TE OGH 1955/6/22 1Ob531/54

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Veröffentlicht am 22.06.1955
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Norm

ABGB §877
ABGB §932

Kopf

SZ 28/163

Spruch

Keine Wandlung bei schuldhafter Beschädigung der mangelhaften Sache durch den Käufer.

Entscheidung vom 22. Juni 1955, 1 Ob 531/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Vöcklabruck; II. Instanz: Kreisgericht Wels.

Text

In der Nacht vom 26. zum 27. April 1951 mußte der Kläger ein an Hufrehe erkranktes Pferd schlachten. Nach der Schlachtung verständigte er den beklagten Pferdefleischhauer, der das Pferd um 2000 S kaufte, es vom Kläger abholte und in seine Pferdefleischhauerei brachte.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Bezahlung des Kaufpreises von 2000 S s. A.

Der Beklagte stützte seinen Antrag auf Abweisung des Klagebegehrens darauf, daß der Kaufabschluß unter der Bedingung der Genußfähigkeit des Fleisches erfolgt sei; das Fleisch sei aber nicht genußfähig gewesen.

Falls überhaupt das Zustandekommen eines Kaufvertrages angenommen würde, werde Aufhebung dieses Vertrages geltend gemacht, weil das gekaufte Pferd zum ordentlichen Gebrauche des Beklagten, also zur Fleischverwertung, vollständig untauglich gewesen sei.

Schließlich hat der Beklagte noch Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes eingewendet.

Der Erstrichter hat das Klagebegehren kostenpflichtig abgewiesen.

Er stellte fest, daß das Fleisch des Pferdes nicht verwendbar gewesen sei und daß die Ursache der Fäulnis des Fleisches schon im noch lebenden Tiere vorhanden gewesen sei. Da bewiesen sei, daß sich der Beklagte die Verwendbarkeit des Fleisches ausdrücklich ausbedungen und diese bedungene Eigenschaft dem Pferde gefehlt habe, sei das Klagebegehren abzuweisen gewesen.

Das Berufungsgericht hat der Berufung der klagenden Partei teilweise Folge gegeben und das erstgerichtliche Urteil dahin abgeändert, daß der Beklagte dem Kläger einen Betrag von 1000 S s. A. zu bezahlen habe, während das Mehrbegehren des Klägers auf Leistung weiterer 1000 S s. A. abgewiesen wurde. Die Kosten der Verfahren beider Instanzen wurden gegeneinander aufgehoben.

Das Berufungsgericht hat die Feststellungen des Erstgerichtes insoweit übernommen, als es gleichfalls als erwiesen angenommen hat, daß nach der ganzen Sachlage und nach der Natur des Geschäftes zumindest stillschweigend als vereinbart gelten müsse, daß das Pferdefleisch zur Verwertung durch den Beklagten mittels Verkaufes an den Verbraucher und daher zum Genusse geeignet sei (§ 923 ABGB.).

Die Einrede der Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes hat das Berufungsgericht unter Hinweis auf §§ 344, 345 HGB. und Art. 8 Nr. 6 der 4. EVzHGB. als nicht statthaft angesehen.

Hinsichtlich der Frage, ob der Beklagte wegen der völligen Ungenießbarkeit des Fleisches gemäß § 932 ABGB. die Aufhebung des Kaufvertrages mit Erfolg verlangen könne, hat das Berufungsgericht abweichend vom Erstgerichte festgestellt, daß der beweispflichtige Beklagte den Beweis dafür, daß das Fleisch bereits bei der Übergabe des Pferdes an ihn völlig genußuntauglich gewesen sei, nicht erbracht habe.

Das Berufungsgericht nahm zwar als erwiesen an, daß das Pferd infolge der Erkrankung und Notschlachtung mangelhaft gewesen sei. Es nahm aber im Gegensatz zum Erstgericht an, daß die Erkrankung und Notschlachtung noch nicht dessen Genußuntauglichkeit zur Folge gehabt habe, sondern daß es jedenfalls noch zum Verkaufe in der Freibank geeignet gewesen wäre, wenn es vom Beklagten richtig behandelt worden wäre.

Es sei also erwiesen, daß das Fleisch des Pferdes bei der Übergabe vermindert genußtauglich gewesen sei, daß aber seine völlige Genußuntauglichkeit auf ein schuldhafte Unterlassung des Beklagten zurückzuführen sei.

Der Kaufpreis des 550 kg schweren Pferdes sei schon im Hinblick auf die erfolgte Notschlachtung nur mit 2000 S vereinbart worden. Der Beklagte habe sich als Pferdefleischhauer, dem überdies die Krankheit des Pferdes und die Ursache der Notschlachtung bekannt gewesen sei, der kurzen Haltbarkeit des Fleisches schon von vorneherein auf Grund seines Berufes bewußt sein müssen, zumal die Haltbarkeit des Fleisches eines gesunden, sachgemäß aufgearbeiteten und aufbewahrten Pferdes im Sommer nur 2 Tage betrage. Wenn der Beklagte dennoch das Pferd nicht sofort beim Kläger, sondern erst im Schlachthaus ausgeweidet habe und - anstatt es zum Zwecke der rascheren Auskühlung sofort zu verteilen - in der Haut habe hängen lassen, so müßten diese Unterlassungen als eine vom Beklagten schuldhaft gesetzte Mitursache für das rasche Verderben des Fleisches angesehen werden.

Der Kläger habe daher lediglich den Umstand zu vertreten, daß das Pferd nur zum Verkaufe in der Freibank geeignet gewesen sei, der Beklagte hingegen den Umstand, daß es zum menschlichen Genuß vollkommen untauglich geworden und überhaupt unverwertbar geworden sei.

Da eine Ausmessung der beiderseitigen Anteile hieran nicht möglich sei, habe das Berufungsgericht in analoger Anwendung des § 1304 ABGB. eine Schadensteilung im Verhältnis 1 : 1 vornehmen müssen und den vom Beklagten zu bezahlenden, verminderten Kaufpreis nach § 273 Abs. 1 ZPO. mit 1000 S festgesetzt. Denn wenn auch das einredeweise erhobene Wandlungsbegehren des Beklagten nicht begrundet sei, so schließe sein Wandlungsbegehren das Begehren auf Preisminderung in sich, und diese sei nach der Ansicht des Berufungsgerichtes in der angeführten Höhe begrundet.

Aber selbst dann, wenn man annehmen wollte, daß der Mangel des gekauften Fleisches ein wesentlicher und unbehebbarer gewesen und das Wandlungsbegehren des Beklagten daher begrundet sei, so wäre damit für den Beklagten nichts gewonnen. Denn ihm obläge im Falle einer Vertragsaufhebung die Verpflichtung zur Rückstellung der ihm übergebenen Sache, die aber untergegangen sei. Da nun der Untergang der Sache vorliegend nicht einem Zufalle, sondern einem Verschulden beider Teile zuzuschreiben sei, wäre der Beklagte zur Vergütung jenes Teiles des Schadens verpflichtet, der seinem Verschulden an ihrem Untergange entspräche. Da, wie bereits oben dargetan, das Ausmaß des beiderseitigen Verschuldens nicht festgestellt werden könne, so sei gemäß § 1304 ABGB. der Schaden zu teilen. Dies habe aber ebenfalls die Erstattung der Hälfte des vereinbarten Kaufpreises durch den Beklagten zur Folge bzw. vorliegend die Verpflichtung, die Hälfte des vereinbarten Kaufpreises zu bezahlen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Revision der beklagten Partei kommt Berechtigung nicht zu.

Auszugehen ist von den Feststellungen des Berufungsgerichtes, laut welchen erwiesen ist, daß das Fleisch des Pferdes bei der Übergabe nur vermindert genußtauglich war und seine völlige Genußuntauglichkeit auf eine schuldhafte Unterlassung des Beklagten zurückzuführen ist.

Richtig ist, daß diese Feststellungen des Berufungsgerichtes von den erstgerichtlichen Feststellungen abweichen. Dies hätte die Revision allenfalls unter dem Titel der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens bekämpfen können. Es kann dahingestellt bleiben, ob dies einen Erfolg hätte haben können, denn die Mängelrüge wurde nicht erhoben.

Bei Behandlung der Rechtsrüge ist aber von den Feststellungen des Berufungsgerichtes auszugehen. Wenn die Rechtsrüge diese Feststellungen bekämpft, so handelt es sich um einen in dritter Instanz unzulässigen Angriff auf die Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes.

Es kann auch von einer Aktenwidrigkeit, die von der Revision zwar formell nicht als Revisionsgrund geltend gemacht wurde, aber doch am Schlusse ihrer Ausführungen behauptet wird, nicht gesprochen werden; denn die Auslegung der Gutachten der Sachverständigen hinsichtlich der Bedeutung und des Gewichtes der Unterlassung des Beklagten ist teils eine Frage der in dritter Instanz unanfechtbaren Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes, teils eine Frage der rechtlichen Beurteilung. Auf letztere wird noch zurückgekommen werden. Die Auslegung von Sachverständigengutachten kann aber jedenfalls nicht unter dem Titel der Aktenwidrigkeit bekämpft werden.

Wenn nun von der die Revisionsinstanz bindenden Feststellung des Berufungsgerichtes ausgegangen wird, daß die völlige Untauglichkeit des bei der Übergabe des Pferdes nur vermindert tauglichen Fleisches auf die vom Berufungsgericht als erwiesen angenommenen schuldhaften Unterlassungen des Beklagten zurückzuführen ist, so ergibt sich, daß der Beklagte einen Wandlungsanspruch gar nicht mehr stellen konnte.

Die Frage, ob die Wandlung zu entfallen habe, wenn der Käufer der Sache in schuldhafter Weise einen Schaden zugefügt hat, ist in der Rechtslehre allerdings bestritten. Sie wird von Ehrenzweig 2. Aufl. II/1 S. 222 bejaht, von Pisko in Klang 1. Aufl. II/2 S. 562 zu § 932 ABGB. verneint. Nach Pisko verliere der Erwerber, der die Unmöglichkeit der Rückstellung verschuldet habe, nicht sein Wandelungsrecht, er sei jedoch zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung SZ. XI 56 ausgesprochen, daß der Rücktritt vom Vertrag ausgeschlossen sei, wenn die Unmöglichkeit der Rückgabe des nach § 877 ABGB. Zug um Zug Rückzuleistenden oder eines erheblichen Teiles desselben von dem Rücktrittsberechtigten selbst verschuldet sei. In diesem Falle sei der Rücktritt mit seinen notwendigen Rechtsauswirkungen auf den Vermögensbereich des anderen Teiles vom Berechtigten selbst in schuldhafter Weise vereitelt worden. Der Oberste Gerichtshof hat sich in der bisher nicht veröffentlichten Entscheidung 2 Ob 430/53 der von Ehrenzweig vertretenen Auffassung angeschlossen, daß die Wandlung entfalle, wenn der Käufer die mangelhafte Sache in schuldhafter Weise selbst beschädigt habe.

Der Oberste Gerichtshof hat keine Veranlassung, von seinem in der angeführten Entscheidung niedergelegten Rechtsstandpunkt abzugehen. Bei der gegebenen Sachlage konnte also der Beklagte ein Wandlungsbegehren überhaupt nicht mit Erfolg stellen.

Die Abweisung des Klagebegehrens hinsichtlich eines Betrages von 1000 S s. A. und die dem Beklagten dadurch gewährte Verminderung des vereinbarten Kaufpreises auf die Hälfte ist von der klagenden Partei nicht bekämpft worden und daher in Rechtskraft erwachsen. Darüber hinaus könnte aber dem Beklagten schon deshalb keine weitere Preisminderung zuerkannt werden, weil entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes dann, wenn der Beklagte - wie im vorliegenden Falle - die Wandlung begehrt hat, eine Preisminderung nicht zugesprochen werden kann; denn das Begehren auf Preisminderung stellt gegenüber einem Wandlungsbegehren nicht ein geringeres, sondern ein anderes Begehren dar (3 Ob 305/53). Da dem Beklagten aus rechtlichen Gründen ein Preisminderungsanspruch im vorliegenden Falle überhaupt nicht zusteht, erübrigt sich daher ein Eingehen auf die Frage, ob die vom Berufungsgericht gewährte Preisminderung den Verschuldensanteilen der beiden Streitteile entspricht oder nicht.

Der Revision der beklagten Partei war daher der Erfolg zu versagen.

Anmerkung

Z28163

Schlagworte

Beschädigung der mangelhaften Sache, Wandlung, Gewährleistung Wandlung, Beschädigung der Sache, Mangel des Kaufgegenstandes, Beschädigung, Wandlung, Wandlung schuldhafte Beschädigung der Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1955:0010OB00531.54.0622.000

Dokumentnummer

JJT_19550622_OGH0002_0010OB00531_5400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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