass der armenische Staat schutzwillig und schutzfähig gegen derartige Übergriffe ist, hat die Erstbehörde sowohl durch die Angaben und Zeitungsartikel der Eltern der BF als auch durch die ausführlichen Berichte in den Länderfeststellungen in ausreichendem Maße belegt.

 

Der AsylGH schließt sich diesen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenem Bescheid an und erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses (vgl. für viele exemplarisch VwGH 25.3.1999, 98/20/0559; 8.6.2000, 99/20/0366; 30.11.2000, 2000/20/0356; 22.2.2001, 2000/20/0557; 21.6.2001, 99/20/046; 01.3.2007, 2006/20/0005; 21.3.2007, 2007/19/0085-3 [Ablehnung der Behandlung der Beschwerde]; 31.5.2007 2007/20/0488-6 [Ablehnung der Behandlung der Beschwerde]).

 

In der Beschwerde wird seitens der gesetzlichen Vertreterin der Beschwerdeführerin moniert, dass es für die Mutter der BF in ihrer Heimat aufgrund ihrer persönlichen Situation schier unmöglich oder zumutbar gewesen sei, eine Anzeige wegen der Ermordung ihres Schwagers bei einer entsprechenden Strafverfolgungsbehörde zu erstatten. Der Asylgerichtshof stellt hierbei nicht in Abrede, dass es für eine junge, minderjährige, Mutter eine erhebliche Strapaze darstellt, eine derartige strafrechtliche Verfolgung eines mutmaßlichen Verbrechens in die Wege zu leiten. Die Verfasserin der Beschwerdeschrift übersieht jedoch dabei, dass die BF in ihrer Heimat jedenfalls auf die Unterstützung ihrer zahlreichen Familienangehörigen zählen kann und im Übrigen wurde der Mutter der BF von der Erstbehörde auch nicht vorgeworfen, dass sie keine Anzeige erstattet habe, sondern, dass die Mutter der BF keine oder auch nur eine widersprüchliche Auskunft darüber erteilen konnte, ob ihr Lebensgefährte oder sonstige Familienmitglieder eine entsprechende Anzeige erstattet haben. Aufgrund der Aussagen des Lebensgefährten bzw. Vaters der BF und der vorgelegten Zeitungsartikel lässt sich zweifelsfrei schließen, dass eine Untersuchung des Vorfalles im Gange ist, jedoch noch nicht abgeschlossen ist. Die Tatsache, ob die Mutter der BF selbst eine Anzeige erstattet hatte oder dies ihr Lebensgefährte oder auch andere Verwandte der BF erledigten, ist für die erkennende Behörde nicht relevant, da aufgrund der Sachverhaltsermittlungen feststeht, dass eine entsprechen Anzeige erstattet wurde und diese Anzeige auch weiterverfolgt wurde. Der Asylgerichtshof geht daher wie auch die Erstbehörde davon aus, dass aufgrund des Verhaltens der armenischen Behörden von einer Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit des armenischen Staates gegenüber der BF und ihrer Familie auszugehen ist. Daran vermag auch die Zitierung von Artikel aus einschlägigen Zeitschriften in der Beschwerdeschrift nichts ändern, zumal die Erstbehörde die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des armenischen Staates sowohl durch die Angaben der Mutter der BF und die vorgelegten Zeitungsartikel als auch durch die ausführlichen Berichte in den Länderfeststellungen in ausreichendem Maße belegt hat. Dass es sich bei der minderjährigen Mutter der BF, wie in der Beschwerdeschrift behauptet wird, um eine traumatisierte Person handle, ist aus dem bisherigen Verfahren nicht hervorgekommen und wurde auch von der Mutter der BF selbst oder ihrem Lebensgefährten zu keiner Zeit psychische Probleme ins Treffen geführt. Zudem wurde bei den Einvernahmen der Mutter der BF aufgrund ihrer Minderjährigkeit ein Rechtsberater zur Wahrung ihrer gesetzlichen Interessen zur Seite gestellt. Der Asylgerichtshof lehnt daher den Einwand in der Beschwerde ab, dass die Mutter der BF aufgrund ihrer Minderjährigkeit und ihrer Religion nicht sofort bei ihrer ersten Einvernahme sämtliche für die Ausreise relevanten Argumente, insbesondere die behauptete Bedrohung mit einer Vergewaltigung durch die potentiellen Verfolger, gegenüber dem Bundesasylamt vorgebracht hatte und sich diese Ausführungen vielmehr als Scheinbegründung für die mangelnde Mitwirkungsverpflichtung darstellen.

 

Auch bezüglich der Einwände in der Beschwerde, dass die Mutter der BF jedenfalls begründete Furcht vor Verfolgung habe und dass die Ausweisung der minderjährigen Mutter der BF und ihrer beiden Kinder einen Eingriff in Art. 8 EMRK darstellen würde, wird festgestellt, dass nach Ansicht des AsylGH wie bereits oben ausgeführt das Bundesasylamt ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst hat. Der BF bzw. ihrer Mutter als gesetzliche Vertreterin ist es nicht gelungen, der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes dermaßen konkret und substantiiert entgegen zu treten, dass Zweifel an der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes aufgekommen wären. Von der Mutter der BF wurde es unterlassen, durch klare, konkrete und substantiierte Ausführungen darzulegen, warum er/sie vom Vorliegen einer mangelhaften Ermittlungstätigkeit durch das Bundesasylamt ausgeht. Da somit weder aus dem amtswegigen Ermittlungsergebnis im Beschwerdeverfahren noch aus den Ausführungen der Mutter der BF ein substantiierter Hinweis auf einen derartigen Mangel vorliegt, kann ein solcher nicht festgestellt werden.

 

Dem Bundesasylamt ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau jedenfalls beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Armenien dort einer Gefahr im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK bzw. § 8 AsylG ausgesetzt wäre.

 

Bei der Mutter der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine junge, in kürze volljährig werdende, arbeitsfähige Frau, die sich ihren Lebensunterhalt auch bisher als Tierzüchterin bzw. landwirtschaftliche Arbeiterin zum Teil in der familieneigenen Landwirtschaft verdient hat und es ist der Mutter der BF auch zumutbar, wieder in diesem Beruf tätig zu werden. Überdies verfügt die BF in ihrem Heimatland über ein soziales Netz in Form von zahlreichen Familienangehörigen (Großeltern, zwei Onkel, drei Tanten), die die Mutter der BF ebenfalls in der Anfangssphase bei der Gründung einer eigenen Existenz sowie bei der Kindererziehung unterstützen könnten.

 

Es wäre der Mutter der Beschwerdeführerin auch zumutbar, durch eigene und notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite, zB. Hilfsorganisationen, religiös-karitativ tätige Organisationen - erforderlichenfalls unter Anbietung seiner gegebenen Arbeitskraft als Gegenleistung - jedenfalls auch nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten, beizutragen, um das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen zu können. Zu den regelmäßig zumutbaren Arbeiten gehören dabei auch Tätigkeiten, für die es keine oder wenig Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeübt werden können, auch soweit diese Arbeiten im Bereich einer 'Schatten- oder Nischenwirtschaft' stattfinden. Auf kriminelle Aktivitäten wird hiermit nicht verwiesen.

 

Ergänzend ist anzuführen, dass gemäß § 67 AsylG 2005 zB. auch eine finanzielle Rückkehrhilfe (über diese wird im erstinstanzlichen Verfahren schon informiert) als Startkapital für die Fortsetzung des bisherigen Lebens in Armenien gewährt werden kann. Im Rahmen der Rückkehrhilfe wird dabei der Neubeginn zu Hause unterstützt, Kontakt zu Hilfsorganisationen im Heimatland vermittelt, finanzielle Unterstützung geleistet und beim Zugang zu Wohn-, Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten geholfen

(http://www.caritas.at/hilfe-einrichtungen/fluechtlinge/beratung-und-vertretung/rueckkehrhilfe/).

 

Im Rahmen des Projekts ERSO (European Reintegration Support Organisations), einer Kooperation von zwölf europäischen NGOs, findet auch nach der Rückkehr ein entsprechendes Monitoring statt (www.erso-project.eu).

 

Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ergibt sich somit kein "reales Risiko", dass es derzeit durch die Rückführung der Beschwerdeführerin in ihren Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.

 

Es kam im Verfahren nicht hervor, dass konkret für die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückverbringung in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr bestünde, als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt zu sein.

 

Aus dem Vorbringen der Mutter der BF kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatschen kein Hinweis abgeleitet werden, dass diese vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) in deren Herkunftsstaat mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr ausgesetzt wäre.

 

Ebenfalls bestehen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise, dass durch eine Ausweisung in den Herkunftsstaat auf unzulässige Weise in das Privat- und Familienleben der BF gem. Art. 8 EMRK eingegriffen werden würde. Weder gibt es eine sonstige familiäre Anknüpfung in Österreich noch sind andere Integrationsmerkmale bei der BF zu Tage getreten. Auch aus dem Umstand, dass sich eine Cousine der Mutter der BF im Bundesgebiet aufhält, konnte die erkennende Behörde mangels exzeptionellen wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnisses kein schützenwertes Familienleben ableiten. Aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer und mangels sonstiger Integrationsmerkmale in Österreich war auch kein schützenswertes Privatleben entstanden. In diesem Zusammenhang wird ebenfalls auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid verwiesen.

 

Gemäß § 41 Abs 7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67 d AVG.

 

Im gegenständlichen Fall konnte der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt erachtet werden, da dieser nach einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde, nach schlüssiger Beweiswürdigung festgestellt und dieser in der Beschwerde auch nicht substantiiert entgegen getreten wurde. Weder war der Sachverhalt ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Rechtlich relevante und zulässige Neuerungen wurden nicht vorgetragen.

Schlagworte
Ausweisung, Familienverfahren
Zuletzt aktualisiert am
10.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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