TE Vwgh Erkenntnis 2001/11/27 2001/11/0266

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Veröffentlicht am 27.11.2001
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Index

90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §7 Abs1;
FSG-GV 1997 §1 Abs1 Z3;
FSG-GV 1997 §17 Abs1;
FSG-GV 1997 §2 Abs2;
FSG-GV 1997 §3 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des K in S, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 26. Juli 2001, Zl. 20504- 14/1700/9-2001, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Wegen einer am 4. August 2000 begangenen Übertretung gemäß § 5 Abs. 1 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 (Alkoholgehalt der Atemluft 0,93 mg/l) wurde dem Beschwerdeführer mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 16. August 2000 gemäß § 26 Abs. 2 und 8 Führerscheingesetz - FSG die Lenkberechtigung für die Klasse B für einen Zeitraum von vier Monaten, gerechnet ab 4. August 2000, entzogen. Weiters wurde ihm die Absolvierung einer Nachschulung und die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung aufgetragen.

Mit Bescheid vom 27. Oktober 2000 entzog die Bundespolizeidirektion Salzburg dem Beschwerdeführer gemäß § 8 und § 24 Abs. 1 Z. 1 FSG die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung.

Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung holte die belangte Behörde ein Gutachten ihres amtsärztlichen Sachverständigen ein. Dem Gutachten liegt u.a. die am 16. Februar 2001 bei der belangten Behörde eingelangte verkehrspsychologische Stellungnahme der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle I. betreffend eine am 8. Februar 2001 durchgeführte Untersuchung des Beschwerdeführers zu Grunde. In dieser Stellungnahme wird zusammenfassend Folgendes ausgeführt:

"Herr K., geboren am 17.06.1972, bot den Befund einer verkehrsspezifisch ausreichenden Intelligenzleistung.

Bei der kraftfahrspezifischen Leistungsprüfung zeigt er insgesamt eine knapp ausreichende Leistungsfähigkeit. Mängel zeigte er im Bereich der visuomotorischen Koordination, der Reaktionssicherheit und der konzentrativen Belastbarkeit.

Die Persönlichkeitsuntersuchung ergab laut Selbstbeschreibung den Befund einer derzeit lebenszufriedenen, wenig leistungsorientierten, ruhigen, wenig aggressiven, an Umgangsnormen orientierten und zurückhaltenden Persönlichkeit.

Bei einem verkehrsspezifischen Persönlichkeitstest zeigte er geringe Anzeichen einer erhöhten Risikobereitschaft.

Regelmäßiger verstärkter Alkoholkonsum ist derzeit nicht auszuschließen. Lt. WHO-Richtlinien hat der Alkoholkonsum des Probanden ein Ausmaß erreicht, das bereits gesundheitsschädlich sein könnte, weshalb die uf. SV auf alle Fälle die Einhaltung einer Alkoholabstinenz im Ausmaß von mind. einem halben Jahr empfiehlt. Nach Einhaltung der Alkoholkarenz ist auch eine Leistungsverbesserung zu erwarten.

Herr K. zeigt vorwiegend Züge eines 'social drinkers'. Ein solcher Trinkertypus sucht den Alkoholkonsum im sozialen Rahmen. Der Genuss von Alkohol wirkt für ihn stimmungshebend, enthemmend und auflockernd.

Herr K. hat an der Nachschulung aktiv teilgenommen, sein Alkoholdelikt selbstkritisch hinterfragt und ein Problembewusstsein bezüglich 'drink and drive' entwickelt. Damit ist vorerst die Rückfallgefahr minimiert. Die Nachschulung alleine ist jedoch unzureichend.

Aus verkehrspsychologischer Sicht ist Herr K. derzeit nicht geeignet, Kraftfahrzeuge zu lenken.

Voraussetzung für die Wiedererteilung der Lenkerberechtigung ist:

Einhaltung einer Alkoholabstinenz unter ärztlicher Begleitung.

Abermalige KFZ-spezifische Leistungsüberprüfung nach Einhaltung der Alkoholabstinenz (Wiederholung frühestens in einem 1/2 Jahr).

Empfohlen wird:

Psychotherapeutische Maßnahmen, z.B. an einer Alkoholberatungsstelle.

Besuch einer Selbsthilfegruppe."

Der ärztliche Amtssachverständige der belangten Behörde berücksichtigte in seinem Gutachten vom 3. Mai 2001 auch die am 13. Dezember 2000 beim Beschwerdeführer untersuchten Leberwerte, die sich durchwegs im Normbereich befanden, und führte zusammenfassend Folgendes aus:

"GUTACHTEN:

Nach eingehender amtsärztlicher Untersuchung sowie Berücksichtigung der aktuellen Laborwerte und der verkehrspsychologischen Stellungnahme der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle I. kann Folgendes festgestellt werden:

Herr K. befindet sich bis auf einen leicht erhöhten Blutdruck in einem, für sein Alter entsprechenden körperlichen Gesundheitszustand. Eine kraftfahrspezifische Leistungsprüfung zeigte insgesamt eine knapp ausreichende Leistungsfähigkeit. Mängel zeigten sich im Bereich der visuomotorischen Koordination, der Reaktionssicherheit und der konzentrative Belastbarkeit. Ein verkehrsspezifischer Persönlichkeitstest zeigte geringe Anzeichen einer erhöhten Risikobereitschaft. Verstärkter Alkoholkonsum ist nach Ansicht der Verkehrspsychologin nicht auszuschließen. Durch die Teilnahme am Nachschulungskurs für alkoholauffällige Kraftfahrer wurde die Rückfallgefahr minimiert, jedoch ist die Nachschulung alleine unzureichend. Es ist daher derzeit noch mit einer erhöhten Gefahr von Alkoholfahrten zu rechnen. Aus diesem Grunde ist Herr K. derzeit nicht geeignet, Kraftfahrzeuge zu lenken."

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 27. Oktober 2000 mit der Maßgabe keine Folge, dass die Entziehung mit Wirkung ab 4. Dezember 2000 ausgesprochen werde.

Sie stützt sich in der Begründung dieses Bescheides im Wesentlichen auf das Gutachten ihres ärztlichen Amtssachverständigen vom 3. Mai 2000 und führt aus, aus dem Gutachten ergebe sich in schlüssiger Weise, dass beim Beschwerdeführer insbesondere deshalb die gesundheitliche Eignung nicht gegeben sei, weil er im kraftfahrspezifischen Bereich nur knapp ausreichende Ergebnisse erzielt habe, weiterhin ein Alkoholkonsum nicht ausgeschlossen werden könne, wobei ein wirklicher Verzicht auf Alkohol auch die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit bessern könne. Die bisherigen Maßnahmen reichten daher nicht aus, zu einer nachhaltigen Einstellungsänderung zu führen, sodass noch mit einer erhöhten Gefahr von Alkoholfahrten zu rechnen sei. Der in der Stellungnahme vom 7. Juni 2001 vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung, die verkehrspsychologische Stellungnahme sei unschlüssig, sei entgegenzuhalten, dass aus der Anamnese deutlich werde, warum die Verkehrspsychologin die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich des Alkoholkonsums für nicht zutreffend halte, obwohl gerade diese Karenz für eine Besserung der kraftfahrspezifischen Leistungsbereiche unabdingbar wäre. Die von der Verkehrspsychologin vorgeschlagene Alkoholabstinenz unter ärztlicher Begleitung erscheine unabdingbar, um die kraftfahrspezifische Leistung zu verbessern und die diagnostizierte Gefahr von Alkoholfahrten für die Zukunft auszuschließen. Der Wirksamkeitsbeginn der Entziehung sei zu präzisieren gewesen, weil dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung bis 4. Dezember 2000 bereits mangels Verkehrszuverlässigkeit entzogen worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Für den Beschwerdefall sind die folgenden Bestimmungen der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung - FSG-GV von Bedeutung:

"Allgemeine Bestimmungen über die

gesundheitliche Eignung zum Lenken von

Kraftfahrzeugen

§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

1.

die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,

2.

die nötige Körpergröße besitzt,

3.

ausreichend frei von Behinderungen ist und

4.

aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische psychophysische Leistungsfähigkeit verfügt.

Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erfüllen. Um die gesundheitliche Eignung nachzuweisen, ist der Behörde ein ärztliches Gutachten gemäß § 8 Abs. 1 oder 2 FSG vorzulegen.

...

Gesundheit

§ 5. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen hinreichend gesund gilt eine Person, bei der keine der folgenden Krankheiten festgestellt wurde:

...

4. schwere psychische Erkrankungen gemäß § 13 sowie:

a)

Alkoholabhängigkeit oder

b)

andere Abhängigkeiten, die das sichere Beherrschen des Kraftfahrzeuges und das Einhalten der für das Lenken des Kraftfahrzeuges geltenden Vorschriften beeinträchtigen könnten,

...

(2) Wenn sich aus der Vorgeschichte oder bei der Untersuchung zur Feststellung der Gesundheit gemäß Abs. 1 Z. 1 ein krankhafter Zustand ergibt, der die Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges einschränken oder ausschließen würde, ist gegebenenfalls eine fachärztliche Stellungnahme einzuholen; bei Erkrankungen gemäß Abs. 1 Z. 2, 3 und 4 ist eine entsprechende fachärztliche Stellungnahme einzuholen, die die kraftfahrspezifischen psychophysischen Leistungsfunktionen mitzubeurteilen hat. Bei Erkrankungen gemäß Abs. 1 Z. 4 lit. a und b ist zusätzlich eine verkehrspsychologische Stellungnahme einzuholen."

Mangels konkreter Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides ist nicht eindeutig erkennbar, auf welche Verordnungsstelle die belangte Behörde ihre Auffassung, dem Beschwerdeführer fehle die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen, gestützt hat. Von einer Krankheit im Sinne des § 5 FSG-GV ist im Gutachten keine Rede, weshalb § 5 Abs. 1 Z. 4 lit. a FSG-GV als Grundlage für die Annahme des Mangels der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausscheidet, abgesehen davon, dass die festgestellten Leberwerte beim Beschwerdeführer im Normbereich lagen und die in diesem Zusammenhang erforderliche fachärztliche Stellungnahme gemäß § 5 Abs. 2 FSG-GV nicht eingeholt wurde.

Die (wenn auch nur knapp) ausreichenden Ergebnisse im Bereich der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit stellen keinen Grund dar, die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen zu verneinen. Aus der im amtsärztlichen Sachverständigengutachten und im angefochtenen Bescheid genannten "erhöhten Gefahr von Alkoholfahrten" wird nicht auf den Mangel der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers gemäß § 7 Abs. 1 FSG sondern auf den Mangel der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers geschlossen. Die belangte Behörde geht damit offenbar - ohne dies auszusprechen - davon aus, dem Beschwerdeführer fehle es insoweit an der nötigen Bereitschaft zur Verkehrsanpassung gemäß § 3 Abs. 1 Z. 4 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Z. 3, § 2 Abs. 2 und § 17 Abs. 1 FSG-GV. Für diese Annahme fehlt es aber an ausreichenden Ermittlungsergebnissen und einer schlüssigen Begründung. Der Beschwerdeführer hat nach der Aktenlage nur ein Alkoholdelikt, nämlich jenes vom 4. August 2000, begangen. Er hat danach an einer Nachschulung teilgenommen und nach dem Inhalt der verkehrspsychologischen Stellungnahme sein Alkoholdelikt selbstkritisch hinterfragt und ein Problembewusstsein bezüglich "drink and drive" entwickelt. Damit sei die Rückfallgefahr vorerst minimiert. Aus der in der verkehrspsychologischen Stellungnahme enthaltenen Äußerung, dass regelmäßiger verstärkter Alkoholkonsum "derzeit nicht auszuschließen" sei, ist im gegebenen Zusammenhang nichts zu gewinnen, weil es für die Annahme des Mangels der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung nicht darauf ankommt, ob Alkoholkonsum (ohne Bezug auf das Lenken von Kraftfahrzeugen) nicht ausgeschlossen werden kann, sondern ob die Ergebnisse der verkehrspsychologischen Untersuchung darauf schließen lassen, der Betreffende sei nicht willens oder nicht in der Lage, sein Verhalten in Bezug auf Alkoholkonsum an die Erfordernisse des Straßenverkehrs anzupassen, m. a.W. es sei konkret zu befürchten, dass er im durch Alkohol beeinträchtigten Zustand als Lenker eines Kraftfahrzeuges am Straßenverkehr teilnehmen werde. Ausführungen in dieser Richtung enthält die verkehrspsychologische Stellungnahme nicht. Es ist daher auch nicht nachvollziehbar, wie der amtsärztliche Sachverständige der belangten Behörde, der sich im Wesentlichen auf die verkehrspsychologische Stellungnahme stützt, zu dem Ergebnis gelangt ist, es sei derzeit "noch mit einer verstärkten Gefahr von Alkoholfahrten zu rechnen".

Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. November 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001110266.X00

Im RIS seit

04.03.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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