TE OGH 1961/3/14 3Ob481/60

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Veröffentlicht am 14.03.1961
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Ersten Präsidenten Dr. Heller als Vorsitzenden und die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Liedermann, Dr. Machek, Dr. Berger und Dr. Überreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Antonin B*****, vertreten durch Dr. Kurt Heitler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Prof. Dipl. Ing. Heinrich L*****, vertreten durch Dr. Walter Macher, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ungültigkeit einer Erbserklärung (Streitwert S 15.000), infolge Rekurses beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 5. Oktober 1960, GZ 6 R 334/60-49, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 15. Juli 1960, GZ 13 Cg 49/60-36, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Beide Rechtsmittelwerber haben die Kosten ihrer Rechtsmittel selbst zu tragen.

Text

Begründung:

In der Verlassenschaftssache der am 7. 12. 1957 in Wien verstorbenen Jarmila St*****, 1 A 673/57 des Bezirksgerichtes Wien-Döbling, wurden ua folgende Erbserklärungen abgegeben:

a) von Prof. Dipl. Ing. Heinrich L***** unbedingt auf Grund der letztwilligen Anordnung vom 8. 12. 1957 zum ganzen Nachlass,

b) vom erbl. Bruder Ing. Antonin B***** bedingt auf Grund des erbl. Testamentes vom 29. 3. 1954, bzw 17. 7. 1956 zum ganzen Nachlass. Mit Beschluss des Abhandlungsgerichtes vom 23. 12. 1958 (ON 65) wurde gemäß §§ 125, 126 AußStrG zur Austragung des Erbrechtsstreites dem Ing. Antonin B***** die Einbringung der Klage gegen Prof. Dipl. Ing. Heinrich L***** binnen 6 Wochen aufgetragen.

Mit der am 13. 1. 1959 eingebrachten negativen Feststellungsklage begehrt der auf den Rechtsweg verwiesene Kläger die Feststellung, dass dem Beklagten Dipl. Ing. Heinrich L***** nach Jarmila St***** kein Erbrecht zustehe und die von ihm abgegebene Erbserklärung ungültig sei.

Der Erstrichter gab der Klage statt.

Unbestritten sei, dass die am 7. 12. 1957 verstorbene Jarmila St***** drei Testamente hinterlassen habe, und zwar ein Testament vom 29. 3. 1954 (Titel des Klägers), ein Testament vom 7. 4. 1957, richtig gestellt mit Bleistift in 8. 12. 1957, und eine letztwillige Verfügung auf einem Aktendeckel vom 8. 12. 1957 (Titel des Beklagten). Weiter sei unbestritten, dass es sich um unbewegliches und bewegliches Gut handle, das in Österreich gelegen sei und von den Verfügungen der Erblasserin betroffen werde.

Die letztwillige Verfügung auf dem Aktendeckel vom 8. 12. 1957 "Bibi Heinrich L***** vermache (ich) alles" trage gemäß dem Gutachten des Sachverständigen Universitätsprofessor Dr. Roland G***** keine Unterschrift und sei daher ungültig.

Im Testament vom 7. 4./8. 12. 1957 habe der maßgebende Satz ursprünglich gelautet:

"Mein ganzes Vermögen an Haus und Geld vermache ich der Anstalt für Atombomben - denn die Menschheit gehört ausgerottet!-"

In der Folge habe die Erblasserin das Wort "Geld" gestrichen und das Wort "L*****" eingefügt, sodass der Satz nunmehr lautete:

"Mein ganzes Vermögen an Haus und L***** vermache ich der Anstalt für Atombomben - denn die Menschheit gehört ausgerottet!-" Was die Erblasserin damit habe sagen wollen, sei zweifelhaft und unklar. Es sei der Erblasserin ein nach § 570 ABGB zu beurteilender Irrtum unterlaufen und es sei nicht zu ersehen, dass L***** - der Beklagte - das ganze Vermögen an Haus bekommen sollte und als Erbe eingesetzt wurde. Um zu dieser Auffassung zu kommen, wäre vor allem die Streichung der Worte "Anstalt für Atombomben - denn die Menschheit gehört ausgerottet" notwendig gewesen. Es sei erwiesen, dass die Erblasserin sprunghaft, exaltiert, misstrauisch, sensationslüstern und vom Leben enttäuscht gewesen sei. Daraus, dass die Erblasserin den ganzen Nachlass einmal der Frau T*****, dann wieder Dr. D***** und auch dem Roten Kreuz, den barmherzigen Brüdern und Dr. Sch***** habe vermachen wollen, sei zu bezweifeln, dass die Erblasserin den Dipl. Ing. L***** überhaupt als Universalerben habe einsetzen wollen. Dass er etwas bekommen sollte, hätten wohl die Zeugen bestätigt, es erscheine aber das Testament im Hinblick darauf, was sie ihm zugedacht habe, nicht schlüssig und es sei deshalb dem Klagebegehren Folge zu geben gewesen. Das Berufungsgericht hob dieses Urteil mit Rechtskraftvorbehalt auf. Die Frage der Ungültigkeit des Testaments auf dem Aktendeckel und ebenso die im Abhandlungsakt überhaupt nicht erörterte Frage eines mündlichen Testamentes der Erblasserin zugunsten des Beklagten, das vom Erstrichter verneint worden sei, sei nicht mehr Gegenstand der Berufung des Beklagten.

Beim Testament vom 7. 4./8. 12. 1957 liege an sich ein formgerechtes, nämlich eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament der Erblasserin vor (§ 578 ABGB). Nach den Feststellungen sei aber kein Irrtum der Erblasserin bei der Einsetzung des Erben im Sinn des § 570 ABGB gegeben. Es handle sich nur darum, welchen Sinn die von der Erblasserin im Testament vom 7. 4./8. 12. 1957 vorgenommene Korrektur durch die Streichung des Wortes "Geld" und die Einfügung des Wortes "L*****" habe, wie also das Testament auszulegen sei. Die Einfügung des Namens des Beklagten müsse dahin gedeutet werden, dass die Erblasserin ihn letztwillig habe bedenken wollen. Es stehe auch auf Grund von Zeugenaussagen fest, dass der Beklagte etwas habe bekommen sollen, dass also die Erblasserin die Absicht gehabt habe, den Beklagten zu bedenken, wenn auch der Erstrichter nicht als erwiesen angenommen habe, dass der Beklagte nach dem Willen der Erblasserin Universalerbe werden sollte. Eine bloße Legateinsetzung sei für den vorliegenden Rechtsstreit unerheblich. Eine Zuwendung des ganzen Nachlasses an den Beklagten könne nicht angenommen werden. Zwar könnten nach § 582 ABGB Schlusssatz zur Erläuterung des erbl. Willens auch andere Beweismittel herangezogen werden. Es sei der wahre erbl. Wille zu erforschen, doch müsse im Sinn der Rechtsprechung die Auslegung im Text der letzten Willenserklärung einen Anhaltspunkt haben. Bei Anlegung dieses Maßstabes sei zu schließen, dass durch die Streichung des Wortes "Geld" und durch die Einfügung des Wortes "L*****" unter Belassung der Einsetzung der Anstalt für Atombomben die Erblasserin durch entsprechende Aufspaltung ihres Vermögens zwei Erbportionen, nämlich Haus und Geld, habe schaffen und zwei Personen, nämlich die Anstalt für Atombomben und den Beklagten, als Erben habe einsetzen wollen. Diese beiden Erben hätte den Nachlass im Verhältnis der so ausgedrückten beiden Teile zu teilen. In dieser Richtung sei der Wortlaut der korrigierten Fassung unzweideutig, so dass es nicht erst der Erforschung des Willens der Erblasserin aus anderen Umständen bedürfe.

Es sei zwar der Standpunkt der Berufung, dass die Anstalt für Atombomben als nicht bestehende Einrichtung von selbst wegfalle, insofern richtig, als eine so benannte Anstalt nicht existiere und ein nicht existierender Erbe eine Erbschaft nicht antreten könne. Eine Erforschung des Willens der Erblasserin dahin, ob sie nicht eine bestehende Anstalt gemeint habe, erübrige sich jedoch im Hinblick darauf, dass die zum Zwecke der Ausrottung der Menschheit erfolgte Zuwendung jedenfalls sittenwidrig und daher nach § 879 ABGB - wenn auch nicht, mangels einer Bedingung, nach § 698 ABGB - nichtig sei. Wenn der Beklagte in seiner Berufung aber daraus ableiten wolle, dass deswegen er als Universalerbe anzusehen sei, übersehe er, dass nur jenen Erben ein Zuwachsrecht gemäß den §§ 560 ff ABGB zustehe, die ohne Bestimmung der Teile oder in dem allgemeinen Ausdruck der gleichen Teilung der Erbschaft berufen werden. Dies sei aber im Testament vom 7. 4./8. 12. 1957 nicht der Fall. Beiden Erben seien bestimmte Teile zugedacht, so dass der der Anstalt für Atombomben zugedachte Teil nicht dem Beklagten zuwachse. Es sei aber die Frage noch nicht geklärt (§ 182 ZPO), welcher der beiden Vermögensteile dem Beklagten zufallen sollte. Zur Klärung dieser Frage sei auch auf das Testament auf dem Aktendeckel und auf den Inhalt der Aktenmappe einzugehen. Im Übrigen habe der Erstrichter auch über die vom Kläger behauptete Sinnesverwirrung der Erblasserin bei der Testamentsverfassung keine Feststellungen getroffen. Auch mit der Frage der Berechtigung, bzw Notwendigkeit des Punktes 2 des Klagebegehrens (Ungültigkeit der Erbserklärung) werde sich der Erstrichter noch zu befassen haben.

Der Aufhebungsbeschluss wird von beiden Parteien mit Revisionsrekurs, richtig Rekurs, bekämpft, vom Kläger mit dem Antrag, unter Beschlussaufhebung das Urteil erster Instanz wiederherzustellen, vom Beklagten mit dem Antrag, unter Beschlussabänderung das Klagebegehren zur Gänze abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Keiner der beiden Rekurse ist im Ergebnis begründet. Zunächst ist darauf zu verweisen, dass das Revisionsgericht aus Anlass der Bekämpfung eines Aufhebungsbeschlusses mit Rekurs keine sofortige Entscheidung in der Sache selbst treffen könnte. Es hat nur zu überprüfen, ob und welche Gründe für die verfügte Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz vorliegen.

In der Sache selbst geht zwar das Berufungsgericht richtig davon aus, dass bei der Erforschung des wahren Willens der Erblasserin in Zweifelsfällen der Wortlaut der letzten Willenserklärung jedenfalls nicht völlig vernachlässigt werden darf, andererseits auch über den Wortlaut der Erklärung hinaus andere Beweismittel (§ 528 ABGB Schlusssatz) zur Auslegung herangezogen werden können (SZ XXV 203). Das Berufungsgericht ist zwar der Meinung, dass es nach dem Wortlaut der letztwilligen Erklärung vom 7. 4./8. 12. 1957 unklar und daher das Verfahren in der Richtung ergänzungsbedürftig sei, welcher Vermögensteil dem Beklagten nach dem Willen der Erblasserin zuzufallen habe, dass aber die Teilung des Nachlasses in zwei Erbportionen untrüglich aus dem Wortlaut der letzten Willenserklärung allein hervorgehe. Dieser Ausführung kann nicht gefolgt werden. Die vom Berufungsgericht gewählte Auslegung der letzten Willenserklärung ist nach ihrem Wortlaut nicht die einzig mögliche. Das Berufungsgericht geht selbst davon aus, dass eine bestimmte Anstalt für Atombomben nicht existiert. Es erübrigt sich auch eine Erhebung, ob nicht von der Erblasserin eine andere Anstalt mit ähnlicher Bezeichnung gemeint gewesen ist. Es muss nämlich dem insofern eindeutigen Wortlaut der letzten Willenserklärung die Absicht der Erblasserin entnommen werden, die Zuwendung an die Anstalt für Atombomben zum Zwecke der Ausrottung der Menschheit zu machen, also zur Begehung einer ebenso rechtswidrigen als unsittlichen Handlung, was der Beisetzung einer aufschiebenden unerlaubten Bedingung für die Zuwendung mit der Rechtsfolge der Ungültigkeit gleichkommt, denn die Erblasserin macht unmissverständlich den Klagserfolg von einer auf die Ausrottung der Menschheit abzielenden Handlung der bedachten Anstalt abhängig. Es braucht daher darauf, dass entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nach der Lehre die Bestimmung des § 879 ABGB auf einseitige letztwillige Erklärungen nicht anzuwenden ist nicht eingegangen zu werden.

Im vorliegenden Fall ist aber zunächst unter Heranziehung des Inhaltes des Schreibens der Erblasserin auf dem Aktendeckel mit Datum 8. 12. 1957, ferner der Zeugenaussagen über die erbl. Absicht, dem Beklagten etwas zuzuwenden, und unter Bedachtnahme auf die einleitenden Worte in der letztwilligen Erklärung vom 7. 4./8. 12. 1957 "mein ganzes Vermögen" zu prüfen, ob mit den folgenden Worten nur die Bestandteile des erbl. Nachlasses aufzählungsweise erwähnt werden sollten und ob daher die Erblasserin dem Beklagten entgegen der Ansicht der Vorgerichte nicht doch ihr ganzes Vermögen zuwenden wollte. Dabei wird zur Klarstellung des erbl. Willens auch auf die Behauptungen des Beklagten einzugehen sein, dass infolge seiner Leistungen für die Erblasserin diese einen Grund für eine solche Verfügung gehabt hätte. Keinesfalls kann gesagt werden, dass eine solche Auslegung nicht auch einen Anhaltspunkt im Text der letztwilligen Verfügung 7. 4./8. 12. 1957 hätte. Denn es wird dort, wie schon hervorgehoben, ausdrücklich von der Zuwendung des ganzen Vermögens gesprochen.

Dass in der Frage der vom Kläger behaupteten Sinnesverwirrung der Erblasserin bei der Verfassung des Testaments (§ 565 ABGB) noch eine Erörterung und Feststellungen notwendig sind, hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt.

Zur Fassung des Klagebegehrens genügt es, auf die Entscheidung im EvBl 1954 Nr 338 hinzuweisen.

Es erweisen sich daher beide Rekurse im Ergebnis als unbegründet. Die Kostenentscheidung ist in den §§ 40, 50 ZPO begründet.

Anmerkung

E76664 3Ob481.60

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1961:0030OB00481.6.0314.000

Dokumentnummer

JJT_19610314_OGH0002_0030OB00481_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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