TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/24 A14 401840-1/2008

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Veröffentlicht am 24.11.2008
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Spruch

A14 401.840-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Lassmann als Vorsitzende und die Richterin Dr. Singer als Beisitzer über die Beschwerde des N. C., geb. 00.00.1989, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.09.2008, Zahl: 08 07.061-BAE, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z 1 und 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Mit Bescheid vom 19.09.2008, Zahl: 08 07.061-BAE, hat das Bundesasylamt, Außenstelle Eisenstadt, den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 10.08.2008 gem. § 3 AsylG 2005 abgewiesen und ihm den Status des Asylberechtigten ebenso wie den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Heimatstaat Nigeria nicht zuerkannt und diese Entscheidung mit einer Ausweisung verbunden.

 

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die mit Schriftsatz vom 06.10.2008 fristgerecht eingebrachte Beschwerde.

 

3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gem. § 41 Abs. 7 AsylG 2005 aufgrund des aus der Aktenlage als geklärt anzusehenden Sachverhaltes Abstand genommen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria und behauptet den im Spruch genannten Namen zu führen. Seine genaue Identität kann mangels vorgelegter Dokumente nicht festgestellt werden. Ebenso wenig kann seine genaue Fluchtroute (Reiseweg von Nigeria nach Österreich) festgestellt werden.

 

Er reiste laut eigener Angabe am 10.08.2008 schlepperunterstützt illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Bei seinen Einvernahmen im erstinstanzlichen Verfahren (am 10.08.2008 Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vor der Polizeiinspektion Traiskirchen, am 18.08.2008 vor dem Bundesasylamt Traiskirchen und am 17.09.2008 vor dem Bundesasylamt Eisenstadt) gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen im Kern an, er gehöre einer militanten politischen Verbindung namens "MEND" an und würde diese Verbindung Anschläge auf die Erdölindustrie tätigen. Bei Zusammenstößen mit den Regierungstruppen wären immer wieder Mitglieder dieser Verbindung getötet worden. Im Falle einer Rückkehr nach Nigeria würde der Beschwerdeführer getötet werden. Er wisse das deshalb, da dies die übliche Vorgangsweise gewesen sei, wenn Mitglieder von "MEND" von der Polizei verhaftet worden wären.

 

Zu seiner Fluchtroute gab er im Wesentlichen an, Nigeria etwa drei Wochen vor seiner Ankunft in Wien auf einem Containerschiff verlassen zu haben. Er sei auf dem Schiff von einer Frau versteckt und versorgt worden. Nachdem er das Schiff in einem ihm unbekannten Land verlassen habe, sei der Beschwerdeführer von der Frau an einen LKW-Fahrer übergeben worden. Er sei in einer großen Stadt angekommen, deren Namen er jedoch nicht sagen könne, und habe sich dann in englischer Sprache bis Traiskirchen durchgefragt. Zuletzt sei er mit dem Zug ca. eine halbe Stunde gefahren, man habe ihm dann anhand des Fahrscheins gesagt, dass er in Wien gewesen wäre (Erstbefragung 10.8.2008, AS 11 des erstinstanzlichen Aktes).

 

Bei seiner Einvernahme am 18.8.2008 gab er an, er sei von einen großen LKW zu einem Zug gebracht worden, mit dem er im Lager Traiskirchen angekommen sei (AS 33 des erstinstanzlichen Aktes), ähnliche Angaben tätigte er bei seiner Einvernahme am 17.9.2008 (AS 71 des erstinstanzlichen Aktes). Konkrete Angaben zu seiner Reise, die auch einer Überprüfung seiner Reiseroute in irgendeiner Form zugänglich gewesen wären, wie beispielsweise Name des Schiffes, Ankunftsort, Transitländer, Grenzübergänge oder ähnliches machte der Beschwerdeführer bei keiner seiner Aussagen. .

 

2. Die belangte Behörde wies den Antrag des nunmehrigen Beschwerdeführers auf Gewährung von internationalem Schutz ab und begründete ihre Entscheidung zusammengefasst mit der fehlenden Glaubwürdigkeit seiner Angaben. Die vom Beschwerdeführer angegebenen Gründe für das Verlassen des Heimatlandes seien unglaubwürdig, es könne nicht festgestellt werden, dass der vorgebrachte Fluchtgrund ausschlaggebend für das Verlassen seines Heimatlandes gewesen wäre und bestehen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria einer Gefahr ausgesetzt wäre. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem in der GFK genannten Grund liegt somit nicht vor.

 

Zu Spruchpunkt II. führte das Bundesasylamt aus, dass mangels Vorbringen einer glaubhaften Gefährdungssituation im Heimatstaat Nigeria die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten ausgeschlossen wäre.

 

Bezugnehmend auf Spruchpunkt III. verwies die belangte Behörde auf den Umstand, dass mangels Familienangehöriger in Österreich die Ausweisung keinen Eingriff in sein Familienleben darstelle. Mangels sonstiger Integration oder sozialer Bindungen in Österreich stelle die Ausweisung keinen Eingriff in Art. 8 EMRK dar.

 

3. Der Beschwerdeführer erhob gegen diese Entscheidung mit Schriftsatz vom 06.10.2008 fristgerecht Beschwerde. Darin brachte er im Wesentlichen vor, dass durch die von der belangten Behörde verwendeten Formulierungen "konnte nicht festgestellt werden" und "steht nicht fest" offensichtlich gerade keine Feststellungen getroffen worden seien und somit auch kein Sachverhalt festgestellt worden wäre, der einer rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden hätte können. Entgegen der Behauptung der Erstbehörde, hätte der Beschwerdeführer sehr wohl die Ziele und Daten der Gruppe gekannt und hätte er sie auch ausführlich wiedergegeben, da er sich schließlich mit dieser identifiziere. Ebenso detailliert und ausführlich wären die Angaben des Genannten bezüglich seines Reiseweges. So die Angaben über den Beitritt zu "MEND" detailarm gewesen wären, sei dies ein Resultat der Verwendung eines bloß sprachkundigen Dolmetschers. Hätte die Behörde ein ordentliches Ermittlungsverfahren durchgeführt, hätte sie zu einem anderen Spruch gelangen müssen. In Nigeria wäre der Beschwerdeführer der realen Gefahr ausgesetzt, in seinen ihm durch die Art. 2 und 3 der EMRK garantierten Rechte verletzt zu werden. Des Weiteren wird in der Beschwerde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof beantragt.

 

4. Zur Lage in Nigeria:

 

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen zur Lage in Nigeria decken sich mit dem Amtswissen des Asylgerichtshofes und werden zum Gegenstand dieses Erkenntnisses erklärt.

 

5. Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung:

 

5.1. Gemäß § 28 Abs. 1 AsylGHG, BGBl.I Nr. 2008/4 nimmt der Asylgerichtshof mit 01.07.2008 seine Tätigkeit auf. Das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, tritt mit 01.07.2008 außer Kraft.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, sofern sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005, BGBl. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 9 leg.cit. entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder verstärkte Senate (Kammersenate) vorgesehen ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes. Gemäß Abs. 3 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4, wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 und wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowie über die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Gemäß § 41 Abs.7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67d AVG.

 

Gemäß § 18 Abs. 1 AsylG 2005 haben das Bundesasylamt und der Asylgerichtshof in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amtswegen beizuschaffen. Gemäß Abs. 2 ist im Rahmen der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens eines Asylwerbers auf die Mitwirkung im Verfahren Bedacht zu nehmen.

 

Gemäß § 15 AsylG 2005 hat ein Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken; insbesondere hat er ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Weiters hat er bei Verfahrenshandlungen und Untersuchungen durch einen Sachverständigen persönlich und rechtzeitig zu erscheinen, und an diesen mitzuwirken sowie unter anderem auch dem Bundesasylamt oder dem Asylgerichtshof alle ihm zur Verfügung stehenden Dokumente und Gegenstände am Beginn des Verfahrens, oder soweit diese erst während des Verfahrens hervorkommen oder zugänglich werden, unverzüglich zu übergeben, soweit diese für das Verfahren relevant sind.

 

5.2. Im gegenständlichen Fall liegen die genannten Voraussetzungen des § 41 Abs.7 AsylG 2005 für den Entfall einer mündlichen Verhandlung vor. Das Bundesasylamt hat ein im beschriebenen Sinne ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und enthält der Beschwerdeschriftsatz zudem kein Vorbringen, das geeignet wäre, die in der schlüssigen Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheids zum Ausdruck kommende Beurteilung der belangten Behörde zu entkräften oder in Zweifel zu ziehen. Der verfahrensrelevante Sachverhalt ist daher nach dem Dafürhalten des Asylgerichtshofes als aus der Aktenlage als geklärt anzusehen.

 

Nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. VwGH vom 23.1.2003, Zl. 2002/20/0533, VwGH vom 2.3.2006, Zl. 2003/20/0317, kann nur dann angenommen werden, dass ein Sachverhalt nicht aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung (nunmehr Beschwerde) als geklärt anzusehen ist, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in einem entscheidenden Punkt nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will.

 

Diese Voraussetzungen liegen im Fall des Beschwerdeführers nicht vor.

 

Der Asylgerichtshof erachtet es des Weiteren im gegenständlichen Fall nicht für notwendig, die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes um zusätzliche (über bloße Zusatzbemerkungen oder Eventualausführungen hinausgehende) eigene Argumente zu ergänzen.

 

Nach der Rechtssprechung des VwGH widerspräche lediglich diese Notwendigkeit der Annahme eines hinreichend geklärten Sachverhaltes mit der Folge, dass von einer mündlichen Verhandlung nicht Abstand genommen werden dürfte (vgl. VwGH vom 30.9.2004, Zl 2001/20/0140).

 

Gemäß § 66 Abs.4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Auf die oben zitierte Bestimmung des § 23 AsylGHG, demzufolge die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, wird hingewiesen.

 

Der Beschwerdeführer hat den Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz am 10.08.2008 gestellt. Daher gelangen im gegenständlichen Verfahren die Bestimmungen des AsylG 2005 vollumfänglich zur Anwendung.

 

5.3. Zu Spruchpunkt I:

 

Gemäß § 3 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK (idF des Art. 1 Abs.2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4. 1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr -Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.2.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

 

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

 

Der Asylgerichtshof schließt sich mit Abstandnahme einer mündlichen Verhandlung der Beurteilung der belangten Behörde an und kommt zu dem Ergebnis, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers bereits aufgrund der fehlenden Glaubwürdigkeit seiner Angaben die Asylrelevanz zu versagen ist.

 

Die erstinstanzliche Behörde hat ihre Feststellungen aufgrund einer den Denkgesetzen entsprechenden und nachvollziehbaren Beweiswürdigung getroffen. Sie hat in ihrem Bescheid detailliert und überzeugend dargelegt, wie sie zu ihren Feststellungen gekommen ist. Der erkennende Senat findet keinen Grund, dieser Beweiswürdigung nicht zu folgen. Im Verfahren vor dem Bundesasylamt wurden die vorhandenen Beweismittel zur Gänze ausgeschöpft und die getroffenen Feststellungen auf die Ergebnisse eines ordnungsgemäß durchgeführten Beweisverfahrens gegründet und in überzeugender Weise dargetan, warum die erstinstanzliche Behörde zu ihren Sachverhaltsfeststellungen gelangte und aus welchen Gründen den Angaben des Beschwerdeführers kein Glauben geschenkt wurde.

 

Die belangte Behörde hat plausibel erläutert weshalb sie zur Ansicht gelangte, dass die von dem Beschwerdeführer geschilderte Bedrohungssituation nicht der Wahrheit entspricht. So könne insbesondere aufgrund der unklaren, zweideutigen, blassen und strukturbrüchigen Aussagen des Genannten nicht von der Glaubwürdigkeit seiner Person ausgegangen werden.

 

Wenn die belangte Behörde daher das Vorbringen des Beschwerdeführers als in sich nicht schlüssig und daher aus objektiver Sicht nicht glaubhaft beurteilt, ist ihr zuzustimmen.

 

Bei Durchsicht der Aussagen des Beschwerdeführers während des Verfahrens vor der belangten Behörde zeigt sich, dass er im Kern zwar bei dem von ihm angegeben Fluchtgrund blieb, über "MEND" allerdings keine näheren, detailreichen Angaben machen konnte. Ebenso waren seine Angaben über seinen Beitritt zu dieser Vereinigung blass und unplausibel und blieb er bei der Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen ihm Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahmen sehr kurz angebunden. Auch über seine persönlichen Aufgaben und Tätigkeiten bei "MEND" war er nicht in der Lage ausführliche Angaben zu machen und blieb er klare Antworten schuldig. So ist es beispielsweise keineswegs nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer den von ihm immer wieder angesprochenen Vorfall vom 09. Juni 2008, wonach Mitglieder von "MEND" mit kleinen Motorbooten einen Öltanker angegriffen hätten, nicht näher schildern konnte obwohl er an diesem Angriff selbst teilgenommen haben will. Es ist nicht plausibel, dass der Genannte und die Mitglieder seiner Gruppe in dieser Situation keinen Angriffsplan gehabt hätten. Ebenso wenig war es dem Genannten möglich, das Ziel des Angriffes zu nennen. In diesem Zusammenhang sind weiters die Behauptungen über den Waffengebrauch widersprüchlich. Gab der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Einvernahme am 18.08.2008 an Schusswaffen für den Überfall verwendet zu haben, behauptete er am 17.09.2008, mit einem Schwert bewaffnet gewesen zu sein.

 

In Gesamtschau kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer - wie von ihm behauptet - tatsächlich seit November 2007 Mitglied von MEND ist, sondern entstand im Laufe des Verfahrens der Eindruck, dass der Genannte sein Wissen über diese Gruppe aus den Medien gewonnen hat.

 

So kann die jeweils emotionslose, nicht nachvollziehbare und abweichende Schilderung seiner Fluchtgründe wohl nur damit zu erklären sein, dass die Angaben nicht der Wahrheit entsprechen und die geschilderten Erlebnisse von dem Beschwerdeführer nicht selbst erlebt wurden.

 

Dem Beschwerdeführer wurde bei einer dreimaligen Einvernahme die Möglichkeit gegeben, seine Fluchtgründe und seinen Fluchtweg im Detail darzustellen. Wie im Bescheid richtig aufgezeigt, blieb der Genannte auf einige wesentliche Fragen eine plausible Antwort schuldig.

 

Wenn die belangte Behörde daher das Vorbringen des Beschwerdeführers als unglaubwürdig erachtet, ist ihr zuzustimmen. Die Durchsicht der Aussagen des Beschwerdeführers während des Verfahrens vor der belangten Behörde zeigt deutlich, dass die Angaben des Genannten stets oberflächlich waren, keine persönliche Betroffenheit seiner Person zum Ausdruck brachten und er oft ausweichend antwortete.

 

Der in der Beschwerdeschrift gemachten Behauptung, die detailarmen Angaben des Genannten wären das Resultat eines bloß sprachkundigen Dolmetschers ist entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer selbst sein Einverständnis zur Einvernahme durch einen Dolmetscher für die englische Sprache erteilt hat.

 

Entgegen den Behauptungen in der Beschwerde sind auch Negativfestellungen Feststellungen, die der Begründungspflicht des AVG für Bescheide entsprechen.

 

Die ebenfalls in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, der Beschwerdeführer hätte die Ziele der Gruppe gekannt und diese auch ausführlich wiedergegeben, da er sich mit diesen identifiziere, widerspricht der Aktenlage, aus der sich wie oben dargelegt ergibt, dass der Beschwerdeführer hiezu teils widersprüchliche, teils äußerst kursorisch gehaltene Angaben täigte, nie davon sprach, sich mit den Gruppenzielen zu identifieren, sondern vielmehr den Eindruck erweckte, sich der Gruppe, wenn überhaupt, aus pekuniären Motiven angeschlossen zu haben. Sprach er doch davon, dass die Gruppe ihn angestellt habe, manchmal habe er auch ein wenig Geld bekommen (AS 75 des erstinstanzlichen Aktes) und davon, dass er der Mend beigetreten sei, da er zu dieser Zeit nichts gehabt hätte, auf der Suche nach Arbeit gewesen sei und deshalb beigetreten sei (AS 75 des erstinstanzlichen Aktes) bzw.davon, dass Oke Chukwu Leute gebraucht hätte und gewusst habe, dass es keine Arbeit hätte und ihm mitgeteilt habe, dies sei eine Möglichkeit, später zu einer Arbeit zu kommen (AS 77 des erstinstanzlichen Aktes).

 

Auch seine Angaben zu seiner Fluchtroute sind wie oben bereits dargestellt weder im Detail nachvollziehbar noch in irgendeiner Weise konkret, wie er dies in seiner Beschwerde darstellen will. Es muß davon ausgegangen werden, dass erwachsene Menschen, die weder an einer geistigen noch körperlichen Behinderung leiden, von einer Reise, die sie von Nigeria bis Österreich führt, doch genauere Daten und Details angeben können, als dies der Beschwerdeführer tat.

 

Die Erstbehörde verweist in ihrem Bescheid zu Recht auf die dem Beschwerdeführer mögliche innerstaatliche Fluchtalternative, welche ihm ebenfalls vorgehalten wurde, der er allerdings unterstellte, falsch zu sein. Überzeugende Gründe, welche eine innerstaatliche Fluchtalternative - deren Existenz sich eindeutig aus aktuellen, objektiven Quellen ergibt - widerlegen würden, konnte er nicht vorbringen.

 

Es gelang ihm somit im ganzen Verfahren nicht, eine konkrete Gefährdung seiner Person durch staatliche Stellen, bzw. die Unmöglichkeit für ihn, an einem anderen Ort unbehelligt zu leben, glaubhaft zu machen bzw. zu widerlegen.

 

Gemäß seinen Angaben war der Beschwerdeführer zuletzt als Händler tätig. Es gelang ihm offenbar bis zu seiner Flucht gut, in Nigeria zu leben und sich selbst zu erhalten. Weiters ist davon auszugehen, dass er dort noch Familie hat, insbesondere seine Eltern und fünf Geschwister.

 

Insgesamt sind somit - unabhängig von der Beurteilung des Wahrgehaltes des Vorbringens des Beschwerdeführers - die eingangs beschriebenen Voraussetzungen für eine Asylgewährung im gegenständlichen Fall nicht erfüllt.

 

5.4. Zu Spruchpunkt II

 

Gemäß § 8 Abs.1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Der Asylgerichtshof hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Beschwerdeführers in sein Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336).

 

Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

Im Sinne der Judikatur des EGMR und jener des darauf in seiner Rechtssprechung Bezug nehmenden VwGH - vgl. etwa VwGH vom 23.09.2004, Zl. 2004/21/0134 mit weiteren Nachweisen - hat die entsprechende Prüfung von Refoulementschutz dahingehend zu erfolgen, ob im Herkunftsstaat des Antragstellers eine derart extreme Gefahrenlage herrscht, dass praktisch jedem, der in diesen Staat abgeschoben wird, Gefahr für Leib und Leben in einem Maße droht, dass die Abschiebung im Lichte des Art. 3 EMRK unzulässig erschiene.

 

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den der Fremde abgeschoben werden soll, genügt nach der ständigen Rechtssprechung des VwGH (vgl. E. vom 01.07.1999, Zl. 97/21/0804; E. vom 09.05.2003, Zl. 1998/18/0317), nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde.

 

Im Fall des Beschwerdeführers konnten keine derart exzeptionellen Umstände festgestellt werden, die der Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK gleichzuhalten wären.

 

Unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Beweisverfahrens kann somit nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in sein Herkunftsland einer existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein könnte, sodass die Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK bedeuten würde.

 

Der Beschwerdeführer behauptet oder bescheinigt auch keinen sonstigen auf seine Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand", der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG darstellen könnte.

 

5.5. Zu Spruchpunkt III

 

Gemäß §10 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen unzulässig, wenn dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Im konkreten Fall kommt dem Beschwerdeführer weder ein solches Aufenthaltsrecht zu, noch konnte festgestellt werden, dass der Genannte im Fall seiner Ausweisung in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Privat- und Familienleben verletzt würde.

 

In diesem Zusammenhang ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer seit August in Österreich aufhältig ist und während dieses ca. 4-monatigen Aufenthaltes keine Verfestigungs- oder Integrationstatbestände verwirklicht wurden. Es ist weiters zu beachten, dass den eigenen Angaben des Beschwerdeführers zufolge seine Familie, nämlich Eltern, 3 Brüder und 2 Schwestern, nach wie vor in Nigeria leben.

 

Es liegen daher insgesamt betrachtet keine Gründe im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG vor, die einer Ausweisung entgegenstehen. Die Ausweisungsentscheidung der belangten Behörde steht somit in Einklang mit den gesetzlichen Voraussetzungen und war sohin zu bestätigen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Identität, innerstaatliche Fluchtalternative, non refoulement
Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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