TE Vwgh Erkenntnis 2001/5/30 2001/11/0113

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Veröffentlicht am 30.05.2001
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Führerscheingesetz;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §37;
FSG 1997 §26 Abs5 idF 1998/I/002;
FSG 1997 §3 Abs1 Z2;
FSG 1997 §3 Abs1 Z3;
FSG 1997 §3 Abs1 Z4;
KFG 1967 §75 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des E in G, vertreten durch Dr. Stefan Schöller, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 18, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 11. Dezember 2000, Zl. 11 - 39 -1235/00 - 4, betreffend Auftrag zur Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 4 in Verbindung mit § 8 Führerscheingesetz - FSG aufgefordert, nach amtsärztlicher Untersuchung ein amtsärztliches Gutachten innerhalb von vier Monaten beizubringen.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises für dauernd stark gehbehinderte Personen gestellt. Aufgrund der im Zuge dieses Verfahrens eingeholten ärztlichen Stellungnahme sei beim Beschwerdeführer eine Gefäßerkrankung und Hypertonie festgestellt worden; infolge begründeter Bedenken habe daher die Bundespolizeidirektion bescheidmäßig die beschwerdegegenständliche Aufforderung erlassen. Aus Anlass der Berufung des Beschwerdeführers sei die Fachabteilung für das Gesundheitswesen um die Stellungnahme ersucht worden, ob ärztlicherseits begründete Bedenken bestünden, die eine Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung gemäß § 8 FSG rechtfertigten. Eine ärztliche Sachverständige der Fachabteilung für das Gesundheitswesen habe aufgrund der vorliegenden Diagnosen (Befunde) die angeordnete amtsärztliche Untersuchung deshalb für gerechtfertigt erachtet, weil die beschriebenen Krankheitsbilder die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen durchaus einschränken könnten. Beim Beschwerdeführer bestehe nämlich eine hypertensive Herzkrankheit, d. h. ein Bluthochdruck, der sich bereits in Form einer Mehrbelastung auf das Herz ausgewirkt habe. Ebenso liege eine hochgradige Arteriosklerose vor. Beide Krankheiten zusammen seien prinzipiell fortschreitende Leiden, die - wenn unbehandelt oder schlecht eingestellt - ein erhöhtes Risiko für Schlaganfall, Angina proctaris (gemeint wohl: pectoris) und Herzinfarkt (Hinweis auf § 10 Abs. 4 FSG-GV), Beeinträchtigung des Sehvermögens etc. bedeuteten. Außerdem bestehe ein Aneurysma (Auswertung; gemeint wohl: Ausweitung) der Hauptschlagader, das besonders im Zusammenhang mit Bluthochdruck und hochgradiger Verkalkung, wie sie beim Beschwerdeführer vorliege, immer die Gefahr einer Ruptur in sich berge. Neuere Befunde würden aufgrund des Fortschreitens des Leidens sicherlich keine Besserung ergeben. Diese ärztliche Stellungnahme sei dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht worden. Der Beschwerdeführer habe sich dahingehend geäußert, dass er in den letzten drei bis fünf Jahren keinerlei Erkrankungen oder Beschwerden gehabt habe; ein allenfalls momentan erhöhter Blutdruck, welcher bei 90 Prozent aller Menschen seiner Altergruppe vorkomme, würde die gesundheitliche Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht einschränken, insbesondere wenn eine jahrzehntelange unbeanstandete und unfallfreie Fahrpraxis vorliege. Der Beschwerdeführer sei der schlüssigen und nachvollziehbaren Stellungnahme des amtsärztlichen Sachverständigen des Gesundheitsamtes des Magistrates Graz und der ärztlichen Sachverständigen der Fachabteilung für das Gesundheitswesen jedoch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Aufgrund der beim Beschwerdeführer bestehenden hypertensiven Herzkrankheit und der hochgradigen Arteriosklerose sei daher im Hinblick auf die möglichen Komplikationen die Aufforderung zur Vorlage eines amtsärztlichen Gutachtens gemäß § 24 Abs. 4 FSG gerechtfertigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 3 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9).

Gemäß § 8 Abs. 1 FSG hat der Antragsteller vor der Erteilung einer Lenkberechtigung der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.

die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.

die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Bedingungen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs. 2 in den Führerschein einzutragen.

Gemäß § 24 Abs. 4 FSG ist vor der Entziehung oder Einschränkung der Gültigkeit der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8, vor der Entziehung wegen mangelnder fachlicher Befähigung ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen.

Leistet der Besitzer einer Lenkberechtigung einem rechtskräftigen Bescheid mit der Aufforderung, die Gutachten gemäß § 24 Abs. 4 beizubringen, innerhalb von vier Monaten nach Zustellung des Bescheides keine Folge, so ist ihm zufolge § 26 Abs. 5 FSG die Lenkberechtigung jedenfalls bis zur Beibringung der Gutachten zu entziehen.

§ 3 Abs. 1 der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung - FSG-GV lautet wie folgt:

"Allgemeine Bestimmungen über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen

§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

1.

die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,

2.

die nötige Körpergröße besitzt,

3.

ausreichend frei von Behinderungen ist und

4.

aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische psychophysische Leistungsfähigkeit verfügt.

Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erfüllen. Um die gesundheitliche Eignung nachzuweisen, ist der Behörde ein ärztliches Gutachten gemäß § 8 Abs. 1 oder 2 FSG vorzulegen.

(...)

Herz- und Gefäßkrankheiten

§ 10. (...)

(3) Ob einer Person, die unter Blutdruckanomalien leidet, eine Lenkberechtigung erteilt oder belassen werden kann, ist nach den übrigen Ergebnissen der ärztlichen Untersuchung, den möglichen Komplikationen und der daraus gegebenenfalls für die Sicherheit im Straßenverkehr erwachsenden Gefahr zu beurteilen.

(4) Personen, bei denen es im Ruhe- oder Erregungszustand zu Angina-pectoris-Anfällen kommt, darf eine Lenkberechtigung der Gruppe 2 weder erteilt noch belassen werden; für die Gruppe 1 kann eine Lenkberechtigung nur nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme erteilt oder belassen werden. (...)."

Ungeachtet des Umstandes, dass das FSG eine dem § 75 Abs. 1 KFG 1967 entsprechende Bestimmung nicht enthält, ist auch im Geltungsbereich des FSG Voraussetzung für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens betreffend Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung und damit auch für einen Aufforderungsbescheid gemäß § 26 Abs. 5 leg. cit., dass begründete Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) noch gegeben sind. Dies folgt schon aus dem allgemeinen Grundsatz, dass die Verwaltungsbehörden nicht grundlos Ermittlungsverfahren einzuleiten und Aufforderungsbescheide mit der Folge eines Rechtsverlustes bei Nichtbefolgung zu erlassen haben (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 10. November 1998, Zl. 98/11/0120, vom 14. März 2000, Zl. 99/11/0185, und vom 23. Jänner 2001, Zl. 2000/11/0240).

Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides setzt demnach begründete Bedenken, dass der Beschwerdeführer eine der in § 3 Abs. 1 FSG-GV genannten Voraussetzungen für das Vorliegen der gesundheitlichen Eignung nicht erfüllt, voraus. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid unter Hinweis auf die von ihr im Berufungsverfahren eingeholte Stellungnahme einer amtsärztlichen Sachverständigen der Fachabteilung für das Gesundheitswesen beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung begründet dargelegt, welche Krankheiten des Beschwerdeführers Bedenken begründen, die die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen zweifelhaft erscheinen lassen. Zutreffend konnte die belangte Behörde aufgrund dieser - in der Beschwerde nicht bestrittenen - Sachverhaltsannahmen davon ausgehen, dass begründete Bedenken an der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken eines Kraftfahrzeuges insbesondere bezüglich der im § 3 Abs. 1 Z. 1 FSG-GV in Verbindung mit § 10 Abs. 3 und 4 FSG-GV genannten Kriterien bestehen.

Insoweit in der Beschwerde gerügt wird, die Behörde erster Instanz habe keine Ermittlungen zur Frage durchgeführt, aus welchen Krankheiten die begründeten Bedenken an der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers geschlossen hätten werden können, wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt. Die belangte Behörde hatte als Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG in der Sache selbst zu entscheiden, das heißt im gegebenen Zusammenhang eine neuerliche selbständige Prüfung des Sachverhaltes vorzunehmen, ohne an die Ergebnisse des bisher durchgeführten Ermittlungsverfahren gebunden zu sein. Durch die Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides hat die belangte Behörde dessen Spruch zum Inhalt ihres Bescheides gemacht. Allfällige Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens wurden durch die im Berufungsverfahren vorgenommene Verfahrensergänzung geheilt. Die Aufhebung eines Berufungsbescheides wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften setzt voraus, dass das Berufungsverfahren mangelhaft gewesen ist (vgl. hiezu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seite 618 referierte hg. Rechtsprechung). Der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellte entscheidungserhebliche Sachverhalt wird in der Beschwerde aber nicht als unrichtig bekämpft.

Mit dem Vorwurf, die belangte Behörde habe "im Nachhinein" das Vorliegen des begründeten Zweifels an der Fahrtauglichkeit des Beschwerdeführers zu konstruieren versucht, vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides schon deshalb nicht aufzuzeigen, weil die belangte Behörde im Beschwerdefall von der im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltenden Sach- und Rechtslage auszugehen hatte (siehe die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, Seiten 1295 f., wiedergegebene hg. Rechtsprechung) und daher auch allfällige Änderungen im Gesundheitszustand des Beschwerdeführers berücksichtigen musste. Dass die von der belangten Behörde festgestellten Krankheiten zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides beim Beschwerdeführer nicht vorgelegen hätten, wird jedoch in der Beschwerde nicht behauptet.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat als unbegründet abzuweisen.

Im Hinblick auf die Erledigung des Beschwerdeverfahrens erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 30. Mai 2001

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Allgemein authentische Interpretation VwRallg3/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001110113.X00

Im RIS seit

31.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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