TE OGH 1950/11/15 2Ob737/50

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Veröffentlicht am 15.11.1950
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Norm

ABGB §1412
Devisengesetz §1
Devisengesetz §3
Devisengesetz §4
Devisengesetz §22
ZPO §180
ZPO §182
ZPO §266
ZPO §405
ZPO §432

Kopf

SZ 23/332

Spruch

Grenzen der Manuduktionspflicht im Gerichtshofverfahren.

Gültigkeit des Punktes 7 der Kundmachung Nr. 8 zum Devisengesetz.

Ein Gerichtserlag ist auch dann nicht genehmigungspflichtig, wenn der Erleger Devisenausländer ist, die Fälle des Punktes 1 der Kundmachung Nr. 8 ausgenommen.

Entscheidung vom 15. November 1950, 2 Ob 737/50.

I. Instanz: Landesgericht Feldkirch; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Das Berufungsgericht wies in Abänderung des erstrichterlichen Urteiles die auf Zahlung gerichtete Klage ab, weil Kläger Devisenausländer sei.

Gegen diese Entscheidung ergriff die Klägerin Revision, in der sie unter Geltendmachung der Revisionsgrunde der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung beantragte, sie im Sinne einer Wiederherstellung der erstrichterlichen Entscheidung abzuändern, oder doch diese mit der Maßgabe wiederherzustellen, daß der Beklagte die der Klägerin zugesprochenen Beträge zu Gericht zu erlegen habe, allenfalls das Urteil des Berufungsgerichtes aufzuheben und die Sache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

In eventu beantragte die Klägerin auch, das Verfahren gemäß § 22 Abs. 3 DevG. bis zur Einholung der Entscheidung der Nationalbank zu unterbrechen, und im Falle einer Bewilligung der Nationalbank zur Erbringung der eingeklagten Leistungen das Urteil erster Instanz in Abänderung der angefochtenen Entscheidung wiederherzustellen.

Der Oberste Gerichtshof hob auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Verfahrensmängel liegen nicht vor. Denn es ist unzutreffend, daß das Berufungsgericht die Frage nach der Eigenschaft des Beklagten als eines Devisenausländers im Sinne des § 1 Z. 10 DevG. über das Vorbringen der Parteien hinaus von Amts wegen hätte prüfen sollen. Die Revision verkennt offenbar völlig das Wesen des von der Verhandlungsmaxime in den Grenzen des § 182 ZPO. geleiteten Zivilprozesses. Es ist Aufgabe der Parteien, die erforderlichen Tatsachenbehauptungen aufzustellen und das ihrer Erweisung dienende Beweismaterial anzubieten, wenn auch die materielle Prozeßleitungspflicht des Gerichtes diesem auferlegt, darauf hinzuwirken, daß die für die Entscheidung notwendigen tatsächlichen Angaben gemacht oder vervollständigt und Beweismittel für diese Angaben bezeichnet werden. Das Gericht hat, wenn einmal Parteibehauptungen vom Gegner im Laufe des Rechtsstreites ausdrücklich zugestanden werden, gemäß § 266 ZPO. keine weiteren Erhebungen zu pflegen, sondern diese Tatsachen als nicht mehr beweisbedürftig seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Nun haben die Parteien aber in der mündlichen Berufungsverhandlung außer Streit gestellt, daß der Beklagte im Frühjahr 1949 nach Brasilien verzogen, seither von dort nicht zurückgekehrt und dort unbekannten Aufenthaltes ist und daß ihm auch Frau und Kinder dorthin im Mai 1949 gefolgt sind. Daraus konnte und mußte aber das Berufungsgericht in rechtlicher Beziehung die Folgerung ableiten, daß der Beklagte durch seine Auswanderung Devisenausländer im Sinne des § 1 Z. 10 DevG. geworden ist. Denn als solche gelten natürlich Personen, die nicht Inländer sind. Inländer im Sinne des Devisengesetzes (§ 1 Z. 9) sind aber, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit, physische Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inlande haben, ferner solche, die sich bei Wirksamkeitsbeginn des Devisengesetzes (15. September 1946) bereits über drei Monate in Österreich aufgehalten haben oder nach diesem Zeitpunkt über drei Monate in Österreich aufhalten. Da diese Voraussetzungen beim Beklagten, der seinen Wohnsitz in Österreich seit mehr als Jahresfrist aufgegeben hat, nicht zutreffen, war er mit Recht als Devisenausländer anzusehen.

Ebenso abwegig ist die Konstruktion eines Verfahrensmangels, der darin liegen soll, daß das Berufungsgericht den Kläger nicht von Amts wegen zur Einholung der erforderlichen Devisenbewilligung der Nationalbank und zur Antragstellung nach § 22 Abs. 3 DevG. angehalten habe.

Die Revision übersieht anscheinend, daß die Unterbrechung nach § 22 Abs. 3 DevG. niemals von Amts wegen, sondern nur auf Antrag einer Partei erfolgen kann. Insoweit sie einen solchen Antrag erst in der Revision stellt, ist er unzulässig (Neumann, S. 809, Amtl. Slg. 1828).

Wenn die Revision aber dem Berufungsgericht unterlassene Anleitung der Parteien zur Antragstellung vorwirft, ist ihr zu erwidern, daß es sich hier um einen Anwaltsprozeß handelt, in dem die sogenannte Manuduktionspflicht des Gerichtes (§ 432 ZPO.) sich auf die ihm in §§ 180 ff. ZPO. auferlegten Pflichten beschränkt. Dagegen hat das Gericht rechtsfreundlich vertretene Personen nicht über die mit ihren Handlungen oder Unterlassungen verbundenen Rechtsfolgen zu belehren, noch ist es seine Sache, sie zur Stellung bestimmter prozessualer Anträge anzuleiten, weil es davon ausgehen darf und muß, daß die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften den Anwälten bekannt sind.

Die Mangelrüge ist demnach unbegrundet.

Insoweit die Revision die Ansicht vertritt, es folge aus dem Zusammenhalt von §§ 3, 4 DevG., daß Zahlungen von Ausländern (im Sinne des § 1 Z. 10 DevG.) an Inländer schlechthin nicht bewilligungspflichtig seien, ist sie im Unrecht. Das Gegenteil ergibt sich aus § 3 Z. 3 DevG., der jede Verfügung eines Inländers über eine auf in- oder ausländische Währung lautende Forderung gegen einen Ausländer als bewilligungspflichtig erklärt. Unter den Begriff der Verfügung fällt aber auch die Betreibung der Forderung, um so mehr ihre gerichtliche Geltendmachung, mit der Maßgabe, daß zwar noch nicht die Klagserhebung als vorbereitender Schritt genehmigungspflichtig ist, das Gericht aber gemäß § 22 Abs. 2 DevG. den Beklagten ohne Vorliegen einer Bewilligung der Nationalbank nicht verurteilen darf.

Von diesem Grundsatz kann die Nationalbank allerdings kraft des ihr durch § 20 Abs. 3 DevG. eingeräumten Rechtes generelle und individuelle Ausnahmen zulassen, welche in der Form von Bekanntmachungen, die im Amtlichen Teil der "Wiener Zeitung" verlautbart werden, oder durch Einzelgenehmigung erteilt werden (vgl. Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage, 140 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates). Derartige Bekanntmachungen stellen sich als mit allgemein verbindlicher Wirkung ausgestattete Verordnungen dar, weil die Nationalbank hinsichtlich der Durchführung des Devisengesetzes behördlichen Charakter besitzt und Bundesaufgaben erfüllt. Eben deswegen hat ihr der Gesetzgeber die Befugnis eingeräumt, zu diesem Zweck allgemeine Anordnungen zu erlassen, bzw. Entscheidungen und Verfügungen im Einzelfall zu treffen (vgl. E. d. VerfGH. v. 31. März 1950, B 251/49, ÖJZ. 1950, S. 480). Es ist darum verfehlt, wenn die Revision die Auslegung des § 3 DevG. durch die Nationalbank in ihrer Kundmachung Nr. 8 vom 24. September 1946, "Amtliche Wiener Zeitung" Nr. 222, S. 6, als gesetzwidrig bekämpft. Es steht im Ermessen der Nationalbank, den Bewilligungszwang generell oder im Einzelfall zu lockern oder zu beseitigen. Wenn darum die Kundmachung Nr. 8 in P. 7 ausspricht, daß zur Verurteilung eines ausländischen Schuldners nur dann eine Bewilligung erforderlich sei, wenn der Kläger bereits in seinem Klagebegehren zum Ausdruck bringt, daß er sich ausschließlich aus bestimmten, im Inland gelegenen Vermögensobjekten des Schuldners befriedigen wolle (z. B. durch Anbringung der Hypothekarklage), so schränkt sie damit den durch § 3 Z. 3 DevG. normierten Bewilligungszwang für Zahlungen von Ausländern an Inländer oder sonstige Verfügungen von Inländern über ihre Forderungen gegen Ausländer (zu denen auch die Empfangnahme von Zahlungen gehört, da durch sie die Forderung gemäß § 1412 ABGB. erlischt) ein. Daß diese Pflicht aber nur insofern gelockert erscheint, als in anderen Fällen entgegen § 22 Abs. 2 DevG. bloß eine vor der Urteilsfällung erster Instanz beizubringende Genehmigung nicht gefordert wird, ergibt sich daraus, daß nach P. 7 der zitierten Kundmachung Nr. 8 im Falle die Einleitung der Zwangsvollstreckung auf Grund eines Urteiles, welches die Befriedigung nicht auf bestimmte inländische Werte einschränkt, die Leistung im Wege der Zwangsvollstreckung dennoch einer Bewilligung nach § 22 DevG. bedarf, wenn die Exekution auf bestimmte inländische Vermögenswerte geführt oder aus diesen Zahlung geleistet werden soll.

Im vorliegenden Fall hat nun die Klägerin, wie der Revision einzuräumen ist, niemals erklärt, daß sie ausschließlich Befriedigung aus einem inländischen Vermögensobjekt des Devisenausländers begehre. Die Erwirkung einer einstweiligen Verfügung, die ihrerseits nach P. 3 b der zitierten Kundmachung Nr. 8 nicht genehmigungspflichtig war, weil sie nur eine Sicherung der Forderung bedeutet, auf ein inländisches Vermögensobjekt kann als Einschränkung im obigen Sinn nicht gewertet werden, die auch weder im Klagebegehren, noch sonst im Laufe des Verfahrens zum Ausdruck gebracht worden ist.

Es bedurfte daher zur Verurteilung des Beklagten keiner vorgängigen devisenbehördlichen Bewilligung und der Abweisungsgrund des Berufungsgerichtes erweist sich als unzutreffend. Es braucht darum gar nicht auf die von der Revision weiter noch aufgeworfene Frage eingegangen zu werden, daß selbst bei Richtigkeit der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsansicht, keine Klagsabweisung, sondern eine Verurteilung zum gerichtlichen Erlag der Klagssumme, bzw. jener Summe, welche das Erstgericht der Klägerin zugesprochen hat, hätte erfolgen sollen. Der Revision ist einzuräumen, daß der gerichtliche Erlag nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl. GlU. 592, GlUNF. 3836, SZ. X/314, Rspr. 1933, Nr. 122, Rspr. 1935, Nr. 223) nicht etwas von der Zahlung verschiedenes, sondern eine weniger weitreichende Leistung darstellt, weshalb der Anspruch auf Erlag als in dem auf Zahlung inbegriffen anzusehen und auch ohne darauf abzielenden Parteiantrag und ohne daß darin ein Verstoß gegen den Grundsatz des § 405 ZPO. erblickt werden könnte, in einem solchen Fall der Entscheidung zugrunde zu legen ist. Der gerichtliche Erlag inländischer Zahlungsmittel zu Gericht wird aber durch § 4 Abs. 2 DevG. ohne Genehmigung der Nationalbank für zulässig erklärt, und zwar entgegen der Ansicht der Revisionsbeantwortung ohne Unterschied, ob der Erleger In- oder Ausländer ist. Genehmigungspflichtig sind gemäß P. 1 der Kundmachung Nr. 8 nur der Erlag von ausländischen Zahlungsmitteln und Wertpapieren, sowie von Auslandstiteln und Gold, sowie Verfügungen über solche Erläge, gleichviel ob sie zugunsten eines In- oder Ausländers erfolgen, ferner Verfügungen über einen Erlag inländischer Zahlungsmittel, der zugunsten eines Ausländers erfolgte oder Verfügungen zugunsten eines solchen.

Der Oberste Gerichtshof vermochte jedoch nur mit einer Aufhebung vorzugehen, weil das Berufungsgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus eine Auseinandersetzung mit den geltend gemachten Berufungsgrunden unterlassen hat.

Es war darum in Stattgebung des Revisionsantrages das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuerlicher Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Anmerkung

Z23332

Schlagworte

Bewilligung devisenbehördliche nicht für Gerichtserlag, Devisenbehördliche Genehmigung nicht für Gerichtserlag, Erlag gerichtlicher keine Genehmigung der Nationalbank, Genehmigung devisenbehördliche nicht für Gerichtserlag, Gerichtserlag keine Genehmigung der Nationalbank, Gerichtshofverfahren, Grenzen der Manuduktionspflicht, Kundmachung Nr. 8 der Nationalbank, Manuduktionspflicht im Gerichtshofverfahren, Nationalbank keine Genehmigung für Gerichtserlag, Nationalbank Kundmachungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0020OB00737.5.1115.000

Dokumentnummer

JJT_19501115_OGH0002_0020OB00737_5000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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