TE Vwgh Erkenntnis 2003/2/27 2001/09/0226

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Veröffentlicht am 27.02.2003
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BDG 1979 §112 Abs1 impl;
BDG 1979 §112 Abs2 impl;
BDG 1979 §112 Abs3;
BDG 1979 §112 Abs4;
BDG 1979 §112 Abs5;
BDG 1979 §123 Abs2 impl;
VwGG §33 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hanslik, über die Beschwerde des R in Z, vertreten durch Dr. Hermann Rieder, Rechtsanwalt in 6010 Innsbruck, Stiftgasse 23, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport vom 14. Februar 2001, GZ. 5/7-DOK/01, betreffend Suspendierung vom Dienst gemäß § 112 Abs. 3 BDG 1979, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Oberst in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er war bis zu seiner Suspendierung Leiter der Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos Tirol.

Mit Bescheid vom 13. Dezember 2000 sprach die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres - Senat 44 mit sofortiger Wirkung die Suspendierung des Beschwerdeführers vom Dienst gemäß § 112 Abs. 3 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) aus. Gleichzeitig wurde die "mit der Suspendierung zu verfügende Bezugskürzung gemäß § 112 Abs. 4 BDG 1979 von amtswegen auf zwei Drittel des Monatsbezuges - unter Ausschluss der Kinderzulage - für die Dauer der Suspendierung vermindert".

Nach der Begründung dieses Bescheides wurde dem Beschwerdeführer (im Verdachtsbereich) zur Last gelegt, er habe an einzelnen bestimmt bezeichneten Tagen die - grundsätzlich bewilligte - Nebenbeschäftigung als Sachverständiger bei der Abnahme von Fahrprüfungen während angeordneter Dienstzeiten durchgeführt, für solche Prüfungen in einzelnen bestimmt bezeichneten Fällen zuviel Prüfungsgebühr zum Nachteil des Landes Tirol verrechnet, für die An- und Abreise von den Prüfungsorten an bestimmt bezeichneten Tagen das Dienstkraftfahrzeug verwendet, trotz der Verwendung des Dienstkraftfahrzeuges die Kosten des öffentlichen Verkehrsmittels, an bestimmten Tagen zuviel Reisegebühren (Tagesgebühren) und an bestimmt bezeichneten Tagen sowohl gegenüber dem Bund als auch gegenüber dem Land Tirol (dieselben) Reisegebühren verrechnet, anlässlich des Begräbnisses seines Vaters mit dem Dienstkraftfahrzeug zumindest 292 km für Privatzwecke zurückgelegt, in zahlreichen Fällen bei der Erstellung der Dienstpläne, Führung des Formulars "Dienstplan", bei der Anordnung und Leistung von Überstunden, bei der Verfassung von Dienstberichten und -vorschreibungen nachlässig gehandelt, er sei bei Geltendmachung der Gefahrenzulage nachlässig bzw. entgegen den geltenden Bestimmungen vorgegangen, er habe Dienstplanüberprüfungen unterlassen, seine Dienststelle in Z im Widerspruch zu den Prinzipien der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit, und Zweckmäßigkeit geführt, Eintragungen in die Fahrtenbücher fehlerhaft durchgeführt, im Dienst Alkohol konsumiert, seine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit verletzt, Mitarbeitergespräche nicht vorgenommen und trotz vorläufiger Suspendierung seine Dienststelle ohne triftigen Grund betreten.

Mit Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres - Senat 44 vom selben Tag wurde das Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer eingeleitet und das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens gegen den Beschwerdeführer unterbrochen.

Gegen beide Bescheide erhob der Beschwerdeführer jeweils Berufung. Die Berufung gegen die Suspendierung war mit dem Antrag auf Aufhebung der mit der Suspendierung kraft Gesetzes eintretenden Bezugskürzung gemäß § 112 Abs. 4 BDG 1979 verbunden, weil der Lebensunterhalt der Familie des Beschwerdeführers infolge monatlicher Verbindlichkeiten in der Höhe von S 27.810,-- nicht mehr gewährleistet sei.

Mit Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 16. Mai 2001 wurde dieser Antrag abgewiesen, der hiergegen erhobenen Berufung mit Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport vom 29. August 2001 keine Folge gegeben.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 14. Februar 2001 gab die belangte Behörde der gegen die Suspendierung und Bezugskürzung gerichteten Berufung des Beschwerdeführers "keine Folge". Lediglich in der Begründung wurde ausgeführt, dass hinsichtlich des Antrages auf Aufhebung der Bezugskürzung die "Erstinstanz" zu entscheiden haben werde.

Mit Bescheid vom 3. April 2001 gab die Berufungskommission der gegen die Einleitung und Unterbrechung des Disziplinarverfahrens gerichteten Berufung des Beschwerdeführers keine Folge.

Gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 14. Februar 2001, der inhaltlich betrachtet nur über die Rechtmäßigkeit der Suspendierung abspricht, richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, welche zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtet war, der sie jedoch nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 25. September 2001, B 670/01-3, an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abtrat.

Der an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Teil der Beschwerdeausführungen richtet sich inhaltlich lediglich gegen die Suspendierung. Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, der gesamte Anzeigeninhalt fuße auf reiner Spekulation und vorweggenommener Beweiswürdigung, er sei zu den einzelnen Fakten nie gehört worden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte unter Hinweis auf die Begründung des angefochtenen Bescheides die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Zuge des Vorverfahrens legte die belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, aus denen sich ergibt, dass nach Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits mit Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres - Senat 44, basierend auf dem Beschluss vom 27. Juni 2001 (Datum der Ausfertigung mit "23. Juli 1998" offenbar unrichtig) die mit Bescheid vom 13. Dezember 2000 ausgesprochene Suspendierung mit gleichzeitiger Kürzung des Monatsgehaltes (unter Ausschluss der Kinderzulage) im Wesentlichen im Hinblick auf die mit Schreiben der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 7. Juni 2001 erfolgte Mitteilung, dass die Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer gemäß § 90 StPO zurückgelegt worden sei, mit sofortiger Wirkung aufgehoben wurde; dieser Bescheid wurde sowohl dem Beschwerdeführer als auch dessen Rechtsvertreter am 29. Juni 2001 zugestellt.

Über Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Dezember 2002 erklärte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2002 nicht klaglos gestellt worden zu sein, da zwar die Suspendierung aufgehoben worden sei, jedoch die seinerzeit verfügte Bezugskürzung noch immer nachteilige Folgen habe.

Dem ist beizupflichten, weil die mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte Suspendierung jedenfalls erst mit der Zustellung des Bescheides der belangten Behörde am 29. Juni 2001 endete. Sie war für ihre Dauer mit der kraft Gesetzes vorgesehenen Kürzung des Monatsbezuges auf zwei Drittel verbunden. Im Falle ihrer Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass im fortgesetzten Verfahren die Rechtmäßigkeit der Suspendierung entweder schon von Anfang an verneint oder nur bis zu einem vor der Aufhebung der Suspendierung liegenden Zeitpunkt bejaht würde. Eine solche Entscheidung würde sich aber unabhängig vom Ausgang des Disziplinarverfahrens notwendigerweise auf die Kürzung der Monatsbezüge auswirken, die (je nach Entscheidung über die Suspendierung) entweder gar nicht oder nur für einen (im Vergleich zu bisher) kürzeren Zeitraum eintreten würde. Wegen dieser nicht auszuschließenden möglichen Rechtsfolge, die von der Entscheidung über die vorliegende Beschwerde abhängt, ist diese trotz des in der Zwischenzeit erfolgten Wegfalls der Suspendierung nicht gegenstandslos geworden (vgl. dazu auch die dem vorliegenden Beschwerdefall ähnliche Fallkonstellation im hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 97/09/0275, die ebenfalls zu einer Sachentscheidung über die Suspendierung führte).

Zur Beschwerde selbst:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Suspendierung ihrem Wesen nach eine sichernde Maßnahme, die bei Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen im Verdachtsbereich zwingend zu treffen ist. Sie stellt keine endgültige Lösung dar. Es braucht daher nicht nachgewiesen zu werden, dass der Beamte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung tatsächlich begangen hat. Diese Aufgabe kommt vielmehr erst den Disziplinarbehörden im Disziplinarverfahren zu. Es genügt demnach, wenn gegen den Beschuldigten ein Verdacht besteht. Dies ist dann der Fall, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1989, Zl. 89/09/0082, vom 14. September 1988, Zl. 88/09/0046, vom 10. September 1989, Zl. 89/09/0075, vom 5. April 1990, Zl. 90/09/0008, vom 19. Oktober 1990, Zl. 90/09/0120, sowie zuletzt vom 23. Mai 2002, Zl. 2001/09/0238, mwN). Ein Verdacht kann immer nur aufgrund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen entstehen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1989, Zl. 89/09/0113, sowie vom 20. November 2001, Zl. 2000/09/0133). Die Berechtigung zur Verfügung der Suspendierung liegt allein in dem Bedürfnis, noch vor der Klärung der Frage des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung in der abschließenden Entscheidung über die angemessene Disziplinarstrafe des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende, vorübergehende Sicherungsmaßnahme zu treffen (so z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Jänner 1990, Zl. 89/09/0107, vom 25. April 1990, Zl. 89/09/0163, oder vom 7. Juli 1999, Zl. 97/09/0275). Die Suspendierung eines Beamten gehört demnach in die Reihe jener vorläufigen Maßnahmen, die in zahlreichen Verfahrensgesetzen vorgesehen sind, um einen Zustand vorübergehend zu ordnen, der endgültig erst aufgrund des in der Regel einen längeren Zeitraum beanspruchenden förmlichen Verfahrens geregelt wird, um dadurch Nachteile und Gefahren - insbesondere für das allgemeine Wohl - abzuwehren und zu verhindern (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 1990, Zl. 90/09/0112, oder vom 27. Oktober 1999, Zl. 97/09/0204).

Im Hinblick auf diese Funktion der Suspendierung können an die in der Begründung eines die Suspendierung verfügenden Bescheides darzulegenden Tatsachen, die den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung begründen, keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Ähnlich wie beim Einleitungsbeschluss (an den ebenfalls Rechtsfolgen geknüpft sind -

vgl. dazu z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. September 1987, Zl. 87/09/0066, vom 27. April 1989, Zl. 89/09/0014, oder vom 7. Juli 1999, Zl. 97/09/0181) muss das dem Beamten im Suspendierungsbescheid zur Last gelegte Verhalten, das im Verdachtsbereich als Dienstpflichtverletzung erachtet wurde, nur in groben Umrissen beschrieben werden (vgl. z.B. zum Einleitungsbeschluss die Erkenntnisse vom 15. Dezember 1989, Zl. 89/09/0113, sowie vom 18. Oktober 1990, Zl. 90/09/0130). Die einzelnen Fakten müssen nicht bestimmt, das heißt in den für eine Subsumtion relevanten Einzelheiten beschrieben werden. In der Begründung des Suspendierungsbescheides ist aber darzulegen, warum sich nach dem geschilderten Verhalten der Verdacht einer die Suspendierung rechtfertigenden Dienstpflichtverletzung ergibt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1992, Zl. 86/12/0187, oder vom 18. März 1998, Zl. 96/09/0006).

Diesen Anforderungen wird der angefochtene Bescheid hinreichend gerecht, zumal auch in der Beschwerde lediglich unscharf behauptet wird, die Anschuldigungen beruhten auf "Spekulationen". Konkrete Umstände, die Zweifel an der Nachvollziehbarkeit der Erwägungen der belangten Behörde aufkommen ließen, werden in der Beschwerde auch nicht benannt.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 27. Februar 2003

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelBesondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001090226.X00

Im RIS seit

05.05.2003

Zuletzt aktualisiert am

08.01.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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