TE OGH 1971/5/12 7Ob56/71

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Veröffentlicht am 12.05.1971
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Norm

ABGB §879 Abs2 Z4
ABGB §936 letzter Satz
ZPO §228

Kopf

SZ 44/71

Spruch

Das neben dem Begehren auf Feststellung der Ungültigkeit des Hauptvertrages gestellte Begehren auf Feststellung der Ungültigkeit des Vorvertrages ist abzuweisen, wenn der Vorvertrag sowohl bei Gültigkeit des Hauptvertrages als auch bei dessen Ungültigkeit - in letzterem Fall zufolge § 936 letzter Satz ABGB - seine Wirksamkeit verloren hat

Zur Frage des Tatbestandes des Wuchers iS des § 670 Abs 2 Z 4 ABGB

OGH 12. 5. 1971, 7 Ob 56/71 (OLG Linz 3 R 237/70; HG Linz 10 Cg 902/68)

Text

Die Parteien schlossen am 23. 11. 1955 einen Vorvertrag, laut welchem sich der Kläger zur Abdeckung verschiedener Verbindlichkeiten bereit erklärte, dem Beklagten Anteile seiner Beteiligung an der Firma Alois K OHG in Linz, Hgasse 3, zu übertragen, und sich dabei "vorstellte", daß hiefür maximal 7% Anteile abzutreten sein würden. Mit Vertrag vom 25. 7. 1956 übertrug der Kläger dem Beklagten sodann 14% seiner Anteile an der genannten offenen Handelsgesellschaft zum Preis von S 325.000.-.

Der Kläger begehrte die Feststellung der Ungültigkeit des Vertrages vom 25. 7. 1956 und später auch des Vorvertrages vom 23. 11. 1955, wobei im Hinblick auf seine Revisionsausführungen nur mehr die behaupteten Anfechtungsgrunde der Sittenwidrigkeit und des Wuchers zu untersuchen sind. Hiezu brachte der Kläger im wesentlichen vor, der Beklagte - sein Schwager -, welcher damals Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft ohne Kapitalanteil und Geschäftsführer gewesen sei, habe seine kaufmännische Unerfahrenheit, seine Vertrauensseligkeit und seine damalige finanzielle Zwangslage dazu ausgenützt, um entgegen den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages 14% seiner Anteile an der Gesellschaft zum bloßen Buchwert von S 325.000.- zu erwerben, obwohl der tatsächliche Wert dieser Anteile S 1.680.000.- betragen habe.

Der Beklagte bestritt dieses Vorbringen und beantragte Klagsabweisung.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es von folgendem wesentlichen Sachverhalt ausging:

Die Firma Alois K wird seit 1943 als offene Handelsgesellschaft betrieben, zunächst waren Robert W, der Vater des Klägers, mit 51%, der Kläger mit 15% und seine beiden Schwestern Elfriede E und Hilde C mit je 17% Kapitalanteilen beteiligt. Nach dem Inhalt von P 14 des abgeschlossenen Gesellschaftsvertrages ist ein ausscheidender Gesellschafter nach dem tatsächlichen Wert seiner Anteile abzufinden.

Im Jahre 1952 starb Robert W, sein Gesellschaftsanteil ging auf seine drei Kinder über, so daß dem Kläger 32% und seinen beiden Schwestern je 34% der Anteile gehörten. Der Beklagte und dessen Gattin Elfriede E wurden zu Geschäftsführern bestellt, außerdem trat der Beklagte, zunächst ohne Kapitalanteil, als Gesellschafter in die offene Handelsgesellschaft ein.

Der Kläger war bis zum Tod seines Vaters im Lagerhaus der Firma vorwiegend mit Schreibarbeiten beschäftigt. Nachher arbeitete er praktisch nicht mehr in der Firma, bezog aber trotzdem in den Jahren 1953 bis 1957 13mal jährlich ein Gehalt von S 2210.-.

Schon Robert W hatte dem Kläger wegen seiner hohen Privatentnahmen aus der Firma Vorhalte gemacht. Nach seinem Tod forderte der Beklagte den Kläger immer wieder auf, seine Privatentnahmen einzuschränken. Mit Schreiben vom 13. 2. 1953 teilte der Beklagte allen Gesellschaftern mit, daß er sich veranlaßt sehe, deren Privatentnahmen mit höchstens S 3000.- monatlich festzusetzen. Der Kläger hielt sich jedoch nicht daran. Schließlich teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 2. 6. 1955 mit, daß sein Konto mit S 40.835.- überzogen sei und allein die ratenweise Einkommensteuerzahlung noch im Jahr 1955 eine zusätzliche Belastung von S 72.690.- ergeben werde. Er verlangte daher vom Kläger eindringlich mehr Zurückhaltung hinsichtlich der Privatentnahmen und erklärte, daß im Jahr 1955 "weitere Abhebungen und Überweisungen" - nach dem Text von Beilage 9 allerdings "besondere Abhebungen und Überweisungen" - nicht mehr möglich sein würden.

Die hohen Privatentnahmen und der wachsende Schuldenstand - die diesbezüglichen Betragsfeststellungen des Erstgerichtes sind durch abweichende Feststellungen des Berufungsgerichtes überholt - veranlaßten den Kläger zur Äußerung des "Wunsches", einen Teil seiner Kapitalanteile an den Beklagten abzugeben, wobei ihm vom Kaufpreis nach Abdeckung des Debetsaldos bei der Firma und gewisser privater Schulden noch S 25.000.- bar übrig bleiben sollten. Er stellte sich dabei vor, daß hiezu maximal 7% Anteile nötig sein würden. Allerdings wurde zwischen den Parteien über diese Frage nicht gesprochen, ebensowenig über die Art der Wertermittlung. Der Beklagte regte lediglich die Beiziehung des Buchsachverständigen und Wirtschaftstreuhänders Ferdinand L an, der als Steuerberater der Firma fungierte und auch deren Bilanzen erstellte. Daraufhin betraute der Kläger aus freien Stücken Ferdinand L mit der Angelegenheit, von diesem stammt auch das Konzept für den Vorvertrag vom 23. 11. 1955, der von den Parteien ohne weitere Diskussion unterfertigt wurde. Inhaltlich dieses Vorvertrages wurde die Abtretung von Anteilen des Klägers ohne Fixierung ihrer Höhe, jedoch unter Hinweis auf dessen Vorstellung, daß hiezu maximal 7% notwendig sein würden, an den Beklagten vereinbart. Die Errechnung des Anteilswertes übertrug der Kläger dem Buchsachverständigen L, der ihn aus dem bücherlichen Jahresabschluß zum 31. 12. 1955 unter der Voraussetzung der Verwertung der Schillingseröffnungsbilanz zum 1. 1. 1955 ermitteln sollte, wobei sich der Kläger zur Anerkennung der auf diese Weise ermittelten Anteilswerte "bereit" erklärte. Der Kläger hatte bis dahin an den Gesellschafterversammlungen teilgenommen, bei welchen die in Ausfertigung allen Gesellschaftern zugemittelten Bilanzen erläutert wurden. Auch die Schillingseröffnungsbilanz zum 1. 1. 1955 wurde - nach der Aktenlage erst später (laut Beilage 18 am 2. 7. 1956) - auf diese Weise erläutert.

Wegen der Art der Wertermittlung sprach der Kläger in der Folge wiederholt bei Ferdinand L vor, der auch den Vertrag vom 25. 7. 1956 verfaßte. Die darin vereinbarte Übertragung von 14% Anteilen - also das Doppelte dessen, was sich der Kläger laut Vorvertrag als maximal vorgestellt hatte - ergab sich durch weitere zwischenzeitige Barentnahmen, weitere Steuerbelastungen und eine höhere Barleistung als ursprünglich vorgesehen. In diesem Vertrag wurde 1% Anteilswert entsprechend dem bücherlich ausgewiesenen Kapitalkonto zum Stichtag 31. 12. 1955 mit S 23.250.- bewertet.

Der Kläger sorgte im Jahre 1956 sowohl für seine nicht berufstätige Gattin als auch für seine beiden Töchter E und die im Jahre 1936 geborene S, welche den von ihr erlernten Schneiderberuf infolge eines Augenleidens hatte aufgeben müssen und damals auf Kosten des Klägers als Masseuse ausgebildet wurde.

Neben den Gesellschaftsanteilen besaß der Kläger am 25. 7. 1956 das Haus L, Lstraße 8, das ihm nach dem Tod seines Vaters im Erbweg zugefallen war und von ihm mit seiner Familien bewohnt wurde. Wegen der Errichtung einer infolge Bombenschadens erforderlichen Stützmauer war der Kläger der Firma K die Rückzahlung eines Darlehens von S 45.000.- schuldig, außerdem war die Liegenschaft im Jahre 1956 mit S 58.198.16 belastet. Nach Abschluß des gegenständlichen Vertrages, nämlich am 22. 9. 1956, übergab der Kläger diese Liegenschaft an seine Gattin, in der Folge wurde die Liegenschaft nach Aufnahme weiterer Hypotheken im Juli 1960 um S 360.676.- versteigert.

Der Beklagte hat den Kläger in keiner Weise zum Abschluß des Vorvertrages vom 23. 11. 1955 bzw des Vertrages vom 25. 7. 1956 veranlaßt.

Bei diesem Sachverhalt führte das Erstgericht aus, beide Verträge seien weder wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten noch wegen Wuchers ungültig, auf die Frage eines allfälligen auffallenden Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung sei wegen Fehlens der übrigen für die Annahme eines wucherischen Geschäftes erforderlichen Voraussetzungen nicht einzugehen.

Das Berufungsgericht bestätigte in der Hauptsache die Entscheidung des Erstgerichtes, wobei es aussprach, daß der Wert des Streitgegenstandes den Betrag von S 15.000.- übersteigt.

Nach den berichtigenden bzw zusätzlichen Feststellungen des Berufungsgerichtes wies das Kapitalkonto des Klägers mit Ende 1954 ein Guthaben von S 76.857.89 und mit Ende 1955 einen Debetsaldo von S 98.954.52 auf. Seine über die Gehaltsüberweisungen hinausgehenden Privatentnahmen ohne Berücksichtigung der Steuerbelastungen betrugen im Jahr 1953 S 105.619.39, 1954 S 167.684.09 und 1955 S 130.084.77. Die von der offenen Handelsgesellschaft getragenen Steuerbelastungen, welche naturgemäß den Debetsaldo des Klägers weiter vergrößerten, betrugen im Jahre 1953 rund S 54.000.-, 1954 rund S 8500.- und 1955 rund S 130.000.-. Der Gewinnanteil des Klägers auf Grund seiner Kapitalanteile von 32% betrug im Jahr 1953 S 219.535.79, 1954 135.281.96 und 1955 S 67.025.55.

Im übrigen übernahm das Berufungsgericht die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen als unbedenklich.

Bei diesem Sachverhalt vertrat auch das Berufungsgericht die Auffassung, daß das Vorliegen eines wucherischen Geschäftes auch ohne Feststellung des tatsächlichen Wertes der vom Kläger mit Vertrag vom 25. 7. 1956 verkauften Anteile verneint werden könne und trat der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes mit dem Beifügen bei, daß dem Begehren auf Feststellung der Ungültigkeit des Vorvertrages das Rechtsschutzbedürfnis fehle.

Der Oberste Gerichtshof wies das Begehren auf Feststellung der Ungültigkeit des Vorvertrages ab, hob jedoch in Ansehung des Begehrens auf Feststellung der Ungültigkeit des Hauptvertrages die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Sache in diesem Umfang zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision ist teilweise gerechtfertigt.

Hinsichtlich des Begehrens auf Feststellung der Ungültigkeit des Vorvertrages vom 23. 11. 1955 pflichtet der Oberste Gerichtshof der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes aus der Erwägung bei, daß dieser Vorvertrag sowohl bei Gültigkeit des Hauptvertrages vom 25. 7. 1956, als auch bei dessen Ungültigkeit - in letzterem Fall zufolge § 936 letzter Satz ABGB - seine Wirksamkeit verloren hat. Hinsichtlich dieses Begehrens fehlt somit tatsächlich das für jede Klage erforderliche Rechtsschutzinteresse. Die Abweisung des diesbezüglichen Klagebegehrens war daher als Teilurteil zu bestätigen.

Hinsichtlich des Vertrages vom 25. 7. 1956 ist den Vorinstanzen insoweit beizupflichten, als für die Art der Wertermittlung bei Veräußerung von Gesellschaftsanteilen grundsätzlich Vertragsfreiheit besteht (ebenso MietSlg 16.139 ua), der gegenständliche Vertrag also nicht deshalb ungültig ist, weil eine vom Gesellschaftsvertrag abweichende Art der Wertermittlung vereinbart wurde.

Im übrigen ist jedoch eine verläßliche Entscheidung über die behauptete Ungültigkeit des Vertrages vom 25. 7. 1956 ohne Feststellung des Verhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung hier aus folgenden Gründen nicht gewährleistet.

Zum Tatbestand des Wuchers iS des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB sind, wie bereits die Vorinstanzen im grundsätzlichen richtig erkannten, drei Voraussetzungen erforderlich: Erstens ein auffallendes - objektives - Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung zur Zeit des Vertragsabschlusses; zweitens unwirtschaftliche Eigenschaften des Bewucherten, welche im Gesetz nur beispielsweise aufgezählt sind und verhindern, daß er seine Interessen entsprechend wahrnimmt; drittens die Ausbeutung durch den Wucherer, also die Ausnützung der durch die beiden ersten Voraussetzungen entstandenen, für ihn günstigen und den Partner ungünstigen Lage, ohne daß er zu deren Herbeiführung etwas beigetragen haben müßte vgl Gschnitzer in Klang[2] IV/1203 bis 207, Ehrenzweig[2], II/1 171 bis 173, SZ 27/19, MietSlg 20.076 ua).

Sofern die vom Kläger behauptete erste Voraussetzung zutreffen sollte, hätte sie ihre Ursache in der vereinbarten Wertermittlung nach dem bloßen Buchwert auf Grund der Schillingseröffnungsbilanz zum 1. 1. 1955. Diesbezüglich geht der im Vertrag vom 25. 7. 1956 vereinbarte Preis auf den Vorvertrag vom 23. 11. 1955 zurück, welcher die beschriebene Art der Wertermittlung festlegte, und zwar aktenkundig zu einem Zeitpunkt, in welchem die Schillingseröffnungsbilanz noch gar nicht erstellt war (laut Beilage 11 geschah dies am 24. 5. 1956). Es steht nun zwar fest, daß der Buchsachverständige Ferdinand L den Vorvertrag vom 23. 11. 1955 samt der darin enthaltenen Wertermittlungsvereinbarung konzipierte. Damit ist jedoch nicht, zumindest nicht ausdrücklich, als festgestellt anzusehen, daß auch die Idee zu dieser Form der Wertermittlung von ihm herrührte. Rein abstrakt hätte diese Idee sowohl von Ferdinand L als auch von einer der Parteien ausgehen können. Konkret scheidet nach den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen der Beklagte hiefür aus (obwohl es von der Sache her naheliegend gewesen wäre, daß diese Vertragsbestimmung auf ihn zurückzuführen ist). Vom langjährigen Steuerberater der Gesellschaft, welcher auch deren Bilanzen erstellte, ist wohl vorauszusetzen, daß er am 23. 11. 1955 einerseits den ungefähren tatsächlichen Wert der Gesellschaft und ihrer Kapitalanteile kannte, andererseits ihm die Bestimmungen des Gesetzes BGBl 1954/190 so weit geläufig waren, daß er die sich auf Grund der erst zu erstellenden Schillingseröffnungsbilanz ergebenden Wertansätze wenigstens einigermaßen überblicken konnte. Je krasser nun ein allfälliges Mißverständnis zwischen den beiden genannten Werten als gegeben angenommen werden müßte, desto unwahrscheinlicher würde es, daß Ferdinand L von sich aus ohne Zuziehung der Parteien die erwähnte Bestimmung in den Vorvertrag vom 23. 11. 1955 aufgenommen hätte, es sei denn, man würde ihm ein frauduloses Verhalten zum Nachteil des Klägers unterstellen, welches jedoch von keiner Seite behauptet wurde und für welches nach der bisherigen Aktenlage auch keinerlei Motiv ersichtlich wäre.

Somit verbleibt als dritte Möglichkeit, daß der Kläger selbst diese Form der Wertermittlung initiierte oder zumindest einen diesbezüglichen Vorschlag des Ferdinand L bereitwillig akzeptierte (möglicherweise in der Vorstellung, daß gemäß dem Gesetz BGBl 1954/190 ohnedies die tatsächlichen Werte in die Schillingseröffnungsbilanz aufgenommen würden).

Daß der Kläger schon damals über das erwähnte Gesetz und seine Auswirkungen informiert gewesen wäre, wurde von den Vorinstanzen nicht festgestellt und ist auch nicht anzunehmen.

Schon an sich bildet es nun ein Indiz für die geschäftliche Unerfahrenheit eines Vertragspartners, wenn er sich zu einer Preisermittlung auf Grund ihm unbekannter Ermittlungsfaktoren bereit findet. Je krasser der dadurch ermittelte Preis vom tatsächlichen Wert des Kaufgegenstandes abweicht, umso gewichtiger wird dieses Indiz. Da wie bereits festgehalten wurde, die Preisgestaltung im Vertrag vom 25. 7. 1956 eindeutig auf den Vorvertrag vom 23. 11. 1955 zurückgeht, ist somit zur verläßlichen Beurteilung der geschäftlichen Unerfahrenheit des Klägers die Feststellung erforderlich, ob und bejahendenfalls in welchem Maße beim Vertrag vom 25. 7. 1956 ein auffallendes Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestand (vgl hiezu auch SZ 27/19 ua). Der Umstand, daß dem Kläger jeweils die vorausgegangenen, aber nicht nach dem Gesetz BGBl 1954/190 erstellten Bilanzen erläutert wurden, bildet somit entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichtes kein Argument gegen die Annahme einer geschäftlichen Unerfahrenheit des Klägers bei Abschluß des gegenständlichen Vertrages. Dasselbe gilt von der vom Berufungsgericht zum 31. 12. 1955 vorgenommenen Berechnung der Verbindlichkeiten des Klägers. Denn einerseits wäre diese Berechnung richtig zum 23. 11. 1955 anzustellen gewesen, was beispielsweise durch Ausschaltung des erst zum 31. 12. 1955 ausgewiesenen Gewinnanteiles von rund S 67.000.- zu einer Erhöhung des Schuldenstandes - zumindest in der Vorstellung des Klägers am 23. 11. 1955 - hätte führen können. Andererseits kann, sofern die vom Kläger nunmehr mit S 120.000.- pro Anteilsprozent behauptete Bewertung nur einigermaßen zutreffen sollte, je nach Höhe dieses tatsächlichen Wertes gerade aus der Berechnung des Berufungsgerichtes abgeleitet werden, daß der Kläger bei seiner im Vorvertrag vom 23. 11. 1955 niedergelegten Vorstellung vom tatsächlichen Wert seiner Gesellschaftsanteile keine Ahnung hatte, was gleichfalls ein Indiz für seine Unerfahrenheit darstellt.

Im übrigen bestand zwar nach den insoweit zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes für den Kläger objektiv keine Zwangslage, dagegen reichen die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanzen nicht aus, um auch das Vorliegen einer subjektiven Zwangslage verläßlich verneinen zu können. Da eine subjektive Zwangslage zur Erfüllung der zweiten der oben angeführten Voraussetzungen des Wuchertatbestandes genügt (ebenso Gschnitzer und Ehrenzweig je aaO, JBl 1961, 417 ua) und bei Behauptung des Bestehens einer Zwangslage die erwähnte Voraussetzung nur verneint werden kann, falls nicht einmal eine subjektive Zwangslage besteht, also auch deren Erörterung entgegen den Ausführungen der Revisionsbeantwortung nicht nur nicht gegen das Neuerungsverbot verstößt, sondern bei einem abweisenden Erkenntnis wegen Verneinung der erwähnten Voraussetzungen sogar unumgänglich nötig ist, sind die tatsächlichen Feststellungen auch in dieser Hinsicht zu ergänzen.

Schließlich kann ohne Kenntnis des tatsächlichen Wertes der vom Kläger mit Vertrag vom 25. 7. 1956 verkauften Gesellschaftsanteile auch nicht beurteilt werden, ob auf Seiten des Beklagten eine Ausbeutung vorliegt. Wie bereits festgehalten wurde, brauchte der Beklagte die für den Kläger ungünstige Situation nicht herbeigeführt, sondern sie lediglich - zu seinem eigenen Vorteil - ausgenützt zu haben, wobei es nach der Rechtsprechung genügt, daß ihm das hier behauptete auffallende Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung hätte bekannt sein müssen (ebenso SZ 8/181, Arb 8022 ua, vgl auch Ehrenzweig aaO). Je krasser das somit auch zur Beurteilung dieser Frage festzustellende angebliche Mißverhältnis tatsächlich bestehen sollte, desto gewichtiger wären die Anhaltspunkte für die Annahme, daß dem Beklagten als mehrjährigem Geschäftsführer der Gesellschaft dieses Mißverständnis auch bekannt sein mußte.

Im übrigen könnte für den Fall der Feststellung eines ausnehmend krassen Mißverhältnisses selbst ohne das Vorliegen unwirtschaftlicher Eigenschaften des Klägers unter Umständen eine Ungültigkeit des Vertrages vom 25. 7. 1956 gemäß § 879 Abs 1 ABGB in Frage kommen (vgl SZ 41/32, EvBl 1969/282 ua; als zusätzliches Merkmal für die - nur bei etwaiger Feststellung eines ausnehmend krassen Mißverhältnisses gerechtfertigte - Annahme eines dem Rechtsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widersprechenden Vertrages - vgl SZ 27/19, 38/217 ua - käme hier der Umstand in Betracht, daß der Beklagte am 25. 7. 1956 Geschäftsanteile zum Buchwert per 31. 12. 1955 erwarb, wobei nach dem Vertragsinhalt die seit diesem Stichtag vom Kläger vorgenommenen Abhebungen auf den Kaufpreis angerechnet wurden, während der für diesen Zeitraum von fast sieben Monaten in Betracht kommende, vermutlich nicht unbeträchtliche Gewinnanteil vollkommen außer Anschlag blieb).

Aus allen diesen Gründen erweist sich zur verläßlichen Beurteilung der behaupteten Ungültigkeit des Vertrages vom 25. 7. 1956 in erster Linie die Feststellung des tatsächlichen Wertes der mit diesem Vertrag vom Kläger verkauften Gesellschaftsanteile als unerläßlich. Das Aufgreifen dieses Feststellungsmangels ist entgegen den Ausführungen der Revisionsbeantwortung keineswegs unzulässig, weil der in der Revisionsbeantwortung zitierte Rechtssatz über die Unzulässigkeit einer weiteren Rüge der vom Berufungsgericht bereits verneinten Verfahrensmängel erster Instanz nur bei rechtlich richtiger Beurteilung der Sache durch die zweite Instanz gilt, also im vorliegenden Fall nicht herangezogen werden kann. Ebenso hindert das spätere gänzliche Ausscheiden des Klägers aus der Gesellschaft auf Grund eines weiteren, von ihm nicht angefochtenen Vertrages keinesfalls die mögliche Feststellung der Ungültigkeit des Vertrages vom 25. 7. 1956.

Da es zur Vornahme der Feststellung des tatsächlichen Wertes der verkauften Gesellschaftsanteile am 25. 7. 1956 offenbar einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, war gemäß § 510 Abs 1 letzter Satz ZPO in Ansehung des Vertrages vom 25. 7. 1956 sowohl das Urteil des Berufungsgerichtes als auch jenes des Erstgerichtes aufzuheben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Anmerkung

Z44071

Schlagworte

Feststellungsklage, Ungültigkeit eines Vorvertrages, Rechtsschutzinteresse, Feststellung der Ungültigkeit eines Vorvertrages, Vorvertrag, Feststellung der Ungültigkeit, Wucher, Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1971:0070OB00056.71.0512.000

Dokumentnummer

JJT_19710512_OGH0002_0070OB00056_7100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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