TE Vwgh Erkenntnis 2004/4/27 2001/18/0007

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Veröffentlicht am 27.04.2004
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §2 Abs3 Z4;
AufG 1992 §3 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §10 Abs2 Z3;
FrG 1997 §34 Abs1 Z2;
FrG 1997 §34 Abs1 Z3;
FrG 1997 §34 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §8 Abs4;
MRK Art8 Abs2;
MRK Art8;
StGB §146;
StGB §147 Abs1 Z1;
StGB §147 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der M, geboren 1952, vertreten durch Dr. Max Pichler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausstraße 21, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 16. November 1999, Zl. SD 620/99, betreffend Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 16. November 1999 wurde die Beschwerdeführerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 und Z. 3 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin sei in den Jahren 1991 und 1992 mehrmals unter rechtswidriger Ausnützung des Sichtvermerksabkommens mit Österreich in das Bundesgebiet eingereist. Im April 1992 sei sie in der Absicht nach Österreich gekommen, hier zu arbeiten und für immer hier zu bleiben. Am 6. Juli 1992 habe die damals 40-jährige Beschwerdeführerin einen 21-jährigen österreichischen Staatsbürger geheiratet. Nur wenige Tage nach ihrer Eheschließung habe sie einen Befreiungsschein beantragt. Sie habe einen bis zum 30. August 1994 gültigen Sichtvermerk und im Anschluss daran eine Aufenthaltsbewilligung als Angehörige eines österreichischen Staatsbürgers mit einer Gültigkeitsdauer bis zum 31. August 1996 erhalten. Diese Aufenthaltsbewilligung sei bis zum 16. Juli 1997 verlängert worden. Am 4. Juli 1997 habe die Beschwerdeführerin unter Hinweis darauf, dass sie seit fünf Jahren verheiratet sei und mit ihrem Mann zusammenlebe, einen Verlängerungsantrag gestellt. Noch im selben Monat habe der Ehemann der Beschwerdeführerin in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft Wien um die Nichtigerklärung seiner Ehe mit der Begründung ersucht, er sei die Ehe mit der Beschwerdeführerin nur eingegangen, um ihrer Familie einen Gefallen zu erweisen. Die Ehe der Beschwerdeführerin sei mit Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 14. Jänner 1999 gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt worden.

Die Beschwerdeführerin sei somit im Jahr 1992 eine Ehe eingegangen, um fremdenrechtlich bedeutsame Berechtigungen (Befreiungsschein und Aufenthaltsberechtigung) zu erhalten. Sie habe sich auch in weiterer Folge, zuletzt im Juli 1997, auf diese Ehe berufen, ohne je ein Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt zu haben. Damit sei der Tatbestand des § 34 Abs. 1 Z. 3 FrG erfüllt. Wenn auch kein Vermögensfluss vorliege und somit der Tatbestand im Sinn des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG nicht erfüllt sei, sei jedoch die Gefährdung der öffentlichen Ordnung gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG ein Versagungsgrund für einen Aufenthaltstitel. Der erst nachträglich bekannt gewordene Versagungsgrund hätte schon während der Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltstitels eine Ausweisung im Sinn des § 34 Abs. 1 Z. 1 FrG gerechtfertigt und stehe nunmehr auch der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Sinn des § 34 Abs. 1 Z. 2 FrG entgegen. Die Ausweisung sei auch gemäß § 34 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. gerechtfertigt.

Überdies sei die Beschwerdeführerin mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 10. August 1998 wegen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt worden. Die Beschwerdeführerin habe im Dezember 1997 und im Jänner 1998 mit einem Komplizen Verkehrsunfälle vorgetäuscht, um durch Vorlage einer inhaltlich unrichtigen Schadensmeldung die Auszahlung von Versicherungssummen zu erwirken. Die Beschwerdeführerin gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit, weshalb auch insoweit der Sichervermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG vorliege.

Die Beschwerdeführerin lebe seit April 1992 durchgehend in Österreich und sei hier berufstätig. Mit Beschluss vom 12. Mai 1995 sei ihr vom Bezirksgericht Innere Stadt Wien die Vormundschaft über drei minderjährige Kinder (ihre Enkel) übertragen worden. Sie lebe mit diesen im gemeinsamen Haushalt. Der Eingriff in das dadurch gegebene Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin sei jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und daher zulässig. Wer sich nämlich auf eine Scheinehe berufe, um sich eine Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen und überdies die österreichischen Strafrechtsvorschriften missachte, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die eine Ausweisung zum Schutz der öffentlichen Ordnung notwendig machten.

Auch die Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG falle zu Ungunsten der Beschwerdeführerin aus. Ihrer Integration komme kein entscheidendes Gewicht zu, weil die Erlaubtheit ihres Aufenthaltes auf das geschilderte rechtsmissbräuchliche Verhalten zurückzuführen sei. Die für die Integration erforderliche soziale Komponente sei durch ihr strafbares Verhalten erheblich gemindert. Die Auswirkungen der Ausweisung auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin würden nicht schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. Dabei sei festzuhalten, dass ihre drei Enkelkinder zwar schulpflichtig seien und seit drei Jahren in Österreich die Schule besuchen würden, jedoch bisher wegen mangelnder Deutschkenntnisse keine Zeugnisse erhalten hätten.

Vor diesem Hintergrund und unter Bedachtnahme auf das Gewicht der maßgeblichen öffentlichen Interessen könne ein weiterer Aufenthalt der Beschwerdeführerin auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden.

2. Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Dieser hat mit Beschluss vom 28. November 2000, B 1943/99, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Gemäß § 34 Abs. 1 Z. 3 FrG können Fremde, die sich auf Grund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn der Aufenthaltstitel einem Fremden erteilt wurde, weil er sich auf eine Ehe berufen hat, obwohl er ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht geführt hat.

1.2. Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, dass der im § 34 Abs. 1 Z. 3 FrG normierte Tatbestand verwirklicht sei. Dies im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführerin zuletzt auf Grund ihres Verlängerungsantrages vom 25. Juli 1996 die bis zum 16. Juli 1997 gültige Aufenthaltsbewilligung deshalb erteilt worden sei, weil sie sich auf die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger berufen habe, obwohl sie mit diesem nie ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 24. Juli 2001, Zl. 99/21/0083, Folgendes ausgeführt:

"Der belangten Behörde ist darin zuzustimmen, dass § 34 Abs. 1 Z. 3 FrG nach der in den Materialien zum Ausdruck gebrachten Zielvorstellung der Missbrauchsbekämpfung dient. Nach dem Gesetzeswortlaut werden nicht nur reine 'Scheinehen' erfasst, sondern auch solche Ehen, bei denen die Absicht des Antragstellers auf das Führen eines gemeinsamen Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK zwar im Zeitpunkt der Eheschließung gegeben war, jedoch in der Folge weggefallen ist, ohne dass die Ehe aufgelöst worden wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. November 2000, Zl. 2000/19/0126; siehe auch Muzak, in:

Muzak/Taucher/Aigner/Lober, Fremdenrecht Anm 4 zu § 8 FrG). In einer solchen Konstellation - sofern man nicht im Hinblick auf die zitierten Erläuterungen (arg.: 'Das Eingehen einer Ehe ...') eine teleologische Reduktion auf den Fall der eigentlichen 'Scheinehe' annehmen will - kann ein Missbrauch freilich denklogisch erst ab Inkrafttreten des § 8 Abs. 4 FrG (mit 1. Jänner 1998) gesetzt werden, weil vor diesem Zeitpunkt kein dieser Vorschrift vergleichbares Verbot existierte und weil die hier wesentlichen, auf die Ehegatteneigenschaft Bezug nehmenden Regelungen des davor in Geltung stehenden Aufenthaltsgesetzes (§ 2 Abs. 3 Z 4 und § 3 Abs. 1) nicht zusätzlich auf ein gemeinsames Familienleben abgestellten."

Die belangte Behörde hätte daher die Erteilung eines Aufenthaltstitels an die Beschwerdeführerin, weil sie sich am 25. Juli 1996 auf eine Ehe berufen hat, obwohl sie ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht geführt hat, nicht zum Anlass für eine Ausweisung nach § 34 Abs. 1 Z. 3 FrG nehmen dürfen.

2. Die Beschwerdeführerin hält sich während des Verfahrens zur Erteilung einer weiteren Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet auf. Sie kann gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 FrG ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht. Gemäß § 10 Abs. 2 FrG kann die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z. 2 leg. cit.) insbesondere versagt werden, wenn (Z. 3) der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 10. August 1998 wegen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2 Z. 1 und Abs. 2 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden zu sein. Sie hatte im Dezember 1997 und im Jänner 1998 mit einem Komplizen zwei Verkehrsunfälle vorgetäuscht, um jeweils durch Vorlage einer inhaltlich unrichtigen Schadensmeldung die Auszahlung von Versicherungssummen zu erwirken. Dieses Verhalten stellt eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentumskriminalität dar. Auf Grund dieser Gefährdung öffentlicher Interessen, die mit einem weiteren inländischen Aufenthalt der Beschwerdeführerin verbunden wäre, ist die belangte Behörde zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass der Tatbestand des Versagungsgrundes gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG erfüllt sei, zumal nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in Fällen, in denen - wie vorliegend (siehe unten 3.) - eine Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung gemäß § 37 FrG durchzuführen ist, eine zusätzliche Bedachtnahme auf Art. 8 EMRK im Rahmen der Beurteilung des Vorliegens eines Versagungsgrundes nicht erforderlich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. März 2002, Zl. 2001/18/0151).

3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde zu Gunsten der Beschwerdeführerin die Dauer ihres inländischen Aufenthaltes seit April 1992, ihre Berufstätigkeit in Österreich und die ihr am 12. Mai 1995 übertragene Vormundschaft für drei minderjährige Enkelkinder, mit denen sie im gemeinsamen Haushalt lebt und für die sie sorgepflichtig ist, berücksichtigt. Sowohl bei der Beurteilung, ob der Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei, als auch bei der gemäß § 37 Abs. 2 FrG durchzuführenden Interessenabwägung hat die belangte Behörde dem Umstand, dass sich die Beschwerdeführerin unter Berufung auf ihre Scheinehe eine Aufenthaltsberechtigung verschaffen wollte, maßgebliche Bedeutung beigemessen. Obgleich nach dem oben Gesagten das Verhalten der Beschwerdeführerin vorliegend den Tatbestand des § 34 Abs. 1 Z. 3 FrG nicht erfüllt, durfte die belangte Behörde den Umstand, dass der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel erteilt wurde, weil sie sich auf eine Ehe berufen hat, obwohl sie ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht geführt hat, der Interessenabwägung nach § 37 FrG zu Grunde legen, weil - unabhängig davon, dass die Ausweisung darauf nicht gestützt werden konnte (vgl. oben 2.) - die aus der Dauer des Aufenthalts ableitbaren persönlichen Interessen in ihrem Gewicht dadurch erheblich gemindert werden, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin - nach Einreise mit einem Visum C - nur auf Grund der nach dem Eingehen ihrer Scheinehe erteilten Aufenthaltsbewilligung berechtigt war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. September 2002, Zl. 2002/18/0163). Den im Hinblick auf ihre Berufstätigkeit und das von ihr ausgeübte Sorgerecht über drei minderjährige Kinder, mit denen sie im gemeinsamen Haushalt lebt, dennoch großen persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin steht die von ihr in Anbetracht ihres Fehlverhaltens ausgehende erhebliche Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und an der Verhinderung der Eigentumskriminalität, dem aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, gegenüber. Von daher begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und dass die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), keinen Bedenken. Dem Einwand der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde habe auf die Milderungsgründe des Strafurteils nicht Bedacht genommen, ist zu erwidern, dass die Behörde das Fehlverhalten des Fremden eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes und unabhängig von den gerichtlichen Erwägungen betreffend die Strafbemessung bzw die Gewährung bedingter Strafnachsicht zu beurteilen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1998, Zl. 98/18/0287).

4. Die Beschwerdeführerin wurde auch dadurch, dass die belangte Behörde von dem ihr im Rahmen des § 34 Abs. 1 FrG durch die Wortfolge "können ... ausgewiesen werden" eingeräumten Ermessen, von der Erlassung der Ausweisung abzusehen, nicht Gebrauch gemacht hat, nicht in Rechten verletzt. Art. 130 Abs. 2 B-VG normiert für die Überprüfung von Ermessensentscheidungen einen besonderen Prüfungsmaßstab. Die Ermessensübung ist (nur) dann als rechtswidrig zu erkennen, wenn die Behörde nicht "im Sinne des Gesetzes", also im Sinn der im Gesetz festgelegten Kriterien der Ermessensübung entschieden hat. Im Hinblick auf diese Einschränkung seiner Befugnis hat der Verwaltungsgerichtshof nur zu prüfen, ob die Behörde unter Einbeziehung der im Gesetz festgelegten Kriterien (noch) eine vertretbare Lösung gefunden hat oder ob ihr ein Ermessensfehler zum Vorwurf gemacht werden muss, dass heißt, ob sie bei der Ermessensübung zu berücksichtigende Umstände unbeachtet gelassen, unsachliche Ermessenskriterien herangezogen, die gebotene Abwägung überhaupt unterlassen oder dabei das Gewicht der abzuwägenden Sachverhaltselemente grob verkannt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2002, Zl. 97/08/0442).

Die belangte Behörde hat bei der Ermessensübung im Sinn des § 34 Abs. 1 FrG in Erwägung zu ziehen, ob und wenn ja, welche Umstände im Einzelfall gegen die Erlassung einer Ausweisung sprechen und sich hiebei insbesondere von den Vorschriften des FrG leiten zu lassen. Es können etwa - anders als bei der nach § 37 FrG vorzunehmenden Beurteilung der Zulässigkeit einer Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 FrG - öffentliche Interessen zu Gunsten eines Fremden berücksichtigt werden und bei entsprechendem Gewicht eine Abstandnahme von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen der Ermessensentscheidung rechtfertigen. Aber auch persönliche, schon im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit nach § 37 FrG zu berücksichtigende Interessen sind bei der Handhabung des Ermessens nach § 34 Abs. 1 FrG dann zu beachten, wenn dies erforderlich ist, um den besonderen im Einzelfall gegebenen Umständen gerecht zu werden.

Die belangte Behörde hat ihre Ermessensentscheidung damit begründet, dass "vor diesem Hintergrund und unter Bedachtnahme auf das Gewicht der maßgeblichen öffentlichen Interessen" ein weiterer Aufenthalt der Beschwerdeführerin nicht in Kauf genommen werden könne. Damit hat sie (auch) im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung dem Umstand der Berufung der Beschwerdeführerin auf eine Scheinehe Bedeutung beigemessen, was unabhängig davon zulässig war, dass vorliegend der zusätzlich herangezogene Ausweisungstatbestand des § 34 Abs. 1 Z. 3 FrG (noch) nicht erfüllt war.

5. Die Beschwerde war nach dem Gesagten gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. April 2004

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Begründung von Ermessensentscheidungen Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Ermessensentscheidungen Ermessen Ermessen VwRallg8

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001180007.X00

Im RIS seit

07.06.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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