TE UVS Wien 1998/06/10 03/P/01/841/98

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Veröffentlicht am 10.06.1998
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Mag Engelhart über die Berufung der Frau Ing Snezana R, vom 10.2.1998, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, Zl MA 67-RV-134180/7/8, vom 28.1.1998, entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben und der Bescheid behoben.

Text

Begründung:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 28.1.1998 wurde der Einspruch vom 14.1.1998 gegen die Strafverfügung vom 23.12.1997 als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, gemäß § 49 Abs 1 VStG könne (nur) der Beschuldigte gegen die Strafverfügung Einspruch erheben. Beschuldigte und sohin Partei des gegenständlichen Verfahrens sei Frau Ing Snezana R. Der vorliegende Einspruch sei aber nicht von der Beschuldigten erhoben worden, sondern der S-GmbH zuzurechnen.

2.1. Dagegen richtet sich die Berufung vom 10.2.1998. Darin hat Frau Ing Snezana R im wesentlichen vorgebracht, da sie die Geschäftsführerin der S-GmbH sei, werde ihr private Post immer wieder auch an die Firmenadresse zugeschickt. Sie wolle sich entschuldigen, daß sie nun ihrerseits den Einspruch auf Firmenpapier geschrieben habe, daß die "Wir-Form" nicht erlaubt ist, habe sie nicht gewußt. Sie bitte, den Einspruch als "Ich-Form" zu akzeptieren.

2.2. Der Magistrat der Stadt Wien hat anläßlich der Berufungsvorlage die Ansicht vertreten, daß die Berufung verspätet eingebracht wurde.

3. Die - zulässige - Berufung ist begründet.

Der Magistrat der Stadt Wien hat mit Strafverfügung vom 23.12.1997 über Frau Ing Snezana R gemäß § 134 KFG 1967 eine Geldstrafe von S 1.200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 29 Stunden) verhängt. Sie habe aus Anlaß der Abstellung des Kraftfahrzeuges (Anhängers) mit dem behördlichen Kennzeichen W-34 in Wien, E-straße am 25.6.1997 um 15:13 Uhr folgende Verwaltungsübertretung begangen: Als Verantwortliche und zur Vertretung der Zulassungsbesitzerin nach außen Berufene, nämlich als Geschäftsführerin der S-GmbH, habe Sie dem schriftlichen Verlangen der Behörde vom 13.11.1997, zugestellt am 17.11.1997, innerhalb der Frist von zwei Wochen bekanntzugeben, wer das gegenständliche Kraftfahrzeug (den Anhänger) abgestellt hat, nicht entsprochen, da sie die verlangte Auskunft nicht erteilt habe. Sie habe dadurch § 134 iVm § 103 Abs 2 KFG 1967 iVm § 9 Abs 1 VStG verletzt.

Der dagegen erhobene Einspruch vom 14.1.1998 wurde unter Verwendung von Briefpapier der S-GmbH erhoben, in "Wir-Form" stilisiert und von Frau Ing Snezana R unter Beifügung einer Stampiglie der S-GmbH eigenhändig unterschrieben.

Die erstinstanzliche Behörde hat die Auffassung vertreten, daß im Hinblick auf diese offenkundigen Merkmale eindeutig klar sei, daß der Einspruch der S-GmbH zuzurechnen ist. Mit dem nun angefochtenen Bescheid vom 28.1.1998 hat sie daher diesen Einspruch (da die S-GmbH in diesem Verfahren keine Parteistellung besitzt) als unzulässig zurückgewiesen.

In der dagegen erhobenen Berufung vom 10.2.1998 hat Frau Ing Snezana R ersucht, den Einspruch "als Ich Form" zu akzeptieren. Sie hat darauf hingewiesen, daß ihr private Post immer wieder auch an die Firmenadresse zugestellt werde und sich dafür entschuldigt, daß sie nun ihrerseits den Einspruch auf Firmenpapier geschrieben habe, daß die "Wir-Form" nicht erlaubt sei, habe sie nicht gewußt.

In rechtlicher Hinsicht wurde erwogen:

Die Berufung vom 10.2.1998 gegen den Zurückweisungsbescheid vom 28.1.1998 ist zulässig:

Die Berufungslegitimation der Frau Ing Snezana R war zu bejahen. Aus dem Spruch des Zurückweisungsbescheides im Zusammenhang mit seiner Begründung ergibt sich eindeutig der Bescheidwille der erstinstanzlichen Behörde, den Einspruch gegen die Strafverfügung nicht Frau Ing Snezana R, sondern der S-GmbH zuzurechnen und aus diesem Grunde zurückzuweisen. Das bedeutet aber weiters, daß der Spruch des Zurückweisungsbescheides auch die Entscheidung darüber enthält, daß der Einspruch nicht Frau Ing Snezana R zuzurechnen ist. Durch diesen Teil des (auf die genannte Weise auszulegenden) Spruches konnte Frau Ing Snezana R in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt werden und daher auch beschwert sein (vgl dazu VwGH 15.9.1995, Zl 95/17/0068 und die dort angeführten Literatur- und Judikaturhinweise).

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien vermag auch der von der erstinstanzlichen Behörde anläßlich der Berufungsvorlage vertretenen Auffassung, die Berufung der Frau Ing Snezana R sei verspätet eingebracht worden und aus diesem Grund unzulässig, nicht beizutreten.

In dem bereits zitierten Erkenntnis (betreffend einen insofern gleichgelagerten Sachverhalt) hat der Verwaltungsgerichtshof weiters unter Hinweis auf die Vorjudikatur ausgesprochen, daß die Berufungslegitimation auch nicht etwa deshalb verneint werden kann, weil der Bescheid mangels Zustellung rechtlich nicht existent geworden ist. Nach der Aktenlage sollte der Zurückweisungsbescheid laut Zustellverfügung an die GesmbH zugestellt werden. Die Frage, für wen nach dem - allein maßgebenden - Willen der Behörde das Schriftstück bestimmt, wer also "Empfänger" desselben iSd § 31 AVG ist, hängt von der Zustellverfügung ab. Der Zurückweisungsbescheid ist dem Empfänger, nämlich der GesmbH zugekommen. Damit ist der Bescheid rechtlich existent geworden. Das Berufungsrecht fließt unmittelbar aus der Parteistellung; die Berufung der Beschuldigten gegen den ihr zwar nicht zugestellten, jedoch seinem ganzen Inhalt nach zur Kenntnis gelangten und durch Zustellung an die GesmbH erlassenen Zurückweisungsbescheid ist zulässig.

Damit ist nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien auch klargestellt, daß die Zustellung des Bescheides an die GesmbH für den Beschuldigten nur insofern von Bedeutung ist, als dadurch der Bescheid an sich rechtlich existent und als solcher auch anfechtbar geworden ist. Eine Zustellung des Bescheides (auch) an den Beschuldigten ist damit aber nicht erfolgt, die Berufungslegitimation des Beschuldigten fließt unmittelbar aus dessen Parteistellung. Der Beschuldigte ist daher als übergangene Partei anzusehen.

Einer übergangenen Partei steht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Wahlmöglichkeit zu, entweder die Zustellung des Bescheides zu begehren, oder sogleich dagegen Berufung zu erheben (VwGH 2.12.1983, Zl 82/02/0286, VwGH 26.5.1986, Zl 86/08/0016, VwGH 30.9.1986, Zl 85/05/0005 ua), wobei aber für die übergangene Partei (welcher der Bescheid noch nicht zugestellt worden ist) mangels entgegenstehender ausdrücklicher Bestimmung eine Rechtsmittelfrist nicht zu laufen beginnt (vgl VwGH 29.1.1985, Zl 84/07/0121 ua).

Die Ansicht der erstinstanzlichen Behörde, die Berufung sei als verspätet zu beurteilen, gründet sich offenbar darauf, daß sie davon ausgegangen ist, daß mit der Zustellung des Zurückweisungsbescheides an die S-GmbH (auch) die Rechtsmittelfrist für Frau Ing Snezana R zu laufen begonnen hat. Dies ist, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, jedoch nicht der Fall. Die Berufung der Frau Ing Snezana R gegen den ihr gegenüber nicht zugestellten Zurückweisungsbescheid war daher als rechtzeitig anzusehen.

Insgesamt war daher die Berufung der Frau Ing Snezana R gegen den ihr zwar nicht zugestellten, jedoch seinem ganzen Inhalt nach zur Kenntnis gelangten und durch Zustellung an die S-GmbH rechtlich existent gewordenen Zurückweisungsbescheid als zulässig zu beurteilen.

Der Einspruch vom 14.1.1998 gegen die Strafverfügung vom 23.12.1997 ist der Beschuldigten Frau Ing Snezana R zuzurechnen und damit zulässig:

Die Strafverfügung vom 23.12.1997 ist in eindeutiger Weise an Frau Ing Snezana R als Empfänger gerichtet und wurde dieser am 13.1.1998 zugestellt. Frau Ing Snezana R ist daher Beschuldigte und Partei des Verfahrens.

Die erstinstanzliche Behörde hat die Auffassung vertreten, daß eindeutig klar sei, daß der Einspruch vom 14.1.1998 der S-GmbH zuzurechnen ist.

Jedoch hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, daß, wenn wie im vorliegenden Fall die Beschuldigte den Einspruch gegen die Strafverfügung mit ihrer Unterschrift unter Beisetzung der Firmenstampiglie der GesmbH, zu deren Vertretung sie befugt ist, versehen hat, dies nach dem äußeren Tatbestand wohl darauf hindeutet, daß dieses Rechtsmittel von ihr nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der GesmbH erhoben worden ist, daß dieser Schluß aber nicht zwingend ist. Auch die Umstände, daß bei Abfassung bzw Erhebung des Einspruches Briefpapier der GesmbH verwendet und hiebei die "Wir-Form" gebraucht wurde, läßt eine abschließende Beurteilung nicht zu. Es darf nicht übersehen werden, daß der der Beschuldigten zur Last gelegten Verwaltungsübertretung ihre geschäftliche Tätigkeit im Rahmen der GesmbH zugrunde liegt, weshalb es - ohne daß daraus eine Zurechnung dieser Verfahrenshandlung an die GesmbH abgeleitet werden kann - verständlich erscheint, daß sich die Beschuldigte auch in diesem Fall, obwohl die Strafverfügung gegen sie persönlich gerichtet war, einer Form bedient hat, die im geschäftlichen Verkehr den allgemeinen kaufmännischen Gepflogenheiten entspricht. Für die Annahme, die Beschuldigte habe den Einspruch im eigenen Namen eingebracht, spricht auch, wenngleich nicht zwingend, der Umstand, daß sich die Strafverfügung gegen sie persönlich gerichtet hat, und nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Strafverfahren gegen den zur Vertretung nach außen Berufenen einer GesmbH der GesmbH keine Parteistellung zukommt (vgl dazu VwGH verst Sen 19.12.1984, Zl 81/11/0119 uva).

Bei der gegebenen Sachlage mußte die erstinstanzliche Behörde somit zumindest Zweifel daran haben, wem der Einspruch zuzurechnen ist. Dadurch, daß sie es unterlassen hat, sich in diesem Zweifelsfall nach § 37 AVG Klarheit über die Person des Einspruchswerbers zu verschaffen (es handelt sich dabei nicht um die Nachholung einer an sich befristeten Prozeßhandlung, sondern um die Klärung des Inhaltes einer zwar rechtzeitigen, jedoch undeutlichen Prozeßhandlung), hat sie das Risiko der Bescheidaufhebung zu tragen.

Durch die Ausführungen der Frau Ing Snezana R in der Berufung, worin, unter Bedachtnahme auf die offensichtlichen Sprachprobleme dennoch deutlich erkennbar zum Ausdruck kommt, daß der Parteiwille darin gelegen war, den Einspruch im eigenen Namen zu erheben (arg "meine private Post"), ist klargestellt, daß der Einspruch vom 14.1.1998 gegen die Strafverfügung vom 23.12.1997 Frau Ing R zuzurechnen ist. Der von der Beschuldigten erhobene Einspruch war jedoch als zulässig zu beurteilen.

Es war daher die Entscheidung der Erstinstanz, die den Einspruch der S-GmbH zugerechnet und mangels Parteistellung der GesmbH als unzulässig zurückgewiesen hat, spruchgemäß zu beheben.

4. Gemäß § 51e Abs 1 VStG wurde keine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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