TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/20 S13 402671-1/2008

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Veröffentlicht am 20.11.2008
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Spruch

S13 402.671-1/2008/4E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Kirschbaum als Einzelrichterin über die Beschwerde des S. S., geb. 00. 00.1990, StA. Algerien, p.A. European Homcare GmbH, Hauptgebäude, Otto Glöckel Straße 24, 2514 Traiskirchen gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.10.2008, FZ 08 07.948 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Verwaltungsverfahren und Sachverhalt

 

Verfahren vor dem Bundesasylamt

 

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Algerien, reiste am 28.08.2008 in das österreichische Bundesgebiet ein.

 

Am 31.08.2008 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz. Eine Eurodac-Abfrage (AS 7) ergab, dass der Beschwerdeführer zuvor bereits zwei Asylanträge in Italien gestellt hatte.

 

Am selben Tag wurde die Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der PI Traiskirchen EAST, in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch durchgeführt (AS 13 ff).

 

Am 03.09.2008 stellte das Bundesasylamt an die zuständige Behörde in Italien ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrages zuständig ist (in der Folge: Dublin II-VO) (AS 25).

 

Am 04.09.2008 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 3 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 AsylG zurückzuweisen und dass zu diesem Zwecke seit dem 03.09.2008 Konsultationen mit Italien gemäß der Dublin II-VO geführt werden (AS 41).

 

Mit Schreiben vom 19.09.2008 wurde der zuständigen Behörde in Italien mitgeteilt, dass wegen Fristablaufs nunmehr gemäß Art. 20 Abs. 1 Z c Dublin II-VO Italien zuständig ist (AS 53).

 

Mit Schreiben vom 25.10.2008, erklärte sich Italien gemäß Art. 10 Dublin II-VO zur Wiederaufnahme des Beschwerdeführers bereit (AS 177).

 

Am 06.10.2008 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesasylamt EAST Ost nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit des Rechtsberaters sowie eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Arabisch einvernommen (AS 47 ff.).

 

Mit Bescheid vom 18.10.2008, FZ 08 07.948 EAST-Ost, zugestellt am 29.10.2008, wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück (in der Folge: angefochtener Bescheid) (AS 115 ff.).

 

Im angefochtenen Bescheid weist das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers mit der Begründung zurück, dass gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. c der Dublin II-VO Italien für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist (I.). Der Beschwerdeführer wird gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Italien ausgewiesen und demzufolge festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Italien gemäß § 10 Abs. 4 AsylG zulässig ist

(II.).

 

Beschwerde (AS 203)

 

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer am 06.11.2008 Beschwerde beim Bundesasylamt erhoben. Die Beschwerde langte am 14.11.2008 beim Asylgerichtshof ein.

 

In der Beschwerdeschrift hat der Beschwerdeführer im Wesentlichen vorgebracht, er werde von Drogenhändlern in Italien bedroht, weil er nicht mit diesen kollaborieren wolle. Deshalb sei er nach Österreich geflohen. Er fühle sich in Österreich sicher und wolle hier bleiben.

 

Beweismittel

 

Als Beweismittel hat der Asylgerichtshof die verschiedenen Vorbringen des Beschwerdeführers und weitere Beweismittel verwendet.

 

Parteivorbringen des Beschwerdeführers

 

1. In der Erstbefragung hat der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes angegeben:

 

Er habe sein Heimatland verlassen, da es dort keine Arbeit gebe. Er wolle in Europa arbeiten und seine Familie in Algerien unterstützen. Er könne nicht in sein Heimatland zurück, da es dort keine Arbeit für ihn gebe.

 

Zur Flucht nach Österreich hat er zuerst ausgesagt, dass er Ende Juni über Marokko mit einem LKW direkt nach Österreich gekommen sei. Auf Vorhalt des Eurodac-Treffers (Italien) hat er Beschwerdeführer ausgesagt, er sei mit einem kleinen Schiff nach Italien gelangt. Dort sei er festgenommen worden und habe einen Asylantrag gestellt. Das Flüchtlingslager habe er nach kurzer Zeit wieder verlassen und sei mit dem Zug nach Österreich gefahren, wo er einen neuerlichen Asylantrag gestellt habe. Den Stand des Verfahrens in Italien kenne er nicht.

 

Nach Italien könne er nicht zurück, weil es dort keine Arbeit für ihn gebe.

 

Zu seinem gesundheitlichen Zustand hat er ausgesagt, dass er gesund sei.

 

2. In der Einvernahme am 06.10.2008 hat der Beschwerdeführer sein Vorbringen wie folgt ergänzt bzw. geändert:

 

In Italien habe er nur einen Asylantrag gestellt, um aus der Haft freizukommen. In Italien sei er in Lebensgefahr. Drogenhändler hätten von ihm verlangt, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Als er dies abgelehnt habe, sei er mit dem Tode bedroht worden. Der Vorfall habe im September 2008 stattgefunden. Er sei in der Folge aus Angst um sein Leben nach Österreich geflohen. In Italien habe er keine Anzeige erstattet, da er dort niemanden kenne.

 

Er habe in Österreich keine Verwandten.

 

Weitere Beweismittel

 

1. Laut Eurodac-Abfrage hatte der Beschwerdeführer am 30.07.2008 und am 25.08.2008 in Italien Antrag auf internationalen Schutz beantragt (AS 5)

 

2. Die italienischen Behörden haben auf den Antrag des Bundesasylamts auf Wiederaufnahme ihre Zustimmung "gemäß Artikel 10" Dublin II-VO erklärt (AS 177)

 

3. Laut Polizeibericht vom 20.09.2008 (AS 87) und Auskunft der Bezirksanwaltschaft Mödling wurde der Beschwerdeführer wegen Diebstahls angezeigt.

 

4. Laut Auskunft des LG Wien wurde der Beschwerdeführer am 12.11.2008 wegen Verstoßes gegen das Suchtgiftgesetz verurteilt.

 

Sachverhalt nach Beweiswürdigung

 

Nach Würdigung des Beschwerdeführervorbringens und der sonstigen Beweismittel stellt sich dem Asylgerichtshof folgender Sachverhalt dar:

 

1. Der Beschwerdeführer in Italien eingereist und hatte dort am 30.07.2008 in Cagliari und am 25.08.2008 in Gradisca d'Isonzo am 25.08.2008 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Kurz darauf ist er von Italien aus illegal nach Österreich eingereist, wo er am 31.08.2008 einen erneuten Asylantrag stellte.

 

Die Sachverhaltsfeststellung ergibt sich aus dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers, der Eurodac-Abfrage und der Zustimmungserklärung Italiens. Das gegenteilige Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei von Algerien aus direkt nach Österreich gekommen hat dieser selbst widerrufen.

 

2. Es besteht keine Gefahr, dass der Beschwerdeführer in Italien einer Bedrohung oder Verfolgung ungeschützt ausgesetzt ist.

 

Was die Hinweise des Beschwerdeführers im Hinblick auf mangelnden Schutz seitens der italienischen Behörden vor Übergriffen von Drogenhändlern betrifft, erscheinen diese dem Asylgerichtshof wenig substantiiert. Der Beschwerdeführer hat nämlich wegen der angeblichen Bedrohung durch Drogenhändler in Italien keine Anzeige erstattet und sich nicht um Hilfe an die italienischen Behörden gewandt. Er kann daher aus eigener Kenntnis gar nicht beurteilen, ob die italienischen Behörden willens und im Stande sind, ihm entsprechenden Schutz vor einer Verfolgung durch Drogenhändler zu gewähren. Dem widersprechen im Übrigen auch die Länderberichte. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer sich in der Erstbefragung darauf beschränkt hat anzugeben, dass er in Italien keine Arbeit habe. Schließlich erscheint es dem Asylgerichtshof in diesem Zusammenhang von Bedeutung, dass der Beschwerdeführer in Österreich wegen eines Drogendelikts verurteilt wurde. Dies lässt seine Aussage, er habe zu Drogengeschäften gezwungen werden sollen und versucht, sich durch Flucht nach Österreich von den Drogengeschäften fernhalten wenig glaubwürdig erscheinen.

 

3. Der Beschwerdeführer leidet nicht an einer Erkrankung, welche einer Überstellung nach Polen entgegenstehen könnte. Dies ergibt sich aus dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er unter keinen gesundheitlichen Beschwerden leide.

 

4. Der Beschwerdeführer hat nach eigenen Angaben keine verwandtschaftlichen Beziehungen.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Rechtlicher Rahmen

 

Gemäß § 73 Abs. 1 und § 75 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 (in der Folge: AsylG) iVm § 1 AsylG ist das oben angeführte Gesetz auf Anträge auf internationalen Schutz anzuwenden, die ab dem 01.01.2006 gestellt wurden. Daraus folgt, dass für das gegenständliche Asylverfahren das AsylG 2005 anzuwenden ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat auf Grund der Dublin II-VO zur Prüfung des Antrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG, ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Mitgliedstaat der Dublin II-VO Schutz vor Verfolgung findet. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Dabei ist mitzubeachten, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann) (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

 

Nach Art. 3 Abs. 1 Dublin II-VO wird ein Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates stellt, von jenem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III (Artikeln 6 bis 13 Dublin II-VO) zuständig ist, wobei die dort geregelten Zuständigkeitskriterien nach Art. 5 Abs. 1 Dublin II-VO "in der in diesem Kapitel genannten Reihenfolge" Anwendung finden.

 

Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO bestimmt, dass jener Mitgliedstaat, dessen Land-, See- oder Luftgrenze ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend illegal überschritten hat, für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, wenn der Grenzübertritt insbesondere auf der Grundlage der Daten nach Kapitel III der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 (Eurodac-VO) festgestellt wird.

 

Gemäß Art. 16 Abs. 1 lit c Dublin II-VO ist der Mitgliedstaat, der nach der Dublin II-VO zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist, gehalten, einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Antrags unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Art. 20 Dublin II-VO wieder aufzunehmen.

 

Beantwortet der ersuchte Mitgliedstaat bei Vorliegen von Angaben aus dem Eurodac-System das Wiederaufnahmegesuch nicht binnen zwei Wochen, so wird angenommen, dass er die Wiederaufnahme des Asylwerbers akzeptiert (Art. 20 Abs. 2 lit. c Dublin II VO).

 

Gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO kann jeder Mitgliedstaat einen Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den Kriterien der Art. 6 bis 13 Dublin II-VO nicht zuständig ist.

 

Gemäß § 10 AsylG ist ein Bescheid über einen Asylantrag mit einer Ausweisung in einen bestimmten Staat zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückgewiesen (Absatz 1 Ziffer 1) wird und keiner der in § 10 Absatz 2 und Absatz 3 AsylG festgelegten Gründe für die Unzulässigkeit der Ausweisung des vorliegt.

 

Gemäß § 10 Absatz 4 AsylG gilt eine Ausweisung wegen Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers.

 

§ 18 Absatz 1 AsylG besagt, dass das Bundesasylamt und der Asylgerichtshof in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken haben, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen.

 

Zulässigkeit der Beschwerde und Verfahren vor dem Asylgerichtshof

 

Die Beschwerde ist fristgerecht beim Asylgerichtshof eingebracht worden und es bestehen keine Bedenken gegen ihre Zulässigkeit.

 

Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte im Verfahren vor dem Asylgerichtshof von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung

 

Die angefochtene Entscheidung ist rechtmäßig, da das Bundesasylamt keine Verfahrensfehler begangen hat sowie zu Recht festgestellt hat, dass Österreich für die Prüfung des Asylantrags des Beschwerdeführers nicht zuständig ist und zu Recht die Ausweisung nach Italien verfügt hat.

 

Ordnungsgemäßes Verfahren vor dem Bundesasylamt

 

Der Asylgerichtshof stellt zunächst fest, dass das Verwaltungsverfahren rechtmäßig durchgeführt wurde.

 

Dem Beschwerdeführer wurde insbesondere durch die Erstbefragung und die Einvernahme mit vorhergehender Rechtsberatung - alle jeweils unter Zuhilfenahme geeigneter Dolmetscher - ausreichend rechtliches Gehör gewährt, und ihm wurde vor der Einvernahme und innerhalb von 20 Tagen ab Einbringen seines Antrags schriftlich mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Asylantrag wegen Zuständigkeit Italiens zurückzuweisen (§§ 28, 29 AsylG).

 

Unzuständigkeit Österreichs

 

Der Asylgerichtshof stellt fest, dass das Bundesasylamt keine Beurteilungsfehler begangen hat als es feststellte, dass für die Prüfung des Asylantrags des Beschwerdeführers ausschließlich Italien zuständig ist.

 

Zur Zuständigkeit Italiens

 

Was zunächst die Feststellung der Zuständigkeit Italiens betrifft, so hat das Bundesasylamt diese Zuständigkeit im angefochtenen Bescheid zwar fälschlicherweise auf Artikel 20 Absatz 1 lit. c Dublin II-VO gestützt. Inhaltlich ist die Feststellung jedoch richtig, da sich die Zuständigkeit Italiens aus Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO ergibt.

 

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich nämlich, dass der Beschwerdeführer aus einem Drittland kommend erstmals das Hoheitsgebiet Italiens betreten hat und dort einen ersten Asylantrag gestellt hat.

 

Zur Zuständigkeit Österreichs durch Selbsteintritt

 

Es besteht keine Pflicht Österreichs, vom Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO Gebrauch zu machen. Im vorliegenden Fall besteht nämlich kein Grund anzunehmen, dass die Nichtzulassung zum Asylverfahren in Österreich und einer Weiterführung des Verfahrens in Italien im konkreten Fall einen Verstoß der österreichischen Behörde gegen die Rechte des Beschwerdeführers aus Art. 3 oder Art. 8 EMRK darstellt.

 

Nach der Judikatur ist dieses Selbsteintrittsrecht zwingend anzuwenden, wenn ein Asylbewerber mit dem Vollzug der Ausweisung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat der Gefahr der Folter oder unmenschlichen Behandlung (Art. 3 EMRK) oder der Verletzung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) ausgesetzt wäre (VfGH 08.03.2001, G 117/00 u.a.; VfGH 11.06.2001, B 1541/00; VfGH 15.10.2004, G 237/03 u.a.; VfGH 17.06.2005, B 336/05).

 

Was zunächst die vom Beschwerdeführer behauptete Gefahr der der Verletzung von Art. 3 EMRK wegen drohender Verfolgung in Italien betrifft, erinnert der Asylgerichtshof an die Judikatur, wonach, wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände bedarf, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

 

Was eine Verletzung von Art. 3 EMRK bei einer Überstellung nach Italien betrifft, so ist zunächst festzustellen, dass sich aus dem oben unter I.4. zu 2. festgestellten Sachverhalt ergibt, dass im konkreten Fall keine stichhaltigen Gründe vorliegen, anzunehmen, der Beschwerdeführer liefe konkret Gefahr, einer unmenschlichen Behandlung dadurch unterworfen zu sein, dass er in Italien ohne jeden Schutz durch italienische Behörden und Gerichte einer Verfolgung durch Drogenhändler ausgeliefert sei.

 

Was weiters eine mögliche Verletzung von Art. 3 EMRK wegen einer Überstellung trotz schlechten Gesundheitszustands betrifft, erinnert der Asylgerichtshof daran, dass nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK die Überstellung eines Asylwerbers nicht zulässig ist, wenn im Zielland wegen fehlender Behandlung schwerer Krankheiten eine existenzbedrohende Situation vorliegen würde. Aus den diesbezüglichen Entscheidungen ergibt sich, dass bei Vorliegen von Erkrankungen im Allgemeinen nur solche relevant sind, die bekanntermaßen zu einem lebensbedrohlichen Zustand führen und grundsätzlich keine Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bestehen (siehe dazu nunmehr auch VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9).

 

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem oben unter I.4. zu 3. festgestellten Sachverhalt, dass der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers einer Überstellung nach Italien nicht entgegensteht.

 

Was schließlich eine mögliche Verletzung von Art. 8 EMRK wegen Eingriffs in das Familienleben des Beschwerdeführers betrifft, erinnert der Asylgerichtshof an die Judikatur von EGMR bzw. EKMR, die zum Vorliegen des durch Art. 8 EMRK gewährleisteten Schutzes ein "effektiven Familienleben" verlangen, das sich in der Führung eines gemeinsamen Haushalts, dem Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses oder eines speziell engen, tatsächlich gelebten Bandes zu äußern hat (vgl. das Urteil Marckx [Ziffer 45] sowie Beschwerde Nr. 1240/86, V. Vereinigtes Königreich, DR 55, Seite 234). Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst zwar nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse gemeinsame Intensität erreichen.

 

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem oben unter I.4. zu 4. festgestellten Sachverhalt, dass der Beschwerdeführer keine verwandtschaftlichen Beziehungen in Österreich hat, so dass im Fall der Führung des Asylverfahrens des Beschwerdeführers in Italien kein Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Familienleben vorliegt.

 

Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Rückführung nach Italien einen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privatleben darstellen würde.

 

Rechtmäßigkeit der Ausweisung

 

Was die Rechtmäßigkeit der Ausweisung nach Italien betrifft, so ergibt sich diese zunächst unmittelbar aus § 10 Absatz 1 Z. 1 AsylG, da der Antrag auf internationalen Schutz - wie oben unter 3.2. dargelegt - vom Bundesasylamt zu Recht zurück gewiesen wurde.

 

Es ergeben sich auch weder aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers noch aus sonstigen Anhaltspunkten Gründe dafür anzunehmen, dass die sofortige Ausweisung wegen Verstoßes gegen § 10 Abs. 2 AsylG iVm.

Artikel 3 EMRK oder gegen § 10 Abs. 3 iVm. Artikel 8 EMRK unzulässig wäre. Insoweit verweist der Asylgerichtshof auf die oben unter

3.2.2. gemachten Ausführungen.

 

Da die Ausweisung nach Italien rechtmäßig ist, hat das Bundesasylamt auch zu Recht festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung zulässig ist. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 10 Abs 4 AsylG.

Schlagworte
Ausweisung, strafrechtliche Verurteilung
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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