TE Vwgh Erkenntnis 2003/2/25 2002/11/0126

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Veröffentlicht am 25.02.2003
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §24 Abs1 Z1 idF 2002/I/032;
FSG-GV 1997 §1 Abs1 Z3;
FSG-GV 1997 §18 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des L in W, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 15. April 2002, Zl. MA 65 - 8/128/2002, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem rechtskräftigen (Vorstellungs-)Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 11. Juni 2001 wurde dem (im Jahr 1974 geborenen) Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 FSG die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Dauer von zehn Monaten (vom 11. Oktober 2000 bis 11. August 2001) entzogen. Mit weiteren rechtskräftigen Bescheiden der Bundespolizeidirektion Wien vom 11. Juni 2001 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 26 Abs. 8 FSG aufgetragen, sich einem allgemeinen Einstellungs- und Verhaltenstraining für alkoholauffällige Lenker und nach Vorlage einer verkehrspsychologischen Stellungnahme einer amtsärztlichen Untersuchung zur Feststellung seiner gesundheitlichen Eignung zu unterziehen. Diesen Bescheiden lag zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 11. Oktober 2000 dadurch, dass er einen Kombinationskraftwagen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Alkoholgehalt der Atemluft 1,02 mg/l) gelenkt hat, eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO 1960 begangen und dabei einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verschuldet hat.

Am 16. Oktober 2001 unterzog sich der Beschwerdeführer einer verkehrspsychologischen Untersuchung bei einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle. Die darüber erstattete Stellungnahme vom 23. Oktober 2001 enthält unter anderem folgende Ausführungen:

"Interpretation der Befunde aus Anamnese, Exploration und Verhaltensbeobachtung

Da Deutsch nicht die Muttersprache des Untersuchten ist, konnten die sonst üblichen standardisierten Persönlichkeitsfragebogen nicht vorgegeben werden.

Aus der Exploration geht ein aktenkundiges Alkoholdelikt mit sehr hoher Alkoholisierung (1,02 mg/l) hervor. Trotz dieser hohen Alkoholisierung war der Untersuchte noch fähig ein Fahrzeug in Betrieb zu nehmen und 1-2 km zurückzulegen. Weiters berichtet er über keine Nachwirkungen des Alkohols am Folgetag. Dies deutet auf eine bereits erhöhte Alkoholgewöhnung hin. Bezüglich der früheren Trinkgewohnheiten zeichnen sich Beschönigungstendenzen ab, die für die Trinkmenge beim Delikt klar belegbar sind (5-6 Bier, 1,02 mg/l AAK). Problembewusstsein bezüglich des früheren Trinkmusters ist damit bisher höchstens ansatzweise erkennbar. Nunmehr gibt der Untersuchte eine Änderung im Alkoholkonsum seit dem Alkoholdelikt im Oktober 2000 an. Er berichtet dazu Reaktionen aus dem Freundes- und Verwandtenkreis sowie verbessertes Wohlbefinden. Allerdings ist die Abstinenz rein external motiviert (Angst vor neuerlichem LB-Entzug) und eine realistische und differenzierte Auseinandersetzung mit dem früheren Alkoholkonsum fehlt. Außerdem hat der Untersuchte erst im Juni die Alkoholabstinenz bei einer Feier wieder durchbrochen. Insgesamt ist damit die Änderung der Trinkgewohnheiten in Ausmaß und vor allem in ihrer Konsequenz zweifelhaft (vergl. zu all diesen Punkten die Angaben des Untersuchten in der Vorgeschichte).

Zusammenfassung der Befunde/Gutachten

Die kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen weisen Verlangsamungen in der visuellen Auffassung und dem Reaktionsverhalten in Einfachwahlsituationen auf.

Leistungsbeeinträchtigungen zeigen sich auch in der reaktiven Belastbarkeit und der Sensomotorik. Ein unauffälliges Ergebnis konnte lediglich in der Konzentrationsfähigkeit erzielt werden. Insgesamt ist damit die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit nicht im ausreichenden Maße gegeben. Die intellektuellen Voraussetzungen sind in einem Testverfahren zur formal-logischen Intelligenz unterdurchschnittlich ausgeprägt.

Im Persönlichkeitsbereich zeigt sich eine frühere Neigung zu Alkoholüberkonsum in sozialen Trinksituationen verbunden mit erhöhter Alkoholgewöhnung ab (vergl. S. 5). Es zeichnen sich auch Beschönigungstendenzen bezüglich des früheren Trinkmusters ab und insgesamt ist höchstens ansatzweise Problembewusstsein bezüglich der Alkoholkonsumgewohnheiten fassbar. Nunmehr gibt der Untersuchte zwar eine Änderung der Trinkgewohnheiten an, die allerdings rein external motiviert und insgesamt in Ausmaß und Konsequenz äußerst zweifelhaft ist. In diese Richtung weisen auch die altersuntypischen Leistungsbeeinträchtigungen. Eine stabile und langfristig tragfähige Änderung der Trinkgewohnheiten zeichnet sich damit bisher nicht ab.

Daraus ergeben sich aus verkehrspsychologischer Sicht gravierende Risikofaktoren für die künftige Verkehrsteilnahme des Untersuchten: durch die erhöhte Alkoholgewöhnung fehlen körperliche Warnsignale beim Überschreiten der geltenden Promillegrenze, die damit in vielen Trinksituationen leichter übersehen wird. Weiters ist der Untersuchte durch die Alkoholgewöhnung auch bei höherer Alkoholisierung noch ausreichend handlungsfähig, um ein Fahrzeug in Betrieb zu nehmen, kann aber durch die gleichzeitig reduzierte Selbstkontrolle die im nüchternen Zustand gefassten Vorsätze zur Trennung von Trinken und Fahren nicht mehr zuverlässig umsetzen. Damit ist die Gefahr einer neuerlichen alkoholisierten Verkehrsteilnahme stark erhöht.

Insgesamt war der Untersuchte somit bisher nicht im ausreichenden Maße bereit, sich mit dem Vorfall in der Vorgeschichte selbstkritisch und problembewusst auseinander zu setzen, um dadurch seine Einstellungen und sein Verhalten entscheidend zu ändern und damit weitere Delikte im Straßenverkehr mit der nötigen Sicherheit auszuschließen. Dementsprechend ist die nötige Bereitschaft zur Verkehrsanpassung derzeit nicht gegeben.

In Anbetracht der Gesamtbefundlage ist damit Herr. J.L. vom Standpunkt verkehrspsychologischer Begutachtung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B

derzeit nicht geeignet.

Bem.: Zur entscheidenden Verbesserung seiner Eignungsvoraussetzungen wird dem Untersuchten der völlige Verzicht auf Alkoholkonsum dringend empfohlen. Dem gesetzlich vorgeschriebenen DI-Kurs für alkoholauffällige Kraftfahrer kommt dabei eine wichtige Bedeutung in der realistischen Auseinandersetzung mit den Trinkgewohnheiten zu. Unter diesen Voraussetzungen könnte kurz vor Ablauf der 18-Monate-Frist eine verkehrspsychologische Kontrolluntersuchung Auskunft über geänderte Eignungsvoraussetzungen geben."

In der Zeit vom 8. November 2001 bis 29. November 2001 unterzog sich der Beschwerdeführer bei einer dazu ermächtigten Stelle dem "Driver Improvement Kurs gemäß § 24 FSG". Die darüber ausgestellte Bestätigung vom 29. November 2001 langte am 6. Dezember 2001 bei der Erstbehörde ein.

Im amtsärztlichen Gutachten vom 10. Dezember 2001 wird der Beschwerdeführer als zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 "nicht geeignet für 6 Monate" bezeichnet. Die handschriftliche Begründung besteht aus dem Vermerk "dzt. mangelnde Verkehrsanpassungsbereitschaft (siehe verkehrspsych. Stellungnahme)".

Mit Bescheid vom 13. Dezember 2001 entzog die Erstbehörde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 und § 25 Abs. 2 FSG die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung. In der Begründung dieses Bescheides wird auf das amtsärztliche Gutachten vom 10. Dezember 2001 hingewiesen, das - gestützt auf die verkehrspsychologische Stellungnahme - feststelle, dass der Beschwerdeführer derzeit aus gesundheitlichen Gründen (wegen mangelnder Verkehrsanpassungsbereitschaft) zum Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht geeignet sei.

Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid vom 13. Dezember 2001. In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde aus, dem in der Berufung gestellten Antrag auf Wiederholung der verkehrspsychologischen Untersuchung unter Beiziehung einer der deutschen Sprache mächtigen Person sei entgegen zu halten, dass allgemein jeder Untersuchung auf Testgeräten eine Instruktions- und Probephase vorangehe und mit der eigentlichen Untersuchung erst dann begonnen werde, wenn sicher anzunehmen sei, der Kandidat habe die Testanordnung und Bedienung verstanden. Überdies sei im konkreten Testfall dem Beschwerdeführer eine psychologischtechnische Assistentin während des Tests für Rückfragen zur Verfügung gestanden. Laut Befund des Kuratoriums für Verkehrssicherheit sei ohnehin die gesamte Untersuchung mit Hilfe einer sprachkundigen Person durchgeführt worden. Damit sei gewährleistet, dass nur solche Personen in den Wertungsdurchgang kämen, die die Aufgabenstellung richtig verstanden und auch genügend Zeit gehabt hätten, die Aufgabenstellung anhand von Probebeispielen ausreichend zu üben. Da bei dieser Testanordnung lediglich die Reaktions- und Konzentrationsleistung des Beschwerdeführers überprüft worden sei, habe es dabei keiner besonderen Sprachkenntnisse bedurft, weshalb das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers ins Leere gehe und das ungünstige Ergebnis in diesen sprachfreien Untersuchungen nicht mit mangelhaften oder überhaupt fehlenden Sprachkenntnissen zu erklären sei. Befund und Gutachten seien schlüssig und daher der Entscheidung zu Grunde zu legen gewesen, zumal der Beschwerdeführer dem Gutachten nicht mit einem auf gleicher wissenschaftlicher Ebene stehenden Gegengutachten entgegen getreten sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des FSG (in der Fassung BGBl. I Nr. 32/2002) lauten (auszugsweise):

"§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein und ist von einem im örtlichen Wirkungsbereich der Behörde, die das Verfahren zur Erteilung der Lenkberechtigung durchführt, in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt für Allgemeinmedizin zu erstellen.

(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. ... .

...

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.

die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.

die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Bedingungen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. ... .

(2) Die Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann auch nur hinsichtlich bestimmter Klassen ausgesprochen werden, wenn der Grund für die Entziehung oder Einschränkung nur mit der Eigenart des Lenkens dieser bestimmten Klasse zusammen hängt. ... .

...

(4) Vor der Entziehung oder Einschränkung der Gültigkeit der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8, vor der Entziehung wegen mangelnder fachlicher Befähigung ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen.

..."

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der Führerschein-Gesundheitsverordnung (FSG-GV) lauten (auszugsweise):

"Begriffsbestimmungen

§ 1. (1) Im Sinne dieser Verordnung bedeutet:

...

3. verkehrspsychologische Untersuchung eines Bewerbers um eine Lenkberechtigung oder eines Führerscheinbesitzers: diese besteht aus

a) der Prüfung seiner kraftfahrspezifischen verkehrspsychologischen Leistungsfähigkeit und

b) der Untersuchung seiner Bereitschaft zur Verkehrsanpassung

...

§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

...

4. aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische psychophysische Leistungsfähigkeit verfügt.

Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erfüllen. ... .

Verkehrspsychologische Untersuchung

§ 18. (1) Die Überprüfung der einzelnen Merkmale ist nach dem jeweiligen Stand der verkehrspsychologischen Wissenschaft mit entsprechenden Verfahren vorzunehmen. Die Relevanz dieser Verfahren für das Verkehrsverhalten muss durch Validierungsstudien wissenschaftlich nachgewiesen werden.

(2) Für die Überprüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit sind insbesondere folgende Fähigkeiten zu überprüfen:

1.

Beobachtungsfähigkeit sowie Überblicksgewinnung,

2.

Reaktionsverhalten, insbesondere die Geschwindigkeit und Sicherheit der Entscheidung und Reaktion sowie die Belastbarkeit des Reaktionsverhaltens,

3.

Konzentrationsvermögen,

4.

Sensomotorik und

5.

Intelligenz und Erinnerungsvermögen.

(3) Für die Erfassung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung ist insbesondere das soziale Verantwortungsbewusstsein, die Selbstkontrolle, die psychische Stabilität und die Risikobereitschaft des zu Untersuchenden zu untersuchen sowie zu prüfen, ob eine Tendenz zu aggressiver Interaktion im Straßenverkehr besteht und ob sein Bezug zum Autofahren kritisch von der Norm abweicht. Zur Überprüfung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung ist neben einem verkehrsbezogenen Persönlichkeitstest auch ein ausführliches Explorationsgespräch durchzuführen. Dieses darf nur von einem gemäß § 20 für Verkehrspsychologie qualifizierten Psychologen geführt werden oder, unter seiner Verantwortung und in seinem Beisein, von einem in Ausbildung zum Verkehrspsychologen befindlichen Psychologen.

..."

Das vorliegende amtsärztliche Gutachten vom 10. Dezember 2001 verneint die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließlich wegen des Mangels der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung, nicht aber wegen des Fehlens der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit. Die Erstbehörde hat ihren Bescheid vom 13. Dezember 2001 ausdrücklich darauf gestützt, der Beschwerdeführer sei wegen mangelnder Verkehrsanpassungsbereitschaft gesundheitlich nicht geeignet. Die belangte Behörde hat kein weiteres amtsärztliches Gutachten eingeholt und trifft auch keine Feststellungen betreffend die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, sie stütze ihren Bescheid auf das Fehlen der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit. Ihre Ausführungen betreffend die Unterweisung von Testpersonen vor dem "Wertungsdurchgang" und die Unerheblichkeit von Sprachproblemen für die Tests betreffend die Reaktions- und Konzentrationsleistung stellen demnach keine tragende Begründung des angefochtenen Bescheides dar. Im Hinblick darauf, dass die Entziehung der Lenkberechtigung nur auf den Mangel der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung gestützt wird, kann es auf sich beruhen, ob die Ergebnisse der Tests betreffend die für die Beurteilung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit maßgebenden Fähigkeiten und die verbale Interpretation dieser Testergebnisse (in der unter anderem von "verlangsamtem Arbeitstempo", vermehrten Reaktionsauslassungen, zum Teil auch von Fehlerlosigkeit und normgerechtem Ergebnis die Rede ist) eine taugliche Grundlage für die in der "Zusammenfassung der Befunde/Gutachten" in der Stellungnahme geäußerte Auffassung, die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit sei nicht in ausreichendem Maße gegeben, bilden können, wenn nicht gleichzeitig angegeben und begründet wird, wann das "ausreichende Maß" gegeben sein soll (vgl. zum Erfordernis der Angabe der nach dem Erkenntnisstand der Verkehrspsychologie maßgebenden Grenzwerte unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 5. August 1997, Zl. 95/11/0123, vom 21. April 1998, Zl. 96/11/0190, vom 20. März 2001, Zl. 99/11/0101, und vom 28. Mai 2002, Zl. 2002/11/0061).

Dem angefochtenen Bescheid liegt erkennbar die Auffassung zu Grunde, das amtsärztliche Gutachten vom 10. Dezember 2001, das ohne eigene Begründung auf die verkehrspsychologische Stellungnahme verweist, bilde eine ausreichende Grundlage für die Verneinung der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers wegen des Mangels der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden, weil die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende verkehrspsychologische Stellungnahme auf einer unvollständigen Untersuchung beruht und keine schlüssige Begründung enthält. In der Stellungnahme wird festgehalten, dass die sonst üblichen standardisierten Persönlichkeitstests nicht durchgeführt worden seien, weil Deutsch nicht die Muttersprache des Beschwerdeführers sei. Damit fehlt eine wesentliche - in § 18 Abs. 3 FSG-GV zwingend vorgeschriebene - Grundlage für die Beurteilung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung. Die verkehrspsychologische Stellungnahme sowie das darauf beruhende amtsärztliche Gutachten und damit die Begründung des angefochtenen Bescheides sind daher schon aus diesem Grunde mangelhaft. Die aus dem Verhalten des Beschwerdeführers und dem mit ihm geführten Gespräch gezogenen Schlüsse sind zudem nicht überzeugend. In diesem Zusammenhang ist zunächst festzuhalten, dass der angefochtene Bescheid nicht auf Alkoholabhängigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 Z. 4 FSG-GV gestützt wird. Auch der Verdacht der Alkoholabhängigkeit im Sinne des § 14 Abs. 1 FSG-GV wird vom Amtsarzt und der belangten Behörde nicht geäußert. Für die Beurteilung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung im Zusammenhang mit Alkohol kommt es nicht darauf an, ob der Betreffende Alkohol konsumiert oder völlig abstinent ist. Die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung kann im gegebenen Zusammenhang nur dann verneint werden, wenn die Ergebnisse der verkehrspsychologischen Untersuchung darauf schließen lassen, der Betreffende sei nicht Willens oder nicht in der Lage, sein Verhalten in Bezug auf Alkoholkonsum an die Erfordernisse des Straßenverkehrs anzupassen, m. a.W. es sei konkret zu befürchten, dass er im durch Alkohol beeinträchtigten Zustand als Lenker eines Kraftfahrzeuges am Straßenverkehr teilnehmen werde (siehe dazu unter anderem das hg. Erkenntnis vom 27. November 2001, Zl. 2001/11/0266). Dass eine neuerliche Verfehlung nicht "mit der nötigen Sicherheit" ausgeschlossen werden kann, bedeutet noch nicht, dass dem Betreffenden die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung fehlt. Ein solcher Ausschluss wird zudem wohl nur in den seltensten Fällen möglich sein. Ob das zu erwartende Verhalten des Betreffenden "external motiviert" ist, spielt keine Rolle. Im vorliegenden Fall ist zudem zu berücksichtigen, dass die verkehrspsychologische Stellungnahme abschließend zutreffend darauf hinweist, dass dem Einstellungs- und Verhaltenstraining für alkoholauffällige Kraftfahrer eine wichtige Bedeutung für die realistische Auseinandersetzung mit Trinkgewohnheiten zukomme. Die verkehrspsychologische Stellungnahme wurde allerdings vor der Absolvierung dieses Einstellungs- und Verhaltenstrainings erstattet, sodass die Auswirkungen dieser vom Gesetzgeber in § 26 Abs. 8 FSG zwingend vorgesehenen Maßnahme auf die Bereitschaft des Beschwerdeführers zur Verkehrsanpassung gar nicht berücksichtigt werden konnten. Das amtsärztliche Gutachten und der angefochtene Bescheid übergehen diesen Umstand mit Stillschweigen.

Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 25. Februar 2003

Schlagworte

Begründung Begründungsmangel Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002110126.X00

Im RIS seit

05.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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