TE UVS Niederösterreich 1999/06/21 Senat-AM-99-052

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Veröffentlicht am 21.06.1999
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Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 AVG insoweit Folge gegeben, als der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses mit der Maßgabe bestätigt wird, daß

I   der Spruchpunkt a aufgehoben und diesbezüglich die Einstellung der Strafverfahren gemäß §45 Abs1 Z3 VStG verfügt wird,

II  im Spruchpunkt b nach dem Wort "Tagesarbeitszeit" der Klammerausdruck "(10 Stunden)" eingefügt wird,

III die betreffend die Überschreitung der täglichen Arbeitszeit beim Arbeitnehmer J W im Spruchpunkt b verhängte Ersatzfreiheitsstrafe auf 48 Stunden herabgesetzt wird und IV  der vom Beschuldigten zu leistende Beitrag zu den Kosten

     des Verfahrens vor der Behörde erster Instanz gemäß §64 Abs1 und 2 VStG mit S 60,-- festgesetzt wird.

 

Gemäß §64 Abs1 und 2 VStG hat der Beschuldigte als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens S 120,-- binnen zwei Wochen zu bezahlen.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten vorgeworfen, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer der S & G B in **** A*******, G********** *, zu verantworten, daß dieses Unternehmen als Arbeitgeber die in der Beilage A in den Punkten 1 bis 9 angeführten Arbeitnehmer entgegen den Vorschriften des ARG und AZG wie folgt beschäftigt habe:

 

a) Die Arbeitnehmer laut Beilage A jeweils Unterpunkt 1 seien entgegen dem §4 ARG eingesetzt worden.

 

b) Die Arbeitnehmer laut Beilage A jeweils  Unterpunkt 2 seien entgegen dem §9 Abs1 AZG über die erlaubte Höchstgrenze der Tagesarbeitszeit eingesetzt worden.

 

c) Der Arbeitnehmer J W (Beilage A, Pkt4, Unterpunkt 3) sei in näher bezeichneten Kalenderwochen über die gemäß §9 Abs1 AZG erlaubte Höchstgrenze der Wochenarbeitszeit (50 Stunden) hinaus eingesetzt worden.

 

Das Ausmaß und die datumsmäßigen Angaben der vom Arbeitsinspektorat festgestellten unzulässigen täglichen bzw wöchentlichen Arbeitszeit bei den einzelnen Arbeitnehmern sind der Beilage A zu entnehmen.

 

Zum Spruchpunkt a wurden pro betroffenem Arbeitnehmer Geldstrafen von jeweils S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 30 Stunden) gemäß §27 Abs1 ARG verhängt.

Zum Spruchpunkt b wurde in einem Fall eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 60 Stunden) und im anderen Fall eine Geldstrafe von S 300,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden)gemäß §28 Abs1 AZG ausgesprochen.

Zum Spruchpunkt c wurde eine Geldstrafe von S 300,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) gemäß §28 Abs1 AZG verhängt.

 

In der fristgerecht eingebrachten Berufung beantragte der Beschuldigte die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung der Verwaltungsstrafverfahren. In eventu wird eine Anwendung des §21 VStG bzw eine Herabsetzung der Geldstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen begehrt.

 

In dieser Berufung brachte der Beschuldigte im wesentlichen vor, daß der Betriebsleiter G L als Prokurist bestellt worden sei. Von den in Rede stehenden Verstößen gegen das AZG und ARG habe er erst nachträglich Kenntnis erhalten und daher keine zusätzlichen Vorsorgemaßnahmen treffen können. G L sei als Prokurist für die gegenständlichen Übertretungen verantwortlich. Aus dem Handelsgesetzbuch ergäbe sich, daß auch der Prokurist ein zur Vertretung der Firma nach außen berufenes Organ sei. Auch wenn es sich bei G L nicht um einen verantwortlichen Beauftragten gehandelt habe, sei dieser dennoch als Bevollmächtigter im Sinne des AZG und ARG anzusehen, wofür eine schriftliche Bestellung nicht erforderlich sei. Wenn ein Bevollmächtigter bestellt sei, so sei das vertretungsbefugte Organ nur verantwortlich, wenn die Voraussetzungen des §9 Abs6 VStG vorlägen. Dies wäre nur der Fall, wenn er die Verstöße vorsätzlich nicht verhindert hätte, was im Gegenstand nicht zutreffend sei. Über den gegenständlichen Betrieb sei das Ausgleichsverfahren 1997 und schließlich der Anschlußkonkurs 1998 eröffnet worden. Die in Rede stehenden Arbeitnehmer seien in einem vom Anwendungsbereich des AZG und ARG ausgenommenen landwirtschaftlichen Betrieb beschäftigt gewesen, weil es sich bei der S & G B um einen Betrieb mit Tierhaltung gehandelt haben. Zumindest lägen die Voraussetzungen des §20 und 21 VStG vor. Durch die Einstellung des Betriebes sei verhindert, daß er neuerlich derartige Übertretungen begehen könne.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich hat am 11. Juni 1999 eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß §51e VStG durchgeführt, bei der der anzeigende Arbeitsinspektor als Zeuge einvernommen wurde.

 

Der Rechtsvertreter der Beschuldigten gab bei dieser Verhandlung an, daß es sich bei der Firma S & G B um eine solche gehandelt habe, deren Unternehmensgegenstand ursprünglich hätte sein sollen, diverse Liegenschaften für den Unternehmenskomplex F zu kaufen. Dazu sei es wegen diverser Probleme mit der rechtlichen Abwicklung und letztlich auch des Konkurses nicht gekommen. Die Zustimmung der Grundverkehrskommission zum Betrieb einer Landwirtschaft an dem in Rede stehenden Standort sei nach ca 12 Monaten im Frühjahr 1997 erteilt worden. Der Unternehmensgegenstand dieser Firma sei damals der Betrieb einer Brüterei und Mästerei am Standort A*******/G********** gewesen. Die Eier für die Brüterei seien aus dem Ausland zugekauft worden. Die geschlüpften Küken seien zum Teil zum Mästen an bäuerliche Betriebe in der Umgebung weitergegeben und auch am Betriebsstandort selbst auf ca 100.000 Mästplätzen über einen Zeitraum von 45 Tagen gemästet worden.

 

Der Verhandungsleiter stellte fest, daß eine Rückfrage bei der Gewerbeabteilung der Bezirkshauptmannschaft XX ergeben habe, daß dort betreffend die Frage, ob es sich bei der S & G B um einen landwirtschaftlichen Betrieb handelt, keinerlei Aktenvorgänge aktenkundig seien. Laut Auskunft der Leiterin der Gewerbeabteilung könne dies auch daher rühren, daß die Bezirkshauptmannschaft XX mit dieser Frage niemals befaßt gewesen sei.

 

Der Rechtsvertreter des Beschuldigten bemerkte hiezu, daß es nach seinen Informationen mündliche Gespräche gegeben habe, Schriftstücke gäbe es jedoch nicht.

 

Der anzeigende Arbeitsinspektor sagte aus, er habe die Firma G F am 2.9.1996 routinemäßig überprüft, wozu auch eine Kontrolle die Arbeitszeitaufzeichnungen der einzelnen Mitarbeiter gehört haben. Bei der Kontrolle der Arbeitszeitaufzeichnungen sei er vom Betriebsrat K darauf hingewiesen worden, daß in den Arbeitzeitsaufzeichnungen auch Arbeitnehmer der Firma S & G B enthalten seien. Er habe daher, was die von ihm festgestellten Übertretungen anlange, eine gesonderte Anzeige betreffend die Firma S & G B verfaßt. Das Arbeitsinspektorat habe die Firma F nach den bisherigen Erfahrungen immer als Gesamtbetrieb mit verschiedenen Standorten gesehen. Ihm sei  nicht bekannt gewesen, daß die S & G B im Bereich der Landwirtschaft tätig gewesen sei. Was die Übertretungen des ARG anlange, so sei in erster Linie gemeint gewesen, daß den Arbeitnehmer keine Wochenendruhe nach §3 ARG gewährt worden sei. In der Anzeige sei aber eine Übertretung des §4 angegeben worden.

 

Nach seinen Informationen sei der Betriebsrat K bei der Firma G F beschäftigt gewesen. Er sei davon ausgegangen, daß der Herr K bei dieser Firma Betriebsrat gewesen sei, was er auch seinen Unterlagen entnehmen könne. Seinem Akt entnehme er, daß das Arbeitsinspektorat eine diesbezügliche Meldung samt Protokoll über die Konstituierung des Betriebsrates erhalten habe.

 

Der Rechtsvertreter der Beschuldigten bemerkte hinzu, daß bei der Firma S & G B in der ersten Führungsebene die beiden Beschuldigten Ing S und Mag W als handelsrechtliche Geschäftsführer tätig gewesen seien. Der zweiten Führungsebene gehörte der Betriebsleiter und Prokuristen L an. Diesem unterstellt sei der Herr K gewesen, welcher Arbeitnehmer des S & G B gewesen sei. Dieser habe auch die Arbeitseinteilung der Arbeitnehmer in der Brüterei und Mästerei erstellt. Interessant sei in diesem Zusammenhang, daß der Herr K in der vom Arbeitsinspektorat vorgelegten Unterlage der Gewerkschaft als Betriebsrat der Firma G F aufscheine.

Über die in Rede stehenden Mängel in der S & G B betreffend das AZG und ARG hätten die beiden handelsrechtlichen Geschäftsführer erst Kenntnis durch die Anzeige des Arbeitsinspektorates erhalten. Die Aufnahme der einzelnen Arbeitnehmer in dieser Firma und der Abschluß der Dienstverträge sei Sache des Betriebsleiters und Prokuristen L gewesen. Dieser sei als Bevollmächtiger für die Belange AZG und ARG bestellt und mit der entsprechenden Anordnungs- und Entscheidungsbefugnis für diesen Bereich ausgestattet gewesen. Die tatsächliche Arbeitseinteilung der Arbeitnehmer sei durch den Betriebsrat K erfolgt. Die beiden handelsrechtlichen Geschäftsführer Ing S und Mag W seien davon ausgegangen, daß die Einsetzung des Betriebsleiters L und die Erstellung der Arbeitseinteilung durch den Betriebsrat, der aber lediglich Betriebsrat bei der Firma G F gewesen sei, gewährleisten müsse, daß die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden.

 

Der Vertreter des Arbeitsinspektorates wies auf ein Schreiben des Direktors L (nunmehr in der Geschäftsleitung der M-G & Co KG tätig) an die Bezirkshauptmannschaft XX vom 19.3.1999 hin, in der dieser bestreitet, bei der Firma F G in **** A*******, G********** *, Bevollmächtigter für die Belange des AZG gewesen zu sein und ausführt, daß die Arbeitszeiten und Überstundenleistung durch die seinerzeitige Geschäftsleitung, nämlich die Herren Ing S und Mag W, angeordnet worden seien.

 

Der Rechtsvertreter des Beschuldigten gabe hiezu an,  daß er den Prokuristen L in diversen Strafverfahren vor der Bezirkshauptmannschaft XX vertreten habe und dieser ihm gegenüber seine Funktion als Bevollmächtiger im Sinne des AZG zugegeben habe. Offensichtlich nach dem Konkurs der Firma G F und den Wechsel zu einer anderen Firma habe Herr L seine Verantwortung dahingehend geändert, daß er nicht Bevollmächtigter des Arbeitgebers gewesen sei.

 

Der Beschuldigte gab seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse wie folgt bekannt:

Verheiratet, Sorgepflicht für zwei Kinder, monatliches

Nettoeinkommen ca S 25.000,--, Vermögen: Reihenhaushälfte und zwei Mietshäuser, allerdings belastet.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:

 

Der Eintritt der Verjährung gemäß §31 VStG ist von Amts wegen wahrzunehmen, auch wenn diese Frage von den Parteien im Verwaltungsstrafverfahren nicht geltend gemacht wird (vergl Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5 Auflage, Seite 909, und die dort zitierte Judikatur).

 

Gemäß §31 Abs1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist keine taugliche Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Die Verjährungsfrist bei den dem Beschuldigten im Spruchpunkt b zur Last gelegten Übertretungen beträgt gemäß §31 Abs2 VStG sechs Monate bzw im Falle der Verletzung der Verordnung (EWG) Nr 3820/85 gemäß §28 Abs4 VStG ein Jahr.

 

Eine taugliche Verfolgungshandlung, die den Lauf der Frist für die Verfolgungsverjährung unterbricht, liegt nach der einschlägigen Judikatur des VwGH nur dann vor, wenn die gegen einen Beschuldigten gerichtete Verfolgungshandlung alle die Tat betreffenden wesentlichen Sachverhaltselemente, die für die Unterstellung unter den zur Anwendung gelangenden Straftatbestand erforderlich sind, umfaßt und entsprechend konretisiert.

 

Im Spruchpunkt a werden dem Beschuldigten Übertretungen der Bestimmung des §4 ARG über die Wochenruhe zur Last gelegt, nicht aber Übertretungen der Bestimmungen des §3 Abs1 ARG über die Wochenendruhe. Es fehlt eine klare Tatanlastung, die eine Zuordnung zu diesen Übertretungstatbeständen zuläßt.

 

Nach §4 ARG haben Arbeitnehmer die (zulässigerweise) aufgrund der für sie geltenden Arbeitseinteilung während der Zeit der Wochenendruhe gemäß §3 Abs1 ARG beschäftigt werden, in der folgenden Arbeitswoche Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden (Wochenruhe). Für eine Übertretung des §4 ARG ist es ein wesentliches Sachverhaltselement, daß dem am Wochenende (zulässigerweise) arbeitenden Arbeitnehmer in der Folgewoche die 36-stündige Wochenruhe ("Ersatzwochenendruhe") nicht gewährt wurde. Eine Aussage darüber, daß den in Rede stehenden Arbeitnehmern in der jeweiligen Folgewoche die 36-stündige Wochenruhe nicht gewährt wurde, fehlt sowohl in der einzigen fristgerechten Verfolgungshandlung als auch im angefochtenen Straferkenntnis.

 

Es war daher wegen des Eintrittes der Verfolgungsverjährung der Spruchpunkt a des angefochtenen Straferkenntnisses zu beheben und diesbezüglich die Einstellung der Strafverfahren betreffend die Nichtgewährung der Wochenruhe zu verfügen.

 

Der Beschuldigte war zur Tatzeit handelsrechtlicher Geschäftsführer der S & G B, in deren Betrieb die gegenständlichen Übertretungen begangen wurden. Als solcher war er zur Vertretung nach außen berufenes Organ im Sinn des §9 Abs1 VStG.

 

Zu den Spruchpunkten b und c ist festzuhalten, daß für Übertretungen der Arbeitnehmerschutzvorschriften - sofern kein verantwortlicher Beauftragter gemäß §9 Abs2 bis 4 iVm §23 ArbIG bestellt ist - gemäß §9 Abs1 VStG den handelsrechtlichen Geschäftsführer einer GesmbH die verwaltungsstrafrechtliche Haftung trifft (vgl Erk des VwGH vom 23.4.1990, Zl 90/19/0068 und vom 18.2.1991, Zl 90/19/0177). Nach der ständigen Judikatur des VwGH (vgl Erk vom 29.10.1996, Zl 96/11/0227) haben selbst bei einer Mehrzahl von zur Vertretung nach außen berufenen Organen (zB handelsrechtliche Geschäftsführer einer GesmbH, Vorstandsmitglieder einer AG) einer JUTistischen Person diese Organe die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit kumulativ zu tragen und hat eine bloß interne Aufgaben- und Verantwortungsaufteilung - sofern diese nicht in Form der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten erfolgt - keine rechtliche Relevanz. Da im gegenständlichen Fall keine rechtswirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten für die Belange des AZG vorliegt, verbleibt die verwaltungsstrafrechtliche Haftung für die Übertretungen des AZG beim Beschuldigten.

 

 

Betreffend den Prokuristen und Betriebsleiter G L liegt - wie die Behörde erster Instanz zutreffend ausführt - keine wirksame Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten vor, weil beim zuständigen Arbeitsinspektorat für den * Aufsichtsbezirk keine entsprechende Meldung eines verantwortlichen Beauftragten samt Zustimmungsnachweis gemäß §23 Abs1 ArbIG eingelangt ist.

 

Der Berufungswerber bringt vor, daß es sich beim Prokuristen G L um ein zur Vertretung nach außen befugtes Oran des in Rede stehenden Unternehmens gehandelt hat. Dieses Vorbringen geht ins Leere, zumal nach der einschlägigen Judikatur des VwGH (vgl Erk vom 12.11.1992, Zl 92/18/0410) klargestellt ist, daß es sich beim einem Prokuristen um kein zur Vertretung nach außen gemäß §9 Abs1 VStG berufenes Organ handelt. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit für Verwaltungsübertretungen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung trifft daher den handelsrechtlichen Geschäftführer.

 

Richtig ist, daß das AZG im §28 die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit eines bestellten Bevollmächtigten vorsieht. Unzutreffend ist allerdings die Annahme des Berufungswerbers, daß in einem derartigen Fall lediglich §9 Abs6 VStG anzuwenden wäre, wonach eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des vertretungsbefugten Organes nur dann vorliegt, wenn er die Tat vorsätzlich nicht verhindert hat. Im Falle einer Bestellung eines Bevollmächtigten sind zwar die strengen Bestellungskriterien wie für einen verantwortlichen Beauftragten nicht vorgesehen. Dafür entbindet aber die Bestellung eines Bevollmächtigten das vertretungsbefugte Organ nach §9 Abs1 VStG nicht von seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit, vielmehr bleibt diese neben der Verantwortlichkeit des Bevollmächtigten aufrecht (vgl Erk des VwGH vom 27.9.1988, Zl 88/08/0088). Dies bedeutet, daß das vertretungsbefugte Organ ebenso wie der Bevollmächtigte nicht bloß für vorsätzliche Nichtverhinderung im Sinn des §9 Abs6 VStG, sondern für die fahrlässige Herbeiführung oder Duldung einer strafbaren Handlung verantwortlich ist. Selbst wenn G L ein mit der erforderlichen Anordnungs- und Entscheidungsbefugnis ausgestatteter Bevollmächtigter im Sinne des §28 AZG gewesen sein sollte, so ändert dies nichts an der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des hier beschuldigten handelsrechtlichen Geschäftsführers.

 

Soweit sich der Beschuldigte darauf beruft, daß es sich bei der S & G B um einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Brüterei und Mästerei im Sinne des §5 Landarbeitsgesetz 1984 gehandelt hat, der vom Geltungsbereich des AZG (§1 Abs2 Z2 AZG) und ARG (§1 Abs2 Z6 litd ARG) sowie der Gewerbeordnung (§2 Abs1 Gewerbeordnung) ausgenommen gewesen sei, ist festzustellen, daß nach dem Ergebnis des Berufungsverfahrens keine die Meinung des Beschuldigten stützenden Aktenvorgänge bei der Bezirkshauptmannschaft XX aktenkundig sind und vom Beschuldigten im Verfahren keine Nachweise für eine allfällige solche mündliche Auskunft durch die Bezirkshauptmannschaft XX erbracht werden konnten.

 

Der in diesem Zusammenhang angesprochene §5 Abs1 Landarbeitsgesetz 1984 hat folgenden Wortlaut:

 

 

" (1) Betriebe der Land- und Forstwirtschaft im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Betriebe der land- und forstwirtschaftlichen Produktion und ihre Nebenbetriebe, soweit diese in der Hauptsache die Verarbeitung der eigenen Erzeugnisse zum Gegenstand haben und sich nicht als selbständige, von der Land- und Forstwirtschaft getrennt verwaltete Wirtschaftskörper darstellen, ferner die Hilfsbetriebe, die der Herstellung und Instandhaltung der Betriebsmittel für den land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb dienen. In diesem Rahmen zählen zur land- und forstwirtschaftlichen Produktion die Hervorbringung und Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse mit Hilfe der Naturkräfte einschließlich des Wein- und Obstbaues, des Gartenbaues und der Baumschule, das Halten von Nutztieren zur Zucht, Mästung oder Gewinnung tierischer Erzeugnisse sowie die Jagd und Fischerei."

 

Das Berufungsverfahren hat ergeben, daß das Ausgangsprodukt (Eier) für die Brüterei und Mästerei zur Gänze aus dem Ausland und nicht aus dem eigenen Betrieb bezogen wurde, weshalb davon auszugehen war, daß eine wesentliche Voraussetzung für das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebes im Sinne des §5 Abs1 erster Satz Landarbeitsgesetz 1984, nämlich das Vorliegen einer eigenen (Ur)Produktion, nicht gegeben war. Abgesehen davon spricht die Tatsache, daß im gegenständlichen Betrieb selbst Mästplätze für die große Zahl von 100.000 Küken vorhanden war und überdies ein Teil der in diesem Betrieb geschlüpften Küken an bäuerliche Betriebe in der Umgebung zur Mästung weitergegeben wurde, gegen die Argumentation des Berufungswerbers.

 

Es war daher das Vorliegen von Ausnahmetatbeständen nach §1 Abs2 Z2 AZG und §1 Abs2 Z6 litd ARG zu verneinen.

 

Gemäß §5 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Ungehorsamsdelikten dann anzunehmen, wenn der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Eine bloß firmeninterne Delegierung der Verantwortlichkeit an einen bevollmächtigten Betriebsleiter oder einen anderen handelsrechtlichen Geschäftsführer kann ein mangelndes Verschulden nicht dartun. Wenn der Berufungswerber vorbringt, er habe erst nachträglich von den Verstößen Kenntnis erlangt, so ist ihm zum Vorwurf zu machen, daß er nicht bereits vorbeugend entsprechende Maßnahmen getroffen hat. Der Beschuldigte hätte darzutun und nachzuweisen gehabt, daß er ein entsprechendes Kontrollsystem eingerichtet hat. Ein derartiges Kontrollsystem beinhaltet nicht nur einerseits die entsprechende Erteilung von Weisungen, sondern andererseits die bereits vorbeugende Durchführung ausreichender Kontrollen, sodaß aufgrund der getroffenen Maßnahmen mit gutem Grund die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen erwartet werden kann. Da der Berufungswerber nicht einmal ansatzweise die Einrichtung eines ausreichenden Kontrollsystems dargetan oder nachgewiesen hat, ist ihm sehrwohl fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen (vgl Erk des VwGH vom 27.9.1988, Zl 88/08/0088 und vom 20.7.1992, Zl 92/18/0184 sowie die dort zitierte weitere Judikatur).

 

Gemäß §19 Abs1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Gemäß §19 Abs2 legcit sind im ordentlichen Verfahren (§§40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Die im AZG vorgesehene Limitierung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit sollen den Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer vor unzumtbaren zeitlichen Belastungen gewährleisten. Da es sich hier um den Schutz von höchstpersönlichen Rechtsgütern handelt, ist - wie auch der VwGH wiederholt ausgesprochen hat - bei diesen Übertretungen ein strenger Maßstab anzulegen. Sonstige nachteilige Folgen sind in den gegenständlichen Fällen nicht eingetreten.

 

Erschwerungsgründe liegen keine vor. Als mildernd war die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Beschuldigten zu werten.

 

Für die Anwendung des §20 oder §21 VStG bleibt kein Raum. Es kann keine Rede von einem geringfügigen Verschulden des Beschuldigten sein, zumal dieser nicht einmal ansatzweise auf ein brauchbares Kontrollsystem hinweisen konnte. Ein Überwiegen der Milderungsgründe gegenüber den Erschwerungsgründen liegt nicht vor. Auch kann der Ansicht nicht gefolgt werden, daß wegen der Einstellung des Betriebes eine Wiederholungsgefahr nicht gegeben wäre. Der Berufungswerber könnte nämlich jederzeit in einer vergleichbaren Position, als verantwortlicher Beauftragter oder Bevollmächtigter eines anderen Betriebes neuerlich derartige Verwaltungsübertretungen begehen.

 

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände erweisen sich die von der Behörde erster Instanz verhängten geringen Strafen, die nur unter Ausnützung des untersten Bereiches des gesetzlichen Strafrahmens festgesetzt wurden, als keinesfalls überhöht. Diese Strafen berücksichtigen das Ausmaß der Überschreitungen der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit sowie jene Tage bzw. Wochen an denen diese bei den einzelnen Arbeitnehmern festgestellt wurden im wesentlichen angemessen. Bei der Überschreitung der täglichen Arbeitszeit des Arbeitnehmers W erweist sich in Anbetracht des langen Zeitraumes die von der Behörde erster Instanz verhängte Strafe sogar als sehr gering. Die Strafbemessung wurde von der Behörde erster Instanz somit in einem Ausmaß vorgenommen, das auch unter Berücksichtigung der vom Beschuldigten bei der öffentlichen mündlichen Verhandlung angegebenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen nicht als überhöht  kritisiert werden kann.

 

Die verhängten Strafen erweisen sich als notwendig, um den Beschuldigten von weiteren gleichartigen Übertretungen abzuhalten. Durch die Strafen soll auch bei anderen Arbeitgebern allgemein eine abhaltende Wirkung erzielt werden.

 

Die Spruchpunkte b und c des angefochtenen Straferkenntnisses waren somit sowohl hinsichtlich der Schuldsprüche als auch der verhängten Geldstrafen zu bestätigen.

 

Da die von der Behörde erster Instanz ausgesprochene Ersatzfreiheitsstrafe in einem Fall (Überschreitung der täglichen Arbeitszeit beim Arbeitnehmer W) in keiner ausgewogenen Relation zur verhängten Geldstrafe und zum Strafrahmen steht, war unter Berücksichtigung des §16 Abs2 VStG mit einer angemessenen Herabsetzung vorzugehen und diesbezüglich kein Kostenbeitrag für das Berufungsverfahren vorzuschreiben.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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