TE Vwgh Erkenntnis 2003/11/18 2002/03/0020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.11.2003
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
86/01 Veterinärrecht allgemein;

Norm

TGSt 1994 §16 Abs1 Z1;
TGSt 1994 §16 Abs2 Z1;
TGSt 1994 §4 Abs1 Z6;
TGTV 1997 §1 Abs1 Z3;
TGTV 1997 §1 Abs1 Z5;
VStG §2 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des M L in B, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Mag. Gernot Götz, Rechtsanwalt in 9800 Spittal/Drau, Tiroler Straße 18, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 14. November 2001, Zl. KUVS-1421-1422/4/2001, betreffend Übertretungen des Tiertransportgesetzes-Straße und der Tiertransportmittelverordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe als zur Vertretung nach außen berufenes Organ (Geschäftsführer) der

L GmbH, D- B, (diese Gesellschaft sei Zulassungsbesitzerin und Verfügungsberechtigte des Tiertransportes mit dem Zugfahrzeug B (D) und dem Anhänger B (D)) am 8. Jänner 1999 um 20.45 Uhr auf der Südautobahn (A 2), auf der Höhe des Zollamtsplatzes Arnoldstein, mit dem Verladeort in Passau und dem Entladungsort in Castiglione di Ravenna, mit den genannten Fahrzeugen einen Tiertransport mit einer Ladung von 172 Schweinen durch den Lenker J durchführen lassen, wobei er es

1. unterlassen habe, in der Transportbescheinigung Angaben über die letzte Fütterung und Tränkung der transportierten Tiere einzutragen, und

2. unterlassen habe, dafür zu sorgen, dass beim Transport ein ausreichender Raum in der mittleren Transportebene des Zugfahrzeuges vorhanden gewesen sei, zumal in dieser Ebene keine ausreichende Laderaumhöhe vorhanden gewesen sei und somit die Tiere nicht aufrecht frei stehen hätten können sowie

3. unterlassen habe, dafür zu sorgen, dass auf den Transportebenen des Zugfahrzeuges eine ausreichende Menge an Einstreu vorhanden gewesen sei.

Der Beschwerdeführer habe dadurch zu

1. § 16 Abs. 1 Z 1 iVm § 4 Abs. 1 Z 6 des Tiertransportgesetzes - Straße, BGBl. Nr. 411/1994 TGSt, verletzt, weshalb über ihn gemäß § 16 Abs. 1 Z 1 leg. cit. eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (= EUR 72,67), im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag, verhängt wurde, und

2. § 16 Abs. 2 Z 1 TGSt iVm § 1 Abs. 1 Z 3 der Tiertransportmittelverordnung, BGBl. Nr. 679/1996, verletzt, weshalb über ihn gemäß § 16 Abs. 2 Z 1 TGSt eine Geldstrafe von

S 1.500,-- (= EUR 109,01), im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden, verhängt wurde, und

3. § 16 Abs. 2 Z 1 TGSt iVm § 1 Abs. 1 Z 5 der Tiertransportmittelverordnung verletzt, weshalb über ihn gemäß § 16 Abs. 2 Z 1 TGSt eine Geldstrafe von S 1.500,-- (= EUR 109,01), im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden, verhängt wurde.

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in eventu wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

1.3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. § 4 Abs. 1 des Tiertransportgesetzes-Straße, BGBl. Nr. 411/1994, und § 16 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 Z 1 leg. cit. lauten wie folgt:

"Transportbescheinigung

§ 4. (1) Der Verfügungsberechtigte oder der beigezogene Tierarzt hat eine Transportbescheinigung auszustellen; in diese sind folgende Angaben einzutragen:

.....

6. der Zeitpunkt des Transportbeginns und der letzten Fütterung und Tränkung sowie ..... ."

"Strafbestimmungen

§ 16. (1) Wer

1. als Verfügungsberechtigter dem § 3 Abs. 1, dem § 4 Abs. 1 oder dem § 7 Abs. 2 zuwiderhandelt, ...

(2) Wer

1. als Zulassungsbesitzer eines Fahrzeuges, mit dem ein Tiertransport durchgeführt wird, Tiere in Transportfahrzeugen oder -behältnissen befördert, die nicht dem § 6 Abs. 1, 2 und 4 oder den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entsprechen, oder dem § 7 Abs. 1 zuwiderhandelt, oder ...

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 3 000 S bis 10 000 S zu bestrafen."

§ 1 Abs. 1 der Tiertransportmittelverordnung, BGBl. Nr. 679/1996, lautet wie folgt:

"Transportfahrzeuge und Transportbehältnisse

§ 1. (1) Die zur Beförderung von Tieren verwendeten Transportfahrzeuge und Transportbehältnisse müssen

.....

3. auf jeder Ebene genügend freien Raum vorsehen, um eine ausreichende Belüftung über den Tieren sicherzustellen, wenn diese sich in ihrer natürlichen, stehenden Haltung befinden, und um zu gewährleisten, dass ihre natürlichen Bewegungen in keiner Weise gehemmt werden;

.....

5. mit einer ausreichenden Menge an Einstreu zur Aufnahme der Exkremente versehen sein, sofern der gleiche Zweck nicht durch ein anderes, mindestens gleichwertiges Verfahren erreicht wird oder sofern die Exkremente nicht regelmäßig beseitigt werden."

2.2. Mit Beschluss vom 3. September 2003 gab der Verwaltungsgerichtshof den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gemäß § 41 Abs. 1 VwGG Folgendes bekannt:

"Für die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides könnte folgender, einer Partei bisher nicht bekannt gegebener Grund maßgebend sein:

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe ... .

2. Bei den dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verwaltungsstraftaten handelt es sich um Unterlassungsdelikte. Bei solchen Delikten ist der Tatort dort anzunehmen, wo der Täter hätte handeln sollen. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon im Zusammenhang mit Übertretungen von Arbeitszeitvorschriften und des Gefahrgutbeförderungsgesetzes ausgesprochen, dass dieser Ort dann, wenn solche Unterlassungen im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Unternehmens erfolgt sind, im Zweifel mit dem Sitz des Unternehmens zusammenfallen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. September 2001, Zl. 2000/03/0266). Dies ist auch für Unterlassungsdelikte nach dem Tiertransportgesetz-Straße bzw. der Tiertransportmittelverordnung anzunehmen. Der Sitz der als Verfügungsberechtigte bzw. als Zulassungsbesitzerin tätig gewordenen Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren zur Vertretung nach außen befugtes Organ der Beschwerdeführer ist, liegt nach dem angefochtenen Bescheid in der Bundesrepublik Deutschland. Damit eine an diesem Sitz begangene Verwaltungsübertretung strafbar ist, bedürfte es im Grunde des § 2 Abs. 1 VStG einer besonderen Regelung in den Verwaltungsvorschriften. Da eine solche offenbar nicht getroffen wurde, könnte der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet sein.

3. Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens werden gemäß § 41 Abs. 1 VwGG aufgefordert, zu dieser vorläufigen Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes binnen drei Wochen Stellung zu nehmen."

2.3. Die beschwerdeführende Partei schloss sich in ihrer Stellungnahme dieser vorläufigen Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes an. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie gab keine Stellungnahme ab. Die belangte Behörde wendete gegen diese vorläufige Rechtsauffassung des Gerichtshofs ein, dass ihrer Meinung nach der Beschwerdeführer verpflichtet gewesen wäre, entsprechende Maßnahmen zu setzen, die sicherstellen würden, dass der Tiertransport entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen durchgeführt werde. Solche Maßnahmen müssten ständig erfolgen, bzw. müsste der verantwortliche Zulassungsbesitzer bzw. Verfügungsberechtigte des Tiertransportes durch entsprechende Maßnahmen sicherstellen, dass während der gesamten Fahrtstrecke durch das Bundesgebiet die Einhaltung der tiertransportrechtlichen Bestimmungen gewährleistet sei. Wenn er dieser Verpflichtung nicht nachkomme und dies in Bundesgebiet im Zuge einer Verkehrskontrolle festgestellt werde, müsste demnach als Tatort der Ort der Anhaltung der im Bundesgebiet in Betracht kommen.

Mit diesem Einwand wird übersehen, dass der Ort, an dem der Beschwerdeführer tätig werden muss, um diese Sicherstellung zu gewährleisten, von dem Ort, an dem dann die einzelnen Sicherstellungsmaßnahmen konkret zu setzen sind, zu unterscheiden ist. Da das Tätigwerden seitens eines Unternehmens zur Gewährleistung der Sicherstellung - wie im zitierten hg. Beschluss vom 3. September 2003 ausgeführt - grundsätzlich (für Gegenteiliges gibt es vorliegend keine Anhaltspunkte) am Sitz des Unternehmens zu erfolgen hat, und der Sitz der beschwerdeführenden Partei unstrittig nicht in Österreich liegt, ist das Unterlassen solcher Maßnahmen - wie in dem genannten Beschluss dargelegt - nur dann strafbar, wenn dafür im Grunde des § 2 Abs. 1 VStG eine besondere Regelung getroffen wurde. Eine solche fehlt aber in der vorliegenden Konstellation. Für den Standpunkt der belangten Behörde ist auch mit ihrem zweiten Einwand, dass nach "ähnlich gelagerten Übertretungstatbeständen nach dem Kraftfahrgesetz (Einhaltung der Beladungsvorschriften) als Tatort für den Zulassungsbesitzer ebenfalls der Ort der Anhaltung heranzuziehen" sei, nichts gewonnen, ist doch eine Rechtslage, die nach zur Lösung des vorliegenden Beschwerdefalls nicht maßgeblichen gesetzlichen Regelungen (behauptetermaßen) allenfalls besteht, nicht auf den vorliegenden Beschwerdefall anzuwenden.

Der Verwaltungsgerichtshof erhebt daher seine in dem Beschluss vom 3. September 2003 ausgeführte vorläufige Rechtsansicht zu seiner endgültigen. Daraus folgt, dass der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nicht hätte bestraft werden dürfen, weil das ihm von der belangten Behörde vorgeworfene Unterlassen gemäß § 2 Abs. 1 VStG nicht strafbar ist (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 11. Dezember 1996, Zl. 96/03/0251, und vom 14. Mai 1997, Zl. 96/03/0365).

2.4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Vorbringen in der Beschwerde.

2.5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 18. November 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002030020.X00

Im RIS seit

12.12.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten