TE Vwgh Erkenntnis 2003/9/17 2001/20/0100

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Veröffentlicht am 17.09.2003
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Index

10/11 Vereinsrecht Versammlungsrecht;
41/04 Sprengmittel Waffen Munition;

Norm

VerbotsG 1947 §3g;
VerbotsG 1947 §3h;
WaffG 1996 §12 Abs1;
WaffG 1996 §8 Abs1;
WaffG 1996 §8 Abs3;
WaffG 1996 §8 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Taborstraße 23, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 22. Dezember 2000, Zl. SD 707/00, betreffend Waffenverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 1 des Waffengesetzes 1996, BGBl. I Nr. 12/1997 (WaffG), der Besitz von Waffen und Munition verboten. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 27. September 1999 wegen des Verbrechens nach § 3g Verbotsgesetz zu einer bedingten Freiheitsstrafe von neun Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt in den Jahren 1988 oder 1989, allenfalls 1990, an einer von der Volkstreuen Außerparlamentarischen Opposition (VAPO) veranstalteten Kundgebung mit Kranzniederlegung am vormaligen "Ostmark-Anschluss-Denkmal" mitgewirkt und dabei die rechte Hand unter - dem Buchstaben "W" nachempfundenen - Spreizen von drei Fingern zum "Widerstand" symbolisierenden, dem Hitler-Gruß nachempfundenen Gruß erhoben und während eines nicht näher eingrenzbaren Zeitraumes bis zum 18. Dezember 1995 etliche, jeweils einen Bezug zum Nationalsozialismus aufweisende Gegenstände mit dem Vorsatz angesammelt und bereitgehalten habe, dass sie gegebenenfalls als Anschauungs- und Propagandamaterial der Verbreitung des nationalsozialistischen Gedankens dienen, und zwar einen Reichsadler, das Hakenkreuzemblem in den Fängen haltend, ein Hitler-Portrait, zwei Hitler-Köpfe aus Bronze, einen Hitler-Kopf aus Wachs, einen Stahlhelm mit selbst angebrachtem Hakenkreuzemblem, einen Gürtel mit Hakenkreuzemblem, ein Foto, allenfalls die Wiedergabe eines Bildes, Adolf Hitler zeigend, drei neue Anstecknadeln mit SS-Emblem, drei Flugzettel, allenfalls Aufkleber mit dem Aufdruck "Nationaler Freiheitskampf" mit Reichsadler und Keltenkreuz, eine Videokassette "Jud Süß" und eine Videokassette "Die Stadt ohne Juden". Unbestritten sei, dass sich der Beschwerdeführer nationalsozialistisch betätigt habe. Die Verurteilung nach dem Verbotsgesetz bedeute, dass die Interessen der Republik Österreich durch das Verhalten des Beschwerdeführers stark gefährdet gewesen seien, sowohl was die innere Ordnung, Sicherheit und Stabilität der Republik Österreich als auch das Ansehen Österreichs auf internationaler Ebene betreffe. Bei einer Person mit dieser Gesinnung und Geisteshaltung sei die Annahme gerechtfertigt, dass ihr auch sonstige Rechtsnormen und Sicherheitsvorschriften der Republik gleichgültig seien. Die dem zitierten Strafurteil zu Grunde liegenden, sich über einen Zeitraum von zumindest fünf Jahren erstreckenden Tathandlungen des Beschwerdeführers würden nach Ansicht der belangten Behörde die in § 12 Abs. 1 WaffG normierte Annahme daher gerechtfertigt erscheinen lassen. Zusammenfassend sei festzustellen, dass die dargestellten Verhaltensweisen des Beschwerdeführers besonders augenscheinlich seine verwerfliche Einstellung zu den Werten des österreichischen Rechtsystems zeigen würden. Auf Grund des Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers bestehe die begründete Besorgnis, dass dieser in Zukunft weitere strafbare Handlungen gegen schutzwürdige "Rechtswerte" setzen werde, wobei nach menschlichem Ermessen nicht ausgeschlossen werden könne, dass er sich dabei einer Waffe bediene.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

§ 8 Abs. 1 bis 4 und § 12 Abs. 1 WaffG lauten:

"Verlässlichkeit

§ 8. (1) Ein Mensch ist verlässlich, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er

1.

Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;

2.

mit Waffen unvorsichtig umgehen oder diese nicht sorgfältig verwahren wird;

              3.              Waffen Menschen überlassen wird, die zum Besitz solcher Waffen nicht berechtigt sind.

(2) Ein Mensch ist keinesfalls verlässlich, wenn er

1.

alkohol- oder suchtkrank ist oder

2.

psychisch krank oder geistesschwach ist oder

3.

durch ein körperliches Gebrechen nicht in der Lage ist, mit Waffen sachgemäß umzugehen.

(3) Als nicht verlässlich gilt ein Mensch im Falle einer Verurteilung

1. wegen einer unter Anwendung oder Androhung von Gewalt begangenen oder mit Gemeingefahr verbundenen vorsätzlichen strafbaren Handlung, wegen eines Angriffes gegen den Staat oder den öffentlichen Frieden oder wegen Zuhälterei, Menschenhandels, Schlepperei oder Tierquälerei zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Monaten oder einer Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen oder

2. wegen gewerbsmäßigen, bandenmäßigen oder bewaffneten Schmuggels oder

3. wegen einer durch fahrlässigen Gebrauch von Waffen erfolgten Verletzung oder Gefährdung von Menschen oder

4. wegen einer in Z 1 genannten strafbaren Handlung, sofern er bereits zweimal wegen einer solchen verurteilt worden ist.

(4) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. Trotz einer nicht getilgten Verurteilung im Sinne des Abs. 3 kann ein Mensch verlässlich sein, wenn das Gericht vom Ausspruch der Strafe abgesehen hat (§ 12 des Jugendgerichtsgesetzes 1988 - JGG, BGBl. Nr. 599); gleiches gilt, wenn das Gericht sich den Ausspruch der Strafe vorbehalten hat (§ 13 JGG) oder die Strafe - außer bei Freiheitsstrafen von mehr als sechs Monaten - ganz oder teilweise bedingt nachgesehen hat, sofern kein nachträglicher Strafausspruch oder kein Widerruf der bedingten Strafnachsicht erfolgte."

"Waffenverbot

§ 12. (1) Die Behörde hat einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte."

Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, die von ihm gesetzten Handlungen könnten eindeutig nicht unter den Tatbestand der Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole gemäß § 248 StGB oder unter den Tatbestand des Angriffes gegen den öffentlichen Frieden also etwa Verhetzung gemäß § 283 StGB subsumiert werden, sodass lediglich zu prüfen bleibe, ob eine Betätigung im nationalsozialistischen Sinne gemäß § 3g Verbotsgesetz einer Teilnahme an einer staatsfeindlichen Verbindung gemäß § 246 Abs. 3 StGB gleichkomme. Bei richtiger Rechtsansicht müsse diese Rechtsfrage verneint werden, da es sich sowohl bei der Teilnahme beim Ostdenkmal als auch beim Ansammeln und Bereithalten von Gegenständen mit Konnex zum Nationalsozialismus um eine reine Propagandatätigkeit handle. Auch setze anders als etwa bei den Entziehungstatbeständen des § 25 iVm § 8 WaffG der strengere Verbotstatbestand des § 12 Abs. 1 WaffG eine anzunehmende weitere qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen, nämlich den Missbrauch, voraus. Der Beschwerdeführer sei aber in den letzten Jahren nicht gegen Personen in gewaltsamer oder aggressiver Weise vorgegangen und habe weder Personen noch fremdes Eigentum bedroht. Es lägen somit keine Tatsachen vor, aus denen eine Gefahr im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG ableitbar wäre.

Diese Ausführungen vermögen der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen:

Die Verhängung eines Waffenverbotes dient der Verhütung von Gefährdungen der in § 12 Abs. 1 WaffG bezeichneten Art und setzt nicht voraus, dass es schon zu einem missbräuchlichen Verwenden von Waffen durch den Betroffenen gekommen ist. Es genügt, wenn konkrete Umstände vorliegen, durch die die im Gesetz umschriebene Annahme für die Zukunft gerechtfertigt erscheint. Bei Beurteilung dieser Frage ist nach dem Schutzzweck des Waffengesetzes ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. März 2003, Zl. 2000/20/0047, mwN).

Zur Beurteilung der Voraussetzungen für die Verhängung eines Waffenverbotes ist es erforderlich, nach Prüfung der Persönlichkeit des Beschwerdeführers konkrete Feststellungen vor allem zur Neigung des Beschwerdeführers zu Aggressivität und zu sonstigen waffenrechtlich relevanten Verhaltensweisen zu treffen. Erst dann kann beurteilt werden, ob die strengen Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 WaffG vorliegen und eine Prognose im Sinne dieser Bestimmung gerechtfertigt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2003, Zl. 2000/20/0462). Dabei ist auch zu beachten, dass das Verhältnis der Voraussetzungen des Waffenverbotes zu denen der Verneinung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit im Sinne des § 8 WaffG jedenfalls ausschließt, ein Waffenverbot auf Tatsachen zu stützen, die für die Verneinung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit nicht ausreichen würden (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 12. September 2002, Zl. 2000/20/0425).

Im hg. Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl. 97/20/0752, wurde der Wertung (der bloßen Tatsache) einer Verurteilung nach § 3g Verbotsgesetz als "Tatsache" im Sinne des § 8 Abs. 1 WaffG Berechtigung zuerkannt, weil in Bezug auf die angegriffenen Rechtsgüter die Vergleichbarkeit mit bestimmten in § 8 Abs. 3 Z 1 WaffG genannten Deliktstypen gegeben war und die verhängte Strafe über die in § 8 Abs. 3 und 4 WaffG für den zwingenden Ausschluss der Verlässlichkeit vorgesehenen Erfordernisse hinausging.

Im vorliegenden Fall ist der Beschwerdeführer ebenfalls wegen des Verbrechens nach § 3g Verbotsgesetz rechtskräftig verurteilt worden. Auf Grund der verhängten Strafe (bedingte Freiheitsstrafe von neun Monaten) stünden auch die Tatbestände des § 8 Abs. 3 und 4 WaffG der Annahme waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit nicht entgegen.

Zu prüfen ist jedoch darüber hinaus, ob auch die Voraussetzungen des § 12 WaffG erfüllt sind. In diesem Zusammenhang ist zunächst festzuhalten, dass es sich bei der VAPO um eine Verbindung handelt, deren Zweck darin besteht, durch Betätigung ihrer Mitglieder im nationalsozialistischen Sinn die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Republik Österreich dadurch zu untergraben, dass zumindest auf längere Sicht die Beseitigung der auf der Verfassung beruhenden demokratischen Rechtsordnung der Republik Österreich und deren Ersatz durch eine nationalsozialistische Regierung unter Einbindung Österreichs in ein wieder zu errichtendes nationalsozialistisches Großdeutsches Reich angestrebt wird (vgl. das Urteil des OGH vom 12. März 1998, 15 Os 175/97).

Der Verurteilung des Beschwerdeführers lag unter anderem zu Grunde, dass dieser an einer von der VAPO veranstalteten Kundgebung mit Kranzniederlegung am vormaligen "Ostmark-Anschluss-Denkmal" mitwirkte und dabei die rechte Hand unter - dem Buchstaben "W" nachempfundenen - Spreizen von drei Fingern zum "Widerstand" symbolisierenden, dem Hitler-Gruß nachempfundenen Gruß erhob und ferner mehrere Gegenstände mit dem Vorsatz sammelte bzw. bereithielt, dass diese gegebenenfalls als Anschauungs- und Propagandamaterial der Verbreitung des nationalsozialistischen Gedankengutes dienen. Dieses Gedankengut schließt nun im Übrigen nicht aus, dass seine Zielvorstellungen gegebenenfalls mit Waffengewalt verwirklicht werden, und zu diesen Zielvorstellungen gehören - wie auch die Titel der beim Beschwerdeführer gefundenen Videobänder zeigen - Zustände, zu deren Herstellung der Einsatz von Waffen typischerweise dienlich ist (vgl. auch § 3h Verbotsgesetz, wonach dem Nationalsozialismus Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zuzurechnen sind).

Für die Prognose im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG, ob die Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung von Waffen besteht, ist jedenfalls das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers von Bedeutung (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 24. April 2003, Zl. 2000/20/0048), somit auch das Verhalten, wegen dessen der Beschwerdeführer verurteilt worden ist. Durch dieses Verhalten hat der Beschwerdeführer zum Ausdruck gebracht, dass er die Ziele der VAPO gutheißt und auch zu unterstützen bereit ist. Der belangten Behörde kann daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie zu einer Prognose im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG gelangte.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 17. September 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001200100.X00

Im RIS seit

22.10.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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