TE Vwgh Erkenntnis 2001/5/22 2000/01/0226

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Veröffentlicht am 22.05.2001
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §4 Abs1 idF 1999/I/004;
AsylG 1997 §4 Abs3a idF 1999/I/004;
AsylG 1997 §4 Abs3a Z3 idF 1999/I/004;
AVG §67d;
EGVG Art2 Abs2 D Z43a;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2000/01/0248 E 22. Mai 2001 2000/01/0249 E 22. Mai 2001 2000/01/0250 E 22. Mai 2001 2000/01/0251 E 22. Mai 2001 2000/01/0252 E 22. Mai 2001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 18. Mai 2000, Zl. 210.580/0-IX/27/99, betreffend § 4 Asylgesetz 1997 (mitbeteiligte Partei: AS in E, geboren am 21. Februar 1954), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Mitbeteiligte, ein jugoslawischer Staatsbürger, beantragte am 26. April 1999 die Gewährung von Asyl. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 31. Mai 1999 "ohne in die Sache einzutreten" gemäß § 4 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen; der Mitbeteiligte sei über Ungarn nach Österreich eingereist, es bestehe für ihn die Möglichkeit, dort Schutz vor Verfolgung zu finden.

Der gegen den Bescheid des Bundesasylamtes erhobenen Berufung gab der unabhängige Bundesasylsenat (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 18. Mai 2000 gemäß § 32 Abs. 2 AsylG statt; er behob den bekämpften Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an das Bundesasylamt zurück.

Die belangte Behörde ging wie das Bundesasylamt davon aus, dass der Mitbeteiligte über Ungarn nach Österreich gelangt sei. Sie traf in der Folge Feststellungen zu maßgeblichen Bestimmungen des am 1. März 1998 in Kraft getretenen ungarischen Asylgesetzes (Gesetz Nr. CXXIX/1997), von denen folgende herausgegriffen seien:

"§ 39 (1) Eine Berufung gegen die Entscheidung ist nicht statthaft.

(2) Um eine gerichtliche Überprüfung der Entscheidung kann angesucht werden. Innerhalb von 15 Tagen nach Einreichen des Ansuchens entscheidet das Gericht in einem außergerichtlichen Verfahren über den nach allgemeinen Verfahrensregeln gefassten Beschluss. Das Gericht kann den Beschluss abändern.

(3) Das Ansuchen kann beim Gericht - außer bei Vorliegen von § 46 - innerhalb von 5 Tagen nach Bekanntgabe des Beschlusses eingereicht werden.

...

§ 43 Im verkürzten Verfahren ist das Ansuchen des Antragstellers auf Anerkennung als Flüchtling zu beurteilen, wenn das Ansuchen offensichtlich unbegründet ist. Wenn der Antragsteller im Zuge des verkürzten Verfahrens glaubhaft machen kann, dass das Ansuchen offensichtlich nicht unbegründet ist, so ist das Verfahren nach den allgemeinen Bestimmungen durchzuführen.

§ 44 Das Ansuchen ist offensichtlich als unbegründet zu werten, wenn der Antragsteller

a) in seinem Ansuchen auf keine bestehende Verfolgung in seiner Heimat oder auf die Furcht davor verweist;

b) im Laufe des Verfahrens eine Erklärung bezüglich seiner Identität oder Staatsbürgerschaft, des Grundes für sein Asylansuchen verweigert;

c) in Bezug auf seine Identität und Staatsbürgerschaft absichtlich falsche oder irreführende Daten liefert, des Weiteren mit Absicht falsche oder gefälschte Dokumente verwendet und an deren unwahrem Inhalt festhält.

§ 45 Im verkürzten Verfahren ist innerhalb von 7 Tagen nach Einreichen des Ansuchens ein Beschluss zu fassen.

§ 46 Innerhalb von 3 Tagen nach Bekanntgabe des Beschlusses kann das Gericht um Überprüfung des im verkürzten Verfahren gefassten Beschlusses ersucht werden."

Zwischen Österreich und Ungarn - so die belangte Behörde weiter - bestehe ein Schubabkommen, welches die Rückführung eines Asylwerbers, der die österreichisch-ungarische Staatsgrenze rechtswidrig überschritten habe, ermögliche. Nach seiner Rückführung habe der Fremde die uneingeschränkte Möglichkeit, in Ungarn Asyl zu beantragen und Zugang zum Asylverfahren zu finden. Die Bestimmung des Art. 4 Abs. 1 lit. c des ungAsylG (Ausschluss von Personen, die aus einem sicheren Drittstaat nach Ungarn eingereist sind) komme nicht zur Anwendung, wenn eine Person - wie im vorliegenden Fall - nach Zurückweisung ihres Asylantrages in Österreich gemäß § 4 AsylG nach Ungarn zurückgestellt werde.

Insgesamt ergebe sich bezüglich des Asylverfahrens folgendes Bild: Die ungarische Asylbehörde ORMA entscheide im Asylverfahren in erster und einziger Administrativinstanz. Gegen diese Entscheidung könne sodann beim "Zentralgericht" in Budapest als Verwaltungsgericht erster Instanz eine Klage auf gerichtliche Überprüfung der Administrativentscheidung eingebracht werden, jedoch betrage die Frist für die Einbringung dieses Rechtsmittels gemäß § 39 Abs. 3 ungAsylG nur fünf Tage "nach Bekanntgabe" der Entscheidung von ORMA, in jenen Fällen, in denen von ORMA ein "verkürztes Verfahren" iSd §§ 43 ff ungAsylG durchgeführt worden sei, nur drei Tage (§ 46 leg. cit.). Diese Klage besitze aufschiebende Wirkung auf die Vollstreckung der Administrativentscheidung. Allerdings könne das Verwaltungsorgan seine Verfügung mit Bedacht auf ein öffentliches Interesse oder ein schwer wiegendes Interesse der Partei sofort für vollstreckbar erklären. Diesfalls könne in der Klageschrift die Aussetzung der Vollstreckung beantragt werden. In der Praxis komme es jedoch nicht vor, dass Entscheidungen für sofort vollstreckbar erklärt und eine aufschiebende Wirkung solcher Art ausgeschlossen würde, vielmehr werde Asylwerbern der Aufenthalt bis zur Beendigung des gerichtlichen Verfahrens gestattet.

Bezüglich des "Refoulement-Verbotes" stelle sich die Situation so dar, dass die Polizei/Grenzwache vor einer Entscheidung über die Ausweisung eines Fremden von Amts wegen zu prüfen habe, ob ein Abschiebungshindernis vorliege. Vor der Entscheidung sei ein Gutachten der Asylbehörde ORMA über die Möglichkeit einer Ausweisung einzuholen. Die im Fremdengesetz angeführten Refoulement-Verbote entsprächen Art. 3 EMRK und Art. 33 GFK. Gegen den Ausweisungsbeschluss sei gemäß § 35 Abs. 1 ungFrG eine - innerhalb von drei Tagen einzubringende - Berufung zulässig, über die das vorgesetzte Organ der Polizei/Grenzwache entscheide. Wenn der Fremde in seiner Berufung glaubhaft mache, dass der Ausweisungs-/Zurücksendungsbeschluss einer internationalen Verpflichtung widerspreche, so könne dieser gemäß § 35 Abs. 3 leg. cit. nicht für sofort vollstreckbar erklärt und müsse die Berufungsentscheidung abgewartet werden. Gegen diese Berufungsentscheidung sei binnen acht Tagen eine gerichtliche Klage zulässig. Nunmehr sei klargestellt, dass sich das Verbot, die Ausweisungsentscheidung vor Abschluss des Asylverfahrens zu vollstrecken, auch auf das gerichtliche Überprüfungsverfahren bis zur Rechtskraft der Entscheidung erstrecke.

Mit Anordnung des Landeskommandanten der Grenzwache und des Landespolizeidirektors sei normiert worden, dass die in so genannten Gemeinschaftsunterkünften der Fremdenpolizei untergebrachten Ausländer, die ihre Identität nicht glaubwürdig nachweisen könnten, die Unterkünfte nur für gesundheitliche, dringliche und die Grundversorgung betreffende Zwecke laut ärztlicher Bestätigung und zum Aufsuchen eines Konsulates zwecks Feststellung der Identität verlassen dürften. Im ungAntimafiaG seien ergänzende Regelungen über den verpflichtenden Aufenthalt in einer Gemeinschaftsunterkunft getroffen worden. Der Zustand in den Gemeinschaftsunterkünften sei unterschiedlich, wobei die Lebensbedingungen in den kleineren Lagern als günstiger zu bezeichnen seien. Das früher mehrfach kritisierte Anhaltelager Györ sei völlig erneuert worden; die Anhaltebedingungen seien nunmehr als sehr gut zu bezeichnen. In der Mehrzahl der Anhaltelager seien die Lebensbedingungen sowie die hygienischen Bedingungen gut bzw. akzeptabel. Im Anhaltelager Szombathely seien die hygienischen Bedingungen und der Zustand der Badezimmer und Toiletten als Substandard zu bezeichnen. Allein stehende Frauen könnten oft von allein stehenden Männern getrennt werden, doch könne die Privatsphäre nicht in allen Bereichen respektiert werden. Ähnliches gelte für die Gemeinschaftsunterkunft in der Stadt Nyirbator. Zum vermehrten Auftreten von Krankheiten sei es in den Gemeinschaftsunterkünften nicht gekommen. Aus Österreich zurückgeschobene Personen würden mit hoher Wahrscheinlichkeit im Anhaltelager Szombathely untergebracht. In den Gemeinschaftsunterkünften der Fremdenpolizei bestehe teilweise eine zeitlich eingeschränkte Besuchsmöglichkeit für Rechtsanwälte, wobei weder im Administrativverfahren noch im gerichtlichen Überprüfungsverfahren - ausgenommen das Verfahren vor dem Obersten Gericht - Anwaltspflicht vorgesehen sei. Während etwa in der Gemeinschaftsunterkunft Nyirbator die Adresse eines Rechtsanwaltes in allen Abteilungen des Lagers aushänge und dieser seine Sprechstunden im Anhaltegebäude selbst abhalte, sei in der Gemeinschaftsunterkunft Szombathely die Kontaktaufnahme mit Rechtsvertretern deutlich schwieriger: Es gebe für die Angehaltenen keine Kontaktadressen von Anwälten; Rechtsanwälte dürften nur Personen besuchen, für die sie bereits eine Vollmacht vorweisen könnten. NGO-Vertreter hätten keinen Zutritt zur genannten Gemeinschaftsunterkunft; in deren Besuchszimmer könnten sie nur mit Angehaltenen sprechen, die sie bereits vertreten. Alle Schriftstücke, die die Gemeinschaftsunterkunft Szombathely verlassen sollen, seien dem vor dem Reviereingang stehenden Unteroffizier zu übergeben, der sie ohne Übernahmsbestätigung an sich nehme. Die Auflage von Übernahmebüchern und die Aushändigung einer Durchschrift der jeweiligen Eintragung an die Asylwerber sei von der Leitung der Gemeinschaftsunterkunft abgelehnt worden.

Der Fristenlauf im administrativbehördlichen Verfahren sei in § 39 Abs. 1 und 2 ungVwVerfG geregelt. Gemäß § 39 Abs. 1 leg. cit. würden Fristen, die nach Tagen berechnet werden, erst am Tag nach der Verkündung, Aushändigung oder Veröffentlichung zu laufen beginnen. Falle der letzte Tag der Frist auf einen Tag, an dem die Behörden nicht arbeiteten, ende die Frist gemäß § 39 Abs. 2 leg. cit. am nächsten Arbeitstag. Für die Wahrung der Frist sei es ausreichend, dass das Rechtsmittel innerhalb der vorgesehenen Frist aufgegeben werde. Für die Berechnung der Fristen bei Gerichtsverfahren sei die Bestimmung des § 103 des Gesetzes III/152 über die Zivilprozessordnung maßgeblich; nach dem zweiten Absatz dieser Bestimmung würden Fristen, die nach Tagen bestimmt seien, am Tag nach dem Tag des fristauslösenden Ereignisses (Zustellung, Verkündung) zu laufen beginnen. Falle der letzte Tag der Frist auf einen arbeitsfreien Tag, ende die Frist gemäß § 103 Abs. 4 leg. cit. am nächsten Arbeitstag. § 103 Abs. 5 leg. cit. bestimme, dass die Frist mit Ablauf des letzten Tages der Frist ende, jedoch laufe die für eine Vorlage einer Eingabe bei Gericht oder die für eine vor dem Gericht zu leistende Handlung festgesetzte Frist bereits mit dem Ende der Amtsstunden ab.

Rechtlich folgerte die belangte Behörde unter Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2000, Zl. 99/20/0246, dass es für das Vorliegen des in § 4 Abs. 1 AsylG genannten Schutzes ua. erforderlich sei, dass im Drittstaat die in § 4 Abs. 3a Z 2 AsylG umschriebenen Maßnahmen zur Sicherung des rechtlichen Gehörs, die in Z 3 leg. cit. geforderte Einrichtung einer Überprüfungsinstanz und das Erfordernis nach Z 4 leg. cit., dass der Asylwerber im Drittstaat bleiben könne, bis die Entscheidung der Überprüfungsinstanz getroffen oder die Entscheidung der Behörde endgültig geworden sei, erfüllt seien. Der Verfassungsgerichtshof habe zu § 32 Abs. 1 AsylG in der Stammfassung ausgesprochen, dass die dort normierte zweitägige Berufungsfrist verfassungswidrig sei. Er habe ausgeführt, dass "eine Frist von einer Woche ... als Mindestmaß anzusehen" sein dürfte. Dies habe er damit begründet, dass Rechtsschutzeinrichtungen ihrer Zweckbestimmung nach ein bestimmtes Mindestmaß an faktischer Effizienz für den Rechtsschutzwerber aufweisen müssten und dieses Minimum bei einer für den Rechtsschutz maßgeblichen Regelung wie der über die Dauer einer Rechtsmittelfrist nur dann gegeben sei, wenn sie dem negativ beschiedenen potenziellen Rechtsschutzsuchenden gewährleiste, sein Rechtsmittel in einer Weise auszuführen, die sowohl dem Inhalt der anzufechtenden Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht als auch dem zu dieser Entscheidung führenden, allenfalls mit Mängeln behafteten Verfahren, adäquat sei. Damit werde ein für die Auslegung österreichischer Gesetze verbindlicher Maßstab konkretisiert, unter welchen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen ein Verwaltungsverfahren, in dem es um die hier in Rede stehenden Schutzgüter gehe, geeignet erscheine, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten; daher sei auch für die im Rahmen des § 4 AsylG vorzunehmende Bewertung der Rechtsmittelfristen des Asylverfahrens - worunter das gesamte Asylverfahren einschließlich des gerichtlichen Überprüfungsverfahrens zu verstehen sei - im Drittstaat von den Anforderungen auszugehen, die der Verfassungsgerichtshof in den genannten Erkenntnissen ganz allgemein an die Ausgestaltung eines Rechtsmittels gestellt habe, um von einem effektiven Rechtsschutz sprechen zu können. Vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen bezüglich der in Ungarn geltenden Rechtsmittelfristen (fünf Tage - im verkürzten Verfahren drei Tage - für eine Klage auf gerichtliche Überprüfung einer abweisenden Entscheidung der Asylbehörde; drei Tage für eine Berufung gegen eine Ausweisungsentscheidung) müsse davon ausgegangen werden, dass die im gegenständlichen Zusammenhang maßgebliche ungarische Rechtslage den genannten Anforderungen an einen effektiven Rechtsschutz nicht gerecht werde. Denn im Fall einer abweisenden Entscheidung der ungarischen Asylbehörde über einen vom Mitbeteiligten in Ungarn gestellten Asylantrag würde bei einer Fristenberechnung gemäß § 39 ungVwVerfG, auch wenn dieser Antrag nicht im verkürzten Verfahren behandelt werde, die vom Verfassungsgerichtshof als für einen effektiven Rechtsschutz als ausreichend angesehene Mindestfrist von einer Woche nur dann erreicht, wenn die Entscheidung der ungarischen Asylbehörde dem Asylwerber an einem Montag zugestellt würde. Bei einer Zustellung am Dienstag würde die effektive Rechtsmittelfrist sechs Tage, bei einer Zustellung an einem Mittwoch, Donnerstag oder Freitag lediglich die im § 39 Abs. 3 ungAsylG genannten fünf Tage betragen. Lege man die Fristenberechnung der ungZPO zugrunde, sei der einem Asylsuchenden zur Abfassung eines Rechtsmittels jeweils zur Verfügung stehende Zeitraum noch kürzer, da gemäß § 103 Abs. 5 leg. cit. die für eine Vorlage einer Eingabe beim Gericht und die für eine vor dem Gericht zu leistende Handlung festgesetzte Frist bereits mit dem Ende der Amtsstunden ablaufe. Da im Voraus nicht gesagt werden könne, an welchem Wochentag einem Asylsuchenden die Entscheidung der ungarischen Asylbehörde zugestellt werden würde, könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Mitbeteiligte in Ungarn im ordentlichen Asylverfahren eine den Anforderungen des § 4 Abs. 2 AsylG genügende Rechtsmittelfrist vorfinden würde. Umso weniger sei dies für das verkürzte Asylverfahren sowie das fremdenrechtliche Verfahren mit jeweils dreitägigen Rechtsmittelfristen anzunehmen. Festzuhalten sei schließlich, dass im gegenständlichen Verfahren auch nicht hervorgekommen sei, dass auf Grund rechtlicher oder tatsächlicher Besonderheiten des ungarischen Asylverfahrens auch bei Bedachtnahme auf die dargestellten Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes den Anforderungen an einen effizienten Rechtsschutz genüge getan wäre. Vielmehr sei auf die angeführten Probleme hinzuweisen, mit denen insbesondere in der Gemeinschaftsunterkunft Szombathely untergebrachte Asylwerber konfrontiert seien, wenn sie Kontakt mit Rechtsvertretern aufnehmen wollten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 38 Abs. 5 AsylG gestützte, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde des Bundesminister für Inneres, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Sowohl die belangte Behörde als auch der beschwerdeführende Bundesminister gehen davon aus, dass die vom Mitbeteiligten gegen den erstinstanzlichen Bescheid des Bundesasylamtes erhobene Berufung rechtzeitig erfolgt sei. Auch der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Ansicht, doch bedarf es im Hinblick auf die in § 32 Abs. 1 AsylG vorgesehene zehntägige Frist zur Erhebung einer Berufung gegen Bescheide, mit denen das Bundesasylamt Asylanträge gemäß § 4 leg. cit. wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen hat, einer kurzen Anmerkung. Im bekämpften Bescheid wird nämlich festgehalten, dass der erstinstanzliche Bescheid dem Mitbeteiligten am 7. Juni 1999 zugestellt worden sei und er die dagegen erhobene Berufung am 18. Juni 1999 - und daher erst am 11. Tag nach Zustellung (!) - zur Post gegeben habe. Demgemäß war dem Mitbeteiligten auch zunächst seitens der belangten Behörde per 27. Dezember 1999 vorgehalten worden, dass er die Berufungsfrist versäumt habe.

Ungeachtet dessen, dass dieser Vorhalt unbeantwortet geblieben ist, wurde die Berufung von der belangten Behörde in der Folge meritorisch erledigt. Diese Vorgangsweise war im Ergebnis richtig, weil die vom Bundesasylamt per 7. Juni 1999 angeordnete Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides durch Hinterlegung ohne vorhergehenden Zustellversuch bei der Behörde gemäß §§ 8 Abs. 2 iVm 23 ZustG nicht mit dem Gesetz im Einklang stand; die Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch war nämlich vorgenommen worden, ohne dass das Bundesasylamt - nachdem ein erster Zustellversuch an der bekannten Adresse des Mitbeteiligten gescheitert war - irgendwelche Ermittlungen im Hinblick auf eine neue Abgabestelle des Mitbeteiligten durchgeführt hätte. Ohne versucht zu haben, die neue Abgabestelle auszuforschen, durfte von § 8 Abs. 2 ZustG aber kein Gebrauch gemacht werden (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, (1998) zu § 8 ZustG unter E 31. ff. zitierte hg. Judikatur). Die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides des Bundesasylamtes galt daher erst mit dessen Übernahme durch den Mitbeteiligten am 11. Juni 1999 als bewirkt.

2. Zur Sache selbst:

2.1. § 4 Abs. 1 bis 3a und Abs. 5 AsylG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 4/1999 lauten:

"Unzulässige Asylanträge wegen Drittstaatsicherheit

§ 4. (1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn der oder die Fremde in einem Staat, mit dem kein Vertrag über die Bestimmung der Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages anwendbar ist, Schutz vor Verfolgung finden kann (Schutz im sicheren Drittstaat).

(2) Schutz im sicheren Drittstaat besteht für Fremde, wenn ihnen in einem Staat, in dem sie nicht gemäß § 57 Abs. 1 oder" (ergänze: "2") "FrG bedroht sind, ein Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention offen steht, sie während dieses Verfahrens in diesem Staat zum Aufenthalt berechtigt sind und wenn sie dort Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat - auch im Wege über andere Staaten - haben, sofern sie in diesem gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sind. Dasselbe gilt bei gleichem Schutz vor Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für Staaten, die in einem Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention bereits eine Entscheidung getroffen haben.

(3) Die Voraussetzungen des Abs. 2 sind in einem Staat regelmäßig darin" (gemeint wohl: "dann") "gegeben, wenn er die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert und gesetzlich ein Asylverfahren eingerichtet hat, das die Grundsätze dieser Konvention umsetzt, sowie die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, und das Protokoll Nr. 11 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Umgestaltung des durch die Konvention eingeführten Kontrollmechanismus samt Anhang, BGBl. III Nr. 30/1998, ratifiziert hat.

(3a) Der Bundesminister für Inneres kann mit Verordnung Staaten bezeichnen, die Asylwerbern regelmäßig effektiven Schutz vor Verfolgung gewähren (Abs. 2), weil

1. ihre Behörden aus Österreich zurückgewiesenen, zurückgeschobenen oder abgeschobenen Fremden, die im Drittstaat Schutz vor Verfolgung suchen, uneingeschränkt Zugang zum Asylverfahren gewähren und solche Fremde - auch im Wege über andere Staaten - nicht in den Herkunftsstaat abschieben, sofern sie in diesem gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sind;

2. die Verfahren zur Prüfung von Asylanträgen einzelfallbezogen geführt, insbesondere die Asylwerber persönlich einvernommen werden, erforderlichenfalls Dolmetscher beigezogen werden und die Entscheidung (Spruch) den Asylwerbern in einer ihnen verständlichen Sprache mitgeteilt wird;

3. die Entscheidung der zur Prüfung von Asylanträgen zuständigen Behörde vor eine Überprüfungsinstanz gebracht werden kann;

4. die Asylwerber im Hoheitsgebiet des Staates bleiben können, bis die Entscheidung der Überprüfungsinstanz getroffen oder die Entscheidung der Behörde endgültig geworden ist.

...

(5) Können Fremde, deren Asylantrag nach Abs. 1 als unzulässig zurückgewiesen wurde, nicht in einen sicheren Drittstaat zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden, so tritt der Bescheid, mit dem der Asylantrag zurückgewiesen wurde, mit dem Zeitpunkt des Einlangens der Mitteilung nach § 57 Abs. 7 FrG außer Kraft. Mit diesem Zeitpunkt beginnt die Entscheidungsfrist nach § 73 Abs. 1 AVG von neuem zu laufen; ein anhängiges Berufungsverfahren ist als gegenstandslos einzustellen."

Gemäß § 32 Abs. 2 erster Satz AsylG hat die belangte Behörde der Berufung gegen eine auf § 4 AsylG gestützte Entscheidung des Bundesasylamtes stattzugeben, wenn dessen Feststellung, es bestehe aus den Gründen des § 4 AsylG Unzuständigkeit, nicht zutrifft.

2.2. Die belangte Behörde stützte sich zentral auf das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2000, Zl. 99/20/0246. Sie hat richtig ausgeführt, dass gemäß diesem Erkenntnis (und der daran anknüpfenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes) "Schutz im sicheren Drittstaat" iS des § 4 Abs. 1 AsylG - und damit eine auf Drittstaatsicherheit gegründete Zurückweisung eines Asylantrages als unzulässig - voraussetzt, dass im Drittstaat die in § 4 Abs. 3a AsylG genannten Kautelen erfüllt sind. Sie hat weiters erkannt, dass gemäß der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes aus österreichischer Sicht "eine Frist von einer Woche ... als Mindestmaß anzusehen" sein dürfte, um in einem Verwaltungsverfahren, in dem es um die hier in Rede stehenden Schutzgüter geht, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten (und damit dem Kriterium des § 4 Abs. 3a Z 3 leg. cit. (dass "die Entscheidung der zur Prüfung von Asylanträgen zuständigen Behörde vor eine Überprüfungsinstanz gebracht werden kann") zu entsprechen). Die im ungarischen Asylgesetz vorgesehenen Rechtsmittelfristen entsprächen dieser Voraussetzung nicht, zumal nicht hervorgekommen sei, dass auf Grund rechtlicher oder tatsächlicher Besonderheiten des ungarischen Asylverfahrens in anderer Weise den Anforderungen an einen effizienten Rechtsschutz Genüge getan wäre.

2.3. In der vorliegenden Amtsbeschwerde wird zutreffend der Vorwurf erhoben, dass die belangte Behörde gemäß § 67d AVG iVm Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung verpflichtet gewesen wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. November 1999, Zl. 99/20/0162). Allerdings führt nicht jede Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Aufhebung eines Bescheides, sondern nur eine solche, bei deren Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können. Das kann - entgegen der von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift vertretenen Ansicht - nicht schon mit dem Argument verneint werden, dass davon ausgegangen werden könne, dass das Bundesasylamt bei einer öffentlichen Verhandlung kein relevantes Vorbringen (dazu siehe unten) erstattet hätte. Die Relevanzprüfung hat nämlich insoweit abstrakt und nicht im Weg einer nachträglichen Erforschung des potenziellen tatsächlichen Vorgehens der Verfahrensparteien, wäre der Verfahrensverstoß unterlassen worden, zu erfolgen.

2.4. Zur Relevanz des vorliegenden Verfahrensfehlers macht der beschwerdeführende Bundesminister geltend, dass bei Durchführung der mündlichen Verhandlung auf folgende Mechanismen im ungarischen Asylverfahren hingewiesen worden wäre, die ungeachtet der Kürze der "Berufungsfrist" (gemeint: Frist für "Ansuchen um gerichtliche Überprüfung" im Sinn des § 39 Abs. 2 ungAsylG) das geforderte Mindestmaß an faktischer Effizienz des Rechtsschutzes gewährleisteten:

a) Es entspreche den tatsächlichen Gepflogenheiten im ungarischen Asylverfahren, die Entscheidungen der ersten Instanz durch ORMA-Mitarbeiter in Gegenwart von Dolmetschern auszuhändigen, den Bescheidinhalt (samt Begründung) durch diese Dolmetscher vor der Behörde übersetzen zu lassen und dem Asylwerber die Möglichkeit einzuräumen, "Berufung" gegen die Entscheidung der ersten Instanz unmittelbar beim Referenten zu Protokoll zu geben, wobei der Asylwerber die Möglichkeit habe, weitere Begründungen auch noch binnen der fünftägigen Berufungsfrist nachzureichen.

b) Außerdem sei konkrete persönliche Hilfe an Asylwerber in Ungarn über ein vom UNHCR finanziertes und vom ungarischen Helsinkikomitee betriebenes Netz von kostenlosem Beistand durch Rechtsanwälte gewährleistet.

Im Übrigen wäre von der belangten Behörde jedenfalls zu analysieren gewesen, ob der Mitbeteiligte im Fall einer Asylantragstellung in Ungarn überhaupt Gefahr liefe, dem Regime der dreitägigen "Berufungsfrist" des § 46 ungAsylG zu unterfallen. Dass die belangte Behörde eine Auseinandersetzung mit dieser Frage unterlassen und die allgemeine fünftägige sowie die spezielle dreitägige "Berufungsfrist" undifferenziert nebeneinander gestellt habe, stelle einen weiteren Verfahrensmangel dar.

Was zunächst den letztgenannten Gesichtspunkt anlangt, so hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 11. Oktober 2000, Zlen. 99/01/0408, 0409, auf Basis der auch hier festgestellten ungarischen Rechtslage ausgesprochen, dass nicht auszuschließen sei, dass Asylanträge in Ungarn als offensichtlich unbegründet angesehen und in dem für diesen Fall vorgesehenen verkürzten Verfahren behandelt würden. Der Bundesminister für Inneres verweist demgegenüber darauf, dass das verkürzte Verfahren gemäß der ungarischen Rechtslage nur bei Flughafenverfahren und im Falle offensichtlich unbegründeter Asylanträge zur Anwendung gelange. Dass der Mitbeteiligte dem Flughafenverfahren unterfallen könnte, sei auszuschließen. Offensichtlich unbegründet sei ein Asylantrag nach ungarischem Recht aber nur dann, "wenn a) der Antragsteller entweder in seinem Ansuchen auf keine bestehende Verfolgung in seiner Heimat oder auf die Furcht davor verweist, ... Bezüglich a) wird man wohl davon ausgehen können, dass bei ausdrücklicher Stellung eines Asylantrages auch die Verfolgung, als dessen Voraussetzung, zum Ausdruck gebracht werden wird und dass der konkrete Asylwerber eine solche Verfolgungsbehauptung in Ungarn auch vorbringen würde. ...".

Dem beschwerdeführenden Bundesminister ist darin beizupflichten, dass nicht ernsthaft in Erwägung zu ziehen ist, der Mitbeteiligte werde dem Flughafenverfahren unterzogen werden. Die Annahme indes, ein Asylwerber (konkret: der Mitbeteiligte) werde bei Stellung eines Asylantrages auch eine taugliche Verfolgungsbehauptung aufstellen, läuft darauf hinaus, die entsprechende Bestimmung des ungAsylG überhaupt als sinnlos erscheinen zu lassen, weil dann, wollte man sich diese Argumentation aneignen, nie die Voraussetzung der fehlenden Verfolgungsbehauptung vorliegen könnte. Dass dieser Ansatz daher schon dem Grunde nach verfehlt ist, liegt auf der Hand. Davon abgesehen ist das Tatbestandsmerkmal "Verfolgung" (siehe § 44 lit. a ungAsylG) derart vielschichtig, dass auch bei Aufstellen einer "Verfolgungsbehauptung" nie ausgeschlossen werden kann, dass der entsprechende Sachverhalt nicht als "Verfolgung" iS des § 44 lit. a ungAsylG begriffen wird. Dass im vorliegenden Fall mangels Einvernahme des Mitbeteiligten zu seinen Fluchtgründen eine dahingehende Beurteilung seines Vorbringens auch aus österreichischer Sicht gar nicht möglich ist, sei nur der Vollständigkeit halber angefügt.

Festzuhalten bleibt damit, dass eine Behandlung des Mitbeteiligten im verkürzten Verfahren (und damit die Anwendung der dreitägigen Rechtsmittelfrist des § 46 ungAsylG auf seinen Fall) nicht auszuschließen ist, weshalb die nachfolgenden Erwägungen betreffend die im ungarischen Asylverfahren nach den Behauptungen des Bundesministers für Inneres bestehenden Mechanismen hinsichtlich ihrer Fähigkeit, ein Mindestmaß an faktischer Effizienz des Rechtsschutzes zu gewährleisten, vor dem Hintergrund einer dreitägigen Überprüfungsfrist zu betrachten sind.

2.5. Schon im bereits erwähnten Erkenntnis Zlen. 99/01/0408, 0409 hat der Verwaltungsgerichtshof zu - seinerzeit im Rahmen einer Äußerung nach § 41 Abs.1 letzter Satz VwGG vorgetragenen - "komplementären Schutzmechanismen zur Aufrechterhaltung eines Mindestmaßes an faktischer Effizienz des Rechtsschutzes", welche nach Ansicht des Bundesministers für Inneres das strukturelle Problem zu kurzer Rechtsmittelfristen ausgleichen würden, Stellung genommen. Zu beurteilen war der Umstand, dass es den "tatsächlichen Gepflogenheiten" im ungarischen Asylverfahren entspreche, die Entscheidungen der ersten Instanz durch ORMA-Mitarbeiter in Gegenwart von Dolmetschern auszuhändigen, den gesamten Bescheidinhalt (samt Begründung) durch diese Dolmetscher vor der Behörde übersetzen zu lassen und dem Asylwerber die Möglichkeit einzuräumen, Berufung gegen die Entscheidung der ersten Instanz unmittelbar beim Referenten zu Protokoll zu geben, wobei der Asylwerber die Möglichkeit habe, weitere Begründungen nachzureichen. Hiezu wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass - die Richtigkeit dieses Vorbringens unterstellt - eine solche Vorgangsweise in der Tat nicht ohne Auswirkung für die Bewertung des ungarischen Asylverfahrens sei und solche Schutzmechanismen die kurze Rechtsmittelfrist zu relativieren im Stande seien. Insbesondere sei nicht zu übersehen - dies unter dem Aspekt "sprachliches Verständnis" -, dass die Übersetzung (auch) der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides dem Asylwerber das sprachliche Verständnis dieses Bescheides in lückenloser Weise ermögliche. Unter dem Gesichtspunkt "rechtliches Verständnis" komme es darauf an, ob der Bescheidinhalt auch ohne Hilfe einer fachkundigen Person rechtlich zu verstehen sei und ob es möglich sei, binnen kürzester Zeit ein effektiv begründetes Rechtsmittel zu erheben. Sollte der Fachbeamte auch zu Auskünften zur rechtlichen Erfassung des erstinstanzlichen Bescheides zur Verfügung stehen, so läge eine weitere Besonderheit als Gegengewicht zur dreitägigen Rechtsmittelfrist vor. Sollte es außerdem zutreffen, dass die ungarische Verfahrensrechtslage die Nachreichung weiterer Begründungen zulasse - wobei in diesem Zusammenhang die tatsächliche Verfahrensdauer von Bedeutung wäre - , so könnte die dreitägige Frist ausreichen. Eine wesentliche Rolle spiele auch, wie die Fristenberechnung nach der ungarischen Rechtslage gestaltet sei; die Bedeutung der Einrechnung arbeitsfreier Tage sei umso bedeutender, je kürzer eine Frist bemessen sei.

Im vorliegenden Fall lassen sich Überlegungen, ob die hier vom beschwerdeführenden Bundesminister für das ungarische Asylverfahren aufgezeigten Umstände ein Mindestmaß an faktischer Effizienz des Rechtsschutzes sicherstellen, insofern von einer vergleichsweise konkreteren Ebene aus anstellen, als im bekämpften Bescheid Feststellungen zur Fristenberechnung getroffen wurden und in der Beschwerde, wie von der Gegenschrift zutreffend betont, über die Äußerung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu den Zlen. 99/01/0408, 0409 hinaus vorgebracht wird, der Asylwerber habe die Möglichkeit, weitere Begründungen auch noch - nur - binnen der "Berufungsfrist" (der ergänzende Hinweis auf die Fünftagesfrist erklärt sich aus der Bezugnahme auf den "Normalfall", kann aber nicht so gedeutet werden, dass auch im verkürzten Verfahren fünf Tage für eine "Berufungsergänzung" zur Verfügung stünden) nachzureichen. Damit im Zusammenhang sind die unbekämpften behördlichen Feststellungen von Bedeutung, wonach in der Gemeinschaftsunterkunft Szombathely die Kontaktaufnahme mit Rechtsvertretern schwierig sei; es gebe für die Angehaltenen keine Kontaktadressen von Anwälten; Rechtsanwälte dürften nur Personen besuchen, für die sie bereits eine Vollmacht vorweisen könnten; NGO-Vertreter hätten keinen Zutritt zur genannten Gemeinschaftsunterkunft mehr; in deren Besuchszimmer könnten sie nur mit Angehaltenen sprechen, die sie bereits vertreten. Beides lässt im Zusammenspiel, auch ohne weiter gehende Ermittlungen der belangten Behörde, eine Beurteilung dahingehend zu, dass die aufgezeigten Mechanismen des ungarischen Asylverfahrens den mehrfach erwähnten "kompensatorischen Rechtsschutz" nicht zu bieten vermögen, zumal im bekämpften Bescheid weiter, gleichfalls unbestritten, festgestellt wird, dass aus Österreich zurückgeschobene Personen mit hoher Wahrscheinlichkeit im Anhaltelager Szombathely untergebracht werden.

Zunächst bleibt es zwar dabei, dass eine lückenlose Übersetzung der erstinstanzlichen Bescheide ein vollständiges sprachliches Verständnis dieser Entscheidungen ermöglicht. Leichte inhaltliche Erfassbarkeit auch der Begründung solcher Entscheidungen einerseits und die Möglichkeit, das "Ansuchen um gerichtliche Überprüfung" in Anwesenheit des Dolmetschers - allenfalls nach Befragung des die Entscheidung erlassenden Beamten - bei diesem Beamten unmittelbar zu Protokoll zu geben andererseits, vermögen die kurze dreitägige Rechtsmittelfrist weiter zu relativieren. Ein Abstellen allein darauf greift indes zu kurz und verkennt sowohl die die für die gegenständliche Thematik grundlegenden Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Juni 1998, G 31/98, ua., vom 11. Dezember 1998, G 210/98, ua., sowie vom 15. Juni 1999, G 56/99, als auch das darauf aufbauende hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2000, Zl. 99/20/0246. Um die genannten Umstände voll (im Sinn einer die kurze Frist unbedenklich erscheinen lassenden Ausgestaltung des Rechtsschutzsystems) nutzbar zu machen, muss nämlich gemäß den Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes in den eben genannten Erkenntnissen noch hinzutreten, dass dem Asylwerber die (faktische) Möglichkeit offen steht, sich der Hilfe einer fachkundigen Person als Beistand zu bedienen. Allfällige Erläuterungen durch den die erstinstanzliche Entscheidung erlassenden Beamten im Zusammenhang mit der Gelegenheit, ein "Ansuchen um gerichtliche Überprüfung" sofort zu Protokoll zu geben, können diese Möglichkeit nicht vollständig ersetzen; sie lassen sich quasi als "Initialzündung" eines Rechtsmittelverfahrens verstehen, machen fachkundige außerbehördliche Hilfe jedoch nicht entbehrlich. Zum Einen ist entsprechend den Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift auf die wohl regelmäßig eingeschränkt denkbare Hilfestellung seitens des Entscheidungsorganes zu verweisen, kann doch nicht ernstlich erwartet werden, dass ein Entscheidungsorgan unmittelbar nach der Verkündung seiner Entscheidung so zweckdienliche Anleitungen zu deren Bekämpfung gibt, dass ein Zugang zu einem Rechtsbeistand nicht mehr nötig ist. Zum Anderen ist es nicht realistisch, ungeachtet geleisteter Unterstützung allfällige Defizite einer Entscheidung - speziell in verfahrensrechtlicher Hinsicht - "ad hoc" aufzuzeigen und zu Protokoll zu geben, zumal dies in aller Regel eine Reflexion der bisher stattgefundenen Verfahrensschritte voraussetzt. Ist es aber nach dem Gesagten erforderlich, dass dem Asylwerber die Gelegenheit offen stehen muss, sich der Hilfe einer entsprechend qualifizierten Person zu bedienen, so gewinnt der Umstand entscheidende Bedeutung, dass eine "Berufungsergänzung" nur innerhalb der Rechtsmittelfrist stattfinden kann. Dies setzt nämlich, um die Hilfestellung zu effektuieren und nicht in jedem Fall zu spät kommen zu lassen, voraus, dass einerseits Rechtsbeistand innerhalb dieser Frist (ab Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung) gefunden wird und andererseits dieser Rechtsbeistand fristgerecht die "Berufungsergänzung" zu verfassen in der Lage ist. Ist die Situation darüber hinaus, wie von der belangten Behörde für die Gemeinschaftsunterkunft Szombathely festgestellt, dergestalt, dass keine Kontaktadressen von Anwälten existieren, Rechtsanwälte nur Personen besuchen dürfen, für die sie bereits eine Vollmacht vorweisen können, NGO-Vertreter keinen Zutritt zur Gemeinschaftsunterkunft haben und in den Besuchszimmern nur mit Angehaltenen sprechen können, die sie bereits vertreten, so scheinen diese Voraussetzungen in der Mehrzahl der Fälle nicht nur wegen der Kürze der Frist schwer erfüllbar, und zwar unabhängig davon, ob/inwieweit dort untergebrachten Ausländern ein Verlassen der Unterkünfte gestattet ist. Vor diesem Hintergrund geht auch die Existenz eines Netzes von kostenlosem Beistand durch Rechtsanwälte ins Leere. Nachdem - auch das stellt die belangte Behörde unbestritten fest - aus Österreich zurückgeschobene Personen mit hoher Wahrscheinlichkeit im genannten Anhaltelager untergebracht werden, bedeutet das konkret für den Mitbeteiligten, dass die vom beschwerdeführenden Bundesminister geltend gemachten "Auffangmechanismen" das "Mindestmaß an faktischer Effizienz des Rechtsschutzes" in mehrfacher Hinsicht nicht herzustellen vermögen. Das gilt jedenfalls in Anbetracht der dreitägigen Rechtsmittelfrist im verkürzten Verfahren, dessen Anwendung (siehe oben) auch in Fällen wie dem vorliegenden nicht ausgeschlossen werden kann. Im Hinblick auf diese (kurze) Frist ist - worauf in diesem Zusammenhang noch hingewiesen sei - nicht unmaßgeblich, dass arbeitsfreie Tage (an denen in der Regel auch Rechtsbeistände nicht erreichbar sein werden) zwar den Ablauf der Rechtsmittelfrist, nicht jedoch ihren Lauf hemmen (siehe die abschließenden Erwägungen im schon mehrfach erwähnten hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2000, Zlen. 99/01/0408, 0409).

2.6. Nach dem Gesagten vermag die vorliegende Amtsbeschwerde nicht zur Aufhebung des bekämpften Bescheides zu führen. Daran ändert auch der Hinweis auf den hg. Ablehnungsbeschluss vom 19. Jänner 2000, Zl. 98/01/0572, nichts, weil dieser Beschluss, wie in der Gegenschrift zutreffend angemerkt, einen auf Basis der Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 4/1999 zu behandelnden Fall betraf; erst durch diese Novelle wurden aber jene Passagen in § 4 AsylG eingefügt, von denen die Überlegung, dass die vom Verfassungsgerichtshof aufgestellten Anforderungen an den effektiven Rechtsschutz im Asylverfahren auf die Beurteilung von Staaten als sichere Drittländer zu übertragen sind, nicht unwesentlich mitgetragen wird.

2.7. Der Vollständigkeit halber sei schließlich erwähnt, dass das hier gewonnene Ergebnis auch mit dem Erkenntnis vom 15. November 2000, Zl. 2000/01/0224, nicht in Widerspruch steht. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof zwar einer Amtsbeschwerde gegen einen Bescheid der belangten Behörde, mit dem ein Zurückweisungsbescheid des Bundesasylamtes nach § 4 AsylG - gegründet auf "Drittstaatsicherheit" in Ungarn - gemäß § 32 Abs. 2 leg. cit. behoben worden war, stattgegeben, doch unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem dort entschiedenen dadurch, dass einerseits im Bescheid bzw. in der Amtsbeschwerde die Frage der "Berufungsergänzung" offen geblieben und andererseits keine Feststellung zur Wahrscheinlichkeit der Anhaltung von aus Österreich zurückgeschobenen Personen im Lager Szombathely getroffen worden war.

2.8. Die vorliegende Amtsbeschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 22. Mai 2001

Schlagworte

"zu einem anderen Bescheid"

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000010226.X00

Im RIS seit

09.08.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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