TE OGH 1967/1/18 3Ob1/67

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Veröffentlicht am 18.01.1967
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Norm

Deutsch-Österreichischer Vollstreckungsvertrag, BGBl. Nr. 105/1960 Art6
Deutsch-Österreichischer Vollstreckungsvertrag, BGBl. Nr. 105/1960 Art7
Deutsch-Österreichischer Vollstreckungsvertrag, BGBl. Nr. 105/1960 Art8
Deutsch-Österreichischer Vollstreckungsvertrag, BGBl. Nr. 105/1960 Art10 (1)
EO §376 (1) Z3

Kopf

SZ 40/6

Spruch

Hat ein österreichisches Gericht auf Grund eines vorläufig vollstreckbaren Urteils eines Gerichtes der BRD. Exekution zur Sicherstellung bewilligt, so bildet die Aufhebung des Urteiles vor rechtskräftiger Aberkennung der Forderung keinen Grund, die Exekution zur Sicherstellung aufzuheben.

Entscheidung vom 18. Jänner 1967, 3 Ob 1/67.

I. Instanz: Exekutionsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Das Oberlandesgericht Braunschweig verurteilte den nunmehrigen Verpflichteten mit Urteil vom 26. Mai 1964 zur Zahlung des Betrages von 784.725.89 DM s. A. und erklärte das Urteil ohne Auferlegung einer Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien bewilligte auf Grund dieses Titels der betreibenden Gläubigerin hinsichtlich des Betrages von 100.000 DM und der Kosten des Exekutionsantrages gemäß § 371 EO. die Exekution zur Sicherstellung durch Pfändung und Verwahrung von Fahrnissen sowie der im § 296 EO. genannten Wertpapiere und legte der betreibenden Gläubigerin eine Sicherheitsleistung von 150.000 S auf. Am 10. März 1966 erging das Urteil des Bundesgerichtshofes, mit dem das Urteil des Oberlandesgerichtes Braunschweig aufgehoben und die Sache an dieses Gericht zur Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen wurde.

Der Verpflichtete beantragte auf Grund dieser Entscheidung Aufhebung der Exekution zur Sicherstellung (ON. 30). Die betreibende Gläubigerin sprach sich dagegen aus.

Das Erstgericht gab dem Aufhebungsantrag statt. Es verwies darauf, daß das deutsche Recht die Einrichtung der Exekution zur Sicherstellung nicht kennt, sondern die vorläufige Vollstreckbarkeit. Eine solche trete aber außer Kraft, wenn das Urteil, auf das sie gestützt ist, aufgehoben oder abgeändert wird. Wenn auch die Exekution zur Sicherstellung aus diesem Grund nur aufzuheben ist, wenn die Geldforderung dem Gläubiger rechtskräftig aberkannt wird (§ 376 (1) Z. 3 EO.), so könne diese Bestimmung hier nicht angewendet werden. Unter Berufung auf Riezler, Internationales Zivilprozeßrecht S. 512, Sperl, Zeitschrift für öffentliches Recht Band IV S. 299 ff., Sedlacek, Zeitschrift für Rechtsvergleiche 1960 S. 62 und Matscher, JBl. 1960 S. 270, führt das Erstgericht aus, es könne die ausländische Entscheidung in Österreich keine stärkeren Wirkungen hervorrufen als im eigenen Land. Da also die Aufhebung des Urteiles in Deutschland zur Beseitigung der Zwangsvollstreckung führen muß, habe dasselbe auch für das österreichische Verfahren zu gelten.

Das Rekursgericht wies den Aufhebungsantrag ab. Es führte aus, dem Vollstreckungsvertrag BGBl. 1960 Nr. 105 liege nicht allein die ältere im internationalen Zivilprozeßrecht herrschende Theorie zugrunde, daß das Urteil im Zweitstaat keine stärkeren Wirkungen haben könne als im Erststaat, sondern auch die neuere, nach der das ausländische Urteil grundsätzlich so behandelt werden müsse wie das inländische. Die Verschiedenheit der Regelung der Wirkung der Aufhebung des Titels in Deutschland und in Österreich sei darauf zurückzuführen, daß die Vorschriften betreffend die vorläufige Vollstreckbarkeit von denen über die Exekution zur Sicherstellung abweichen. Im ersteren Fall könne ja die Exekution zur Befriedigung führen. Bei letzterer werde die Exekution bis zu dem Zeitpunkt bewilligt, zu dem der Anspruch nach Rechtskraft und Ablauf der Leistungsfrist durch Zwangsvollstreckung geltend gemacht werden kann. Wenn man sich der Ansicht des Erstgerichtes anschlösse, so würde der Anwendungsbereich der Exekution zur Sicherstellung nur sehr klein sein. Aus § 376 (1) Z. 3 EO. ergebe sich, daß die bloße Aufhebung des Urteiles die Exekution zur Sicherstellung unberührt läßt.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Verpflichteten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Verpflichtete wendet sich dagegen, daß die zweite Instanz über den Antrag, die Exekution zur Sicherstellung wegen Aufhebung des Titels aufzuheben, entschieden habe, obgleich ein erstrichterlicher Beschluß hierüber nicht ergangen sei. Diese Ausführungen sind aktenwidrig, weil der erstrichterliche Beschluß eine Erledigung des Antrages des Verpflichteten ONr. 30 ist. Von Amts wegen wäre eine Aufhebung aus dem genannten Grund unzulässig, was sich aus dem einleitenden Satz des § 376 (i) EO. ergibt.

Mit Recht verweist das Rekursgericht auf die Verschiedenheit der Einrichtungen der vorläufigen Vollstreckbarkeit und der Exekution zur Sicherstellung. Man kann nicht sagen, das Urteil des Oberlandesgerichtes Braunschweig hätte nach der Ansicht der zweiten Instanz in Österreich eine stärkere Wirkung als in der Bundesrepublik Deutschland. Richtig ist, daß nach §§ 775 Z. i, 776 DZPO. im vorliegenden Fall eine bei einem deutschen Gericht geführte Zwangsvollstreckung unter Aufhebung aller Vollzugsakten aufzuheben wäre. Andererseits könnte es der Fall sein, daß die Gläubigerin bereits für ihre Forderung Befriedigung erlangt hätte, wenn die Zwangsvollstreckung in Deutschland geführt worden wäre. Der Verpflichtete wäre dann auf eine Rückforderung angewiesen. Der Umstand, daß die Exekution zur Sicherstellung dem Gläubiger weniger gibt als die Zwangsvollstreckung auf Grund eines vorläufig vollstreckbaren Urteils, bringt es aber mit sich, daß das österreichische Recht in anderer Hinsicht wieder für den Gläubiger günstiger ist.

Ein aufgehobenes Urteil bildet auch keinen Titel für eine Exekution zur Sicherstellung. Diesbezüglich besteht kein Unterschied zwischen den beiden Rechten. Gemäß Art. 6 des Vollstreckungsvertrages BGBl. Nr. 105/1960 richtet sich die Durchführung der Zwangsvollstreckung nach dem Recht des Staates, in dem vollstreckt werden soll. Nur ob die Exekution zu bewilligen ist, hängt insofern vom Recht des Erststaates ab, als die Eignung des Titels nach dessen Recht zu beurteilen ist. Im Gegensatz zur Meinung des Verpflichteten ist darauf zu verweisen, daß unter Durchführung der Zwangsvollstreckung alle Maßnahmen zu verstehen sind, die dem Exekutionsgericht obliegen. Nach Ansicht des Verpflichteten würde der aus einem deutschen Urteil Berechtigte in doppelter Weise schlechter gestellt sein. Einerseits wird ihm auf Grund eines vorläufig vollstreckbaren Urteils nicht wie in Deutschland Zwangsvollstreckung zur Hereinbringung gewährt, andererseits würde die Sicherung mit der Aufhebung des Titels, auch wenn die Geldforderung nicht rechtskräftig aberkannt worden ist, enden. Eine solche Benachteiligung besteht für aus einem österreichischen Titel Berechtigte in Deutschland nicht. Es wird ihnen zwar keine vorläufige Vollstreckbarkeit gewährt, doch sind gemäß Art. 8 (1) und Art. 10 (2) Maßnahmen der Sicherung in der vom Titelgericht nach österreichischem Recht festzusetzenden Dauer zu gewähren. Die Aufhebung eines Titels in Österreich bildet also nur bei rechtskräftiger Aberkennung der Forderung einen Grund, diese Sicherungsmaßnahmen aufzuheben. Die Ansicht des Verpflichteten würde also dazu führen, daß deutschen Titeln weniger Kraft zukäme als österreichischen, was mit der grundsätzlichen Gleichstellung beider Teile im Widerspruch stehen würde.

Zusammenfassend ist also zu sagen: Auch nach österreichischem Recht bildet ein aufgehobenes Urteil keinen Titel zur Exekution zur Sicherstellung; kraft der Vorschrift des § 376 (1) Z. 3 EO. (ähnlich wie § 39 (1) Z. 1) bildet jedoch die Beseitigung des Titels keinen Aufhebungsgrund, solange die Forderung nicht rechtskräftig aberkannt worden ist (SZ. XV 25, XV 139, XXIII 234, ZBl. 1935 Nr. 275). Mit der Kraft des Titels hat dies nichts zu tun. Nach österreichischem Recht kann zwar keine Exekution ohne wirksamen Titel bewilligt, wohl aber in gewissen Fällen, ohne daß ein solcher noch vorhanden ist, fortgesetzt werden.

Die vom Verpflichteten zitierten Belegstellen betreffen nur die Bewilligung der Exekution, nicht aber die Aufhebung der Exekution zur Sicherung in einem solchen Fall.

Anmerkung

Z40006

Schlagworte

Aufhebung eines deutschen Urteiles kein Grund zur Aufhebung der, Exekution zur Sicherstellung, Ausländischer Exekutionstitel, Aufhebung des deutschen Urteiles kein, Grund zur Aufhebung der Exekution zur Sicherstellung, Deutsch-österr. Vollstreckungsvertrag BGBl. Nr. 105/1960, Exekution zur Sicherstellung, ausländischer Titel, Aufhebung eines, deutschen Urteiles kein Grund zur Aufhebung der -

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1967:0030OB00001.67.0118.000

Dokumentnummer

JJT_19670118_OGH0002_0030OB00001_6700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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