TE OGH 1955/12/17 Präs290/55

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Veröffentlicht am 17.12.1955
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Norm
EO §9
EO §10
JN §42
ZPO §7
ZPO §234
ZPO §239 Abs3
ZPO §240 Abs3
ZPO §411
ZPO §477 Abs1 Z5
ZPO §477 Abs1 Z6
ZPO §503 Z1
ZPO §528 Kopf

SZ 28/265

Spruch

Judikatenbuch Nr. 63 neu.

 

A. Prozeßhindernisse können in höherer Instanz auch von Amts wegen nicht mehr wahrgenommen werden, wenn eine noch bindende Entscheidung über das Prozeßhindernis entgegensteht.

 

B. Der neuerlichen Leistungsklage des Übernehmers einer Forderung steht die Rechtskraft des für die Forderung vom Überträger erwirkten Leistungsurteiles entgegen.

 

Dem Übernehmer einer Forderung, für die der Überträger bereits ein rechtskräftiges Leistungsurteil erwirkt hat, stehen zur Hereinbringung der Forderung nur die in den §§ 9 und 10 EO. vorgesehenen Wege zu Gebote.

 

C. Die Klage nach § 10 EO. kann vom Übernehmer der Forderung auch gegen den übernommenen Schuldner erhoben werden.

 

Plenarbeschluß des OGH vom 17. Dezember 1955, Präs 290/55.

Text

Nach dem Vorbringen in der zu 4 C 517/52 beim Bezirksgericht Döbling eingebrachten Klage wurde der Gatte der Beklagten durch das von der Gattin des Klägers und zwei Mitklägern erwirkte Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 2. Dezember 1937 zur Bezahlung von 7413 S 25 g s. A. verurteilt. Zur Hereinbringung dieser Forderung wurde der Anspruch des Gatten der Beklagten auf Ausfolgung der Erträgnisse eines Hauses gepfändet und zur Einziehung überwiesen. Es wurde auch ein exekutives Pfandrecht auf der Liegenschaft begrundet.

 

Die Gattin des Klägers schenkte im Jahre 1939 vor ihrer Abreise nach England mündlich dem Kläger ihren 1/3-Anteil an der obigen Forderung. Von dieser Schenkung wurde die Verwalterin des genannten Hauses verständigt, die dem Kläger auch auf Grund der Zwangsvollstreckung insgesamt 609.40 RM auszahlte. Die Beklagte beerbte dann ihren Gatten und bestellte einen neuen Hausverwalter, der trotz Verständigung von der schenkungsweisen Zession die noch rückständige Forderung an den Oberfinanzpräsidenten bezahlte und von ihm eine Löschungsquittung erhielt. Der Kläger steht auf dem Standpunkt, daß der Zahlung an den Oberfinanzpräsidenten schuldtilgende Wirkung nicht zukomme, und begehrt als Zessionar der ursprünglichen Gläubigerin die Verurteilung der Beklagten als Erbin des ursprünglichen Schuldners zur Bezahlung eines Drittels der Forderung abzüglich des erhaltenen Betrages.

 

Das Erstgericht wies die Einrede der entschiedenen Rechtssache zurück und gab dem Klagebegehren Folge.

 

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß das Klagebegehren abgewiesen wurde. Es billigte den Standpunkt des Erstgerichtes hinsichtlich der Einrede der Rechtskraft und der nicht schuldtilgenden Wirkung der Zahlung, wies die Klage aber deswegen ab, weil sie den materiellen Anspruch ein zweites mal geltend mache und nicht nur die Ergänzung des vorhandenen Exekutionstitels nach § 10 EO. begehre.

 

In seiner Sitzung vom 3. November 1954 faßte der 3. Senat den Beschluß, aus Anlaß der Revision das gesamte Verfahren als nichtig aufzuheben und die Klage wegen rechtskräftig entschiedener Streitsache zurückzuweisen.

 

Der Herr Erste Präsident des Obersten Gerichtshofes suspendierte diesen Beschluß und verfügte, ein in das Judikatenbuch aufzunehmendes Gutachten über folgende Fragen einzuholen:

 

A. Ist der Oberste Gerichtshof anläßlich der Sachentscheidung an eine formell rechtskräftige Entscheidung der Untergerichte über prozeßhindernde Einreden gebunden?

 

B. Steht der Klage des Zessionars die Einrede der Rechtskraft entgegen, wenn der Zedent bereits ein Leistungsurteil erwirkt hat?

Rechtliche Beurteilung

A.

 

An prozeßhindernden Einreden - sie sind in allen Instanzen auch von Amts wegen wahrzunehmen und können deshalb schlechtweg als Prozeßhindernisse bezeichnet werden (in der deutschen Prozeßlehre verbindet man mit diesem Wort allerdings eine andere Bedeutung, vgl. Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechtes, 6. Aufl. S.

399) - kommen neben dem in der Zivilprozeßordnung nicht ausdrücklich geregelten Mangel der Parteifähigkeit in Betracht:

 

1.) Der Mangel der Prozeßfähigkeit, auch in der Erscheinungsform des Mangels der gesetzlichen Vertretung und des Mangels der besonderen Ermächtigung.

 

2.) Der Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit.

 

3.) Der Mangel der ordentlichen Gerichtsbarkeit (Unzulässigkeit des Rechtsweges).

 

4.) Die unheilbare Unzuständigkeit.

 

5.) Die Streitanhängigkeit.

 

6.) Die Rechtskraft eines die Sache betreffenden Urteiles.

 

Die Zivilprozeßordnung hat die Wirkungen dieser Prozeßhindernisse nicht an einer Stelle gemeinsam geregelt. Die verstreuten Anordnungen stimmen aber auch textlich nicht durchaus überein. So sind die Prozeßhindernisse des Mangels der Prozeßfähigkeit, der inländischen Gerichtsbarkeit, der ordentlichen Gerichtsbarkeit nach § 7 Abs. 1 ZPO. und § 42 Abs. 1 JN. in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen warzunehmen, und zwar, wie an beiden Stellen überdies ausdrücklich hervorgehoben wird, auch in höherer Instanz. Das letztere ergibt sich für den Mangel der Prozeßfähigkeit und für die Unzulässigkeit des Rechtsweges auch daraus, daß ihre Nichtbeachtung nach § 477 Abs. 1 Z. 5, 6 ZPO. zur Nichtigkeit führt.

 

Hinsichtlich der unheilbaren Unzuständigkeit bestimmt § 41 JN. nur die Prüfung von Amts wegen bei Anhängigwerden der Klage. Diese Weisung soll aber über das erste Stadium hinweg (§ 239 Abs. 3 ZPO.) und auch in den oberen Instanzen weitergelten. Denn auch die Nichtbeachtung dieses Hindernisses führt nach § 477 Abs. 1 Z. 3 ZPO. zu einer von Amts wegen in allen Instanzen zu berücksichtigenden Nichtigkeit. Hinsichtlich der Streitanhängigkeit und der Rechtskraft bestimmt § 240 Abs. 3 ZPO., daß sie jederzeit von Amts wegen zu berücksichtigen sind. Eine Bemerkung, wie in § 7 Abs. 1 ZPO. und § 42 Abs. 1 JN., daß dieses "jederzeit" auch die Berücksichtigung in höherer Instanz bedeutet, fehlt hier. Die Nichtberücksichtigung dieser Prozeßhindernisse wird auch in § 477 ZPO. nicht unter den Nichtigkeiten aufgezählt, es verbindet sich mit ihnen auch sonst (§§ 261 Abs. 1 bis 5, 475 Abs. 3 ZPO.) nicht der Ausdruck Nichtigkeit. Dennoch werden sie regelmäßig den Nichtigkeiten beigezählt (Pollak, System des österreichischen Zivilprozeßrechtes, 2. Aufl. I S. 103; SZ. XX 266).

 

Die textlich abweichende Behandlung der Streitanhängigkeit und der Rechtskraft ist darauf zurückzuführen, daß diese Prozeßhindernisse im Regierungsentwurf noch als echte Prozeßeinreden behandelt werden, deren Geltendmachung nach der ersten Tagsatzung an die Bescheinigung geknüpft war, daß der Beklagte von dem Bestande dieser Einrede bei der ersten Tagsatzung noch keine Kenntnis haben konnte (§ 250 Abs. 2 der Regierungsvorlage). Die erst durch die gemeinsame Konferenz eingeführte Weisung des § 240 Abs. 3 ZPO., auch diese zwei Prozeßhindernisse jederzeit von Amts wegen zu berücksichtigen, wurde wegen der textlichen Abweichung in der ersten Zeit nach dem Inkrafttreten der Zivilprozeßordnung nur auf das Verfahren erster Instanz bezogen. Dem Berufungsgerichte wurde demgemäß die Berücksichtigung einer in erster Instanz nicht geltend gemachten Streitanhängigkeit infolge des Neuerungsverbotes abgeschnitten (GlUNF. 2191). Von dieser Meinung ist der Oberste Gerichtshof jedoch mit dem Spruche 201 (GlUNF. 4112) abgegangen, der die Weisung des § 240 Abs. 3 ZPO. auf alle Instanzen bezieht, sonst aber über die hier behandelte Frage nichts bringt. Aus dem Bericht der gemeinsamen Konferenz (Materialien II S. 322) ergibt sich, daß die genannten Prozeßhindernisse der Unzulässigkeit des Rechtsweges und der Prozeßunfähigkeit während des ganzen Verfahrens gleichgesetzt werden sollten. Dies findet im Gesetze auch dadurch Ausdruck, daß in § 240 Abs. 3 ZPO. Streitanhängigkeit und Rechtskraft mit der Unzulässigkeit des Rechtsweges gemeinsam genannt werden. Es besteht also kein Anlaß, etwa von dem genannten Spruche abzugehen. Es begegnet keinem Zweifel, daß das Vorhandensein eines der genannten Prozeßhindernisse zur Zurückweisung der Klage, allenfalls auch zur Aufhebung einer etwa schon gefällten Entscheidung, führen muß. Der § 239 Abs. 3 ZPO. spricht in diesem Sinne von einer Einstellung des Verfahrens. Es begegnet auch keinem Zweifel, daß die Abweisung oder Verwerfung einer im Sinne der genannten Prozeßhindernisse erhobenen Einrede durch Beschluß zu geschehen hat. Solche Beschlüsse sind entweder in die über die Hauptsache ergehende Entscheidung aufzunehmen oder - außer im Bagatellverfahren (§ 450 ZPO.) - gesondert auszufertigen (§ 261 Abs. 1, 2 ZPO.). In jedem Falle ist der Rechtszug an den Obersten Gerichtshof abgeschnitten, wenn die beiden Unterinstanzen übereinstimmend entschieden haben (§ 528 Abs. 1 ZPO.). Dieselben Bestimmungen haben auch Anwendung zu finden, wenn das Gericht von Amts wegen die Frage aufwirft, ob ein Prozeßhindernis gegeben ist.

 

Einer solchen das Vorliegen eines Prozeßhindernisses in Abrede stellenden Entscheidung müßte wohl, sollte sie überhaupt einen Sinn haben, auch ohne besondere Vorschrift eine endgültige, bindende Wirkung beigelegt werden, soweit sie anfechtbar ist und angefochten wird. Denn was hätte es sonst für einen Sinn, daß § 425 Abs. 2 ZPO. das Gericht an seine Beschlüsse bindet, daß die Anfechtbarkeit der Beschlüsse an bestimmte Fristen geknüpft ist und daß bei Übereinstimmung zwischen erster und zweiter Instanz sogar jede Anfechtung ausgeschlossen ist, wenn die im Beschluß gelöste Frage immer wieder aufgeworfen werden könnte? Die Berücksichtigung eines rechtskräftig abgelehnten Nichtigkeitsgrundes ist vielmehr selbst als Einbruch in die Rechtskraft mit Nichtigkeit bedroht (vgl. Novak in JBl. 1953 S. 60 Anm. 25). Darüber hinaus stellt aber § 7 Abs. 2 ZPO. für den Mangel der Prozeßfähigkeit und § 42 Abs. 3 JN. für den Mangel der inländichen Gerichtsbarkeit und der ordentlichen Gerichtsbarkeit ausdrücklich klar, daß eine Wahrnehmung der Nichtigkeitsgrunde nicht mehr erfolgen kann, wenn ihr eine von demselben oder von einem anderen (inländischen) Gerichte gefällte, noch bindende Entscheidung entgegensteht. Diese Bestimmungen sollten auch nach der Auffassung des Parlamentsausschusses nur eine Klarstellung bringen, wie sich aus folgendem ergibt: in § 43 Abs. 3 (jetzt § 42 Abs. 3) JN. und in § 7 Abs. 2 ZPO. hatte der Regierungsentwurf von einer "von demselben oder einem höheren Gerichte gefällten, noch bindenden Entscheidung" gesprochen. Dazu bemerkt der Bericht des Permanenzausschusses (Materialien I S. 690) in Bezug auf § 42: "Im Absatz 3 wird statt "höheren Gerichte" gesagt: "anderen Gerichte", weil es nicht immer ein höheres Gericht sein muß, von welchem die bindende Entscheidung ausgegangen ist." Er korrigierte also die Fassung des Regierungsentwurfes nur, um der von ihm als bestehend angenommenen bindenden Wirkung den richtigen Ausdruck zu geben. Zu § 6 ZPO. bemerkt der Permanenzausschuß (Materialien I S. 766): "Die Bestimmung ... der Regierungsvorlage erschöpft die ihr zugrunde liegende Ratio nicht. Diese Ratio ist, daß Prozeßfähigkeit, gesetzliche Vertretung, Prozeßlegitimation Dinge sind, welche nicht für jeden Prozeß anders beurteilt werden dürfen, sondern daß wenigstens für alle zur selben Zeit anhängigen gerichtlichen Prozeduren soweit als möglich eine einheitliche Entscheidung gelten soll. Deshalb muß der über eine dieser Fragen ergangenen Entscheidung eines anderen Gerichtes dieselbe Bedeutung beigelegt werden wie der Entscheidung eines höheren Gerichtes."

 

Aber selbst wenn man die Beschränkung der Prüfungsbefugnis und - pflicht durch die bindende Wirkung eines vorliegenden Beschlusses nicht schon aus der Natur der Sache ableiten wollte, so müßte man die für einzelne Prozeßhindernisse in § 7 Abs. 2 ZPO. und § 42 Abs. 3 JN. ausgesprochene Beschränkung jedenfalls analog auf die anderen Prozeßhindernisse ausdehnen. Ein Anlaß, die einzelnen Prozeßhindernisse in dieser Beziehung verschieden zu behandeln, liegt nicht vor.

 

Sowohl § 7 Abs. 2 ZPO. als auch § 42 Abs. 3 JN. sprechen von "noch" bindenden Entscheidungen, ohne zum Ausdruck zu bringen, wann eine Entscheidung noch bindend ist. Auch daraus kann ersehen werden, daß das Gesetz durch die genannten Bestimmungen nicht erst eine Bindung aussprechen wollte, die sonst nicht gegeben wäre, sondern nur klarstellen wollte, daß die Pflicht der amtswegigen Beachtung in der selbstverständlichen Bindung an bestehende Beschlüsse ihre Grenze findet und nicht zu einer ständigen Erneuerung der einmal abgeschlossenen Prüfung führen soll. Eine Entscheidung ist aber jedenfalls so lange bindend, als dem Gerichte nicht ein abweichender Sachverhalt - etwa infolge einer nachträglichen Änderung - zur Beurteilung vorliegt.

 

Der Gesetzeswortlaut, die Entstehungsgeschichte des Gesetzes, aber auch rein theoretische Überlegungen führen also auch zu dem Ergebnis, daß ein Prozeßhindernis sowohl auf Antrag als auch von Amts wegen nicht mehr wahrgenommen werden kann, wenn eine noch bindende Entscheidung, das ist eine durch einen geänderten Sachverhalt nicht überholte Entscheidung, vorliegt, durch welche das Prozeßhindernis negiert wird.

 

Dies ist auch der überwiegende Standpunkt der älteren Literatur, auf die im einzelnen hier nicht eingegangen werden soll. Ausführliche Darstellungen hierüber finden sich in dem Plenarbeschluß des Brünner Obersten Gerichtes vom 29. April 1924 (Schüller, Plenarbeschlüsse des Obersten Gerichtes in Brünn, 1918 bis 1930, Nr. 28) und in dem Aufsatz von Herz, ÖJZ. 1953 S. 619 ff. Zu erwähnen wäre noch eine Arbeit Emil Otts in der Festschrift für Franz Klein, S. 68 ff., der mit dem früher ausgeführten Standpunkt übereinstimmt, ein Aufsatz von Touaillon in den JBl. 1912 S. 373, der aus § 240 Abs. 3 ZPO. ableiten will, daß der Richter selbst an die von ihm erlassene Entscheidung trotz § 416 Abs. 2 ZPO. nicht gebunden ist, und ein Aufsatz von Blieweis in der NotZ. 1914 S. 224. Von den neueren Autoren erwähnen Neumann (Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, 4. Aufl. S. 101 f.) und Wolff (Grundriß des österreichischen Zivilprozeßrechtes, 2. Aufl. S. 79 f.) die bindende Wirkung der Beschlüsse nach § 42 Abs. 3 JN. Neumann macht aber anscheinend auf Grund der Entscheidung ZBl. 1904 Nr. 122 zu § 42 Abs. 4 JN. eine Ausnahme. Die Stellungnahme Pollaks (System, 2. Aufl. S. 33, insbesondere Anm. 93) ist nicht ganz klar. Die Bestimmung des § 42 Abs. 3 JN. wird (S. 39 Anm. 150) als unpraktische Norm bezeichnet. Die Ausführungen Sperls (Lehrbuch der bürgerlichen Rechtspflege S. 96) scheinen sich nur mit dem Fall des § 42 Abs. 2 JN. zu befassen. Auf die Stellungnahme Petscheks wird noch zurückzukommen sein.

 

Im Gegensatz zu den obigen Ausführungen und dem überwiegenden Teil der Literatur hat der Oberste Gerichtshof sich schon in der Entscheidung vom 31. Oktober 1900, GlUNF. 1165, unter Berufung auf § 42 JN. und § 240 Abs. 3 ZPO. in eine Überprüfung der Zulässigkeit des Rechtsweges eingelassen, obwohl übereinstimmende, also unanfechtbare, Beschlüsse der Unterinstanzen der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges nicht Folge gegeben hatten. Die durch diese Entscheidung inaugurierte Rechtsprechung setzt sich, soweit es sich um die Wahrnehmung von Prozeßhindernissen im Revisionsverfahren handelt, unter anderem in den folgenden Entscheidungen fort: GlUNF. 1467, 1689, 1897, 2191, 2587, 2954, 3073, 3796, 3804, 4297, 6168, SZ. V 18, VI 209, VII 38, XII 11, XVIII 2, ZBl. 1904 Nr. 122, 1927 Nr. 298, 1928 Nr. 177, 1930 Nr. 360, JBl. 1952 S. 499, EvBl. 1951 Nr. 363. Auffallend ist dabei, daß des § 42 Abs. 3 JN. bis zur Entscheidung SZ. XII 11 überhaupt nicht ausdrücklich gedacht wird.

 

Wo der § 42 Abs. 3 JN. in anderen als den bereits genannten Entscheidungen erwähnt wird, findet er allerdings meist die oben geforderte Auslegung. So in den Entscheidungen, die die Wahrnehmung der Unzulässigkeit des Rechtsweges nach rechtskräftigem Abschluß eines Verfahrens (§ 42 Abs. 2 JN.) betreffen: GlUNF. 5712 und AmtlSlgNF. 1810, so auch in der einen Fall nach den §§ 6, 7 ZPO. betreffenden Entscheidung GlUNF. 6616. Gelegentlich wird die Bestimmung mittelbar herangezogen, um daraus Schlüsse abzuleiten. So erwägt der Oberste Gerichtshof schon in der Entscheidung vom 19. März 1901, GlUNF. 1338, daß nach § 42 JN. nicht einmal die Unzulässigkeit des Rechtsweges berücksichtigt werden kann, wenn darüber eine bindende Entscheidung vorliegt, um so weniger eine Unzuständigkeit. In der Entscheidung GlUNF. 7571 wird aus der Bestimmung des § 42 Abs. 3 JN. geschlossen, daß nach rechtskräftiger Verweisung des Vormundes auf den Rechtsweg der Geltendmachung des Alimentationsanspruches gegen den außerehelichen Vater die Unzulässigkeit des Rechtsweges nicht mehr eingewendet werden könne. Ein ähnlicher Hinweis findet sich in der Entscheidung GlUNF. 7527.

 

Aus früherer Zeit läßt sich nur eine von Blieweis erwähnte Entscheidung vom 11. März 1914 (NotZ. 1914 S. 224) nachweisen, die ausdrücklich unter kurzer Berufung auf die "klare" Anordnung des § 42 Abs. 3 JN. die neuerliche Befassung mit der Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges im Revisionsverfahren ablehnt, wenn sie bereits rechtskräftig bejaht wurde.

 

Der herrschenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes trat Petschek zunächst in zwei Bemerkungen (ZBl. 1927 S. 792, ZBl. 1928 S. 458) entgegen, in denen er die Nichtberücksichtigung des § 42 Abs. 3 JN. als ein aufliegendes Versehen, als die Verletzung eines "jus in thesi clarum" bezeichnete. Er erklärte sich aber später (ZBl. 1930 S. 944) durch die Erwägungen der Entscheidung SZ. XII 11 für widerlegt. Diese Entscheidung geht von dem schon in SZ. V 18 entwickelten Gedankengang aus, nach § 528 Abs. 1 ZPO. unanfechtbare übereinstimmende Beschlüsse der unteren Instanzen hinderten zwar die Geltendmachung der Prozeßhindernisse durch die Parteien im Rahmen des § 503 Z. 1 ZPO., nicht aber die amtswegige Prüfung nach § 240 Abs. 3 ZPO. (Blieweis vertritt in dem oberwähnten Aufsatz gerade die entgegengesetzte Meinung). Diese Meinung verpflichte den Obersten Gerichtshof in jedem Falle zur Stellungnahme und befreie ihn davon, in einer nicht auf den Rechtsweg gehörigen Sache eine Sachentscheidung zu treffen. Der § 42 Abs. 3 JN., fügt die Entscheidung SZ. XII 11 hinzu, hindere dies nicht, weil der Ausspruch der Vorinstanzen wegen 240 ZPO. nicht bindend sei, solange ein zulässiges Rechtsmittel gegen die Gesamtentscheidung des Berufungsgerichtes zur amtswegigen Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsweges verpflichte.

 

Die Erwägung, daß der Oberste Gerichtshof davor bewahrt sein solle, eine Sachentscheidung in einer Sache zu fällen, in der er den Rechtszug für unzulässig hält, und das Unbehagen, das ihn bei einer solchen Entscheidung befallen mag, erklärt vielleicht das konstante Übergehen der Bestimmung des § 42 Abs. 3 JN. Es soll auch nicht dazu Stellung genommen werden, ob eine Berücksichtigung dieses Umstandes de lege ferenda nicht empfehlenswert wäre. Doch befindet sich im Falle einer solchen Bindung der ganze Senat oder seine Mehrheit nicht in einer anderen Lage als die Senatsminderheit, die die Unzulässigkeit des Rechtsweges annehmen wollte und nun, in dieser Frage durch die Mehrheit überstimmt, sich doch mit der Lösung der Hauptfrage beschäftigen muß.

 

Soweit die Entscheidung aber aus § 240 Abs. 3 ZPO. schließen will, daß ein Beschluß über die Prozeßhindernisse erst nach rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens bindend sein könne, greift sie auf eine Auslegung, die das Zitat des Abs. 1 in § 42 Abs. 3 JN. einfach sinnlos erscheinen läßt. Denn Abs. 1 hat ja ein noch nicht rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren zum Gegenstande, und Abs. 3 läßt erkennen, daß dennoch bereits eine Bindung eingetreten sein kann. Die Gründe der Entscheidung wollen aber ausschließen, daß vor rechtskräftigem Abschluß des gesamten Verfahrens überhaupt eine bindende Entscheidung vorliegen könne.

 

Die Bestimmungen des § 42 JN. und des § 240 Abs. 3 ZPO. dürfen nicht so ausgelegt werden, daß sie einander widersprechen. Man muß also davon ausgehen, daß die Frage der Bindung an die beschlußmäßigen Entscheidungen über die Prozeßhindernisse in § 42 Abs. 3 JN. abschließend geregelt ist und daß die Anweisung des § 42 Abs. 1. die Unzulässigkeit des Rechtsweges von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens und auch in höherer Instanz zu beachten, im § 240 Abs. 3 ZPO. nur der Deutlichkeit und des Gegensatzes zur Behandlung der heilbaren Unzuständigkeit wegen wiederholt wurde, ohne an den schon im § 42 Abs. 1 und 3 JN. gegebenen Weisungen etwas ändern oder sich mit ihnen in Widerspruch setzen zu wollen.

 

Zu dieser Auffassung hat sich der Oberste Gerichtshof zunächst in der Entscheidung vom 20. Februar 1952, EvBl. 1952 Nr. 137, bekannt. Es folgten die Entscheidungen vom 17. April 1952, 2 Ob 805/51, vom 11. Juli 1952, 3 Ob 440/52 und 2 Ob 529/52, vom 1. Dezember 1953, 4 Ob 180/53, u. a., z. B. die Entscheidung vom 1. Juni 1954, 3 Ob 234/54, und vom 16. Februar 1955, 3 Ob 805/54. Dieselbe Meinung hat das Oberste Gericht in Brünn schon in seiner bereits zitierten Plenarentscheidung vertreten. Herz hat sie sich in dem erwähnten Aufsatz zu eigen gemacht. Novak ist dem Frontwechsel Petscheks in der früher zitierten Anmerkung entgegengetreten.

 

Allerdings ist der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen vom 21. Dezember 1953, 1 Ob 533/53, und vom 29. März 1955, 4 Ob 162/54, unter Berufung auf frühere Entscheidungen und auf Petschek auf seine frühere Meinung zurückgekommen, ohne sich mit den neueren, abweichenden Entscheidungen auseinanderzusetzen. Aus den angeführten Gründen wird jedoch der überwiegenden neueren Judikatur des Obersten Gerichtshofes zu folgen sein.

 

B.

 

Bei der Frage, ob der Leistungsklage des Zessionars die Rechtskraft des schon vom Zedenten erwirkten Leistungsurteiles entgegensteht, geht es darum, ob die Rechtskraft eines Urteiles für und gegen die Rechtsnachfolger der Parteien wirkt.

 

Diese Frage wurde vom Obersten Gerichtshof in den Entscheidungen vom 5. Juni 1912, ZBl. 1912 Nr. 360, vom 12. März 1918, ZBl. 1918 Nr. 228, vom 24. November 1925, Rspr. 1926 Nr. 133, und vom 14. Jänner 1931, Rspr. 1931 Nr. 108, bejaht in den Entscheidungen vom 14. März 1928, SZ. X 72, und vom 18. Mai 1938, SZ. XX 132, dagegen verneint.

 

Die Frage, ob die Rechtskraft des Urteils für und gegen die Rechtsnachfolger der Parteien wirkt, war in der Regierungsvorlage zur ZPO., offensichtlich nach dem Vorbild der deutschen ZPO. (vgl. § 325), ausdrücklich in bejahendem Sinne gelöst. Dies entsprach nach den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage der damals herrschenden Meinung (Materialien I S. 335). Die Permanenzkommission des Herrenhauses und der Permanenzausschuß des Abgeordnetenhauses nahmen nun Änderungen der Regierungsvorlage vor. So wurde die ausdrückliche Ausdehnung der Rechtskraftwirkung auf die Rechtsnachfolger gestrichen. Zur Änderung des § 428 der Regierungsvorlage, im Sinne des heutigen § 411 ZPO. heißt es im Bericht, die Sätze über das Wesen der Rechtskraft und über den Kreis der Personen, zwischen welchen die Rechtskraft des Urteils Bedeutung habe, seien ausgeschieden worden, weil sie keine vollständige Regelung der bestrittenen schwierigen Lehre von den Grenzen der Rechtskraft enthielten, eine solche Regelung in engster Verbindung mit der Entscheidung gewisser materiellrechtlicher Probleme stehe und bloß aphoristische Sätze, welche die Praxis als Derogierung der bisher herrschenden Anschauung auffassen könnte, leicht großen Schaden zu stiften vermöchten (Materialien II S. 323). Die wichtigsten prozeßrechtlichen Werke der damaligen Zeit stellten es nun geradezu als selbstverständlich hin, daß das Urteil für die Sukzessoren der Streitteile wirke (vgl. Ullmann, Das österreichische Civilprozeßrecht, 3. Aufl. S. 127; Canstein, Lehrbuch des österreichischen Civilprozeßrechtes, 2. Aufl. I S. 606). Die Erstreckung der Rechtskraft auf die Rechtsnachfolger im § 428 der Regierungsvorlage entsprach also offenbar der damals herrschenden Lehre, wie dies auch die erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage betonen. Eine Derogierung wäre demnach in dieser Hinsicht durch den Wortlaut des § 428 der Regierungsvorlage offenbar nicht zu befürchten gewesen.

 

Während Demelius (Der neue Civilprozeß, S. 394) offenbar aus der Entstehungsgeschichte des § 411 ZPO. folgert, daß die Rechtskraft nicht für und gegen jeden Rechtsnachfolger wirke, vertritt Fürstl (Die neuen österreichischen Civilprozeßgesetze, II S. 38) in Übereinstimmung mit der Fragebeantwortung des Justizministeriums den gegenteiligen Standpunkt. Dieser Meinung sind in der älteren Literatur auch Canstein (Zivilprozeßrecht, 3. Aufl. I S. 453) und Schuster von Bonnott (Österreichisches Zivilprozeßrecht, 4. Aufl. S. 378). Die Stellungnahme Wachtels in seinen Erläuterungen zur Civilprozeßordnung (1897) ist nicht ganz klar. Während er zu § 234 ZPO. bemerkt, aus dieser Bestimmung dürfe nicht gefolgert werden, daß sich die Rechtskraft des Urteiles auch immer auf die Rechtsnachfolger erstrecken werde, ein bezüglicher Vorschlag der Regierungsvorlage sei ja vom Hause abgelehnt worden, führt er zu § 411 ZPO. aus, es würden die vom Hause abgelehnten positiven Grundsätze der Regierungsvorlage in Betreff der res judicata, weil sie der heutigen Praxis entsprächen, jedenfalls zu beachten sein; die materielle Rechtskraft wirke nicht bloß für und gegen die Parteien, sondern auch für und gegen deren Rechtsnachfolger. Dagegen lehnt wieder Schrutka (Grundriß des Zivilprozeßrechtes, 2. Aufl. S. 89) die Ausdehnung der Rechtskraft auf die Rechtsnachfolger ab. Die spätere Literatur tritt dagegen fast durchwegs für die Ausdehnung der Rechtskraftwirkungen auf die Rechtsnachfolger der Parteien ein, wobei die Streichungen der Permanenzkommission als für die Auslegung bedeutungslos hingestellt werden (vgl. insbesondere Petschek, Die Zwangsvollstreckung in Forderungen, I S. 236 f.; Sperl, Festschrift zur Jahrhundertfeier des ABGB., II S. 455 f., insbesondere S. 470 f.; Sperl, Lehrbuch der bürgerlichen Rechtspflege, S. 200 f., 835 f.; Neumann, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, 4. Aufl. II S. 1167; Pollak, System des österreichischen Zivilprozeßrechtes, 2. Aufl. II S. 540; Ehrenzweig 2. Aufl. I/1 S. 350; Wolff, Grundriß des österreichischen Zivilprozeßrechts, 2. Aufl. S. 122, 210 f.; Klang

2. Aufl. VI zu § 1394 ABGB.). Eine solche Erstreckung der Rechtskraft mag im Hinblick auf das für Streitanhängigkeit und Rechtskraft geltende Identitätsprinzip, aber auch auf den Umstand zunächst vielleicht ein gewisses Befremden erregen, daß es zur Exekutionsführung für und gegen den Rechtsnachfolger außer dem Titel noch qualifizierter Urkunden oder eines Urteiles zum Nachweis der Rechtsnachfolge bedarf. Es erscheint daher nicht unbegreiflich, wenn der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 14. März 1928, SZ. X 72, dem Singularsukzessor auf der Gläubigerseite die Wahl zwischen den in den §§ 9 und 10 EO. vorgesehenen Wegen und der neuerlichen Leistungsklage gegen den Schuldner freistellte (in diesem Sinne auch die Entscheidung vom 18. Mai 1938, SZ. XX 132). Jedoch kann diese von Anfang an bekämpfte Meinung nicht mehr aufrechterhalten werden. Gerade der Umstand, daß die rechtskräftige Entscheidung als Grundlage der Vollstreckung auch für und gegen den Rechtsnachfolger einer Partei, wenn auch nach Erbringung des Nachweises der Rechtsnachfolge in qualifizierter Weise, ohne weiteres dienen kann, läßt erkennen, daß die Rechtskraftwirkung sich auch auf die Rechtsnachfolger erstrecken muß. Dem Schuldner steht gegenüber der Exekution durch den Zessionar ebenso, wie es gegenüber einer Exekution durch den Zedenten der Fall gewesen wäre, abgesehen von der Klage nach § 36 EO., zur Bestreitung des Anspruches nur die Klage nach § 35 EO. zur Verfügung. Er muß also die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Titels zugunsten des Rechtsnachfolgers bei nachgewiesener Rechtsnachfolge gegen sich gelten lassen. Die völlig gleiche Behandlung der Gesamt- und Einzelrechtsnachfolge in den §§ 9 und 10 EO. mit jenen Fällen, in denen der Titel nicht den Eintritt der für die Fälligkeit oder Vollstreckbarkeit maßgebenden Tatsachen ausweißt, in den §§ 7 Abs. 2 und 10 EO., aber auch in § 36 Abs. 1 Z. 1

 

EO., zeigt, abgesehen von dem gesetzlichen Wortlaut der Bestimmungen, daß es sich in allen diesen Fällen nur um eine notwendige Ergänzung des als Grundlage der Exekutionsbewilligung nicht ausreichenden urkundlichen Nachweises aller Voraussetzungen für die Exekution handelt, die zwar an sich bereits vollständig gegeben sind, aber nur zum Teil aus dem Exekutionstitel hervorgehen.

 

Die Erstreckung der Rechtskraft rechtfertigt sich aus der Erwägung, daß nicht der geringste Anlaß besteht, dem Zessionar die Gläubigerstellung quoad Rechtskraft zu verschließen (Kummerer, Das Klagerecht und die materielle Rechtskraft im schweizerischen Recht, S. 201), da doch die Zession im Sinne der §§ 1394, 1395 ABGB. nur die einzige Wirkung hat, einen Wechsel in der Gläubigerstellung herbeizuführen.

 

All dies zeigt auch, daß der Gesetzgeber trotz Streichung der ausdrücklichen Bestimmung im § 428 der Regierungsvorlage zur ZPO. davon ausgegangen ist, daß sich die Wirkung der Rechtskraft auch auf die Universal- und Singularsukzessoren der Prozeßparteien erstreckt und diese Ausdehnung schon mit dem Rechtsübergang an sich (§§ 1394, 1395 ABGB.) verbunden ist, ohne daß es hiezu noch eines weiteren konstitutiven Aktes bedürfte. Wirkt die Rechtskraft des zwischen den Parteien ergangenen Urteiles für und gegen ihre Rechtsnachfolger, so ist damit die an sich gegebene Verschiedenheit der Person zwischen Parteien und Sukzessoren weggefallen und ein neuer Rechtsstreit des Rechtsnachfolgers oder gegen den Rechtsnachfolger mit einem gleichen Prozeßgegenstande ausgeschlossen.

 

Dem Zessionar steht daher nur der Weg der Exekutionsführung auf Grund des im Sinne der §§ 9 und 10 EO. ergänzten Titels des Zedenten zu Gebote, wogegen seiner neuerlichen Leistungsklage die Rechtskraft des vom Zedenten erwirkten Leistungsurteiles entgegensteht.

 

C.

 

§ 10 EO. läßt nicht völlig klar erkennen, gegen wen die Ergänzungsklage im Falle einer Zession zu richten ist. § 1395 ABGB., wonach durch den Abtretungsvertrag nur zwischen dem Überträger und Übernehmer der Forderung, nicht aber zwischen dem letzteren und dem übernommenen Schuldner, eine neue Verbindlichkeit entsteht, könnte, vielleicht dafür ins Treffen geführt werden, daß die Klage immer gegen den Zedenten zu richten ist. Dies ist der Standpunkt der Entscheidung 1 Ob 854/52, die den Ausführungen Stagels (ÖJZ. 1952 S. 345 ff.) folgt (ebenso die Formularienbücher Vittorelli - Bloch - Fischböck, Schriftsätze im Exekutions- und Sicherungsverfahren, 3. Aufl. Nr. 2; Heller - Trenkwalder, Die österreichische EO. in ihrer praktischen Anwendung, 3. Aufl. Nr. 10; Hanreich - Peters - Stagel, Schriftsätze im Exekutions- und Sicherungsverfahren, Nr. 3). Dagegen billigte der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung EvBl. 1952 Nr. 139 die Klageführung gegen den Schuldner und lehnte in der Entscheidung 2 Ob 464/53 die gegenteilige Meinung Stagels ausdrücklich ab.

 

Petschek (ZBl. 1929 S. 693, ferner: Zivilprozeßrechtliche Streitfragen, S. 165 Anm. 1) hält ebenfalls den Schuldner allein für passiv legitimiert. Zur Begründung seiner Meinung führt er an, daß § 10 EO. zwischen der Rechtsnachfolge auf Gläubiger- und Schuldnerseite und der Ergänzung des Titels im Sinne des § 7 Abs. 2 EO. nicht unterscheide, daß ein zwischen Zessionar und Zedenten ergangenes Urteil gegenüber dem Schuldner nicht wirken und daher die Vollstreckung gegen ihn nicht rechtfertigen könnte. Anders wäre es nur bei einem rechtskräftigen Urteil gegen den Zedenten auf Ausstellung einer Abtretungsurkunde, das vermöge § 367 EO. die qualifizierte Urkunde im Sinne des § 9 EO. ersetzen würde.

 

In Übereinstimmung mit der in den Formularienbüchern vertretenen Auffassung und der Meinung Stagels muß jedenfalls die Klage des Zessionars gegen den Zedenten, der etwa die Abtretung oder seine Verbindlichkeit zur Ausstellung einer qualifizierten Zessionsurkunde bestreitet, für zulässig erachtet werden. Aus den Erwägungen Petscheks muß aber auch dem Zessionar das Recht zustehen, die Ergänzungsklage gegen den Schuldner zu erheben, um diesem durch Erwirkung eines rechtskräftigen Urteiles die Möglichkeit zu nehmen, später mit Klage nach § 36 Abs. 1 Z. 1 EO. die Rechtsnachfolge zu bestreiten. Damit steht im Einklang, daß im § 36 Abs. 1 Z. 1 EO. wohl § 9, nicht aber § 10 EO. angeführt ist, weil dem Verpflichteten im Falle eines gegen ihn erwirkten Urteiles im Sinne des § 10 EO der Weg der Klage nach § 36 Abs. 1 Z. 1 EO. nicht mehr offen steht. Die gegen den Schuldner gerichtete Klage nach § 10 EO. ist eben das Gegenstück zu jener nach § 36 Abs. 1 Z. 1 EO., indem in letzterer das Vorliegen der Rechtsnachfolge oder der Eintritt der Tatsachen im Sinne des § 7 Abs. 2 EO. zu bestreiten, in ersterer dagegen das Vorliegen der Sukzession bzw. der Eintritt der Tatsachen zu behaupten ist. Beide Rechtsstreite spielen zwischen denselben Personen, wenn auch in verschiedenen Parteirollen. Es handelt sich überdies bei der Klage nach § 10 EO. um eine der Klage auf Erteilung der Vollstreckbarkeitsklausel nach § 731 DZPO. analoge Einrichtung. Die Klage nach § 731 DZPO. ist aber nach der herrschenden deutschen Lehre gegen den Schuldner zu richten (vgl. Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 6. Aufl. S. 859; Baumbach - Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 23. Aufl. S. 1093).

 

Beim Rechtsstreit zwischen Zessionar und Zedenten kann es nur um die Frage der Abtretung oder um die Verpflichtung zur Ausstellung einer qualifizierten Zessionsurkunde gehen, daher kommt hier das Problem der Zulässigkeit von materiellrechtlichen Einwendungen des Schuldners gegen das Bestehen des Anspruches überhaupt nicht in Betracht. Bei der Klage nach § 10 EO. gegen den Schuldner ist, wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 16. Jänner 1952, EvBl. 1952 Nr. 139, in Übereinstimmung mit Petschek dargelegt hat, ebenfalls nicht der materielle Anspruch, über den ja schon in dem zu ergänzenden Leistungsurteil erkannt worden ist, Prozeßgegenstand, sondern vielmehr der Vollstreckungsanspruch. Es geht bei einer solchen Klage nach § 10 EO. nach Petschek um die Zuerkennung der materiell gerechtfertigten, aber formell noch nicht bestehenden Vollstreckbarkeit (ZBl. 1929 S. 693). Petschek will materiellrechtliche, das Bestehen des Anspruches betreffende Fragen aus dem Rechtsstreit nach § 10 EO. ausschalten. Der Oberste Gerichtshof vertritt, in der bezogenen Entscheidung vom 16. Jänner 1952 den gleichen Standpunkt und verweist, die materielle Prüfung des Anspruches auf den Oppositionsprozeß nach § 35 EO. Geht man davon aus, daß diese Klage nach § 10 EO. das Gegenstück zu jener nach § 36 Abs. 1 Z. 1 EO. ist, so ergibt sich klar, daß von Seite des Klägers nur die Frage der Rechtsnachfolge oder des Eintrittes der für die Fälligkeit oder Vollstreckbarkeit maßgebenden Tatsachen im Sinne des § 7 Abs. 2 EO. aufgeworfen werden kann, nicht aber etwa die Frage nach dem Fortbestehen des Anspruches, und weiters, daß der Schuldner ebensowenig wie im Falle der Klage nach § 36 Abs. 1 Z. 1 EO. materiellrechtliche, das Bestehen des Anspruches betreffende Einwendungen in diesem Rahmen erheben kann, sondern vielmehr damit auf den Weg der Klage nach § 35 EO. zu verweisen ist. Dies steht mit der grundlegenden Regelung des Exekutionsbewilligungsverfahrens in der österreichischen EO. im Einklang, die eine Prüfung des Bestehens des Anspruches vor der Exekutionsbewilligung nicht vorsieht, sondern dem Verpflichteten eben nur die Möglichkeit gibt, materiellrechtliche Einwendungen erst nachher mit Klage nach § 35 EO. geltend zu machen, wobei zur Beschleunigung dieses Verfahrens sogar die Eventualmaxime statuiert ist. Diese Verweisung der materiellrechtlichen Einwendungen des Verpflichteten auf den Weg des besonderen Prozesses nach § 35 EO. ist auch im Falle der Ergänzungsklage nach § 10 EO. keineswegs ein überspitzter Formalismus, sondern soll nur die Gefahr bannen, daß der Verpflichtete durch Erheben derartiger Einwendungen die Einleitung der Exekution möglichst lange hinausziehen kann.

 

Abschließend ist zu bemerken, daß dann, wenn eingestelltes Begehren nicht dem Wesen der Klage nach § 10 EO. entspricht, so wenn etwa ein Leistungsbegehren gestellt wird, dieser Umstand in der Regel der meritorischen Behandlung der Klage nicht im Wege stehen wird. Dem Kläger wird es ja fast durchwegs nur darum zu tun sein, eine exekutive Durchsetzung seines Anspruches möglichst rasch zu erreichen. Seine Klage wird daher zumeist als solche im Sinne des § 10 EO. aufzufassen und das verfehlte Begehren bloß in der darüber ergehenden Entscheidung entsprechend zu korrigieren sein. Eine Klärung der Parteienabsicht in dieser Richtung wird schon anläßlich der gemäß §§ 240, 411 ZPO. auch von Amts wegen zu prüfenden Frage, ob der Klage als Leistungsklage die Rechtskraft des bereits vorhandenen Leistungsurteiles entgegensteht, erfolgen müssen.

 

Aus diesen Erwägungen wurde die Eintragung der eingangs angeführten Rechtssätze in das Judikatenbuch beschlossen.

Schlagworte
Amtswegige Wahrnehmung von Prozeßhindernissen in höherer Instanz, Bindende Entscheidung über Prozeßhindernisse, Erweiterte Rechtskraft, Rechtsnachfolge, Klage nach § 10 EO., Passivlegitimation, Nichtigkeit, amtswegige Wahrnehmung in höherer Instanz, Passivlegitimation bei der Klage nach § 10 EO., Prozeßfähigkeit Mangel, Wahrnehmung in höherer Instanz, bindende, Entscheidung, Prozeßhindernisse, Wahrnehmung in höherer Instanz, Rechtskraft erweiterte Klage des Zessionars, Rechtskraft Wahrnehmung in höherer Instanz, bindende Entscheidung, Rechtsnachfolge, Passivlegitimation bei Klage nach § 10 EO., Wirkung, der Rechtskraft eines Urteils, Rechtsweg Unzulässigkeit, Wahrnehmung in höherer Instanz, bindende, Entscheidung, Res iudicata, Wahrnehmung in höherer Instanz, bindende Entscheidung, Streitanhängigkeit Wahrnehmung in höherer Instanz, bindende Entscheidung, Unzulässigkeit des Rechtsweges, Wahrnehmung in höherer Instanz? bindende Entscheidung, Unzuständigkeit, Wahrnehmung in höherer Instanz, bindende Entscheidung, Wahrnehmung von Prozeßhindernissen in höherer Instanz, bindende, Entscheidung, Zession Passivlegitimation bei Klage nach § 10 EO., Zessionar, Rechtskraft eines Urteils gegen den Zedenten Anmerkung
Z28265
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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