RS OGH 2000/8/10 15Os84/00 (15Os85/00), 15Os105/01, Bsw28328/03, 11Os53/15a (11Os141/15t)

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 10.08.2000
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Norm

MRK Art6 Abs1 II5b2
MRK Art6 Abs3 litd IV4
StPO §281 Abs1 Z4 B

Rechtssatz

Der Zweck der Regelung des Art 6 Abs 3 lit d MRK ist erfüllt, wenn das Gericht dem Angeklagten oder seinem Verteidiger eine breite Möglichkeit der Zeugenbefragung einräumt. Diese soll zwar grundsätzlich in Anwesenheit des Angeklagten erfolgen. Lässt dies aber das Interesse des Zeugen (hier: Opfer einer Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB) nicht zu, so kann davon abgesehen werden.

Der Beurteilung der Einhaltung des Fairnessgebots (Art 6 Abs 1 MRK) ist das Verfahren in seiner Gesamtheit zu Grunde zu legen. Wurde dem Verteidiger während der Zeugenvernehmung stets die Möglichkeit zur Fragestellung eingeräumt und hatte darüber hinaus auch der Angeklagte selbst das Recht, Fragen an den Zeugen zu formulieren, welche diesem auch vorgelegt und von ihm in Anwesenheit des Verteidigers beantwortet werden, und ist der Schuldspruch keineswegs allein auf dessen Aussage gegründet, sonder kann sich das Tatgericht vielmehr auch auf objektive Beweise (zum Beispiel ärztliche Gutachten, Untersuchungsbericht, Lichtbilder über Verletzungen; im konkreten Fall auch auf ein Teilgeständnis) stützen, dann wurden vom Schöffengericht keine Verfahrensgrundsätze verletzt, deren Beobachtung insbesondere durch Art 6 MRK oder sonst durch das Wesen eines die Strafverfolgung und die Verteidigung sichernden fairen Verfahrens geboten ist.

Entscheidungstexte

  • 15 Os 84/00
    Entscheidungstext OGH 10.08.2000 15 Os 84/00
  • 15 Os 105/01
    Entscheidungstext OGH 06.09.2001 15 Os 105/01
    nur: Der Beurteilung der Einhaltung des Fairnessgebots (Art 6 Abs 1 MRK) ist das Verfahren in seiner Gesamtheit zu Grunde zu legen. Wurde dem Verteidiger während der Zeugenvernehmung stets die Möglichkeit zur Fragestellung eingeräumt und hatte darüber hinaus auch der Angeklagte selbst das Recht, Fragen an den Zeugen zu formulieren, welche diesem auch vorgelegt und von ihm in Anwesenheit des Verteidigers beantwortet werden, und ist der Schuldspruch keineswegs allein auf dessen Aussage gegründet, sonder kann sich das Tatgericht vielmehr auch auf objektive Beweise (zum Beispiel ärztliche Gutachten, Untersuchungsbericht, Lichtbilder über Verletzungen; im konkreten Fall auch auf ein Teilgeständnis) stützen, dann wurden vom Schöffengericht keine Verfahrensgrundsätze verletzt, deren Beobachtung insbesondere durch Art 6 MRK oder sonst durch das Wesen eines die Strafverfolgung und die Verteidigung sichernden fairen Verfahrens geboten ist. (T1)
  • Bsw 28328/03
    Entscheidungstext AUSL EGMR 10.05.2012 Bsw 28328/03
    Auch; nur: Der Zweck der Regelung des Art 6 Abs 3 lit d MRK ist erfüllt, wenn das Gericht dem Angeklagten oder seinem Verteidiger eine breite Möglichkeit der Zeugenbefragung einräumt. Diese soll zwar grundsätzlich in Anwesenheit des Angeklagten erfolgen. Lässt dies aber das Interesse des Zeugen (hier: Opfer einer Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB) nicht zu, so kann davon abgesehen werden. Der Beurteilung der Einhaltung des Fairnessgebots (Art 6 Abs 1 MRK) ist das Verfahren in seiner Gesamtheit zu Grunde zu legen. (T2)
    Beisatz: Bei der Beurteilung, ob einem Beschuldigten ein faires Verfahren zuteil geworden ist, muss das Recht auf Achtung des Privatlebens des angeblichen Opfers berücksichtigt werden. (Bem: Aigner gg. Österreich) (T3)
    Veröff: NL 2012,161
  • 11 Os 53/15a
    Entscheidungstext OGH 12.04.2016 11 Os 53/15a
    Vgl; nur T2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2000:RS0113949

Im RIS seit

09.09.2000

Zuletzt aktualisiert am

03.06.2016
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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