TE Vwgh Erkenntnis 1998/10/15 98/18/0287

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Veröffentlicht am 15.10.1998
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §81 Abs1 Z1;
FrG 1993 §81 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z5;
FrG 1997 §37 Abs1;
StGB §32;
StGB §43;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des S K, vertreten durch Dr. Peter Zawodsky, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Gumpendorfer Straße 71/10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 11. August 1998, Zl. SD 289/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 11. August 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 5 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer, der nach der Aktenlage im Dezember 1989 nach Österreich gekommen sei, sei von der "Fremdenpolizeibehörde" wegen seines unrechtmäßigen Aufenthaltes vom 4. März bis 19. November 1990 bestraft worden. Danach habe er nach Vorlage von Verpflichtungserkärungen sowie einer Beschäftigungsbewilligung Sichtvermerke bis zum 17. Dezember 1993 und dann Aufenthaltsbewilligungen, gültig bis 1. März 1999, erhalten. Am 9. September 1997 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht Eisenstadt wegen Vergehens der Schlepperei gemäß § 81 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten, unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig verurteilt worden. Er sei schuldig gesprochen worden, mit Mitgliedern einer Schlepperorganisation um seines Vorteils willen gewerbsmäßig gegen Entgelt von "DM 2.000,-- bis 3.500,-- pro zu schleppernder Person" die rechtswidrige Einreise von Fremden, und zwar jugoslawischen und türkischen Staatsangehörigen, von Ungarn nach Österreich gefördert zu haben, indem er Kontakte hergestellt, Schleppungen organisiert, die zu schleppenden Personen und weitere Mitglieder der Schlepperorganisation vermittelt sowie auch selbst Transporte durchgeführt habe, wobei die Schleppung von zumindest sieben Personen festgestellt worden sei. Diese Tathandlung bzw. diese Verurteilung entspräche dem Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 5 FrG. Das dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verhalten stelle eine besonders schwerwiegende Gefährdung eines geordneten Fremdenwesens und damit der öffentlichen Ordnung im Sinn des § 36 Abs. 1 FrG dar. In einem solchen Fall sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unter dem Vorbehalt der §§ 37 und 38 FrG gerechtfertigt.

Der Beschwerdeführer lebe, wie er selbst in seiner Stellungnahme vom 21. Oktober 1997 angebe, seit 1991 mit seiner Gattin und zwei Kindern in Österreich. Im Bundesgebiet lebten außerdem noch zwei Schwestern sowie ein Bruder des Beschwerdeführers. Es könne kein Zweifel bestehen, daß es sich bei der Erlassung des Aufenthaltsverbotes angesichts der Dauer des Aufenthaltes und der familiären Bindungen um einen Eingriff im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG handle. Dieser Eingriff sei aber im Hinblick auf das Verhalten des Beschwerdeführers zur Verteidigung eines geordneten Fremdenwesens, somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, dringend geboten. Die im Hinblick auf die Integration des Beschwerdeführers, bei der allerdings die soziale Komponente erheblich beeinträchtigt sei, gegebenen Auswirkungen auf seine Lebenssituation und die seiner Familie seien aber angesichts der Bedeutung, die der Bekämpfung des Schlepperunwesens zukomme, bei weitem nicht so schwerwiegend wie die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes, sodaß eine Abstandnahme von dieser Maßnahme im vorliegenden Fall auch "im Rahmen des Ermessens" nicht in Kauf genommen werden könne.

Die belangte Behörde habe auch nicht finden können, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes aufgrund der Bestimmungen des § 38 FrG unzulässig wäre, zumal vor der Verwirklichung des für das Aufenthaltsverbot maßgeblichen Sachverhaltes weder die Verleihung der Staatsbürgerschaft im Sinn des § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 in Betracht gekommen wäre, noch die Voraussetzungen für eine "Aufenthaltsverfestigung" im Sinn des § 38 Abs. 1 Z. 2 iVm § 35 FrG gegeben gewesen seien.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer durch sein inkriminiertes Fehlverhalten den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 5 FrG ("um seines Vorteils willen Schlepperei begangen oder an ihr mitgewirkt hat") verwirklicht habe, unbekämpft. Aufgrund der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen besteht gegen diese Beurteilung kein Einwand.

1.2. Im Hinblick auf die erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch das Schlepperunwesen (vgl. das zum Fremdengesetz BGBl. Nr. 838/1992 ergangene, wegen der insoweit nicht geänderten Rechtslage auch hier maßgebliche hg. Erkenntnis vom 17. April 1997, Zl. 97/18/0055, mwH) ist auch die Ansicht der belangten Behörde, es sei im Beschwerdefall die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, nicht rechtswidrig. Entgegen der Beschwerde hatte die belangte Behörde das Fehlverhalten des Beschwerdeführers eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes und unabhängig von den gerichtlichen Erwägungen betreffend die Strafbemessung bzw. die Gewährung bedingter Strafnachsicht vorzunehmen (vgl. das ebenfalls zum Fremdengesetz BGBl. Nr. 838/1992 ergangene, wegen der insoweit nicht geänderten Rechtslage auch hier maßgebliche hg. Erkenntnis vom 4. Dezember 1997, Zl. 97/18/0563).

2.1. Der Beschwerdeführer bekämpft die von der Behörde im Grunde des § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG vorgenommene Beurteilung. Der Beschwerdeführer befinde sich seit 1989 in Österreich und sei seit 1991 berufstätig; mit ihm lebten seine Familie, bestehend aus seiner Frau und seinen beiden Kindern (geboren 1990 und 1994). Weiters lebten die Mutter des Beschwerdeführers, seine beiden Schwestern sowie sein Bruder und dessen Familie in Österreich. Die Verhängung des Aufenthaltsverbotes sei nicht dringend geboten im Sinn von § 37 Abs. 1 FrG, weil gerade durch die bedingte Strafnachsicht durch das Landesgericht Eisenstadt evident werde, daß es "eben keines Strafvollzugs" bedürfe, um den Beschwerdeführer in Zukunft von strafbaren Handlungen abzuhalten; mit der Erlassung des vorliegenden Aufenthaltsverbotes nehme die Behörde einen gesetzwidrigen und zum Vergleich zum Landesgericht Eisenstadt "völlig unverhältnismäßig verschärften Standpunkt ein", da für das Gericht weder aus spezial- noch aus generalpräventiven Gründen der Ausspruch einer Freiheitsstrafe erforderlich gewesen sei. Die belangte Behörde habe es unterlassen, sich damit auseinanderzusetzen, inwieweit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich gerade jene Gefährdung vorliege, welche vom Landesgericht Eisenstadt verneint worden sei.

Weiters habe die belangte Behörde auf eine Erörterung der Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf das Familienleben des Beschwerdeführers verzichtet. Der Beschwerdeführer trage Unterhaltspflichten sowohl für seine Frau als auch für die beiden Kinder, denen er dann nachkommen könne, wenn er sich auch weiterhin in Österreich aufhalten dürfe. Die belangte Behörde verkenne offensichtlich zur Gänze, was es bedeute, wenn eine Trennung des Beschwerdeführers von seiner Familie für die Dauer von zehn Jahren erfolge.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Mit seinem auf die in Rede stehende strafgerichtliche Verurteilung gerichteten Vorbringen ist der Beschwerdeführer auf die Ausführungen unter II.1.2. zu verweisen, wonach die belangte Behörde ihre Beurteilung eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdengesetzes zu treffen hatte. Das besagte Vorbringen ist daher nicht zielführend.

Im übrigen bestehen gegen die von der belangten Behörde getroffene Beurteilung nach § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG keine Bedenken. In Anbetracht der Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers und seiner familiären Bindungen hat die belangte Behörde zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Ebenso zutreffend ist die belangte Behörde aber zu dem Ergebnis gelangt, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 37 Abs. 1FrG dringend geboten ist, weil im Hinblick auf Art. 8 Abs. 2 EMRK die Notwendigkeit dieser Maßnahme in dem besonders großen öffentlichen Interesse an der Bekämpfung des Schlepperunwesens begründet ist (vgl. das schon zitierte hg. Erkenntnis vom 17. April 1997).

Wenn die belangte Behörde bei der nach § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Interessenabwägung die Ansicht vertreten hat, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung, ist dies ebenfalls nicht als rechtsirrig zu erkennen, wiegt doch die im Fehlverhalten des Beschwerdeführers - dem gewerbsmäßige Begehung der Schlepperei und somit die Absicht zur wiederkehrenden Begehung dieses Deliktes, um sich daraus eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB), zur Last liegt - begründete nachhaltige Gefährdung des genannten maßgeblichen öffentlichen Interesses entschieden schwerer als die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie. Was die Integration des Beschwerdeführers betrifft, wurde von der belangten Behörde zutreffend auf die erhebliche Beeinträchtigung der für eine Integration wesentlichen sozialen Komponente durch das schwerwiegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers hingewiesen; dies gilt auch in bezug auf eine aus seiner beruflichen Tätigkeit (allenfalls) abzuleitende Integration. Weiters ist der Beschwerde entgegenzuhalten, daß Unterhaltszahlungen des Beschwerdeführers - allenfalls in einem verminderten Umfang - auch vom Ausland aus erbracht werden können und ein eingeschränkter Kontakt zur Familie dadurch aufrecht erhalten werden kann, daß der Beschwerdeführer von seiner Frau und den Kindern im Ausland besucht wird.

2.3. Vor dem Hintergrund des Gesagten ist die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe ihre Beurteilung im Lichte des § 37 FrG nicht "entsprechend" begründet, nicht zielführend.

3. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 FrG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 15. Oktober 1998

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998180287.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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