TE OGH 1950/2/1 1Ob38/50

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Veröffentlicht am 01.02.1950
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Norm

ABGB §879
ABGB §986
ABGB §1094
Wucherverordnung vom 12. Oktober 1914. RGBl. Nr. 279 §1

Kopf

SZ 23/17

Spruch

Wertsicherungsklausel auf der Basis von Mostsortenpreisen.

Entscheidung vom 1. Februar 1950, 1 Ob 38/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Gleisdorf; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

In einem am 10. Mai 1947 geschlossenen Pachtvertrag wurde für den Pachtzins, der mit monatlich 100 S festgelegt wurde und in zwei Halbjahresraten am 1. Mai und 1. November eines jeden Jahres im vorhinein zu entrichten war, folgende Wertsicherung vereinbart:

Die im Monat Mai fällig werdende Bestandzinsrate ist in jenem Maße erhöht oder vermindert bar zu bezahlen, in welcher der Ablieferungspreis für Apfelmost, welcher unter Berücksichtigung der verschiedenen Mostsorten im Durchschnitte heute für ein Liter 50 g beträgt, sich für den Zahlungstag gegenüber heute erhöht oder vermindert. Die mit erstem November jeweils fällig werdende Bestandzinsrate ist in jenem Maße erhöht oder vermindert bar zu bezahlen, in welchem sich der Ablieferungspreis für "Maschansker" und für "Kronprinz" am Zahlungstage gegenüber heute erhöht oder vermindert hat, wozu festgestellt wird, daß der Ablieferungspreis für Maschansker ab Abgabestelle 50 g das Kilogramm und für Kronprinz ab Abgabestelle 60 g betragen hat, so daß also rücksichtlich dieser beiden Apfelsorten das arithmetische Mittel aus den beiderseitigen Ablieferungspreisen zu ziehen ist. Sollte für das eine oder andere am Zahlungstage ein Ablieferungspreis nicht mehr in Kraft sein, so tritt an dessen Stelle der amtliche Höchstpreis, wenn ein solcher nicht besteht, der amtliche Richtpreis und, wenn ein solcher nicht besteht, der ortsübliche Preis. Sollten sich die Vertragsseiten über das Maß der Erhöhung und Minderung und damit über die Höhe der jeweils tatsächlich auszubezahlenden Bestandzinsraten nicht einigen können, so hat dieses Maß, bzw. die Höhe des jeweils tatsächlichen auszubezahlenden Betrages das Bezirksgericht Gleisdorf, wenn zulässig im außerstreitigen Verfahren, festzusetzen.

Der Verpächter beanspruchte für die am 1. November 1948 fällig gewordene Halbjahresrate eine Aufwertung des monatlichen Pachtschillings auf 240 S und beantragte, da die Pächter eine Aufwertung ablehnten, ihre Verurteilung zur Bezahlung des Betrages von 1440 S s. A. Das Prozeßgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, daß die Wertsicherungsklausel rechtlich unwirksam sei, zumal der vereinbarte Pachtzins der Höhe nach von der Grundverkehrskommission genehmigt worden sei.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Prozeßgerichtes auf und verwies die Sache nach Rechtskraft an dieses zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück. Es vertrat die Ansicht, daß Wertsicherungsklauseln der gegenständlichen Art zulässig seien, und führte hiezu u. a. aus: Eine Klausel, die eine Werterhöhung begrundet, das Preisgebilde zerstören konnte, sei verboten gewesen (Preisstopverordnung vom 29. März 1938, GBlÖ. Nr. 53) und zum großen Teile auch heute noch verboten. Dieses Erhöhungsverbot der Preisstopverordnung enthalte jedoch das Verbot einer "echten" Preiserhöhung, u. zw. (§ 1) für Preise und Entgelte jeder Art, und bezog sich demnach nicht nur auf Kaufpreise, sondern auch auf Pachtzinse. Diese Verordnung sei aber in der Folge durchlöchert worden und das wirtschaftliche Gefüge habe sich so geändert, daß mit dem in ihr enthaltenen starren Prinzip gebrochen werden mußte. Der nationalsozialistische Staat habe die Arbeitsleistung des einzelnen und somit des ganzen Volkes zur ausschließlichen Grundlage für den Wert der Währung und die Kaufkraft des Geldes bestimmt. Nach Kriegsende habe sich die Lage völlig geändert. Die Konstruktion des NS-Staates, daß nur die Arbeit die Grundlage der Währung sei, konnte im kleinen Österreich, in das knapp vor dem Kriegsende Unmassen von Reichsmarkbeträgen gebracht worden waren, die das wirtschaftliche Gefüge des neuen Staates zerrütteten, allein nicht mehr halten, weil das vorhandene Geld mit der Arbeitsleistung des kleinen Volkes nicht in Übereinstimmung gebracht werden konnte. Die seither getroffenen Maßnahmen (Schillinggesetz, Währungsschutzgesetz) konnten diese Folgen nur zum Teile bannen; daher wurden seit jener Zeit (zum Teil aber auch schon vor 1938 aus ähnlichen Gründen) Wertsicherungsklauseln verwendet. Diese Klauseln seien aber keine zum Zwecke einer Werterhöhung, sondern reine Wertsicherungsklauseln. Ihr Zweck sei nur, ein gleichbleibendes Verhältnis zwischen den beiden Leistungen der Vertragspartner zu schaffen, was sich besonders dort als notwendig erweise, wo einer dauernden Sachleistung eine periodische Geldleistung entgegenstehe, man also befürchten mußte, daß bei einer Geldentwertung gerade die Sachleistung (im gegenständlichen Falle die Beistellung des Pachtgrundes) rein numerisch eine Erhöhung findet, während die Gegenleistung in Geld (im gegenständlichen Falle der Pachtzins) zahlenmäßig gleichbleiben und damit sich eine wertmäßige Verschiebung zuungunsten des Geldempfängers ergeben würde. Eine solche Sicherungsklausel habe mit den verschiedenen Goldklauseln nichts zu tun, da diese die Loslösung der Verträge von der Goldbasis deshalb bewirken mußten, weil nicht mehr genügende Golddeckung als ursprüngliche Währungssicherung vorhanden war und durch solche Klauseln, insbesondere die Effektivklauseln, eine direkte Bedrohung der Währung eintreten konnte. In einer Klausel, die nur ein gleichbleibendes Verhältnis der gegenteiligen Leistung sichern solle, liege kein Verstoß gegen das Bedarfsdeckungsstrafgesetz oder das Preiserhöhungsverbot, noch sonst ein Verstoß gegen das Preisgebilde oder gegen die guten Sitten.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten keine Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung vom 25. Mai 1949, 3 Ob 152/49, JBl. 1949, S. 456, und in der Entscheidung vom 21. Dezember 1949, SZ. XXII/206, ausgeführt hat, verstoßen Wertsicherungsklauseln an sich weder gegen das Gesetz, noch gegen die guten Sitten. Wenn bei Klauseln, die bezwecken, die mangelnde Stabilität der österreichischen Währung gegenüber dem Auslande zu paralysieren, und welche, wenn in größerer Anzahl abgeschlossen, geeignet sind, die Währungsgrundlage zu erschüttern, immerhin an ihrer Zulässigkeit - als Valutawertklauseln - gezweifelt werden kann, fällt eine solche Erwägung bei Kaufkraftklauseln weg, da durch diese die inländische Währung nicht unterhöhlt wird, insofern der Lebenshaltungskostenindex der eingetretenen internationalen Entwertung der Landeswährung immer erst in langen Abständen folgt. Es sind daher Kaufkraftklauseln in den meisten Rechtsordnungen zulässig.

Nur soweit der Gesetzgeber Wertsicherungsklauseln ausdrücklich verboten hat, ist die Berücksichtigung einer vereinbarten Wertsicherungsklausel unzulässig. Das gilt von der Goldklausel, die in einer Reihe von Gesetzen untersagt wurde. Auch Valutenklauseln sind nach dem Devisengesetz grundsätzlich nicht gestattet. Diese Bestimmungen stehen aber einer Vereinbarung der Streitteile, nach der die Leistungen nach dem Lebenshaltungskostenindex abgestimmt sind, nicht entgegen.

Durch die Verordnung über wertbeständige Rechte vom 16. November 1940, DRGBl. I S. 1521, wurde nur die Bestellung von Grundpfandrechten für wertgesicherte Rechte beschränkt, nicht aber die Vereinbarung von Darlehen, Mietzinsen, Pachtzinsen u. dgl.

Auch den preisrechtlichen Vorschriften kommt keine Bedeutung für die gegenständlich vereinbarte Wertsicherung zu. Die Verordnung über das Verbot von Preiserhöhungen im Lande Österreich vom 29. März 1938, DRGBl. I S. 340, verbietet nur die Erhöhung von Preisen und Entgelten jeder Art, insbesondere für die Bedürfnisse des täglichen Lebens und Waren aller Art.

Ein allgemeines, ausnahmsloses Verbot von Wertsicherungsklauseln besteht nur bei Versicherungsverträgen (Erlaß des Bundesministerium für Finanzen vom 28. März 1946, Zl. 25320-19/46, legalisiert durch das Gesetz BGBl. Nr. 124/49).

In Hinblick auf die grundsätzliche Anerkennung der Zulässigkeit einschlägiger Wertsicherungsklauseln erledigt sich auch der vom Rekurs gemachte Hinweis auf die Anordnung des Bundesministeriums für Inneres vom 14. Juni 1948, Zl. 75153-11/48, wonach "von nun an Wertsicherungsklauseln bei Pachtverträgen nicht beanstandbar" seien. Denn hier wird eben nur den hier entwickelten Grundsätzen Rechnung getragen, nicht ein Verbot ausdrücklich aufgehoben, wie der Revisionsrekurs vermeint.

Zutreffend verweist das Berufungsgericht darauf, daß das Preisregelungsgesetz vom 21. April 1948, BGBl. Nr. 87, das sich zwar sachlich auch auf landwirtschaftliche Grundstücke und Realitäten bezieht, wie sich aus dem Sinne des Gesetzes ergebe, nur "echte" Preiserhöhungen verbiete, die durch entsprechende Kontrolle verhindert werden sollen. Zutreffend verweist weiter das Berufungsgericht darauf, daß die Preisregelungsverordnung vom 29. November 1948, BGBl. Nr. 8/49, den Grundverkehr ausdrücklich nicht einbezogen hat, so daß hierin eine weitere Lockerung der bisherigen Bestimmungen erblickt werden müsse.

Es sprechen daher keinerlei gesetzlichen Vorschriften gegen die Zulässigkeit von Wertsicherungsklauseln der hier in Frage stehenden Art.

Auch von einer Nichtigkeit des Vertrages im Sinne des § 1 der kaiserlichen Verordnung vom 12. Oktober 1914, RGBl. Nr. 275, über den Wucher, bzw. § 879 Abs. 2 Z. 4 ABGB. kann im gegebenen Falle keine Rede sein.

Entgegen den bezüglichen Ausführungen des Rekurses haben die Beklagten bei der Streitverhandlung vom 5. Mai 1949 lediglich den Pachtzins seiner Höhe nach als wucherisch bezeichnet, keineswegs jedoch behauptet und unter Beweis gestellt, sie seien zu dem - übrigens vor einem Notar abgeschlossenen - Vertrage in Ausbeutung von Leichtsinn, Zwangslage, Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung veranlaßt worden.

Es darf - worauf abschließend zu verweisen ist - nicht übersehen werden, daß es sich in Fällen der gegenständlichen Art darum handelt, denjenigen, der eine oft sein einziges Gut bildende Sache gegen periodisch zu leistende Geldzahlungen bestimmter Höhe hingibt, die für einen längeren Zeitraum gedacht sind, davor zu bewahren, daß eine durch die Zeitverhältnisse bedingte, etwa eintretende Änderung des Geldwertes sich gegen ihn in oft geradezu katastrophaler Weise auswirkt. In Fällen dieser Art ist, was der Rechtsmittelwerber verkennt, gerade derjenige der wirtschaftlich Schwächere und daher Schutzbedürftige, der den Realwert darbietet, während der Gegenkontrahent aus der Geldentwertung auf Kosten desjenigen, der den Realwert leistet, ungerechtfertigten, weil mit den tatsächlichen Verhältnissen in krassem Gegensatz stehenden Nutzen zieht.

Es war daher der angefochtene Beschluß des Berufungsgerichtes aus seinen zutreffenden Gründen zu bestätigen.

Anmerkung

Z23017

Schlagworte

Bestandvertrag mit Wertsicherungsklausel, Geld, Geld Wertsicherungsklausel, Mostsortenpreise als Wertsicherung, Pachtvertrag mit Wertsicherungsklausel, Preisstopp, Wertsicherungsklausel in Pachtvertrag, Valorisierung Wertsicherungsklausel in Pachtvertrag, Währung Wertsicherungsklausel, Wertsicherungsklausel in Pachtvertrag, Zins Wertsicherungsklausel in Pachtvertrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0010OB00038.5.0201.000

Dokumentnummer

JJT_19500201_OGH0002_0010OB00038_5000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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