TE Vwgh Erkenntnis 2003/7/25 2000/02/0270

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Veröffentlicht am 25.07.2003
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Index

L10016 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Steiermark;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12;
AlVG 1977 §7 Abs2;
GdO Stmk 1967 §14 Abs1;
GdO Stmk 1967 §18 Abs1;
GdO Stmk 1967 §44 Abs3;
GdO Stmk 1967 §85 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des JG in N, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in 8700 Leoben, Hauptplatz 12/II, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 8. September 2000, Zl. LGS600/ALV/1218/2000-Dr.So/Kö, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Am 29. Juli 2000 stellte der Beschwerdeführer bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice einen Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld.

Diesem Antrag wurde mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 22. August 2000 gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 iVm § 12 AlVG mangels Arbeitslosigkeit keine Folge gegeben. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aus seiner Tätigkeit als Gemeindekassier ein Einkommen beziehe, das die gesetzliche Geringfügigkeitsgrenze übersteige.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer aus, er sei Gemeindekassier der Gemeinde und erhalte eine Aufwandsentschädigung von monatlich S 6.684,-- brutto. Davon seien noch S 304,-- an Sozialversicherung und 10 % Parteisteuer in Abzug zu bringen, sodass sich ein monatlicher Nettobetrag von S 5.642,-- ergebe. Es seien auch noch die Repräsentationskosten, die ein politischer Funktionsträger zu tragen habe, in Abzug zu bringen, wie z.B. Fahrtkosten, Pokalspenden für diverse Sportveranstaltungen sowie Geldspenden für Wohltätigkeitsveranstaltungen und kulturelle Ereignisse, etc. Darüber hinaus erwüchsen ihm in dieser Funktion naturgemäß auch weitere Aufwendungen, die zwar steuerlich nicht anerkannt, jedoch ohne die Ausübung dieser Funktion nicht anfallen würden. In Summe ergebe sich somit einerseits eine Aufwandsentschädigung in einer Höhe, die deutlich unter der im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Geringfügigkeitsgrenze liege, andererseits stelle die Aufwandsentschädigung kein Einkommen zur Deckung des Lebensunterhaltes dar, sondern diene zur Entschädigung eines Aufwandes, der sich in Ausübung eines Ehrenamtes ergebe. Die in Diskussion stehenden Beträge stünden daher der Leistungsvoraussetzung nicht entgegen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 8. September 2000 gab die belangte Behörde der Berufung nicht statt und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In der Begründung führte sie aus, der Beschwerdeführer erhalte auf Grund der Funktion als Gemeindekassier in der Gemeinde unverzichtbare Bezüge nach dem Steiermärkischen Gemeinde-Bezügegesetz in Höhe von monatlich S 6.645,-- brutto. Der Beschwerdeführer erhalte weiters Sonderzahlungen (13. und 14. Monatsbezug) sowie die Vergütung der tatsächlich mit der Geschäftsführung verbundenen Barauslagen. Damit übe er als Kassier der Gemeinde eine Beschäftigung im Sinne des AlVG aus, die den für die Beurteilung der Arbeitslosigkeit geforderten Prüfungskriterien unterliege. Arbeitslosigkeit würde nur dann vorliegen, wenn aus einer Beschäftigung ein Einkommen erzielt werde, welches die Geringfügigkeitsgrenze von S 3.977,-- nicht überschreite. Es wären ferner die Bruttobezüge bei der Beurteilung der Arbeitslosigkeit zu Grunde zu legen und die vom Beschwerdeführer angeführten Ausgaben (Fahrtkosten, Pokalspenden, Geldspenden für Wohltätigkeitsveranstaltungen, etc.) bei der Berechnung seines Einkommens nicht in Abzug zu bringen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegenden Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 7 Abs. 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer

1.

der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht,

2.

die Anwartschaft erfüllt und

3.

die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.

Nach Abs. 2 leg. cit steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist.

Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG ist arbeitslos, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.

Nach Abs. 3 leg. cit. gilt als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 insbesondere nicht:

a)

wer in einem Dienstverhältnis steht;

b)

wer selbstständig erwerbstätig ist;

c)

.....

d)

wer, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb des Ehegatten, der Eltern oder Kinder tätig ist....

Gemäß § 14 Abs. 1 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967, LGBl. Nr. 115, idF LGBl. Nr. 82/1999, ist der Gemeindekassier eines der Organe der Gemeinde.

§ 18 Abs. 1 leg. cit. sieht vor, dass der Gemeindevorstand aus dem Bürgermeister, dem Vizebürgermeister und dem Gemeindekassier, in Gemeinden mit über 3.000 Einwohnern aus dem Bürgermeister, zwei Vizebürgermeistern, dem Gemeindekassier und einem weiteren Vorstandsmitglied und in Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern aus dem Bürgermeister, zwei Vizebürgermeistern, dem Gemeindekassier und drei weiteren Vorstandsmitgliedern besteht.

Gemäß § 44 Abs. 3 leg. cit. obliegt dem Gemeindekassier die Kassengebarung und die Rechnungsführung.

§ 85 Abs. 1 leg. cit. sieht vor, dass die Kassen und die Buchführung dem Gemeindekassier obliegen. Dieser hat zu entscheiden, ob er selbst dieses Amt ausübt oder ein Gemeindebediensteter zur Verfügung gestellt werden soll. Die für den Kassen- und den Buchhaltungsdienst mittels Dienstverfügung des Bürgermeisters und des Gemeindekassiers schriftlich ermächtigten Bediensteten sind Hilfsorgane des Bürgermeisters und des Gemeindekassiers. Sie können nur über deren Auftrag und unter deren Verantwortung tätig werden und dürfen keine Anordnungsbefugnisse ausüben.

Nach § 3 Abs. 1 Stmk. GBezG beginnt der Anspruch auf Bezüge mit dem Tag der Angelobung und endet mit dem Tag des Ausscheidens aus der Funktion.

Gemäß § 4 leg. cit. gebührt außer den Bezügen dem Organ der Gemeinde für jedes Kalendervierteljahr eine Sonderzahlung in der Höhe von einem Sechstel der Summe der Bezüge, die ihm nach diesem Landesgesetz für das betreffende Kalendervierteljahr tatsächlich zustehen (13. und 14. Monatsbezug).

Gemäß § 8 leg. cit. gebührt dem Gemeindekassier ein Bezug in der Höhe von 50 % des Bezuges des Bürgermeisters.

§ 9 leg. cit. sieht vor, dass dann, wenn ein Gemeindebediensteter für die Führung der Kassengeschäfte zur Verfügung steht, dem Gemeindekassier ein Bezug in der Höhe von 30 % des Bezuges des Bürgermeisters gebührt.

Nach § 18 Abs. 1 leg. cit. gebührt den Mitgliedern der Organe der Gemeinden, mit Ausnahme der Landeshauptstadt Graz, die Vergütung der tatsächlichen, mit der Geschäftsführung verbundenen Barauslagen.

Im § 24 leg. cit. ist festgelegt, dass die Organe der Gemeinden auf Geldleistungen nach diesem Landesgesetz nicht verzichten dürfen.

Der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, dass die Einordnung der Funktion eines Gemeindekassiers in einen Typus "Beschäftigungsverhältnis" gemäß § 12 AlVG nicht möglich sei.

Der Begriff des Erwerbseinkommens umfasst nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ohne Weiteres alle Einkünfte, die mit der Ausübung eines öffentlichen Mandates verbunden sind. Erwerbseinkommen im Sinne des § 12 AlVG sind im gegenständlichen Zusammenhang vielmehr nur dann gegeben, wenn die Bezüge eines öffentlichen Mandatars ein Ausmaß erreichen, welches zeigt, dass sie nicht nur den Zweck haben, mit der Ausübung des Mandates in der Regel verbundene Aufwendungen abzugelten, sondern auch z.B. einen angemessenen Beitrag zum Lebensunterhalt der betreffenden Person zu bilden (vgl. die Zusammenfassung und Bekräftigung der bisherigen Rechtsprechung im hg. Erkenntnis vom 9. August 2002, Zl. 2002/08/0048, welches ebenfalls zum Fall eines Gemeindekassiers im Sinne des Stmk. GBezG ergangen ist).

In der bisherigen Rechtsprechung zu Einkünften öffentlicher Mandatare im hier maßgeblichen Zusammenhang, an der weiterhin festzuhalten ist, wurden monatliche Einkünfte aus öffentlichen Mandaten in der Höhe von S 8.003,-- (hg. Erkenntnis vom 13. November 1990, Zl. 89/08/0229, Slg. Nr. 13.308/A), S 4.933,-- (hg. Erkenntnis vom 15. November 2000, Zl. 2000/08/0133), S 10.502,-- (hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2001, Zl. 2001/19/0048), S 4.076,-- (hg. Erkenntnis vom 5. Juni 2002, Zl. 2002/08/0044), S 6.077,-- (hg. Erkenntnis vom 5. Juni 2002, Zl. 2002/08/0015), S 4.530,-- (hg. Erkenntnis vom 5. Juni 2002, Zl. 2002/08/0012), S 5.823,-- (hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2002, Zl. 2002/08/0020), S 4.557,-- (hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2002, Zl. 2002/08/0063), S 11.444,-- (hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2002, Zl. 2002/08/0013) und S 7.900,-- (vgl. das schon erwähnte Erkenntnis vom 9. August 2002, Zl. 2002/08/0048), nicht als die Arbeitslosigkeit ausschließend angesehen. Anders war dies im hg. Erkenntnis vom 30. September 1994, Zl. 93/08/0125, Slg. Nr. 14.130/A, hinsichtlich der (damaligen) Bezüge einer Abgeordneten zum Nationalrat.

Die Bezüge des Beschwerdeführers für die Ausübung seiner Funktion als Gemeindekassier einer steiermärkischen Gemeinde in der Höhe von S 6.645,-- stehen somit der Annahme von Arbeitslosigkeit keinesfalls entgegen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, orientiert sich der Begriff der die Arbeitslosigkeit ausschließenden "Beschäftigung" im Verständnis des § 12 Abs. 1 AlVG auch an der Ausgestaltung der Tätigkeit, aus der das Einkommen erzielt wird (vgl. z.B. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2002, Zl. 2002/08/0063). Dazu ist festzuhalten, dass dem politischen Mandatar jedenfalls so viel Zeit bleiben muss, dass er verfügbar im Sinne des § 7 Abs. 2 AlVG ist (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 22. Dezember 1998, Zl. 97/08/0106, vom 29. März 2000, Zl. 98/08/0063 und vom 27. Juli 2001, Zl. 2000/08/0216). Diesbezügliche Ermittlungen hat die belangte Behörde, da sie die Rechtslage verkannt hat, unterlassen.

Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das Mehrbegehren betreffend den über den in dieser Verordnung geregelten hinausgehenden Schriftsatzaufwand und separate Zuerkennung der Umsatzsteuer war abzuweisen, weil im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur der gemäß der vorzitierten Verordnung gebührende pauschalierte Schriftsatzaufwand, in dem die Umsatzsteuer bereits enthalten ist, zuzuerkennen ist.

Wien, am 25. Juli 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000020270.X00

Im RIS seit

15.08.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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