TE Vwgh Erkenntnis 2003/9/16 2003/05/0036

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Veröffentlicht am 16.09.2003
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E15102020;
L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
L82301 Abwasser Kanalisation Burgenland;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

31991L0271 Abwasser-RL Art12 Abs1;
31991L0271 Abwasser-RL Art3;
BauO NÖ 1996 §62 Abs2;
EURallg;
KanalanschlußG Bgld 1989 §4 Abs1 Z2;
VwRallg;
WRG 1959;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Arch. Erich Woschitz in Stegersbach, vertreten durch Stampfer, Orgler & Partner, Rechtsanwälte in Graz, Schmiedgasse 21, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Güssing vom 20. Jänner 2003, Zl. 02/04/59-2003, betreffend Kanalanschlusspflicht (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Stegersbach, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insofern, als die belangte Behörde die Erfüllungsfrist abgeändert hat, wegen Unzuständigkeit der Behörde, im Übrigen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der Grundfläche Grundstück Nr. 7085, KG Stegersbach. Mit Eingabe vom 22. November 2001 beantragte er die Befreiung von der Anschlusspflicht dieses Grundstückes mit der Begründung, er betreibe eine Pflanzenkläranlage, die aus einem Zweikammersystem mit angeschlossenem Pflanzenteich bestehe.

Über Veranlassung der mitbeteiligten Gemeinde gab der Amtssachverständige der Burgenländischen Landesregierung am 9. Februar 2002 eine Stellungnahme zum eingebrachten Ansuchen ab. Nach Besichtigung der Anlage (ohne Verständigung und in Abwesenheit des Beschwerdeführers) teilte der Amtssachverständige mit, es habe eine offene Wasserfläche in Form eines Biotops festgestellt werden können. Ob in dieses die anfallenden Abwässer eingeleitet würden, habe nicht festgestellt werden können. Entsprechend dem Burgenländischen Kanalanschlussgesetz sei eine Befreiung von der Anschlusspflicht nur dann möglich, wenn die Abwässer bereits zu einem vor dem Beginn der Errichtung der öffentlichen Kanalisationsanlage liegenden Zeitpunkt in eine wasserrechtlich bewilligte nicht öffentliche Kanalisationsanlage eingeleitet werden. Dabei müssten die örtlichen und regionalen Gewässerschutzziele zumindest im gleichen Ausmaß wie durch die öffentliche Kanalisationsanlage erfüllt werden. Laut Rücksprache mit der Bezirkshauptmannschaft Güssing liege keine wasserrechtliche Bewilligung für eine Pflanzenkläranlage oder Ähnliches betreffend das Grundstück des Beschwerdeführers vor. Weiters sei festzustellen, dass die Reinigungsleistung von Kläranlagen hinsichtlich der Stickstoff- und Phosphorentfernung bei weitem unter der von kommunalen Kläranlagen größerer Einheiten liege. Es würden dadurch die örtlichen und regionalen Gewässerschutzziele nicht im gleichen Ausmaß erfüllt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass entsprechend dem Burgenländischen Kanalanschlussgesetz (§ 2 Abs. 4 und § 4 Abs. 1 Z. 2) eine Befreiung von der Anschlusspflicht nicht möglich sei.

Diese Stellungnahme wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht, der dazu ausführte, er habe seit 1987 eine Pflanzenkläranlage. Hätte er vom Überprüfungstermin Kenntnis gehabt, hätte er die Möglichkeit gehabt, dem Sachverständigen die Anlage zu zeigen und zu erklären: es handle sich dabei um eine aus zwei Kammern bestehende Abwasseranlage, mit Mehrkammer-Absetzgruben und anschließender Beschickung des Rohabwassers in einen Pflanzenteich ohne Bodenverrieselung. Eine Symbiose aus speziell ausgewählten Sumpfpflanzen, biologischem Rasen und anderer Mikroorganismen vollbringe dann die Reinigungsleistung. Eine wasserrechtliche Bewilligung sei seiner Ansicht nach nicht erforderlich, weil das System ohne Bodenverrieselung - also als geschlossenes System funktioniere -, der Beschwerdeführer somit kein Abwasser in den Boden ableite und daher die Umwelt nicht belaste. Das örtliche und regionale Gewässerschutzziel werde weitaus besser erfüllt als durch eine öffentliche Kanalisationsanlage. Die Reinigung hinsichtlich der Stickstoff- und Phosphatentfernung sei bei der Anlage gewährleistet, da organische Verbindungen im Wasser von den Mikroorganismen in die Einzelbestandteile wie Stickstoff und Phosphor umgewandelt, und diese dann von den Pflanzen aufgenommen würden. Das heiße, dass nach dem Reinigungsbecken keine Schadstoffe und kein Abwasser produziert werde, die in den Boden eindringen.

Mit Bescheid vom 15. April 2002 hat der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde den Antrag auf Befreiung von der Kanalanschlusspflicht abgewiesen und den Beschwerdeführer verpflichtet, die Abwässer (Schmutz- oder Niederschlagswässer) der Anschlussgrundfläche für das Grundstück Nr. 7085, KG Stegersbach, in die wasserrechtlich bewilligte, öffentliche Kanalisationsanlage der Gemeinde einzuleiten. Der Anschluss sei bis 31. Juli 2002 herzustellen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vom 5. Mai 2002 verwies der Beschwerdeführer auf § 4 der Burgenländischen Bauordnung (richtig wohl: des Burgenländischen Kanalanschlussgesetzes) und kündigte an, er werde, um seine Position zu bekräftigen, ein Gutachten erstellen lassen und dieses vorlegen.

Mit Bescheid vom 7. Juni 2002 hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Ein Befreiungsantrag nach § 4 Abs. 1 Z. 1 des Burgenländischen Kanalanschlussgesetzes sei nicht gestellt worden, der Befreiungsantrag des Beschwerdeführers beziehe sich auf § 4 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. Zu diesem Antrag sei ein Gutachten des Sachverständigen für Wasserbau vom Amt der Burgenländischen Landesregierung eingeholt worden. Nach diesem Gutachten sei eine Befreiung möglich, wenn die Abwässer bereits zu einem vor dem Beginn der Errichtung der öffentlichen Kanalisationsanlage liegenden Zeitpunkt in eine wasserrechtlich bewilligte nicht öffentliche Kanalisationsanlage eingeleitet würden. Der Nachweis einer wasserrechtlichen Bewilligung für die nicht öffentliche Kanalisationsanlage des Beschwerdeführers sei bisher nicht erbracht worden. In der Berufung werde nicht bestritten, dass im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides eine rechtskräftige wasserrechtliche Bewilligung nicht vorgelegen sei. Auch im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides sei diese wasserrechtliche Bewilligung nicht vorgelegen, sodass spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

Gleichzeitig mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung legte der Beschwerdeführer ein Gutachten des Dr. H. B., Institut für Umweltgeologie und Ökosystemforschung in Graz, vom Juni 2002 vor. Das Gutachten kommt nach einem eingehenden Befund über die vorliegende Abwasserbewirtschaftungsanlage und die Bodenverhältnisse sowie die Wasserbilanz zusammengefasst zu dem Schluss, dass in der Vegetationszeit ein abflussloser Betrieb der Anlage auf Grund der Verdunstungsleistung des mit Sumpfpflanzen bestockten Teiches möglich sei, bei starken Regenereignissen, bei denen ein Überlauf des bepflanzten Teiches erfolgen könne, sei die Verdünnung so groß, dass keine relevanten Konzentrationen an Abwasserinhaltsstoffen die Anlage verlassen. Mit einer einmaligen Schlammausbringung pro Jahr und gleichzeitiger Entleerung der zweiten Senkgrube sei für den Winterbetrieb die notwendige Speicherkapazität für einen auch in dieser Zeit abflusslosen Betrieb zu erreichen. Die derzeitige Form der Abwasserbewirtschaftung der Liegenschaft des Beschwerdeführers erfolge ohne Inanspruchnahme öffentlicher Gewässer, die örtlichen und regionalen Gewässerschutzziele würden für dieses Anwesen damit besser erfüllt, als bei Einleitung in eine Kanalisation. Die in diesem Fall den örtlichen Verhältnissen angepasste Form der Abwasserbewirtschaftung entspreche überdies der in der EU-Richtlinie "Kommunales Abwasser" formulierten Forderung, wonach gereinigtes Abwasser nach Möglichkeit wieder verwendet werden solle und dieses Kreislaufdenken vor die "nur" reine Beseitigung von Abfallstoffen gestellt werde. Weiters entspreche diese Form der Abwasserbewirtschaftung den in der "Allgemeinen Abwasserverordnung" angeführten Zielen, wonach Abwasserinhaltsstoffe möglichst unmittelbar am Ort der Entstehung zurückgehalten werden sollten.

Der Beschwerdeführer führte in seiner Vorstellung aus, dass seine Kanalisationsanlage keiner wasserrechtlichen Genehmigungspflicht unterliege, da kein Ablauf in Gewässer, Grundwasser oder Vorfluter erfolge.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 2. Jänner 2003 hat die Bezirkshauptmannschaft Güssing die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Gemeinderates abgewiesen und den Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass der Anschluss an die öffentliche Kanalisationsanlage der mitbeteiligten Marktgemeinde bis 30. Juni 2003 herzustellen sei. Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der Anführung der Bestimmungen der §§ 1 Abs. 4, § 2 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 des Burgenländischen Kanalanschlussgesetzes wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Ansicht des Beschwerdeführers, wonach die Form seiner Abwasserentsorgung keiner wasserrechtlichen Genehmigungspflicht unterliege, könne nicht beigepflichtet werden, da grundsätzlich jedwede Einwirkung auf Gewässer, die unmittelbar oder mittelbar deren Beschaffenheit beeinträchtigen, nur nach wasserrechtlicher Bewilligung zulässig seien. Insbesondere bedürften Maßnahmen, die zur Folge haben, dass durch Eindringen von Stoffen in den Boden das Grundwasser verunreinigt werde, einer wasserrechtlichen Bewilligung. Die gegenständliche Anlage (vorliegende Form der Abwasserbeseitigung) bedürfe daher jedenfalls einer wasserrechtlichen Bewilligung. Unabhängig davon, habe der Sachverständige des Amtes der Burgenländischen Landesregierung in seiner Stellungnahme vom 9. Februar 2002 festgestellt, dass die Reinigungsleistung von Kleinkläranlagen hinsichtlich der Stickstoff- und Phosphorentfernung bei weitem unter der von kommunalen Kläranlagen größerer Einheiten liege. Entgegen den Ausführungen im vom Beschwerdeführer vorgelegten Gutachten des Institutes für Umweltgeologie und Ökosystemforschung würden somit die örtlichen und regionalen Gewässerschutzziele durch die gegenständliche Form der Abwasserbeseitigung nicht im gleichen Ausmaß erfüllt wie im Falle der Einleitung der Abwässer in die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Güssing genehmigte Kanalisationsanlage der mitbeteiligten Marktgemeinde.

Die Prüfung des Befreiungstatbestandes gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 des Burgenländischen Kanalanschlussgesetzes ergebe, dass weder eine Entsorgung ohne Beeinträchtigung der Beschaffenheit der Gewässer möglich sei, noch dass der gegenständliche Bau bzw. die Anlage (Wohnhaus) so unbedeutend sei, dass die Gesamtkosten der Anschlusserrichtung (einschließlich Anschlussbeitrag) in einem wirtschaftlich nicht gerechtfertigten Missverhältnis zum Verkehrswert des Wohnhauses stünden. Ein derartiges Missverhältnis zwischen dem Gebäude und Grundstückswert und den Anschluss- bzw. Errichtungskosten sei seitens des Beschwerdeführers auch nicht geltend gemacht worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 2 des Burgenländischen Kanalanschlussgesetzes 1989, LGBl. Nr. 27, normiert in Abs. 1 die grundsätzliche Anschlusspflicht, Abs. 2 dieser Bestimmung zählt jene Tatbestände auf, bei welchem die Anschlussverpflichtung nicht besteht (für Grundflächen, die dem öffentlichen Verkehr dienen ...). Nach § 3 dieses Gesetzes hat die Behörde frühestens nach dem Eintritt der Rechtskraft der wasserrechtlichen Bewilligung für den zur Entsorgung der betreffenden Anschlussgrundfläche geeigneten Straßenkanal einer öffentlichen Kanalisationsanlage den Eigentümer der Anschlussgrundflächen oder die diesem gemäß § 2 Abs. 1 gleichzuhaltende Person mit schriftlichem Bescheid zum Anschluss zu verpflichten. § 4 dieses Gesetzes lautet wie folgt:

"§ 4.

Befreiung von Anschlußpflicht

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Eigentümers der Anschlußgrundfläche, des Baues oder einer anderen Anlage von der Verpflichtung zum Anschluß zu befreien, wenn

1. die Entsorgung ohne Beeinträchtigung der Beschaffenheit der Gewässer und ohne Nachteil für die Nachbarschaft sowie für Bauten des Antragstellers in anderer Weise möglich ist und wenn der Bau, eine andere Anlage oder die unverbaute Grundfläche so unbedeutend ist, daß die Gesamtkosten der Errichtung des Anschlusses einschließlich des Anschlußbeitrages in einem wirtschaftlich nicht gerechtfertigten Mißverhältnis zum Verkehrswert des Baues oder der Anlage einschließlich des Bodenwertes oder der unverbauten Grundfläche stehen oder

2. die Abwässer bereits seit einem vor dem Beginn der Errichtung der öffentlichen Kanalisationsanlage liegenden Zeitpunkt in eine wasserrechtlich bewilligte nicht öffentliche Kanalisationsanlage eingeleitet werden, die die örtlichen und regionalen Gewässerschutzziele zumindest im gleichen Ausmaß wie die öffentliche Kanalisationsanlage erfüllt.

(2) Der Antrag kann bereits vor der Erlassung des Bescheides über die Anschlußpflicht gestellt werden. Er ist jedoch bei sonstigem Anspruchsverlust spätestens vor Eintritt der Rechtskraft des Bescheides über die Anschlußverpflichtung einzubringen. Ein nach diesem Zeitpunkt eingebrachter Antrag ist als verspätet zurückzuweisen. Wenn der Antrag während eines anhängigen Verfahrens über die Feststellung der Anschlußpflicht eingebracht wird, ist dieses Verfahren mit dem Verfahren über einen Antrag nach Abs. 1 zu verbinden und in einem abzuschließen.

(3) Vor der Entscheidung über den Befreiungsantrag hat die Behörde Gutachten von Sachverständigen des Amtes der Burgenländischen Landesregierung über die Frage einer Beeinträchtigung der Beschaffenheit der Gewässer, der Nachbarschaft und von Bauten des Antragstellers sowie über die Kosten des Anschlusses und den Wert des Baues, der Anlage oder der unverbauten Grundfläche (Abs. 1 Z. 1) oder über die Erfüllung der technischen Voraussetzungen für eine Befreiung nach Abs. 1 Z. 2 einzuholen."

Die in § 2 Abs. 2 des Burgenländischen Kanalanschlussgesetzes normierten Tatbestände, bei welchen eine Anschlusspflicht nicht besteht, liegen im Beschwerdefall nicht vor. Der Beschwerdeführer hat auch nicht behauptet, dass die in § 4 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. festgelegten Umstände auf seinem Grundstück verwirklicht würden, er hat aber erkennbar sein Ansuchen auf § 4 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. gestützt. Der Befreiungstatbestand des § 4 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. ist unabhängig von den Voraussetzungen der Z. 1 gegeben, weil die Z. 1 und die Z. 2 durch das Wort "oder" verbunden sind und nicht durch das Wort "und".

Die belangte Behörde hat die Abweisung der Vorstellung des Beschwerdeführers damit begründet, dass keines der beiden Erfordernisse des § 4 Abs. 1 Z. 2, nämlich weder die wasserrechtliche Bewilligung einer nicht öffentlichen Kanalisationsanlage vorliegen noch die örtlichen und regionalen Gewässerschutzziele in gleichem Ausmaß wie durch die öffentliche Kanalisationsanlage erfüllt würden.

Der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde hat den Berufungsbescheid erlassen, ohne auf das vom Beschwerdeführer in Aussicht gestellte Gutachten zu warten. Die belangte Behörde hat diesen Verfahrensmangel insofern saniert, als sie auf dieses Gutachten eingegangen ist, indem sie dessen Inhalt geschildert hat, sie gelangte aber sodann zur Feststellung, dass auf Grund der Ausführungen des Sachverständigen des Amtes der Burgenländischen Landesregierung vom 9. Februar 2002 davon auszugehen sei, dass entgegen den Ausführungen im vom Beschwerdeführer vorgelegten Gutachten die örtlichen und regionalen Gewässerschutzziele durch die gegenständliche Form der Abwasserbeseitigung nicht im gleichen Ausmaß erfüllt würden wie im Fall der Einleitung der Abwässer in die Kanalisationsanlage der mitbeteiligten Marktgemeinde.

Auf Grund welcher Überlegungen die belangte Behörde zu diesem Schluss gelangte, ist im angefochtenen Bescheid nicht dargelegt. In diesem Bescheid sind keinerlei Gründe angeführt, weshalb die belangte Behörde die Ausführungen des Amtssachverständigen für schlüssiger hält, als jene im Privatgutachten.

Bei Widersprüchen zwischen den Gutachten einer privaten und eines amtlichen Sachverständigen kann nicht schon die amtliche Eigenschaft des einen Sachverständigen, sondern nur der innere Wahrheitswert des Gutachtens den Ausschlag geben. Dies folgt schon aus dem das Verwaltungsverfahren tragenden Grundsatz der materiellen Wahrheit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. April 1997, Zl. 95/09/0086).

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgeführt hat (so auch in seinem Erkenntnis vom 13. Februar 1992, Zl. 91/06/0213), hat die Behörde das Gutachten eines Sachverständigen auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu überprüfen. Das vom Amtssachverständigen erstellte so genannte Gutachten vom 9. Februar 2002 enthält keinen Befund der gegenständlichen Abwasserbeseitigungsanlage. Es ist nicht einmal das Vorhandensein zweier Auffangbecken festgehalten, auch wurde nicht festgestellt, ob diese Auffangbecken eine Verbindung mit dem mit Schilf bewachsenen Teich aufweisen. Mangels geeigneter Befundaufnahme kann daher die Stellungnahme vom 9. Februar 2002 nicht auf ihre Schlüssigkeit überprüft werden. Außerdem enthält diese Stellungnahme keinerlei Ausführungen darüber, auf Grund welcher konkreten Umstände die gegenständliche Anlage die örtlichen und regionalen Gewässerschutzziele nicht zumindest im gleichen Ausmaß erfüllt, wie die öffentliche Kanalisationsanlage.

§ 4 Abs. 1 Z. 2 des Burgenländischen Kanalanschlussgesetzes fordert das Vorliegen einer wasserrechtlichen Bewilligung für die nicht öffentliche Kanalisationsanlage.

Eine verfassungskonforme Interpretation, wonach eine wasserrechtliche Bewilligung im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 2 Kanalanschlussgesetz vorliegen muss, fordert eine Auslegung dahingehend, dass eine solche wasserrechtliche Bewilligung nur dann vorzuliegen hat, wenn es sich um eine bewilligungspflichtige Anlage handelt, weil die Vorlage einer wasserrechtlichen Bewilligung für eine bewilligungsfreie Anlage - die allerdings die gleichen Reinigungswirkungen wie eine bewilligungspflichtige Anlage haben muss, bzw. mindestens genau so gut sein muss, wie die öffentliche Anlage - denkunmöglich ist bzw. die Wasserbehörde allenfalls mit einer Zurückweisung derartiger Ansuchen vorzugehen hätte.

In diesem Zusammenhang ist auch auf die Beschlüsse des VfGH vom 11. Oktober 2001, B 623/98, und vom 10. Dezember 2001, B 1259/1 und B 1260/1, zu verweisen, in welchen er seine Bedenken gegen § 62 Abs. 2 erster Satz der NÖ Bauordnung 1996 dargelegt und u. a. ausgeführt hat, die Richtlinie des Rates 91/271/EWG, ABl. 1991 L 135/40, sehe keinen absoluten Anschlusszwang vor. Art. 3 dieser Richtlinie scheine nicht zwingend von gemeindeeigenen Kanalisationsanlagen auszugehen; Art. 12, nach dessen Abs. 1 gereinigtes Abwasser nach Möglichkeit wieder verwendet werden solle, dürfte den Vorrang nachhaltiger Bewirtschaftung zum Ausdruck bringen.

Der Beschwerdeführer hat bereits in seiner Stellungnahme im erstinstanzlichen Verfahren und sodann in der Vorstellung darauf verwiesen, dass seine Anlage keiner wasserrechtlichen Bewilligungspflicht unterliege und sich dabei in der Vorstellung auf die Ausführungen in dem mit dieser vorgelegten Gutachten gestützt, wonach (in der Vegetationszeit) ein abflussloser Betrieb der Anlage möglich ist und selbst bei Starkregenereignissen die Verdünnung so groß ist, dass keine relevanten Konzentrationen an Abwasserinhaltsstoffen die Anlage verlassen. Ohne ein ergänzendes Gutachten hinsichtlich der sachlichen Voraussetzungen für die wasserrechtliche Bewilligungspflicht für die vorliegende Anlage einzuholen, hat die belangte Behörde entgegen den bislang im Akt enthaltenen Feststellungen offenbar angenommen, dass eine Einwirkung auf Gewässer, die unmittelbar oder mittelbar deren Beschaffenheit beeinträchtigen, vorläge, und dass durch Eindringen (Versickern) von Stoffen in den Boden das Grundwasser verunreinigt werde, weshalb die gegenständliche Anlage in jedem Fall einer wasserrechtlichen Bewilligung bedürfe.

Die Aufsichtsbehörde ist bei der Prüfung des gemeindebehördlichen Bescheides nicht an den von der Gemeindebehörde angenommenen Sachverhalt gebunden, vielmehr kann sie durch eigene Ermittlungen die Voraussetzungen für die endgültige Lösung der Frage, ob eine Rechtsverletzung des Vorstellungswerbers eingetreten ist, prüfen; sie ist also berechtigt, selbständig ein Ermittlungsverfahren durchzuführen, um sich darüber Gewissheit zu verschaffen, ob ein Vorstellungswerber infolge einer falschen oder unzureichenden Sachverhaltsermittlung durch den Bescheid des obersten Gemeindeorganes in einem Recht verletzt wurde. Dies muss sie in einem von wesentlichen Verfahrensmängeln freien Verfahren tun (vgl. hiezu Berchtold, Gemeindeaufsicht, in Fröhler-Oberndorfer, Das österreichische Gemeinderecht, S. 45, ferner Hauer, Der Nachbar im Baurecht,

4. Auflage, S. 144, das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Dezember 1971, Slg. 6602/1973, sowie die hg. Erkenntnisse vom 17. Oktober 1972, Slg. Nr. 7.896/A, u. vom 30. Juni 1998, Zl. 98/05/0034).

Da die belangte Behörde aber ohne nachvollziehbare Gründe ihrer Entscheidung die Stellungnahme des Amtssachverständigen vom 9. Februar 2002 zu Grunde gelegt hat und überdies Gründe, die in der Aktenlage keine Deckung finden, für die Bewilligungspflicht der vorliegenden Anlage herangezogen hat, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb der Bescheid in dem Umfang, in dem er den Bescheid des Gemeinderates bestätigte, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a und b VwGG aufzuheben war.

Gemäß § 77 Abs. 5 der Burgenländischen Gemeindeordnung 1965 hat die Aufsichtsbehörde den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen.

Die Vorstellungsbehörde ist also nicht befugt, anstelle der Gemeinde in der Sache, die Gegenstand des gemeindebehördlichen Verfahrens war, selbst zu entscheiden.

Da aber die belangte Behörde indem sie den Bescheid des Gemeinderates inhaltlich insofern abänderte, als sie die Erfüllungsfrist verlängerte, eine Zuständigkeit in Anspruch genommen hat, die ihr nicht zukommt, war der Bescheid in diesem Umfang wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 16. September 2003

Schlagworte

Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3 Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003050036.X00

Im RIS seit

17.10.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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