TE AsylGH Beschluss 2009/01/14 S10 403561-1/2008

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Veröffentlicht am 14.01.2009
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Spruch

S10 403561-1/2008/5E

 

B E S C H L U S S

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. ROSENAUER als Einzelrichter über die Beschwerde von Frau T.J. alias Y., geboren am 00.00.1969, Staatsangehörigkeit Ukraine, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.12.2008, Zahl: 08 05.692-EAST OST, beschlossen:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 63 Abs. 5 AVG als unzulässig zurückgewiesen.

Text

BEGRÜNDUNG :

 

1. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1.1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge BF) ist am 02.07.2008 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hat am selben Tag beim Bundesasylamt einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht. In der Folge wurde sie am 18.07.2008 und am 19.11.2008 niederschriftlich einvernommen.

 

1.2. Ein AFIS-Abgleich ergab, dass die BF bereits am 03.04.2008 in Katowice (Polen) im Zuge der Stellung eines Asylantrages erkennungsdienstlich behandelt worden war und wurde daher am 07.07.2008 ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates (in der Folge Dublin II-VO) an Polen gerichtet. Da die erstinstanzliche Behörde ein Vorgehen nach § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 (in der Folge AsylG) beabsichtigte, wurde der BF mit Schreiben vom 08.07.2008, übernommen am 09.07.2008, mitgeteilt, dass seit 07.07.2008 Konsultationen mit Polen gemäß Dublin II-VO geführt würden und somit die 20-Tages-Frist gemäß § 28 Abs. 2 AsylG für Verfahrenszulassungen nicht mehr gelte.

 

1.3. Mit Erklärung vom 08.07.2008, eingelangt bei der Erstbehörde am 09.07.2008, erklärten sich die polnischen Behörden gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO zur Führung des gegenständlichen Asylverfahrens der BF als zuständig und zur Wiederaufnahme bereit.

 

1.4. Nach einer ärztlichen Untersuchung der BF am 28.07.2008 durch Frau Dr. S. S., Fachärztin für Psychiatrie, empfahl diese in ihrer gutachtlichen Stellungnahme die Beistellung eines Sachwalters für das Asylverfahren, da die BF aufgrund ihrer Erkrankung nicht in der Lage sei, ihre Interessen selbst zu vertreten.

 

1.5. Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 31.07.2008, Zahl 08 05.692-EAST OST, das Asylverfahren der BF gemäß § 38 AVG zur Klärung der Vorfrage, ob eine Sachwalterbestellung notwendig sei, ausgesetzt.

 

1.6. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Baden, Zahl 040 24 P 47/08s-10, wurde Rechtsanwalt Dr. Rudolf RAMMEL zum Verfahrens- und einstweiligen Sachwalter für die Vertretung der BF im Asylverfahren bestellt.

 

1.7. Das Bundesasylamt hat mit "Bescheid" vom 13.12.2008, Zahl: 08 05.692-EAST OST, den Antrag auf internationalen Schutz der BF, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und gleichzeitig ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Asylantrages gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates (in der Folge Dublin II-VO) Polen zuständig sei. Gleichzeitig wurde die BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung nach Polen zulässig sei. Dieser "Bescheid" wurde von der Erstbehörde der BF am 18.12.2008 im Amt persönlich ausgefolgt (siehe erstinstanzlicher Akt S. 275).

 

1.8. Gegen diesen "Bescheid" hat die BF persönlich und handschriftlich, beim Bundesasylamt eingelangt am 18.12.2008 und mit dem amtlichen Vermerk versehen "gilt als Berufung" Beschwerde eingebracht, in der verschiedenste kaum nachvollziehbare Vorbringen moniert werden. Diese Beschwerde samt erstinstanzlichem Verwaltungsakt langte am 18.12.2008 beim Asylgerichtshof ein.

 

1.9. Mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 02.01.2009, GZ S10 403561-1/2008/3Z, wurde der Beschwerde der BF die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

 

2. Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung:

 

2.1. Anzuwendendes Recht:

 

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 4/2008) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

 

Weiters anzuwenden sind die Bestimmungen des Asylgerichtshofgesetzes (AsylGHG), BGBl. I Nr. 4/2008, und gemäß § 23 AsylGHG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, alle in der jeweils geltenden Fassung.

 

Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Bestimmungen über die Einrichtung des Asylgerichtshofes finden sich in den Art. 129c ff.

B-VG.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder verstärkte Senate (Kammersenate) vorgesehen ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes. Gemäß § 61 Abs. 3 leg. AsylG entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4 AsylG, wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 AsylG und wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowie über die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm. § 23 AsylGHG hat der Asylgerichtshof, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Der Asylgerichtshof ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener des Bundesasylamtes zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gemäß § 63 Abs. 5 AVG iVm. § 23 AsylGHG ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Falle bloß mündlicher Verkündigung mit dieser.

 

2.2. Rechtlich folgt daraus:

 

Im gegenständlichen Fall hat die Erstbehörde aufgrund der medizinischen Untersuchung, die Bestellung eines Sachwalters für die BF angeregt.

 

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Baden, Zahl 040 24 P 47/08s-10, wurde Rechtsanwalt Dr. Rudolf RAMMEL zum Verfahrens- und einstweiligen Sachwalter für die Vertretung der BF im Asylverfahren bestellt.

 

Demzufolge erweist sich die Bescheidausfolgung an die BF persönlich als rechtsunwirksam, da rechtswirksam nur an ihren Sachwalter, der die BF im Asylverfahren vertritt, zugestellt hätte werden können.

 

Gemäß § 63 Abs. 5 AVG iVm. § 23 AsylGHG ist die Beschwerde von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Bestimmung kann sich eine Beschwerde nur gegen einen Bescheid richten. Ist der erstbehördliche Bescheid nicht rechtswirksam erlassen worden, so hat dies den Mangel der Zuständigkeit des Asylgerichtshofes zu einem meritorischen Abspruch über das Rechtsmittel der BF zur Folge. Die Zuständigkeit des Asylgerichtshofes reicht in derartigen Fällen nur so weit, das Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen (siehe die in E 18 zu § 63 AVG zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 1998).

 

Zumal die rechtswirksame Zustellung konstitutiv für die schriftliche Erlassung eines Bescheides ist, liegt im Falle einer unwirksamen Zustellung kein erlassener Bescheid, mithin also kein bekämpfbarer - weil noch nicht dem Rechtsbestand angehörender - Rechtsakt vor (zum Konstitutiverfordernis einer rechtswirksamen Zustellung vgl zB. VwGH 14.05.2003, Zahl 2002/08/0206; VwGH 18.09.2002, Zahl 98/17/0310).

 

Ungeachtet einer dennoch erhobenen Beschwerde ist das Verfahren nach wie vor in der Unterinstanz anhängig und dort noch nicht abgeschlossen.

 

Zur Fortsetzung des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz wird festgehalten, dass seitens des Bundesasylamtes in einem allenfalls beabsichtigten Bescheid über eine zurückweisende Entscheidung noch weitere Feststellungen hinsichtlich des Gesundheitszustandes der BF zu treffen wären. Wie in der gutachtlichen Stellungnahme von Dr. S. S. angeregt, ist eine neuerliche psychiatrische Untersuchung der BF zur Beurteilung der Frage, ob aus medizinischer Sicht Hindernisse einer Überstellung der BF nach Polen entgegenstehen, erforderlich. Eine diesbezügliche neuerliche Begutachtung ist auch vom Sachwalter der BF in der niederschriftlichen Einvernahme vom 19.11.2008 beantragt worden. Hinsichtlich des unentschuldigten Fernbleibens zur neuerlichen psychiatrischen Untersuchung am 09.12.2008 ist anzumerken, dass es zweckmäßig erscheint und angesichts des gesundheitlichen Zustandes der BF auch geboten ist, nicht nur sie, sondern auch ihren Sachwalter (als Zustellungsbevollmächtigten der BF) zu einer neuerlichen Untersuchung zu laden, zumal die BF nicht in der Lage ist, ihre Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen.

 

Weiters ist auf die Frist des Art. 20 Abs. 1 lit. d Dublin II VO hinzuweisen. Im vorliegenden Fall ist dem Bundesasylamt zuzustimmen, dass eine Zuständigkeit Polens gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c bestand. Es wird zu prüfen sein, ob die 6-monatige Überstellungsfrist zum Entscheidungszeitpunkt noch offen ist, zumal Polen bereits mit Erklärung vom 08.07.2008, eingelangt am 09.07.2008, seine Zustimmung zur Wiederaufnahme der BF erteilte.

 

Außerdem wäre seitens der Erstbehörde darauf zu achten, dass der Name des Sachwalters der BF Dr. Rudolf RAMMEL lautet und nicht, wie im erstinstanzlichen Bescheid an manchen Stellen (offenbar aus einem Versehen) angeführt, Dr. RAMEL.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden. Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG entfallen.

Schlagworte
Bescheidqualität, Vertretungsverhältnis, Vollmacht, Zustellmangel, Zustellung
Zuletzt aktualisiert am
05.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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