TE AsylGH Erkenntnis 2009/01/14 D3 207574-23/2008

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Veröffentlicht am 14.01.2009
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Spruch

D3 207574-23/2008/31E

 

Im Namen der Republik

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Kuzminski als Einzelrichter über die Beschwerde des K.A., geb. 00.00.1957, StA. Georgien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.06.2005, FZ. 05 06.689 EAST-Ost in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird gemäß § 66 Abs. 4 AVG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

Der Berufungswerber, ein Staatsangehöriger von Georgien, reiste am 03.03.1998 in das Bundesgebiet ein und begehrte am 10.03.1998 erstmals die Gewährung von Asyl.

 

Am 21.04.1998 wurde der Berufungswerber durch das Bundesasylamt zu seinem Fluchtweg und seinen Fluchtgründen niederschriftlich befragt, wobei im Einvernahmeprotokoll Folgendes festgehalten wurde:

 

F: Warum stellen Sie einen Asylantrag?

 

A: Zur Zeit der Sowjetunion gab es keine ethnisch bedingten Probleme. Als 1991 Chamsakhurdian an die Macht kam, begannen die Probleme. Er wollte Georgien für die Georgier und begann Armenier und Nicht-Moslems zu verfolgen.

 

Es gibt kriminelle Banden, die Verbindungen zu Behörden und Regierungsmitglieder haben. Sie haben uns gesagt, dass wir verschwinden sollen, da wir keine Georgier seien.

 

Es gab auch anonyme Anrufe, manchmal wurde nichts gesagt und bei anderen Anrufen wurden wir mit dem Umbringen bedroht.

 

F: Haben Sie versucht, diese Bedrohungen anzuzeigen oder sonst irgendwie Schutz zu bekommen?

 

A: Nein, diese Banden haben gute Kontakte zu den Behörden, eine Anzeige würde alles nur viel schlimmer machen. Ich wohnte vis-a-vis der Polizeistation, hätte ich diese Banden dort angezeigt, hätten sie mich sicher umgebracht.

 

Wirtschaftlich ist es mir dort gut gegangen, es geht mir vor allem um die Sicherheit meiner Kinder.

 

F: Warum sind Sie dann nur mit einem Sohn nach Österreich gekommen?

 

A: Das ist nicht anders möglich, denn Visa für alle Familienmitglieder werden nicht ausgestellt. Ich versuchte für uns vier Visa zu bekommen, habe aber nur zwei bekommen. Eines für mich und eines für meinen Sohn T..

 

F: Was war Ihr eigentliches Reiseziel?

 

A: Ich wollte nach Österreich. Von Tiflis wegzufliegen getraute ich mich nicht, außerdem gibt es nur einmal in der Woche einen Flug nach Österreich. Auch hatte ich Angst durch ganz Georgien durchzureisen, die Türkei war für uns günstiger. Diese Banden überfallen Reisende und rauben sie aus.

 

F: Gab oder gibt es einen Haftbefehl gegen Sie, oder waren Sie inhaftiert?

 

A: Nein, niemals und es gibt auch keinen Haftbefehl.

 

F: Hatten Sie irgendwelche Probleme mit den Sicherheitsbehörden in Ihrer Heimat?

 

A: Nein, ich hatte nie Probleme. Ich war nie politisch tätig und gehörte auch keiner Partei an.

 

F: Welche konkreten persönlichen Bedrohungen fühlen Sie sich in Ihrer Heimat ausgesetzt?

 

A: Es gab einen Vorfall am 00.00.1997, ich war auf dem Heimweg, als einige Personen mir den Weg versperrten und mich fragten, warum ich noch hier sei, ich sollte verschwinden, dann haben sie mich geschlagen und getreten. Dabei wurden mir meine Zähne ausgeschlagen, als einer mit dem Fuß in mein Gesicht trat. Ich erhielt auch einen Fußtritt in die Leistengegend. Die Polizisten von vis-a-vis haben zugesehen und diese Leute einfach davongehen lassen. Nach einer Woche ging ich ins Spital, wo ein Leistenbruch festgestellt wurde und ich operiert werden musste.

 

F: War dies der einzige Zwischenfall dieser Art?

 

A: Nein, es gab mehrere dieser Vorfälle, aber es war der Einzige, wo ich so arge Verletzungen erlitten habe. Im September 1997 haben mich Betrunkene ins Gesicht geschlagen und gesagt, "du Armenier verschwinde".

 

Ich lege hier eine Bestätigung des Krankenhauses vor, die belegt, dass mein Sohn R. eine Gehirnerschütterung am 00.00.1997 erlitten hat. An diesem Tag wurde mein Sohn von denselben Leuten zusammengeschlagen und zum Verschwinden aufgefordert. Wir erhielten einen Anruf, dass unser Sohn zurzeit im Krankenhaus notversorgt wird.

 

F: Haben Sie zu Ihren Fluchtgründen alles angegeben?

 

A: Ich möchte nur noch angeben, dass ich große Angst um meinen Sohn und um meine Frau habe, die jetzt noch in meiner Heimat sind. Mir ging es zu Hause wirtschaftlich gut, aber die Umstände haben mich veranlasst, in ein sicheres Land zu gehen. Wir hatten eine schöne Wohnung im Zentrum der Stadt, welche nun leer steht, denn aus Angst ist meine Frau und mein Sohn R. zu meiner Schwiegermutter gezogen. Meine Schwiegereltern kommen momentan für den Lebensunterhalt auf.

 

B. war eine multinationale Stadt, es gab Griechen, Juden und viele andere Minderheiten. Die Griechen sind nach Griechenland gegangen, die Juden nach Israel, ich kann aber nicht nach Armenien gehen, da ich die Schrift gar nicht und die Sprache nur sehr schlecht kann. Außerdem habe ich einen Georgischen Pass und keine Angehörigen in Armenien.

 

Auf Nachfrage gebe ich an, dass ich mit keinen armenischen Vertretern in Kontakt getreten bin, um über eine Einbürgerung zu sprechen. Ich wäre dort auch ein Fremder, und die Situation in Armenien ist auch instabil.

 

Nur weil ich Christ bin und von den Moslems verfolgt werde, bin ich geflüchtet. Bei uns gibt es Demokratie nur auf dem Papier und ich hoffe, hier bessere Chancen zu haben.

 

Frage an den Vertreter:

 

Gibt es noch Fragen oder Anmerkungen, die Sie protokolliert haben möchten?

 

A: Keine Fragen, aber eine Anmerkung:

 

Der AW hat angegeben, dass es armenischen Bekannten passiert sei, dass sie von der Polizei auf der Straße Drogen in die Tasche gesteckt bekommen haben, welche bei der anschließenden Visitierung gefunden wurden. Diese Bekannten wurden dann von der Polizei geschlagen, haben Bestechungsgeld bezahlt und es wurde von einer Anzeige abgesehen. Das gleiche hätte mir oder meinen Kindern passieren können. Das war der Grund, warum ich nicht wagte, zur Polizei zu gehen und meine Misshandlungen anzuzeigen.

 

F: Was würde Ihnen bei einer Rückkehr in Ihre Heimat passieren?

 

A: Wir würden umgebracht werden. Es sind jetzt sehr wenig Christen in B. und es sind alle bekannt. Deswegen wurde ich auch zusammengeschlagen.

 

F: Warum haben Sie nicht in einem anderen Teil des Landes Zuflucht gesucht?

 

A: Seit Chamsakhurdian an die Macht kam, werden alle Minderheiten im ganzen Land systematisch vertrieben. Auch gibt es in Russland keine Möglichkeit, weil alle die vom Kaukasus kommen, eingesperrt und ausgewiesen werden.

 

F: Hat sich nach der Amtszeit von Chamsakhurdian nichts geändert?

 

A: Es sind alles Banditen. Wir haben einen eigenen Präsidenten, weil Adscharia eine autonome Republik ist. Der Präsident ist auch Moslem."

 

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 07.01.1999, Zl 98 01.717-BAW, diesen Asylantrag gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.) und stellte zugleich fest, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Georgien gemäß § 8 AsylG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

 

Gegen diesen Bescheid des Bundesasylamtes erhob der Berufungswerber Berufung.

 

Der Unabhängige Bundesasylsenat führte am 17.05.1999 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Berufungswerber nochmals zu seinen Fluchtgründen befragt wurde, wobei im Einvernahmeprotokoll Folgendes festgehalten wurde:

 

Welchen Beruf haben Sie in Ihrer Heimat ausgeübt?

 

Ich war in einer Schuhfabrik tätig.

 

Haben Sie bis zu Ihrer Flucht gearbeitet?

 

Ein Jahr vor meiner Flucht habe ich aufgehört zu arbeiten, da man mir keine Arbeit gegeben hat.

 

Warum?

 

Weil ich ein Christ war, bekam ich keine Arbeit.

 

Die haben mir keine Arbeit gegeben, damit wir selbst die Arbeitsstätte verlassen.

 

Viele Christen haben B. verlassen.

 

Welcher Religion gehören Sie an?

 

Ich bin Angehöriger der heiligen armenischen apostolischen Kirche (Gregorianer).

 

Hat es in Georgien Probleme mit der Religionsausübung gegeben?

 

Ja. Aber nicht in Georgien, sondern in Adzharia, einer Teilrepublik von Georgien. Diese Teilrepublik grenzt an die Türkei.

 

Welche Art waren diese Probleme?

 

Die haben gesagt, verlassen Sie dieses Land und viele Christen haben das Land auch verlassen. Unsere Heimat war ursprünglich die Türkei. Mein Vater hat 1915 während des Genozid der Armenier die Türkei verlassen und ist nach Georgien gegangen. Über dieses Genozid hat der ö. Schriftsteller Franz Werfel den Roman "40 Tage Musa-Daga" geschrieben.

 

Wer waren diese Leute, die das gesagt haben?

 

Adzharier, weil diese Moslems sind.

 

Wurden Sie aufgrund Ihrer armenischen Abstammung in Georgien etwa im Alltag von den Behörden benachteiligt?

 

Als die Kommunisten noch an der Macht waren, haben die Adzharier noch Angst gehabt, die Armenier zu benachteiligen, aber nach dem Zerfall der Sowjetunion ist sofort die Nationalitätenfrage zu einem Problem geworden und alle Christen sind geflüchtet. Ich habe meine Kirche besucht und sie haben gewusst, dass ich meine Kirche besuche. Am 00.00.1997 bin ich zusammengeschlagen worden.

 

Sind Sie telefonisch bedroht worden?

 

Ja. Ich wurde aufgefordert, das Land zu verlassen. Es waren anonyme Anrufer. Ich wurde jeden Tag angerufen. Das ist ca. zwei Jahre so gegangen, nämlich, als Chamsakhurdian an die Macht kam, hat es damit begonnen.

 

Sind Sie auch schriftlich bedroht worden?

 

In meinen Postkasten haben sie leere Holzschachteln hineingeworfen, auf denen stand "Ihr seid Fremde, geht zurück in eure Heimat, sonst habt ihr es noch schlechter, auch die Kinder".

 

Sind Sie auf der Straße angesprochen worden und aufgefordert worden, Ihr Land zu verlassen?

 

Ja. Ich wurde mehrmals auf der Straße aufgefordert, das Land zu verlassen und zurück in die Heimat zu gehen. Ich habe jedoch keine Heimat.

 

Wie hat man Sie als ethnischen Armenier erkannt?

 

Wenn wir die Kirche besuchen, stehen Leuter herum und die wissen, dass in diese Kirche nur Armenier gehen. Außerdem haben wir russisch gesprochen und es sind ca. 7% russisch sprechende Bevölkerung in Georgien. Davon sind wenige Russen, die meisten sind armenischer Abstammung. Ich habe eine russische Schule besucht und dort Georgisch als Fremdsprache gelernt. Auch Georgier, die in Adzharia gelebt haben, sind ausgewandert, und zwar orthodoxe Christen aus Georgien. In Georgien hat es auch Spanier gegeben, die nach dem spanischen Bürgerkrieg vor Franco geflohen sind und Deutsche, die nach dem 2. Weltkrieg als Kriegsgefangene nach Georgien gekommen sind und dort geblieben sind.

 

Haben Sie sich für die Sache der Armenier in Georgien engagiert?

 

Nein. Das war nicht möglich. Ich wäre sofort verhaftet worden.

 

Sind Sie aufgrund Ihrer armenischen Herkunft in Georgien geschlagen worden?

 

Ich wurde einmal zusammengeschlagen, das war am 00.00.1997 und dabei habe ich mehrere Zähne verloren. Vorher hat es schon mehrmals kritische Situationen gegeben, die einer Schlägerei nahe kommen. Sie wollten mich zu einer Schlägerei provozieren, ich hatte mich allerdings zurückgehalten. Hätte ich auf diese Provokationen reagiert, wäre ich sicher verhaftet worden.

 

Waren Sie wegen dieser Zähne in ärztlicher Behandlung?

 

Die Zähne sind weg. Sie haben mir auch in den Bauch geschlagen und eine Woche später war der Bauch geschwollen. Ich war deswegen beim Arzt. Der Arzt hat gemeint, man muss diese Schwellung operativ behandeln, weil ein inneres Organ verletzt ist. Von 3. auf 4. August wurde ich operiert. Es war eine Eiterstelle im Bauch und diese wurde entfernt, sonst wäre ich an Blutvergiftung gestorben.

 

Haben Sie Ihre Zähne auch behandeln lassen?

 

Der Arzt hat mich nur mit einer Flüssigkeit eingeschmiert. Sonst hat er mich nicht behandelt. Ich habe erst in Österreich durch die Caritas neue Zähne bekommen.

 

Haben diese Schläger etwas zu Ihnen gesagt, bevor Sie zusammengeschlagen wurden?

 

Es war nur vier oder fünf Personen und sie haben gesagt, bis du noch da und noch nicht weg, dann wurde ich zusammengeschlagen. Sie haben zuerst von hinten mich bedroht und dann von vorne zusammengeschlagen.

 

War das auf Georgisch?

 

Ja. Sie sprechen alle georgisch.

 

Waren diese Schläger uniformiert?

 

Nein. Sie waren in Zivil.

 

Waren das Ihrer Meinung nach Angehörige irgendeiner Organisation, wenn ja, welcher?

 

Diese Banden sind entstanden, als Chamsakhurdian an die Macht gekommen ist, aber sie agieren nach seinem Sturz noch weiter und habe ihre Aktivitäten noch verstärkt.

 

Vorhalt: Nach dem Sturz des Chamsakhurdian sind seine Anhänger selbst verfolgt worden.

 

Das sind Banden, die nach wie vor aktiv sind. Jetzt gibt es Banden des neuen Präsidenten von Adzharien Abaschidze. Auch der georgische Präsident Schewardnadse wurde von organisierten Banden überfallen. Ich weiß nicht, wie man diese Banden nennen soll, Mafia- oder Korruptionsgruppen.

 

Haben Sie einen Schläger persönlich gekannt?

 

Ja. Ich kenne diese Leute, die mich zusammengeschlagen haben, alle persönlich.

 

Haben Sie mit diesen Leuten vorher einen persönlichen Streit gehabt?

 

Ja. Diese Leute haben vorher zu mir und anderen Leuten gesagt, wir sollen dieses Land verlassen. Auch den Russen, Spanier und den Deutschen in Georgien haben sie das gesagt.

 

Kennen Sie auch andere ethnische Armenier in Georgien, denen so etwas passiert ist?

 

Ja. Ich kenne einige persönlich.

 

Haben Sie sich an die Polizei um Hilfe gewandt?

 

Ich wurde vor meinem Haus zusammen geschlagen. Gegenüber ist die Polizei. Auch die Polizei selbst hat gesagt, dass es besser sei, das Land zu verlassen.

 

Hatten Polizisten den Vorfall beobachtet?

 

Ja. Sie sind auf der Straße gegangen und haben den Vorfall beobachtet. Sie haben überhaupt nicht reagiert.

 

Haben Sie sich vorher schon einmal an die Polizei gewandt, wegen der Anrufe?

 

Nein. Die sind eine Art Banden und die arbeiten mit der Polizei zusammen. Das Haus ist im Zentrum von B.. Alle in B. haben sich gekannt.

 

Vorhalt: B. hat über 130.000 Einwohner.

 

Die Stadt selbst ist jedoch klein. Die 130.000 Einwohner sind mit allen Vororten zusammen.

 

Ist es richtig, dass Sie sich niemals an die Polizei gewandt haben?

 

Ich habe mich nicht an die Polizei gewandt, weil es keinen Sinn hat. Wenn ich mich an die Polizei um Hilfe gewandt hätte, hätten die Banden in der Nacht geläutet und mich bedroht.

 

Was würde im Falle einer Rückkehr nach Georgien mit Ihnen geschehen?

 

Ich und mein Sohn würde umgebracht werden.

 

Von wem?

 

Von denselben Leuten, die mich schon bedroht und zusammengeschlagen haben.

 

Wollen Sie länger in Österreich bleiben oder wollen Sie nach Australien auswandern?

 

Ich will in Österreich bleiben und nicht auswandern.

 

Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 25.11.1999, Zl 207.574/0-VIII/22/99, wurde die Berufung vom 22.01.1999 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.01.1999, Zl 98 01.717-BAW, gemäß §§ 7,8 AsylG abgewiesen. Dieser Bescheid ist am 29.11.1999 in Rechtskraft erwachsen.

 

Der Berufungswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 12.12.2002, ZI 2000/20/0103-7 bzw. 2000/20/0295-8, die Behandlung der Beschwerde des Asylwerbers abgelehnt.

 

Am 06.05.2005 brachte der Berufungswerber beim Bundesasylamt einen zweiten (den gegenständlichen) Asylantrag ein.

 

Am 03.06.2005 wurde er erneut durch das Bundesasylamt zu seinen Fluchtgründen niederschriftlich befragt, wobei im Einvernahmeprotokoll folgendes festgehalten wurde:

 

F: Sie haben bereits am 03.03.1998 unter der Zahl 98 01.717, einen Asylantrag gestellt, der rechtskräftig negativ entschieden wurde. Warum stellen Sie neuerlich einen Asylantrag?

 

A: Mein erster Asylantrag wurde abgelehnt. Ich habe um ein humanitäres Visum angesucht. Jetzt ist meine Frau ebenfalls hier. Sie ist Asylwerberin. Was soll ich machen, ich kann nirgendwo hinfahren.

 

F: Bestanden diese Gründe bereits bei der ersten Antragstellung?

 

A: Meine Gründe sind gleich geblieben. Nach meiner Ausreise wurde meine Frau verfolgt. Sie wurde vom Geheimdienst KGB aufgesucht. Sie wollten wissen, wo ich mich aufhalte.

 

F: Seit wann befindet sich ihre Gattin in Österreich?

 

A: Seit 2 Jahren und drei Monaten.

 

F: Hat sich an Ihren Befürchtungen betreffend einer möglichen Rückkehr in Ihr Heimatland etwas geändert?

 

A: Nein. Sie warten auf mich noch immer.

 

F: Wie ist der Verfahrensstand im Asylverfahren der Gattin?

 

A: Der Akt ist auf Berufung.

 

Erklärung: Seitens des Bundesasylamtes ist beabsichtigt, Ihren Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Sie können nunmehr dazu Stellung nehmen.

 

A: Meine Frau ist in Österreich ebenfalls Asylwerberin. Ich bitte Sie, meinem Asylantrag stattzugeben. Mein Asylantrag muss bearbeitet werden.

 

Am 07.06.2005 erfolgte die Zweiteinvernahme im Asylverfahren, wobei dem Asylwerber Gelegenheit gegeben wurde, zur beabsichtigten Vorgangsweise nochmals Stellung zu nehmen. Der Asylwerber erklärte, nicht nach Hause zurückkehren zu können, weil er dort umgebracht wird sowie, dass seine Frau auch hier in Österreich ist.

 

Mit Bescheid vom 13.06.2005, Zl 05 06.689-EAST Ost, wurde dieser zweite Asylantrag gemäß § 68 Absatz 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

 

In der Begründung des Bescheides wurde kurz der bisherige Verfahrensgang und anschließend die oben bereits vollinhaltlich wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt. Sodann wurden personenbezogene Feststellungen getroffen. Beweiswürdigend wurde in der Folge ausgeführt, dass der seit der rechtskräftigen ersten Entscheidung aus Österreich nicht ausgereiste Berufungswerber keinen neuen maßgeblichen Sachverhalt vorgebracht hat.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Berufungswerber am 28.06.2005 durch seinen ausgewiesen und bevollmächtigten Vertreter von der Caritas Wien im Faxweg fristgerecht Berufung. Als entscheidungsrelevanten neuen Sachverhalt gab er die Verfolgung seiner Frau durch den Geheimdienst an, welcher den Aufenthaltsort des Asylwerbers in Erfahrung bringen wollte. Diese Frage wertete der Asylwerber als Verfolgungshandlung gegen seine Person.

 

Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 04.08.2005, 207.574/23-VIII/22/05 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i. V.m. § 38 Abs 1 AsylG 1997 i.d.F. BGBl. I Nr. 101/2003 abgewiesen. Der Beschwerdeführer sei die Ehemann der K.M., mit welchem er standesamtlich verheiratet ist und bei der ein Asylverfahren anhängig sei. Der Beschwerdeführer habe es im zweiten Asylverfahren nicht vermocht, keine geeigneten neuen Gründe für eine asylrelevante Gefährdung vorzubringen, Es seien die gleichen Gründe geblieben, wie schon beim ersten Verfahren.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller, vertreten durch den RA Mag. Bürstmayr mit Schriftsatz vom 24.10.2005 Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Darin wurde zusammenfassend ausgeführt, der Unabhängige Bundesasylsenat seinen Ermittlungspflichten nicht nachgekommen sei. Der Beschwerdeführer sei ein "Familienangehöriger einer Asylwerberin" und verstöße gegen das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens.

 

Nach der Aktenvorlage durch den Unabhängigen Bundesasylsenat, der auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtete, gab der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 09.06.2008, Zahl B 860/07-21, der Beschwerde statt und behob den Bescheid. Dazu führte der Verfassungsgerichtshof Folgendes aus:

 

" Auf den in schriftlichen Asylantrag enthaltenen Hinweis auf das Familienverfahren ging das Bundesasylamt ebenso wenig ein, wie auf das Vorbringen, der Beschwerdeführer sei nach seiner Ausreise vom Geheimdienst gesucht worden.

 

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wies der Beschwerdeführer nochmals unter Bezugnahme auf das Asylverfahren seiner Ehefrau, welches bei der Berufungsbehörde anhängig sei, darauf hin, dass er seinen zweiten Antrag im Familienverfahren gestellt habe. Auch sei vom Bundesasylamt übersehen worden, dass er einen neuen Sachverhalt geschildert habe.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid, in dem die Einvernahmen des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt wiedergegeben werden, wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 68 Abs. 1 AVG ab. ...

 

2. Soweit die belangte Behörde davon ausgeht, der Beschwerdeführer habe keinen neuen Sachverhalt vorgebracht, da vor dem Bundesasylamt "vom Geheimdienst kein Wort protokolliert worden" sei, widerspricht diese Annahme der vom Bundesasylamt vom 3. Juni 2005 aufgenommenen - auf Seite 8 des angefochtenen Bescheides wörtlich wiedergegebenen - Niederschrift. Diese Aktenwidrigkeit führt schon für sich genommen zu einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 30. November 2006, Zl. 2006/19/0088, und vom 21. März 2007, Zl. 2006/19/0076). Überdies ist ihre Relevanz für das Verfahrensergebnis schon deshalb nicht auszuschließen, weil sich die belangte Behörde mit dem neuen Vorbringen inhaltlich nicht auseinander setzte.

 

3. Im vorliegenden Fall haben die Asylbehörden allerdings auch nicht berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer seinen zweiten Asylantrag - aufgrund der seit der Entscheidung über den ersten Asylantrag geänderten Rechtslage - im Familienverfahren eingebracht hat.

 

3.1. Gemäß § 44 Abs 1 Asylgesetz 1997 idF der Asylgesetzesnovelle BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG) waren Verfahren über Asylanträge, die ab 1. Mai 2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG zu führen. Der Beschwerdeführer hat den hier relevanten Asylantrag am 6. Mai 2005 gestellt; das Asylverfahren war daher nach dem AsylG zu führen.

 

3.2. Mit der Novelle, welche am 1. Mai 2004 in Kraft trat, wurde das im Asylgesetz 1997 vorgesehene System der "Asylerstreckung" durch das in § 10 AsylG geregelte Familienverfahren ersetzt. Die hier relevanten Bestimmungen lauten:

 

"§ 10. (1) Familienangehörige (§ 1 Z 6) eines

 

1. Asylberechtigen;

 

2. subsidiär Schutzberechtigten (§§ 8 in Verbindung mit 15) oder

 

3. Asylwerbers

 

Stellen einen Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. Für Ehegatten gilt dies überdies nur dann, wenn die Ehe spätestens innerhalb eines Jahres nach der Einreise des Fremden geschlossen wird, der den ersten Antrag eingebracht hat.

 

...

 

(5) Die Behörde hat Asylanträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Dies ist entweder die Gewährung von Asyl oder subsidiärem Schutz, wobei die Gewährung von Asyl vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Antragsteller erhält einen gesonderten Bescheid."

 

Gemäß § 1 Z 6 AsylG ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind (Kernfamilie) eines Asylwerbers oder eines Asylberechtigten ist.

 

3.3 In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (120 BlgNR 22. GP, 10) wird zur Einführung des Familienverfahrens ausgeführt, dass Familienverfahren "zum frühestmöglichen Zeitpunkt ... erkannt und geführt werden" sollen. Daraus ergibt sich, dass es zu Einleitung eines Familienverfahrens - anders als bei der Asylerstreckung - nicht darauf ankommt, ob formal ein "Asylantrag" iSd § 3 AsylG oder ein "Antrag auf Gewährung desselben Schutzes" iSd § 10 AsylG eingebracht wurde. Vielmehr hat die Behörde, sobald ein Familienangehöriger iSd § 1 Z 6 AsylG einen derartigen Antrag stellt, jedenfalls die Bestimmungen über das Familienverfahren anzuwenden (vgl. auch Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 1997, Praxiskommentar, 3. Ergänzungslieferung Juni 2004, 231). ...

 

Es soll vielmehr sichergestellt werden, dass der inhaltliche Zusammenhang zwischen den einzeln zu führenden Verfahren der Familienangehörigen nicht verloren geht und bei allen zum günstigsten Verfahrensergebnis führt. ...

 

3.4. Nach der Aktenlage war das Asylverfahren der Ehefrau des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Einbringung seines gegenständlichen Asylantrags und auch noch bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides bei der belangten Behörde anhängig. Der Beschwerdeführer hatte seinen Antrag somit als Familienangehöriger (iSd § 1 Z 6 AsylG) einer Asylwerberin (§ 10 Abs. 1 Z 3 AsylG) eingebracht. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zum Familienverfahren ergibt, wäre dieser Antrag daher jedenfalls unter dem Aspekt des § 10 AsylG zu prüfen gewesen, ohne dass es - wie die belangte Behörde meint - darauf ankäme, "dass es sich beim Verfahren der Gattin um ein laufendes Berufungsverfahren handelt, welches noch keinen (vollen) Schutzumfang begründet." Vielmehr gebietet § 10 Abs 1 Z 3 AsylG die Führung eines Familienverfahrens gerade schon dann, wenn ein Asylverfahren eines Angehörigen (noch) anhängig ist.

 

4. Vor diesem Hintergrund entsprach es nicht der Rechtslage, den Asylantrag des Beschwerdeführers wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Der Berufungsbehörde war es verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (Sache des Berufungsverfahrens war nur die Zurückweisung des Antrags durch die Vorinstanz), weshalb sei den Bescheid des Bundesasylamts ersatzlos zu beheben gehabt hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 93/08/0207, mwN). ... "

 

Rechtlich ergibt sich daraus Folgendes:

 

Gemäß § 61 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes, soweit nicht etwas anders in § 61 Abs 3 AsylG vorgesehen ist.

 

Gemäß § 75 AsylG 2005 BGBl. I Nr. 100/2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetztes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Gemäß § 44 Abs. 2 AsylG 1997 werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 31. Dezember 2005 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 101/2003 geführt.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 AsylG 2005 sind beim Unabhängigen Bundesasylsenat am 01.07.2008 anhängige Verfahren in denen bis zu diesem Zeitpunkt keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, vom dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat des Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gemäß § 23 AsylGHG i.d.g.F. sind - soweit sich nichts aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, nichts anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51 mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Da gegenständlicher Antrag am 06.05.2005 gestellt wurde, war er nach der Rechtslage des AsylG 1997 idF 101/2003 unter Beachtung der Übergangsbestimmungen, woraus sich die gegenständliche Zuständigkeit ergibt, zu beurteilen.

 

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, dann, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 und 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

Ist - wie im vorliegenden Fall - Sache im Sinn des § 66 AVG der Entscheidung der Rechtsmittelbehörde nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, darf sie demnach nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist oder nicht und hat demnach entweder das Rechtsmittel abzuweisen oder den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde den gestellten Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (VwSlG 2066A/1951; VwGH 17.12.1965, 929/65; VwGH 30.10.1991, 91/09/0069; VwGH 30.5.1995, 93/08/0207; Walter/Thienel Verwaltungsverfahren2, 1433).

 

Die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages aufgrund geänderten Sachverhaltes darf ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind. In der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid können derartige Gründe nicht neu vorgebracht werden (vgl. VwGH 30.06.1992, Zl. 89/07/0200; 20.04.1995, Zl. 93/09/0341). Dies bezieht sich auf Sachverhaltsänderungen, welche in der Sphäre des Antragstellers gelegen sind. Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, Zl. 99/01/0400; 07.06.2000, Zl. 99/01/0321).

 

Die Rechtskraft eines ergangenen Bescheides steht der meritorischen Entscheidung über einen neuerlichen Antrag nur dann nicht entgegen und berechtigt daher die Behörde nur dann nicht zur Zurückweisung des Antrages, wenn in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt eine Änderung eingetreten ist. Dabei kann nur eine solche Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung berechtigen und verpflichten, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 24.03.1993, Zl 92/12/0149; 10.06.1998, Zl 96/20/0266). Die objektive (sachliche) Grenze der Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", das heißt durch die Identität der Verwaltungssache, über die mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten, bestimmt. Die durch den Bescheid entschiedene Sache (i.S.d. § 8 AVG) wird konstituiert durch die Relation bestimmter Fakten (die den Sachverhalt bilden) zu bestimmten Rechtsnormen (die den Tatbestand umschreiben) [vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, (1998), Anm 12 zu § 68 AVG]. Die Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteibegehren im Wesentlichen (von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, abgesehen) mit dem früheren deckt (vgl. VwGH 10.06.1998, Zl. 96/20/0266; 21.09.2000, Zl. 98/20/0564). Eine Modifizierung des Vorbringens, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern.

 

Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (VwGH vom 21.10.1999, ZI 98/20/0467).

 

Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren aufgrund des selben Sachverhaltes, sondern, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ergibt, auch im Falle des selben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des rechtskräftig gewordenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen (VwGH vom 16.01.1990, Zl 89/08/0163; VwGH vom 30.09.1994, Zl 94/08/0183; Walter-Thienel a.a.O.). Wie sich aus § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG und der dazu ergangenen Judikatur ergibt, setzt eine nachträgliche Änderung des Sachverhaltes, der unter Umständen das Vorliegen einer entschiedenen Sache hindert, voraus, dass es sich um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel handelt (VwSlg 15.445A/1928, VwGH vom 18.12.1996, Zl 95/20/0672; Walter-Thienel Verwaltungsverfahren², 1492 mit weiteren Hinweisen) und nicht um Tatsachen, die erst nach Abschluss des Verfahrens hervorgekommen sind.

 

Im vorliegenden Verfahren ist der Verwaltungsgerichtshof einerseits davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer zu dem verfahrensgegenständlichen 2. Asylantrag ein neues Vorbringen erstattet hat (mit dessen Glaubwürdigkeit und Asylrelevanz die Behörde erster Instanz sich auseinanderzusetzen hat) und andererseits der Umstand des Vorliegens eines Familienverfahrens nicht berücksichtigt wurde.

 

Die belangte Behörde hätte daher den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos zu beheben gehabt.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Familienverfahren, Identität der Sache
Zuletzt aktualisiert am
06.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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