TE UVS Wien 1999/06/10 07/A/36/210/99

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.06.1999
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag Fritz über die Berufung der (am 28.8.1979 geborenen) Weiwei X in Wien, B-gasse, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 6./7. Bezirk, vom 18.3.1999, Zl MBA 6/7 - S 1713/99, betreffend Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Gemäß § 65 VStG wird der Berufungswerberin kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Text

Begründung:

Die Berufungswerberin (Bw) ist handelsrechtliche Geschäftsführerin der "W"-GmbH, die in Wien, B-gasse einen Lebensmittelkleinhandel betreibt.

Bei einer Revision dieses Betriebes am 2.2.1999 (um 9.45 Uhr) stellte ein Beamter des Marktamtes fest, daß dort zwei namentlich genannte chinesische Staatsbürger (die Mutter und der Bruder der Bw) seit 24.12.1998 als Angestellte beschäftigt waren. Die Angaben über die Dauer und Art der Tätigkeit seien durch die im Betreff genannte Verantwortliche (also die Bw) gemacht worden. In der Anzeige wurde dann noch angemerkt, daß die beiden Angetroffenen die einzigen Personen im gegenständlichen Lebensmittelgeschäft gewesen seien. Während der Revisionen seien Kunden von diesen Personen bedient worden. Da diese beiden Ausländer ohne Beschäftigungsbewilligung, Anzeigebestätigung, Arbeitserlaubnis oder Befreiungsschein angetroffen worden waren, wurde die Bw vom Magistrat der Stadt Wien am 22.2.1999 zur Rechtfertigung gegenüber dem Vorwurf, in zwei Fällen gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) verstoßen zu haben, aufgefordert.

Bei ihrer Einvernahme als Beschuldigte gab die Bw laut Niederschrift vom 5.3.1999 zur Rechtfertigung an, für ihren Bruder (Enli X) sei eine Arbeitsbewilligung bzw ein Befreiungsschein ausgestellt worden (und zwar vor dem 2.2.1999). Hinsichtlich ihrer Mutter (Frau Aigin J) erkläre sie, daß diese für sie koche und sich ausschließlich als Hausfrau betätige. Möglicherweise habe diese am 2.2.1999 Kunden eine Auskunft erteilt und sei nur zufällig im Geschäft gewesen. Ihre Mutter wohne in einem Zimmer hinter dem Geschäftslokal. Für den Verkauf sei sie (die Bw) zuständig. Am 2.2.1999 sei sie während der Kontrolle gerade auf der Bank gewesen. In der Folge wurde dann der Erstbehörde ein Herrn Enli X am 3.10.1998 vom Arbeitsmarktservice Graz ausgestellter Befreiungsschein, gültig vom 13.10.1998 bis 12.10.2003, übermittelt. Laut Aktenvermerk vom 18.3.1999 wurde daraufhin hinsichtlich des angezeigten Ausländers Enli X das Strafverfahren nicht weiter fortgeführt und gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt, da diese Person einen vom AMS Graz am 13.10.1998 ausgestellten Befreiungsschein habe vorweisen können. Hinsichtlich der Ausländerin J werde das Verfahren fortgesetzt.

Ohne weitere Ermittlungen erließ die Erstbehörde daraufhin das nunmehr vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien angefochtene Straferkenntnis vom 18.3.1999, mit welchem die Bw schuldig erkannt wurde, sie habe es als zur Vertretung nach außen Berufene, nämlich als handelsrechtliche Geschäftsführerin (§ 9 Abs 1 VStG) der "W"-GmbH zu verantworten, daß diese Gesellschaft mit Sitz in Wien als Arbeitgeberin am 2.2.1999 im Lebensmittelkleinhandelsbetrieb in Wien, B-gasse, entgegen dem § 3 AuslBG eine ausländische Arbeitskraft, nämlich die chinesische Staatsbürgerin Aigin J, geboren 28.12.1956, mit dem Verkauf von Lebensmitteln beschäftigt habe, obwohl für diese Person weder eine Beschäftigungsbewilligung (§ 4) erteilt noch eine Anzeigebestätigung (§ 3 Abs 5) ausgestellt worden sei und diese Person nicht über eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder einen Befreiungsschein (§ 15) verfügt habe. Die Bw habe dadurch § 28 Abs 1 Z 1 lit a iVm § 3 Abs 1 AuslBG idgF verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über die Bw gemäß § 28 Abs 1 Z 1 erster Strafsatz AuslBG eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 14 Stunden) verhängt. Gleichzeitig wurden die von der Bw zu ersetzenden Verfahrenskosten mit S 1.000,-- bestimmt.

Begründend berief sich die Erstbehörde auf die Anzeige des Marktamtes. Der Rechtfertigung der Bw sei entgegenzuhalten, daß sich jedenfalls der wirtschaftliche Erfolg der durch die illegal beschäftigte Ausländerin verrichteten Tätigkeiten der Firma der Beschuldigten zugekommen sei. Die Erstbehörde sei weiters zu der Ansicht gelangt, daß grundsätzlich jede Verletzung der zwingenden Bestimmungen des AuslBG in erheblichem Ausmaß staatliche und privatwirtschaftliche Interessen schädige, da durch diese Vorgangsweise eine Verzerrung des Wettbewerbes und des Arbeitsmarktes hinsichtlich des Arbeitskräfteangebotes bewirkt werde. In der Folge werde Lohndumping und die Hinterziehung von Steuern und Abgaben ermöglicht und der primäre Zugang inländischer Arbeitskräfte sowie eine geregelte Eingliederung ausländischer Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt verhindert. Im übrigen habe die Bw nicht glaubhaft gemacht, daß sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Die angelastete Verwaltungsübertretung sei aufgrund der genannten Anzeige als erwiesen anzunehmen. Abschließend begründete die Erstbehörde dann noch ihre Strafbemessung näher (anzumerken ist, daß die Erstbehörde in der Begründung ihres Straferkenntnisses stets von dem Beschuldigten spricht, sie dabei aber übersieht, daß es sich bei der Bw um eine Frau handelt).

In ihrer gegen dieses Straferkenntnis innerhalb offener Frist erhobenen Berufung brachte die Bw vor, ihre Mutter koche nur für sie und wohne hinter dem Geschäft. Da die Küche und das Geschäft zusammenlägen, könne es sein, daß ein Kunde ihre Mutter etwas gefragt und diese aus Höflichkeit geholfen habe.

Diese Berufung wurde dem Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme übermittelt. Über ha Anfrage teilte die Wiener Gebietskrankenkasse mit Schreiben vom 16.4.1999 mit, daß bei der Firma W-GmbH am 2.2.1999 die Dienstnehmer X Pin-Hua, wohnhaft in Wien, B-gasse und Herr Yang B zur Sozialversicherung gemeldet gewesen seien. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien führte am 31.5.1999 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der die Bw teilnahm und in der Herr Hans-Jörg S, Herr Enli X und Frau Aigin J (die Letztgenannte im Beisein einer Dolmetscherin für die chinesische Sprache) als Zeugen einvernommen wurden.

Bei ihrer Einvernahme als Beschuldigte gab die Bw folgendes an:

"Ich bin Geschäftsführerin der W-gesmbH. Diese Firma betreibt in der B-gasse ein Geschäft von Waren aller Art Das Geschäft hat von Montag bis Samstag von 09.00 bis 18.00 Uhr geöffnet. Ich habe einen Angestellten und zwar meinen Vater. Ich wohne in Wien in der V-straße. Meine Mutter ist in Graz gemeldet, sie wohnt aber im Geschäft. Sie ist eine zeitlang in Graz und eine zeitlang hier. In Graz haben wir kein Geschäft. In der B-gasse haben wir unser Geschäft und ist eine Wohnung dabei. Es ist kein Bad dabei, aber eine Küche und ein WC.

Auf die Frage, warum die Mutter einen anderen Familiennamen hat wie ich, gebe ich an, bei den Chinesen behält jeder den Familiennamen. Bei einer Heirat behält die Frau ihren Familiennamen und bekommen die Kinder in der Regel den Namen des Vaters, es kann aber auch der der Mutter sein.

Mein Bruder wohnt eigentlich in Graz. In der B-gasse wohnen mein Vater und meine Mutter. Herr X Pin-Hua ist mein Vater und Herr Yang B ist der gewerberechtliche Geschäftsführer. Dieser kommt schon auch in das Geschäft, ist aber nicht immer da. Im Geschäft verkaufe meistens ich und bin ich von 09.00 bis am Abend im Geschäft.

Zum Zeitpunkt der Kontrolle war ich nicht im Lokal, weil ich an diesem Tag später gekommen bin und war ich vorher an diesem Tag noch nicht im Geschäft. Mein Bruder und meine Mutter waren da. Meine Mutter ist Hausfrau und kocht diese für uns. Wir essen zu Mittag alle dort. Meine Mutter ist Hausfrau und arbeitet als solche in der Wohnung und in der Küche. Mein Bruder arbeitet meistens unter der Woche in Graz als Koch. Ab und zu kommt er her und hilft er mir. Ich glaube, daß an diesem Tag mein Bruder das Geschäft aufgesperrt hat. Am Kontrolltag habe ich mit dem Kontrollor telefonisch gesprochen, wobei es in diesem Gespräch nicht um die unerlaubte Beschäftigung gegangen ist."

Der Zeuge Enli X machte bei seiner Einvernahme die folgenden Angaben:

"Am Kontrolltag ist der heute anwesende Kontrollor mit einem weiteren gekommen. An dem Tag hatte ich gerade frei. An sich wohne und arbeite ich in Graz als Koch. Ich habe an diesem Tag meine Eltern in Wien besucht. Meine Eltern wohnen dort in der B-gasse. An diesem Tag habe ich das Lokal aufgesperrt und Kunden bedient. Herr S hat mich irgendetwas Lebensmittelrechtliches gefragt. Er hat mich auch nach Angestellten gefragt. Ich sagte ihm, daß meine Mutter dort wohnt. Ich sagte nichts in der Richtung, daß die Mutter dort als Verkäuferin arbeitet. Der Kundenansturm ist dort verschieden. Es kann eine Person den Ansturm der Kunden bewältigen. Herr S hat dann noch Proben von Lebensmitteln genommen. Zur Frage der Beschäftigung kann ich mich an nichts Konkretes erinnern. Die Kundschaft dort ist gemischt. Wenn ich frei habe, dann bin ich meistens in Wien bei meinen Eltern. Ich wohne dann auch in der B-gasse."

Die Zeugin Aigin J gab an, sie wohne in der B-gasse (auch ihr Mann wohne dort). Sie sei dort keine Verkäuferin, sondern koche sie für die ganze Familie und mache auch die Wäsche. Ihre Tochter sei die Verkäuferin im Lokal. Am Kontrolltag sei ihre Tochter gerade nicht da gewesen, denn diese habe irgendwelche amtlichen Wege gehabt. Ihr Sohn und sie seien dort gewesen. Sie habe mit den Kunden nichts zu tun. Sie sei natürlich dort immer in ihrer Wohnung. Es gebe schon eine Türe, durch die man von der Küche in das Geschäft hineinschauen könne. Wenn diese zu sei, dann sehe man nichts. Sie denke, daß es ihr Sohn gewesen sei, der an diesem Tag die Geschäftstüre aufgesperrt habe. Ihr Sohn habe dann auch die Kunden bedient. Sie lebe von ihrem Mann und arbeite dort nicht. Der Zeuge Hans-Jörg S gab bei seiner Einvernahme an, er könne sich im großen und ganzen noch an die Kontrolle erinnern. Er sei schon vor Geschäftseröffnung (im Dezember 1998) einmal dort gewesen. Sie seien bei dieser Kontrolle zu zweit gewesen (an dieser Stelle ist anzumerken, daß sich aus der vom Marktamt gelegten Anzeige kein Hinweis darauf ergibt, daß außer Herrn S ein zweiter Marktamtsbeamter an der Kontrolle teilgenommen hat; eine vollständige namentliche Anführung der eine Kontrolle durchführenden Beamten wäre schon im Hinblick darauf, daß diese allenfalls als Zeugen geladen werden müssen, notwendig, wobei dies eigentlich als Selbstverständlichkeit vorauszusetzen ist). Es seien der Bruder und die Mutter der Bw anwesend gewesen. Das Geschäftslokal sei offen gewesen. Er habe versucht, mit der Mutter zu sprechen, doch sei mit dieser eine Verständigung auf Deutsch nicht möglich gewesen. Mit dem Bruder habe er schon gesprochen, doch wisse er nicht mehr, was dieser genau gesagt habe. Er könne sich nur daran erinnern, daß "diese beiden Personen da waren". Daß dort die Eltern wohnen, wisse er nicht. Als Adresse sei Graz angegeben worden.

Die Bw zeichnete daraufhin auf einem Blatt Papier die Gegebenheiten in dem Geschäftslokal auf. Der Zeuge S gab hiezu an, er habe sich nur im Lokal selbst aufgehalten. Die Angabe in der Anzeige, daß die beiden angetroffenen Ausländer als Angestellte seit 24.12.1998 beschäftigt seien - so gab der Zeuge S an - hätten diese nicht persönlich ihm gegenüber gemacht, sondern habe er aufgrund der Umstände, daß diese allein im Lokal gewesen sein, darauf geschlossen. Erhebungsformulare hätten sie bei ihren Kontrollen nicht und würden von ihnen in diesem Zusammenhang auch keine Niederschriften aufgenommen. Über die Proben habe er mit der Bw dann wohl noch gesprochen, nicht aber über die unerlaubte Beschäftigung.

Am Schluß dieser Verhandlung wurde der Berufungsbescheid samt

wesentlicher Begründung mündlich verkündet.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

Gemäß § 3 Abs 1 AuslBG in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung gemäß BGBl Nr 78/1997 darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung oder eine EU-Entsendebestätigung ausgestellt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt.

Nach § 28 Abs 1 Z 1 lit a AuslBG begeht, soferne die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer entgegen dem § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§§ 4 und 4c) erteilt noch eine Anzeigebestätigung (§ 3 Abs 5) oder eine Arbeitserlaubnis (§ 14 a) oder ein Befreiungsschein (§§ 15 und 4c) ausgestellt wurde, ... bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von S 10.000,-- bis zu S 60.000,--, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von S 20.000,-- bis zu S 120.000,--, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von S 20.000,-- bis zu S 120.000,--, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von S 40.000,-- bis zu S 240.000,--. Gemäß § 2 Abs 2 AuslBG gilt als Beschäftigung, soweit dies im vorliegenden Fall von Bedeutung ist, die Verwendung a) in einem Arbeitsverhältnis, und b) in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, soferne die Tätigkeit nicht aufgrund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird. Vorweg ist anzumerken, daß im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens dem Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten von der Erstbehörde kein Parteiengehör zum Vorwurf der unerlaubten Beschäftigung von zwei Ausländern gewährt worden ist. Diese Vorgangsweise der Erstbehörde ist vor allem deshalb nicht nachvollziehbar, weil doch etwa gerade bezüglich des Bruders der Bw die Frage strittig war, ob diesem eine arbeitsmarktbehördliche Bewilligung (hier: Befreiungsschein) erteilt war. Daß hierüber das Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten Auskunft geben könnte (wegen dessen Zugang zu den relevanten Daten), muß wohl als (auch dem Magistrat der Stadt Wien) bekannt vorausgesetzt werden. Die Bestimmung des § 28a Abs 1 AuslBG hat folgenden Wortlaut:

"(1) Das Arbeitsinspektorat hat in Verwaltungsstrafverfahren nach § 28 Abs 1 Z 1, nach § 28 Abs 1 Z 2 lit c bis f dann, wenn die Übertretung die Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes durch das Arbeitsinspektorat betrifft, Parteistellung und ist berechtigt, Berufung gegen Bescheide sowie Einspruch gegen Strafverfügungen zu erheben. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist berechtigt, gegen Entscheidungen der Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben."

Diese Bestimmung beantwortet nicht die Frage, ob die Einstellung eines Strafverfahrens in Form eines Aktenvermerkes (siehe den AV vom 18.3.1999, AS 16, mit welchem das Verfahren bezüglich des Vorwurfs der unerlaubten Beschäftigung des Enli X eingestellt wurde) oder in Bescheidform zu erfolgen hat. Die Form der Einstellung ist im § 45 Abs 2 erster Satz VStG geregelt. Nach dieser Bestimmung genügt für die Einstellung ein Aktenvermerk mit Begründung, es sei denn, daß einer Partei Berufung gegen die Einstellung zusteht oder die Erlassung eines Bescheides aus anderen Gründen notwendig ist. Im Hinblick auf das in § 28a Abs 1 AuslBG normierte Berufungsrecht des Arbeitsinspektorates unter anderem in den Fällen des § 28 Abs 1 Z 1 lit a AuslBG ergibt sich die Notwendigkeit, die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens in diesen Fällen mit Bescheid auszusprechen und eine Ausfertigung dieses Bescheides dem Arbeitsinspektorat zuzustellen (vgl etwa zur Bestimmung des § 6 Abs 3 ArbIG 1974 das Erkenntnis des VwGH vom 4.9.1992, Zlen 90/19/0465, 0466).

Die Erstbehörde hat aufgrund der Anzeige des Marktamtes als erwiesen angenommen, daß die Ausländerin Aigin J (die Mutter der Bw) in einem nach dem AuslBG bewilligungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur "W"-GmbH gestanden ist. Die Bw hat in ihrer Berufung bestritten, daß eine Verletzung der einschlägigen Bestimmungen des AuslBG vorliege. Ihrem Vorbringen kommt Berechtigung zu:

In der - dem gegenständlichen Verfahren zugrundeliegenden - (formularmäßigen) Anzeige des Marktamtes heißt es, daß Frau J Aigin und Herr Enli X - wie anläßlich der Revision habe festgestellt werden können - seit 24.12.1998 als Angestellte beschäftigt seien. Die Angaben über die Dauer und Art der Tätigkeit seien durch die Bw gemacht worden. Die beiden angetroffenen chinesischen Staatsbürger seien die einzigen Personen im gegenständlichen Lebensmittelgeschäft gewesen. In der mündlichen Verhandlung am 31.5.1999 wurde Herr S (dieser führte die gegenständliche Kontrolle durch) als Zeuge einvernommen. Er konnte sich nur noch daran erinnern, daß "diese beiden Personen da waren". Auch stellte er klar, daß er dann mit der Bw wohl über die Proben, nicht aber über die unerlaubte Beschäftigung gesprochen habe. Die in diese Richtung gehende Angabe in der Anzeige erweist sich somit als unrichtig. Ebenfalls unrichtig ist die Angabe in der Anzeige, daß die beiden angetroffenen Ausländer dem Kontrollorgan gegenüber angegeben hätten, sie seien dort seit 24.12.1998 als Angestellte beschäftigt. Diesen längeren (mehr als ein Monat) Tatzeitraum hat der Meldungsleger aufgrund des Umstandes, daß der Bruder und die Mutter der Bw bei der Revision allein im Lokal gewesen seien, bloß angenommen. Anzumerken ist, daß diese Vorgangsweise insbesondere im Hinblick darauf, daß sich etwa die Strafhöhe ua nach der Dauer der unerlaubten Beschäftigung richtet, als äußerst bedenklich einzustufen ist.

Ferner räumte der Meldungsleger selbst ein, er habe mit der Mutter der Bw nicht gesprochen, denn mit dieser sei eine Verständigung auf Deutsch nicht möglich gewesen. Er habe zwar mit dem Bruder der Bw gesprochen, doch wußte er nicht mehr, was dieser genau gesagt hat. Auch räumte der Meldungsleger ein, daß nähere Ermittlungen zum Sachverhalt (etwa Ausfüllen von Erhebungsformularen durch die angetroffenen Ausländer, Aufnahme von Niederschriften etc) gleich gar nicht angestellt werden. Auch konfrontierte er in der Folge bei seinem Gespräch mit der Bw diese nicht mit dem (von ihm zur Anzeige gebrachten) Vorwurf der unerlaubten Beschäftigung von zwei Ausländern. Auch hiezu ist anzumerken, daß der Meldungsleger den Bruder der Bw offenbar nicht einmal nach dem Vorhandensein von arbeitsmarktbehördlichen Bewilligungen gefragt hat, denn es ist nicht anzunehmen, daß ihn dieser nicht unverzüglich auf das Vorhandensein eines Befreiungsscheines hingewiesen hätte. Zusammenfassend muß festgehalten werden, daß eine derart unzulängliche - auf bloßen Vermutungen des Meldungslegers beruhende - Anzeige, wie die dem gegenständlichen Verfahren zugrundeliegende für die ordnungsgemäße Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens als unbrauchbar bezeichnet werden muß. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien geht aufgrund der glaubwürdigen Angaben der Bw, ihres Bruder und ihrer Mutter davon aus, daß die Bw am Kontrolltag etwas später in das Geschäft gekommen ist. An diesem Tag hat ihr Bruder (dieser besitzt unbestrittenermaßen einen Befreiungsschein) das Geschäftslokal aufgesperrt und dort auch Kunden bedient. Die Bw schilderte auch glaubwürdig (sie fertigte hiezu auch eine Skizze an), daß ihre Eltern (ihr Vater ist Angestellter der GmbH und auch von dieser zur Sozialversicherung gemeldet) neben dem Geschäftslokal wohnen. Auch gab sie an, daß ihre Mutter Hausfrau sei und für die Familie koche und die Wäsche mache. Auch Frau Aigin J hat bei ihrer Einvernahme glaubwürdig und überzeugend angegeben, im Geschäftslokal nicht als Verkäuferin tätig zu sein. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt ausgesprochen, daß nicht jede Tätigkeit eines Ausländers für einen anderen ungeachtet ihrer näheren Umstände eine "Beschäftigung" nach dem AuslBG darstelle (vgl zB das Erk des VwGH vom 17.1.1991, Zl 90/09/0159). Tätigkeiten, welche ohne jegliche Verpflichtung, lediglich gefälligkeitshalber und unentgeltlich für einen anderen erbracht worden sind, stellen für sich alleine noch keine Übertretung des AuslBG dar (vgl das Erk des VwGH vom 11.7.1990, Zl 90/09/0062). Maßgebend für die Einordnung in den Beschäftigungsbegriff nach § 2 Abs 2 AuslBG ist, daß die festgestellte Tätigkeit in persönlicher bzw wirtschaftlicher Abhängigkeit des Arbeitenden ausgeübt wird (vgl dazu das Erk des VwGH vom 26.6.1991, Zl 91/09/0038). Die Bw hat schon in ihrer Rechtfertigung vom 5.3.1999 (hinsichtlich des Vorwurfes der unerlaubten Beschäftigung ihrer Mutter) vorgebracht, diese koche für sie (gemeint: die Familie) und betätige sich ausschließlich als Hausfrau. Möglicherweise habe sie am Kontrolltag Kunden eine Auskunft erteilt. Auch in ihrer Berufung wiederholte sie dieses Vorbringen. Dieses Vorbringen hat nun die Erstbehörde nicht zum Anlaß genommen, Ermittlungen (etwa die Einvernahme des Meldungslegers, der Frau Aigin J oder des Enli

X) durchzuführen. In diesem Zusammenhang ist die Erstbehörde auf

die allgemeine, dem Offizialprinzip korrespondierende Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit hinzuweisen. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht durch die Beschuldigte käme nur in dem Umfang Bedeutung zu, in dem diese eine Pflicht zur Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes getroffen hätte. Wird eine derartige Pflicht - im Falle ihres uneingeschränkten Bestehens - verletzt, so kann dies dazu führen, daß die Behörde keine weiteren Erhebungen mehr durchführen muß und die wegen des Unterbleibens solcher Erhebungen erhobenen Verfahrensrügen abzulehnen sind. Die Mitwirkungspflicht, aus deren Verletzung sich dies ergeben kann, ist von Bedeutung, wo es der Behörde nicht möglich ist, von sich aus tätig zu werden. Insoweit die Behörde nicht gehindert ist, die in Frage kommenden Ermittlungen von Amts wegen vorzunehmen, besteht keine derartige Pflicht der Partei. Die Mitwirkungspflicht geht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht soweit, daß sich die Behörde (hier: der Magistrat der Stadt Wien) - die ihre Pflicht zur Feststellung des Sachverhaltes nicht auf die Partei überwälzen kann - die Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens ersparen dürfte (vgl dazu das Erkenntnis des VwGH vom 21.10.1998, Zl 96/09/0210, und die dort zitierte Vorjudikatur). Im vorliegenden Fall ist nicht nachvollziehbar, warum es der Erstbehörde nicht möglich gewesen ist, die oben erwähnten Zeugen zu laden und einzuvernehmen. Anzumerken ist auch, daß das VStG das Rechtsinstitut der Einstellung für Verwaltungsstrafverfahren nach dem AuslBG uneingeschränkt - wie für jedes andere Verwaltungsstrafverfahren, von Sondernormen abgesehen - vorsieht. Im Sinne des ersten Satzes des § 2 Abs 4 AuslBG ist vom wahren wirtschaftlichen Gehalt, in jedem Einzelfall ausgehend von den spezifischen Umständen dieses Falles, auszugehen.

In der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses hielt die Erstbehörde der Rechtfertigung der Bw (wonach ihre Mutter für die Familie gekocht und sich ausschließlich als Hausfrau betätigt habe) entgegen, daß jedenfalls der wirtschaftliche Erfolg der durch die illegal beschäftigte Ausländerin verrichteten Tätigkeiten der Firma der Bw zugekommen sei. Diesem - als äußerst sonderbar einzustufenden - Begründungselement der Erstbehörde ist entgegenzuhalten, daß der Umstand, daß eine Mutter für ihre Familie kocht und als Hausfrau tätig ist, alleine für sich nicht die Annahme einer Beschäftigung (zu der von der Tochter vertretenen Gesellschaft, die im Nebenraum einen Lebensmittelhandel betreibt) im Sinne des AuslBG rechtfertigt. Die - von der Erstbehörde offenbar vertretene - Auffassung, eine Mutter (hier: eine chinesische Staatsbürgerin), die für ihre Familie kocht und den Haushalt erledigt, werde deshalb illegal beschäftigt, weil "der wirtschaftliche Erfolg" den Familienangehörigen zukomme, ist derart verfehlt, daß sich eine nähere Auseinandersetzung damit erübrigt.

Die Bw schilderte bei ihrer Einvernahme auch, daß ihr Vater bei der GmbH als Angestellter beschäftigt sei. Im Geschäft verkaufe meistens sie selbst, wobei sie von 9.00 Uhr bis abends dort sei. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien zweifelt auch nicht daran, daß die Eltern der Bw neben dem Geschäftslokal eine kleine Wohnung benützen. Daß die Mutter der Bw allenfalls bei kurzfristigen Abwesenheiten der Bw oder ihres Vaters mit Kunden, insbesondere wenn es sich um chinesisch sprechende Kunden handelt, spricht, begegnet aus der Sicht des AuslBG keinen Bedenken. Es darf in diesem Zusammenhang ohnehin nicht übersehen werden, daß bei Familiendiensten allenfalls zu prüfen ist, ob es sich nicht um die bloße Erfüllung familiärer Beistands- und Mitwirkungspflichten handelt (vgl dazu das Erkenntnis des VwGH vom 2.7.1987, Zl 87/09/0013).

Die Erstbehörde hat in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses auch noch angemerkt, daß die Bw nicht glaubhaft gemacht habe, daß sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Sollte sich die Erstbehörde auf die Bestimmung des § 5 Abs 1 VStG berufen wollen, ist ihr entgegenzuhalten, daß die sich daraus ergebende Beweislastumkehr erst zu Lasten der Beschuldigten im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geht, wenn die Tatbestandsmäßigkeit in einem von der Behörde amtswegig durchzuführenden Ermittlungsverfahren festgestellt worden ist. Ist aber die Tatbestandsmäßigkeit bereits infolge mangelhafter Sachverhaltsgrundlage in Zweifel zu ziehen, kommt die in § 5 Abs 1 VStG normierte Beweislastumkehr nicht mehr zum Tragen (vgl wiederum das Erkenntnis des VwGH vom 21.10.1998, Zl 96/09/0210). Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien nimmt es aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens (insbesondere der glaubwürdigen und überzeugenden Aussagen der Bw, des Herrn Enli X und der Frau Aigin J) als erwiesen an, daß die bei der Kontrolle am 2.2.1999 angetroffene Ausländerin Aigin J (die Mutter der Bw) nicht als Angestellte (seit 24.12.1998) von der "W"-GmbH beschäftigt worden ist. Das gesamte Ermittlungsverfahren hat nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür ergeben, daß Frau J im Geschäftslokal in Wien, B-gasse in einem erheblichen Umfang als Verkäuferin (entgeltlich) tätig gewesen ist. Auch der Meldungsleger (Herr S) konnte (zur Frage des Vorliegens eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 2 Abs 2 AuslBG) bloß angeben, daß die Mutter und der Bruder der Bw "da waren". Die Angaben zur Beschäftigungsdauer und Art der Tätigkeit der Frau J beruhten auf einer bloßen Vermutung des Meldungslegers. Daß Herr S in der Folge die Beschuldigte (die Bw) nicht einmal von dieser seiner Vermutung (nämlich daß die Mutter illegal seit mehr als einem Monat als Verkäuferin beschäftigt werde) informiert und diese um Auskunft ersucht hat, sei an dieser Stelle nur noch einmal erwähnt, ist aber ein weiteres Indiz für die völlig unzureichende Qualität der im vorliegenden Fall durchgeführten Erhebung (und der darüber erstatteten Anzeige des Marktamtes). Abschließend ist noch einmal darauf hinzuweisen, daß sich aber auch der Magistrat der Stadt Wien als Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz im vorliegenden Fall die Durchführung eines ordnungsgemäßen Verwaltungsstrafverfahrens erspart hat. Da die Bw somit die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nach dem AuslBG nicht begangen hat, war der Berufung Folge zu geben, das Straferkenntnis zu beheben und das Verfahren spruchgemäß einzustellen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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