TE Vwgh Erkenntnis 2002/8/9 2002/08/0048

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Veröffentlicht am 09.08.2002
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Index

L10016 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Steiermark;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12;
AlVG 1977 §7 Abs2;
ASVG §253b idF 1997/I/139;
ASVG §572 Abs8;
ASVG §91 idF 1997/I/139;
GdO Stmk 1967 §14 Abs1;
GdO Stmk 1967 §18 Abs1;
GdO Stmk 1967 §44 Abs3;
GdO Stmk 1967 §85 Abs1;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2002/08/0030 E 9. August 2002 2002/08/0105 E 13. August 2003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Ing. H in K, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwaltgesellschaft mbH in 8010 Graz, Schmiedgasse 31, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 14. März 2001, Zl. LGS600/ALV/1218/2001-Dr.Si/S, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 1. Februar 2001 stellte der Beschwerdeführer bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice einen Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld.

Diesem Antrag wurde mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 7. Februar 2001 gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 iVm § 12 AlVG mangels Arbeitslosigkeit keine Folge gegeben. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aus seiner Tätigkeit als Kassier ein Einkommen beziehe, das die gesetzliche Geringfügigkeitsgrenze übersteige.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer aus, er sei Gemeindekassier der Gemeinde K. Daher erhalte er nach dem Bezügegesetz ein Entgelt. Laut dem Bezügegesetz dürften Organe der Gemeinde auf Geldleistungen nicht verzichten. Damit bestehe für Gemeindemandatare auch keine Möglichkeit, mit der Gemeinde eine Entgeltreduzierung zu vereinbaren, um die Geringfügigkeitsgrenze von derzeit S 4.076,-- nicht zu überschreiten und in weiterer Folge einen Anspruch auf Arbeitslosengeld zu haben. Das Arbeitslosengeld würde nach überschlägiger Berechnung ca. S 15.000,-- betragen. Das Gemeindeentgelt betrage netto ca. S 5.000,--. Auf Grund des bekämpften Bescheides kämen ca. S 10.000,-- monatlich nicht zur Auszahlung. Außerdem seien nach mehr als 30-jähriger Arbeit auf Grund des entsprechenden Verdienstes beträchtliche Beträge in die Arbeitslosenversicherung bezahlt worden. Nach der Berechnung des erstinstanzlichen Bescheides werde auch das passive Wahlrecht beschränkt, weil ein Mandatar Gefahr laufe, im Falle von "Arbeitslosigkeit auf Grund des Bezügegesetzes kein Arbeitslosengeld zu erhalten" und "mit dem Entgelt der Gemeinde das Auslangen finden" zu müssen. Als Alternative käme die Zurücklegung des Mandates in Frage, was aber sicher nicht im Sinne des Gesetzgebers sei. Bei der derzeitigen Arbeitslage im Bauwesen müsse leider mit längerer Arbeitslosigkeit gerechnet werden. Dies würde bedeuten, dass "auf Dauer mit dem Entgelt der Gemeinde auch Zahlungsprobleme" für den Beschwerdeführer entstehen könnten, die mit dem vollen Arbeitslosengeld, worauf ein Anspruch von 40 Wochen bestünde, vermieden werden könnten. Hinzuweisen sei auch darauf, dass der Beschwerdeführer durch seine Arbeit ein entsprechend hohes Einkommen gehabt habe. Nach Auffassung des Beschwerdeführers müsste bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes nur jener Nettobetrag des Gemeindeentgeltes, welcher über der Geringfügigkeitsgrenze liege, vom berechneten Arbeitslosengeld in Abzug gebracht und der Restbetrag als Arbeitslosengeld ausbezahlt werden.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung nicht statt und bestätigte den angefochtenen Bescheid. In ihrer Begründung führte sie aus, der Beschwerdeführer erhalte auf Grund der Funktion als Gemeindekassier in der Gemeinde K. Bezüge nach dem Steiermärkischen Gemeindebezügegesetz in Höhe von monatlich S 7.900,--. Diese Bezüge seien unverzichtbar. Der Beschwerdeführer erhalte weiters Sonderzahlungen (13. und 14. Monatsbezug) sowie eine Vergütung der tatsächlich mit der Geschäftsführung verbundenen Barauslagen. Damit übe er als Kassier der Gemeinde K. eine Beschäftigung im Sinne des AlVG aus, die den für die Beurteilung der Arbeitslosigkeit geforderten Prüfungskriterien unterliege. Arbeitslosigkeit würde nur dann vorliegen, wenn aus einer Beschäftigung ein Einkommen erzielt werde, welches die Geringfügigkeitsgrenze von S 4.076,-- nicht überstiege. Es wären ferner nur die Bruttobezüge bei der Beurteilung der Arbeitslosigkeit zu Grunde zu legen, weshalb auch nicht ein die Geringfügigkeitsgrenze übersteigender Nettobetrag des Gemeindeentgeltes vom berechneten Arbeitslosengeld abzuziehen sei. Für die Gruppe der politischen Mandatare bestünden keine Sonderregelungen. Da somit das Einkommen aus der Funktion des Beschwerdeführers als Gemeindekassier über der Geringfügigkeitsgrenze von S 4.076,-- liege, gelte er im Sinne des AlVG nicht als arbeitslos. Sollte der Beschwerdeführer seine Tätigkeit als Gemeindekassier beenden, könnte er einen neuen Antrag auf Arbeitslosengeld stellen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Zur Gegenschrift der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer eine schriftliche Äußerung abgegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat dem Antrag des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld mangels Arbeitslosigkeit keine Folge gegeben. Die diesbezüglich maßgeblichen Bestimmungen des § 12 AlVG idF BGBl. I Nr. 142/2000 lauten:

"Arbeitslosigkeit

§ 12. (1) Arbeitslos ist, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.

...

(3) Als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 gilt insbesondere nicht:

a)

wer in einem Dienstverhältnis steht;

b)

wer selbständig erwerbstätig ist;

c)

wer ein Urlaubsentgelt nach dem Bauarbeiter-Urlaubsgesetz 1972, BGBl. Nr. 414, in der jeweils geltenden Fassung bezieht, in der Zeit, für die das Urlaubsentgelt gebührt;

              d)              wer, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb des Ehegatten, der Eltern oder Kinder tätig ist;

              e)              wer eine Freiheitsstrafe verbüßt oder auf behördliche Anordnung in anderer Weise angehalten wird;

              f)              wer in einer Schule oder einem geregelten Lehrgang - so als ordentlicher Hörer einer Hochschule, als Schüler einer Fachschule oder einer mittleren Lehranstalt - ausgebildet wird oder, ohne dass ein Dienstverhältnis vorliegt, sich einer praktischen Ausbildung unterzieht;

              g)              wer an mehr als 16 Tagen im Kalendermonat vorübergehend erwerbstätig ist oder aus vorübergehender Erwerbstätigkeit im Kalendermonat ein Nettoeinkommen (§ 21a Abs. 2) erzielt, welches den Höchstbetrag (das ist der mit der Anzahl der Tage im Kalendermonat vervielfachte des Arbeitslosengeldes höchstmögliche tägliche Grundbetrag zuzüglich der Hälfte des der Geringfügigkeitsgrenze für den Kalendermonat gemäß § 5 Abs. 2 ASVG entsprechenden Betrages, bei Anspruch auf Familienzuschläge überdies zuzüglich den mit der Anzahl der Tage im Kalendermonat vervielfachten Familienzuschlägen) übersteigt, für diesen Kalendermonat;

h)

ein Lehrbeauftragter in den Semester- und Sommerferien;

i)

wer beim selben Dienstgeber eine Beschäftigung aufnimmt, deren Entgelt die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, es sei denn, dass zwischen der vorhergehenden Beschäftigung und der neuen geringfügigen Beschäftigung ein Zeitraum von mindestens einem Monat gelegen ist.

...

(6) Als arbeitslos gilt jedoch,

a) wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielt, das die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, wobei bei einer Beschäftigung als Hausbesorger im Sinne des Hausbesorgergesetzes, BGBl. Nr. 16/1970, der Entgeltwert für die Dienstwohnung und der pauschalierte Ersatz für Materialkosten unberücksichtigt bleiben;

b) wer einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb auf eigene Rechnung und Gefahr führt, dessen Einheitswert 60 000 S nicht übersteigt;

c) wer auf andere Art selbständig erwerbstätig ist bzw. selbständig arbeitet und daraus ein Einkommen gemäß § 36a erzielt oder im Zeitraum der selbständigen Erwerbstätigkeit bzw. der selbständigen Arbeit einen Umsatz gemäß § 36b erzielt, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 vH des Umsatzes die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge übersteigt;

d) wer, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb des Ehegatten, der Eltern oder Kinder tätig ist, sofern das Entgelt aus dieser Tätigkeit, würde sie von einem Dienstnehmer ausgeübt, die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigen würde;

e) wer als geschäftsführender Gesellschafter aus dieser Tätigkeit ein Einkommen gemäß § 36a oder einen Umsatz gemäß § 36b erzielt, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 vH des auf Grund seiner Anteile aliquotierten Umsatzes der Gesellschaft die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge übersteigt."

Gemäß § 14 Abs. 1 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967, LGBl. Nr. 115, idF LGBl. Nr. 82/1999, ist der Gemeindekassier eines der Organe der Gemeinde. § 18 Abs. 1 leg. cit. sieht vor, dass der Gemeindevorstand aus dem Bürgermeister, dem Vizebürgermeister und dem Gemeindekassier, in Gemeinden mit über 3.000 Einwohnern aus dem Bürgermeister, zwei Vizebürgermeistern, dem Gemeindekassier und einem weiteren Vorstandsmitglied und in Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern aus dem Bürgermeister, zwei Vizebürgermeistern, dem Gemeindekassier und drei weiteren Vorstandsmitgliedern besteht.

Gemäß § 44 Abs. 3 leg. cit. obliegt dem Gemeindekassier die Kassengebarung und die Rechnungsführung.

§ 85 Abs. 1 leg. cit. sieht vor, dass die Kassen und die Buchführung dem Gemeindekassier obliegen. Dieser hat zu entscheiden, ob er selbst dieses Amt ausübt oder ein Gemeindebediensteter zur Verfügung gestellt werden soll. Die für den Kassen- und den Buchhaltungsdienst mittels Dienstverfügung des Bürgermeisters und des Gemeindekassiers schriftlich ermächtigten Bediensteten sind Hilfsorgane des Bürgermeisters und des Gemeindekassiers. Sie können nur über deren Auftrag und unter deren Verantwortung tätig werden und dürfen keine Anordnungsbefugnisse ausüben.

Gemäß § 8 des Steiermärkischen Gemeinde-Bezügegesetzes, LGBl. Nr. 72/1997, idF LGBl. Nr. 13/1999, gebührt dem Gemeindekassier ein Bezug in der Höhe von 50 % des Bezuges des Bürgermeisters. § 9 leg. cit. sieht vor, dass dann, wenn ein Gemeindebediensteter für die Führung der Kassengeschäfte zur Verfügung steht, dem Gemeindekassier ein Bezug in der Höhe von 30 % des Bezuges des Bürgermeisters gebührt. Im § 24 leg. cit. ist festgelegt, dass die Organe der Gemeinden auf Geldleistungen nach diesem Landesgesetz nicht verzichten dürfen.

Da der Aufzählung der Tatbestände des § 12 Abs. 3 AlVG nur veranschaulichende Bedeutung für die Definition der Arbeitslosigkeit durch § 12 Abs. 1 AlVG zukommt (arg.: "insbesondere"), fallen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter den Begriff "Beschäftigung" im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG nicht nur die im § 12 Abs. 3 lit. a, b und d AlVG angeführten Tätigkeiten. Das bedeutet aber nicht, dass jede mit einem Einkommen verbundene Tätigkeit darunter zu subsumieren ist. Die in § 12 Abs. 3 lit. a, b und d AlVG aufgezählten Tätigkeiten geben vielmehr die Richtung an, in der der Beschäftigungsbegriff des § 12 Abs. 1 AlVG zu interpretieren ist. Demgemäß ist unter einer Beschäftigung im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG jede mit einem Erwerbseinkommen verbundene (im Falle des § 12 Abs. 3 lit. d AlVG letztlich Erwerbszwecken dienende) Tätigkeit zu verstehen. Unter einem Erwerbseinkommen ist dabei in den Fällen, in denen ein Beschäftigungsverhältnis nach § 4 Abs. 2 ASVG vorliegt, das Entgelt nach § 49 ASVG gemeint, also Geld- und Sachbezüge, auf die der Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienstverhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält. Liegt aber der Beschäftigung im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG kein Beschäftigungsverhältnis nach § 4 Abs. 2 ASVG zu Grunde, so sind unter dem Erwerbseinkommen die aus dieser Beschäftigung erzielten (im Falle des § 12 Abs. 3 lit. d AlVG fiktiven) Einkünfte in Geld- oder Güterform zu verstehen. Mit einer Beschäftigung im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG ist somit eine Erwerbstätigkeit gemeint. Gemeinsames Merkmal sowohl der selbstständig als auch der unselbstständig Erwerbstätigen ist aber, dass sie eine nachhaltige Tätigkeit entfalten, die (ihrem Typus nach) die Schaffung von Einkünften in Geld- oder Güterform bezweckt. Dabei setzt die Nachhaltigkeit dieser Tätigkeit voraus, dass bei den Erwerbstätigen die Absicht besteht, die Tätigkeit bei sich bietender Gelegenheit zu wiederholen und aus der ständigen Wiederholung eine Erwerbsquelle zu machen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 13. November 1990, Zl. 89/08/0229, Slg. Nr. 13.308/A).

Im soeben genannten hg. Erkenntnis vom 13. November 1990 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die durch die Niederösterreichische Gemeindeordnung 1973 festgelegte Funktion eines Bürgermeisters ihrem gesetzlich vorgezeichneten Typus nach nicht die Schaffung von Einkünften in Geld oder Güterform bezweckt. Der Verwaltungsgerichtshof kam zu dem Schluss, dass die Ausübung dieser Funktion, verbunden mit monatlichen Bezügen von S 8.003,--, den Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung nicht ausschließt. Dies zeige auch § 253a Abs. 2 zweiter Satz ASVG (in der damals geltenden Fassung), wonach nur Bezüge nach dem Bezügegesetz, die vorliegendenfalls nicht gegeben waren, ausdrücklich als Erwerbseinkommen bezeichnet wurden und damit den Wegfall vorzeitiger Alterspension bei Arbeitslosigkeit bewirkten.

Im Erkenntnis vom 30. September 1994, Zl. 93/08/0125, Slg. Nr. 14.130/A, hatte der Verwaltungsgerichtshof das Vorliegen von Arbeitslosigkeit während der Zeit der Ausübung eines Mandates eines Abgeordneten zum Nationalrat zu beurteilen. Er kam - auch unter Hinweis darauf, dass Bezüge nach dem Bezügegesetz ausdrücklich als Erwerbseinkommen im Sinne des § 253a Abs. 2 ASVG (in der damals geltenden Fassung) bezeichnet wurden und damit den Wegfall vorzeitiger Alterspension bei Arbeitslosigkeit bewirkten - zu dem Schluss, dass die Tätigkeit eines politischen Mandatars mit Einkünften nach dem damaligen Bezügegesetz des Bundes in ihrer Wertigkeit dem weiten Beschäftigungsbegriff des § 12 Abs. 1 AlVG entspricht. In dem genannten Erkenntnis wurde aber auch darauf hingewiesen, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass auch andere politische Mandatare, deren Bezüge im Bezügegesetz zwar nicht geregelt sind, die aber auch nicht dem Typus eines Gemeindemandatars nach der Niederösterreichischen Gemeindeordnung 1973 (vgl. dazu das zuvor genannte hg. Erkenntnis vom 13. November 1990) entsprechen, eine Beschäftigung im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG ausüben.

Dem hg. Erkenntnis vom 15. November 2000, Zl. 2000/08/0133, lag eine Tätigkeit als Bezirksrat in Wien zu Grunde, wofür Bezüge von monatlich S 4.933,-- erzielt wurden. Der Verwaltungsgerichtshof kam zu dem Schluss, dass sowohl die Bestimmungen der Wiener Stadtverfassung über die zeitliche Inanspruchnahme von Mitgliedern der Bezirksvertretung (eine Sitzung vierteljährlich) als auch die im Wiener Bezügegesetz vorgesehene geringe Höhe des Bezuges von 4,9 % der Bemessungsgrundlage des Bundesbezügegesetzes gegen die Annahme sprechen, dass die Ausübung dieses politischen Mandates in ihrer Wertigkeit eine Erwerbszwecken (d.h. der fortlaufenden Schaffung von Einkünften in Geld oder Güterform) dienende Tätigkeit im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG darstellt.

In mehreren Erkenntnissen, beginnend mit dem hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2001, Zl. 2001/19/0048, hat sich der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Ausübung politischer Mandate auf die §§ 91 und 253 b ASVG in der Fassung des Arbeits- und Sozialrechtsänderungsgesetzes 1997 bezogen, wonach nunmehr alle im Teilpensionsgesetz genannten Bezüge dem Erwerbseinkommen aus einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit nach dem ASVG gleichzuhalten sind. Wegen der Übergangsbestimmung des § 572 Abs. 8 ASVG, nach der Bezüge, die nicht schon von § 23 Abs. 2 des Bezügegesetzes, BGBl. Nr. 273/1972, in der am 31. Juli 1997 geltenden Fassung umfasst waren, nur dann als Erwerbseinkommen gelten, wenn die jeweilige Funktion, auf Grund derer diese Bezüge gebühren, nach dem 31. Dezember 2000 erstmals oder neuerlich angetreten wird, konnte es der Verwaltungsgerichtshof jedoch in den bisherigen Fallkonstellationen (in denen der Beginn der Mandatsausübung nicht nach dem 31. Dezember 2000 gelegen war) offen lassen, ob diese Gesetzesänderung Auswirkungen auf die Frage des Eintritts eventueller Arbeitslosigkeit von öffentlichen Mandataren hat, insbesondere ob im Hinblick auf diese Novelle § 12 AlVG nunmehr anders zu interpretieren ist.

Im Beschwerdefall kann dies nicht auf sich beruhen, weil aus dem Akt nicht hervorgeht, wann der Beschwerdeführer sein Amt angetreten hat. Käme es darauf an, so wäre der Sachverhalt in einem entscheidungswesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig. Der Verwaltungsgerichtshof ist aber aus folgenden Gründen der Auffassung, dass das Arbeits- und Sozialrechtsänderungsgesetz 1997 für die hier zu entscheidende Frage ohne Relevanz ist:

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon im wiederholt zitierten hg. Erkenntnis vom 13. November 1990 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf vergleichbare Gesetzesänderungen, die seinerzeit im ASVG vorgenommen und mit denen Bezüge nach dem Bezügegesetz dem Erwerbseinkommen ausdrücklich gleichgestellt worden waren, zum Ausdruck gebracht hat, zeigt gerade die Rechtslage nach dem ASVG, dass der Begriff des Einkommens aus Erwerbstätigkeit im Sozialrecht für sich genommen nicht so zu verstehen ist, dass er jedenfalls auch alle Bezüge öffentlicher Mandatare umfasst. Die durch das Arbeits- und Sozialrechtsänderungsgesetz 1997 weitergehend vorgenommene Gleichstellung von öffentlichen Bezügen mit Erwerbseinkommen für den Bereich des ASVG bestätigt diese Auffassung. Der Begriff des Erwerbseinkommens, wie er für § 12 AlVG nach der zitierten Vorjudikatur maßgeblich ist, umfasst daher nicht ohne Weiteres alle Einkünfte, die mit der Ausübung eines öffentlichen Mandates verbunden sind. Erwerbseinkommen im Sinne des § 12 AlVG sind im gegenständlichen Zusammenhang vielmehr nur dann gegeben, wenn die Bezüge eines öffentlichen Mandatars ein Ausmaß erreichen, welches zeigt, dass sie nicht nur den Zweck haben, mit der Ausübung des Mandates in der Regel verbundene Aufwendungen abzugelten, sondern auch z.B. einen angemessenen Beitrag zum Lebensunterhalt der betreffenden Person zu bilden.

In der bisherigen Rechtsprechung zu Einkünften öffentlicher Mandatare im hier maßgeblichen Zusammenhang, an der somit festzuhalten ist, wurden monatliche Einkünfte aus öffentlichen Mandaten in der Höhe von S 8.003,-- (hg. Erkenntnis vom 13. November 1990, Zl. 89/08/0229, Slg. Nr. 13.308/A), S 4.933,-- (hg. Erkenntnis vom 15. November 2000, Zl. 2000/08/0133), S 10.502,-- (hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2001, Zl. 2001/19/0048), S 4.076,-- (hg. Erkenntnis vom 5. Juni 2002, Zl. 2002/08/0044), S 6.077,-- (hg. Erkenntnis vom 5. Juni 2002, Zl. 2002/08/0015), S 4.530,-- (hg. Erkenntnis vom 5. Juni 2002, Zl. 2002/08/0012), S 5.823,-- (hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2002, Zl. 2002/08/0020), S 4.557,-- (hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2002, Zl. 2002/08/0063), und S 11.444,-- (hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2002, Zl. 2002/08/0013), ferner S 8.150,80,-- (OGH vom 15. Juni 1993, Zl. ObS 89/1993, bei Anwendung des § 12 AlVG im Zusammenhang mit dem Sonderunterstützungsgesetz) sowie S 19.777.-- (OGH vom 17. Oktober 1995, Zl. 10 ObS 169/95, ebenfalls bei Anwendung des § 12 AlVG im Zusammenhang mit dem Sonderunterstützungsgesetz) nicht als die Arbeitslosigkeit ausschließend angesehen. Anders war dies im hg. Erkenntnis vom 30. September 1994, Zl. 93/08/0125, Slg. Nr. 14.130/A, hinsichtlich der (damaligen) Bezüge einer Abgeordneten zum Nationalrat.

Die Bezüge des Beschwerdeführers für die Ausübung seiner Funktion als Gemeindekassier einer steiermärkischen Gemeinde in der Höhe von S 7.900,-- stehen somit der Annahme von Arbeitslosigkeit keinesfalls entgegen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, orientiert sich der Begriff der die Arbeitslosigkeit ausschließenden "Beschäftigung" im Verständnis des § 12 Abs. 1 AlVG auch an der Ausgestaltung der Tätigkeit, aus der das Einkommen erzielt wird (vgl. z.B. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2002, Zl. 2002/08/0063). Dazu ist festzuhalten, dass dem politischen Mandatar jedenfalls so viel Zeit bleiben muss, dass er verfügbar im Sinne des § 7 Abs. 2 AlVG ist (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 22. Dezember 1998, Zl. 97/08/0106, vom 29. März 2000, Zl. 98/08/0063 und vom 27. Juli 2001, Zl. 2000/08/0216). Diesbezügliche Ermittlungen hat die belangte Behörde, da sie die Rechtslage verkannt hat, unterlassen.

Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Umrechnung der entrichteten Stempelgebühren richtet sich nach § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.

Wien, am 9. August 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002080048.X00

Im RIS seit

29.11.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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